Landessozialgericht Niedersachsen-Bremen
Urt. v. 30.11.2011, Az.: L 3 U 220/10
Bibliographie
- Gericht
- LSG Niedersachsen-Bremen
- Datum
- 30.11.2011
- Aktenzeichen
- L 3 U 220/10
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 2011, 45138
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- [keine Angabe]
Verfahrensgang
- vorgehend
- SG - 03.08.2010 - AZ: S 16 U 114/07
Rechtsgrundlagen
- § 200 Abs 2 Halbs 1 SGB 7
- § 67c Abs 1 S 1 SGB 10
- § 84 Abs 2 S 1 SGB 10
Amtlicher Leitsatz
Leitsatz
§ 200 Abs 2 Halbs 1 SGB VII räumt den Versicherten kein Recht ein, selbst Sachverständige zur Durchführung eines Gutachtens vorzuschlagen.
Tenor:
Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Braunschweig vom 3. August 2010 aufgehoben.
Die Klage wird abgewiesen.
Kosten sind in beiden Rechtszügen nicht zu erstatten.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Die Klägerin begehrt die Löschung von Gutachten aus der Verwaltungsakte der Beklagten.
Sie verunglückte am 27. Juni 1998 beim Kirschenpflücken und zog sich dabei eine komplexe Beckenfraktur links und eine Radiusfraktur links zu. Die Beklagte erkannte den Unfall mit Bescheid vom 28. Mai 1999 als Arbeitsunfall an und gewährte zunächst eine Verletztenrente iHv 30 vH der Vollrente.
Am 15. November 2002 beantragte die Klägerin durch ihren damaligen Bevollmächtigten bei der Beklagten die Überprüfung der Rentenhöhe, weil sich die Unfallfolgen verschlimmert hätten. Mit Schreiben vom 4. Februar 2003 benannte die Beklagte drei unfallchirurgische Gutachter - Prof. Dr. F. in Magdeburg, Prof. Dr. G. in Hannover und Prof. Dr. H. in Braunschweig - und bat die Klägerin, einen dieser Gutachter auszuwählen. Nach einer in der Verwaltungsakte der Beklagten enthaltenen Gesprächsnotiz teilte der Bevollmächtigte der Klägerin daraufhin mündlich mit, die Begutachtung solle bei Dr. F. stattfinden. Dieser erstattete das Gutachten vom 25. März 2003, in dem er die jetzt bestehende Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) auf 20 vH schätzte. Die Beklagte holte hierzu die fachchirurgische Stellungnahme des Chirurgen Dr. I. vom 26. Mai 2003 ein, der ebenfalls eine unfallbedingte MdE von 20 vH für angemessen hielt.
Mit Bescheid vom 28. Mai 2003 lehnte die Beklagte eine Erhöhung der Verletztenrente ab. Mit weiterem Bescheid vom 21. Juli 2003 setzte sie die Verletztenrente auf nur noch 20 vH der Vollrente fest. Die hiergegen eingelegten Widersprüche der Klägerin wurden mit Widerspruchsbescheiden vom 28. Januar 2004 zurückgewiesen. Hiergegen erhob die Klägerin vor dem Sozialgericht (SG) Braunschweig Klage; das unter dem Aktenzeichen S 16 U 28/04 laufende Klageverfahren ruht zurzeit.
Mit Schreiben vom 12. Juli 2006 beantragte die Klägerin bei der Beklagten, das Gutachten von Prof. Dr. F. und (ua) die gutachterliche Stellungnahme nach Aktenlage von Dr. I. vom 26. Mai 2003 nach § 84 Abs 2 Sozialgesetzbuch Zehntes Buch (SGB X) zu löschen. Denn die Beklagte habe sie entgegen den Vorschriften der §§ 13, 14 und 16 Abs 3 Sozialgesetzbuch Erstes Buch (SGB I) zu keinem Zeitpunkt auf ihr Recht hingewiesen, selbst geeignete Gutachter vorzuschlagen. Auch die gutachterliche Stellungnahme von Dr. I. erfülle in diesem Zusammenhang die Tatbestandsvoraussetzungen eines Gutachtens iSd § 200 Abs 2 Sozialgesetzbuch Siebtes Buch (SGB VII). Im Hinblick auf beide Gutachten bestehe ein absolutes Verwendungs- und Verwertungsverbot gem § 84 Abs 2 SGB X. Mit Bescheid vom 19. Juni 2007 lehnte die Beklagte den Löschungsantrag ab. Zur Begründung führte sie aus, dass bei einem Verstoß gegen das Gutachterauswahlrecht und das Vorschlagsrecht eines eigenen Gutachters von der Unbeachtlichkeit der Verstöße gem § 42 S 1 SGB X auszugehen sei. Der hiergegen eingelegte Widerspruch der Klägerin - zu deren Begründung sie sich ua auf Ausführungen des Bundesbeauftragten für den Datenschutz und die Informationsfreiheit berief - blieb erfolglos (Widerspruchsbescheid vom 2. August 2007).
Hiergegen hat die Klägerin am 21. August 2007 Klage vor dem SG Braunschweig erhoben. Zur Begründung ihrer Klage ist sie davon ausgegangen, dass § 200 Abs 2 SGB VII auch ein Recht des jeweiligen Versicherten auf Vorschlag eines eigenen Sachverständigen beinhaltet. Erfolge eine Gutachtenerhebung unter Verletzung dieser dem Datenschutz dienenden Vorschrift, sei sie rechtswidrig. Rechtswidrig erhobene Daten dürften aber nicht weiter verwendet werden, wie mittlerweile auch das Bundessozialgericht (BSG) entschieden habe (Hinweis auf die Entscheidung vom 5. Februar 2008 - B 2 U 8/07 R). Weiterhin könne sich die Beklagte nicht auf die telefonisch getroffene Gutachterauswahl durch den Bevollmächtigten der Klägerin berufen, weil die Ausübung des informationellen Selbstbestimmungsrechts eine höchstpersönliche Angelegenheit und eine Vertretung durch berufsmäßige Bevollmächtigte deshalb unzulässig sei. Auch die Stellungnahme von Dr. I. sei schließlich nicht verwertbar, weil sie auf der Grundlage eines mit der Beklagten abgeschlossenen Werkvertrags erstellt worden und als echtes Gutachten anzusehen sei.
Mit Urteil vom 3. August 2010 hat das SG die angefochtenen Bescheide aufgehoben und die Beklagte verpflichtet, das Gutachten von Prof. Dr. F. vom 25. März 2003 und die Stellungnahme nach Aktenlage von Dr. I. vom 26. Mai 2003 aus den Akten zu entfernen und nicht weiter zu verwenden. Zur Begründung hat sich das Gericht auf § 84 Abs 2 S 1 SGB X gestützt und ist davon ausgegangen, dass es sich bei der Einfügung von Gutachten in die Verwaltungsakte um die Speicherung von Sozialdaten iSd § 67 Abs 6 S 2 Nr 1 SGB X handele. Die Speicherung dieser Sozialdaten sei unzulässig gewesen, weil die Versicherten über den Wortlaut des § 200 Abs 2 Halbs 1 SGB VII hinaus das Recht hätten, einen Gutachter vorzuschlagen; hierauf sie die Klägerin durch die Beklagte rechtswidrig nicht hingewiesen worden. Da das Gutachtervorschlagsrecht sich als Ausfluss des Grundrechts auf informationelle Selbstbestimmung darstelle, unterlägen die Gutachten einem Verwendungsverbot. Dies entspreche der Bedeutung des Gutachtervorschlagsrechts, mit dem dem Versicherten die Möglichkeit gegeben werden solle, einen gewissen Einfluss auf den Ablauf des Verfahrens ausüben zu können. Als Folge der Fernwirkung des Verstoßes bei Einholung des Gutachtens bei Prof. Dr. F. sei auch die Stellungnahme von Dr. I. aus den Akten zu entfernen.
Gegen das ihr am 17. August 2010 zugestellte Urteil hat die Beklagte mit Schriftsatz vom 20. August 2010 Berufung eingelegt, die am 23. August 2010 beim LSG eingegangen ist. Ihrer Ansicht nach ist es nicht schlüssig, wenn im erstinstanzlichen Urteil ausgeführt werde, dass der Unfallversicherungsträger neben der Verpflichtung zur Nennung mehrerer Gutachter auch auf die Möglichkeit hinweisen müsse, einen eigenen Gutachter zu benennen. Denn das Gericht berücksichtige hierbei nicht, dass die Klägerin im Verwaltungsverfahren sachkundig durch Bevollmächtigte vertreten worden sei. Ob sich der Vertreter mit der Klägerin über einen geeigneten Gutachter abgestimmt und die Klägerin auf ihr eigenes Vorschlagsrecht hingewiesen habe, könne nicht von der Beklagten geprüft werden. Dass sie die Klägerin im Verwaltungsverfahren nur über den Zweck des Gutachtens informiert, drei Gutachter benannt und auf das Widerspruchsrecht nach § 76 Abs 2 SGB X hingewiesen habe, habe der zum damaligen Zeitpunkt gängigen Verwaltungspraxis innerhalb der gesetzlichen Unfallversicherung entsprochen.
Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Braunschweig vom 3. August 2010 aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Die Klägerin beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Ergänzend zu ihrem erstinstanzlichen Vorbringen weist sie den Vortrag der Beklagten zurück, das Unterbleiben des Hinweises auf ein eigenes Vorschlagsrecht habe der damaligen Verwaltungspraxis entsprochen. Vielmehr habe auch vor dem Jahr 2003 bereits eine Reihe von Berufsgenossenschaften die Versicherten auf ihr Gutachtervorschlagsrecht hingewiesen. Weiterhin betont sie, dass allein der Sozialverband Prof. Dr. F. als Sachverständigen benannt habe; sie selbst sei aufgrund begründeten Misstrauens in die Unbefangenheit der seitens der Beklagten benannten Gutachter nicht bereit gewesen, von sich aus einen der Gutachter auszuwählen. Damit, dass die Beklagte es versäumt habe, auf das eigene Gutachtervorschlagsrecht der Klägerin hinzuweisen, habe sie gegen ihre sozialrechtlichen Beratungspflichten nach den §§ 14, 15, 16 Abs 3 und 17 Abs 1 Nr 1 SGB I verstoßen. Zu Recht sei das SG deshalb zur Annahme eines Verwendungsverbots und einer Löschungspflicht in Hinblick auf die Gutachten von Prof. Dr. F. und Dr. I. gekommen.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts sowie des Vorbringens der Beteiligten im Übrigen wird auf den Inhalt der Gerichtsakten sowie den beigezogenen Verwaltungsvorgang der Beklagten verwiesen.
Entscheidungsgründe
Die zulässige Berufung ist begründet. Das SG hat die Beklagte zu Unrecht dazu verurteilt, das Gutachten von Prof. Dr. F. und die Stellungnahme von Dr. I. aus den Akten zu entfernen und nicht weiter zu verwenden.
Die gegen den Bescheid vom 19. Juni 2007 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 2. August 2007 und auf Entfernung der streitbefangenen ärztlichen Stellungnahmen gerichtete Klage ist als Anfechtungs- und Verpflichtungsklage (BSG SozR 4-1300 § 84 Nr 1; offen gelassen in BSG SozR 4-2700 § 200 Nr 2) gem § 54 Abs 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) statthaft und auch im Übrigen zulässig. Sie ist jedoch unbegründet. Die Beklagte hat es zu Recht abgelehnt, das Gutachten von Prof. Dr. F. und die Stellungnahme von Dr. I. aus ihren Verwaltungsakten zu entfernen.
1. Grundlage für einen entsprechenden Anspruch der Klägerin wäre § 84 Abs 2 S 1 SGB X, wonach Sozialdaten zu löschen sind, wenn ihre Speicherung unzulässig ist. Das BSG hat in seiner Entscheidung vom 20. Juli 2010 (B 2 U 17/09 R - SozR 4-2700 § 200 Nr 2) näher dargelegt, dass sich hieraus ein spezialgesetzlicher Anspruch des Versicherten auf Löschung unzulässig erhobener Daten ergeben kann, wobei es unentschieden gelassen hat, ob dieser die Löschung des ganzen Gutachtens oder nur diejenige von einzelnen unzulässig gespeicherten Sozialdaten beinhaltet. Auch der Senat kann den Umfang der sich aus § 84 Abs 2 S 1 SGB X ergebenden Rechtsfolgen offen lassen. Denn die Einfügung der genannten gutachtlichen Stellungnahmen in die Verwaltungsakten der Beklagten, die ein „Speichern auf einem Datenträger“ ist, war nicht unzulässig.
Gem § 67c Abs 1 S 1 SGB X ist das Speichern von Sozialdaten durch die in § 35 SGB I genannten Stellen - hierzu gehören die Träger der gesetzlichen Unfallversicherung - zulässig, wenn es zur Erfüllung der in der Zuständigkeit der verantwortlichen Stelle liegenden gesetzlichen Aufgaben nach dem SGB erforderlich ist und es für die Zwecke erfolgt, für die die Daten erhoben worden sind. Da die Höhe der nach dem Arbeitsunfall vom 27. Juni 1998 verbliebenen MdE nur mit sachverständiger Hilfe geklärt werden kann, war es für die Beklagte erforderlich, eine ärztliche Stellungnahme einzuholen und in die Verwaltungsakte einzufügen.
2. Der Beklagten evtl bei der Auswahl der Sachverständigen unterlaufene Fehler führen nicht dazu, dass die Speicherung der umstrittenen Stellungnahme unzulässig war.
a) Im Hinblick auf die Einholung und Speicherung des Gutachtens von Prof. Dr. F. kann sich die Klägerin nicht auf eine Verletzung des § 200 Abs 2 Halbs 1 SGB VII berufen. Nach dieser Vorschrift soll der Unfallversicherungsträger vor Erteilung eines Gutachtenauftrags dem Versicherten mehrere Gutachter zur Auswahl benennen. Eine Pflicht des Versicherungsträgers, entgegen dieser Vorschrift ohne die genannte Beteiligung eingeholte Gutachten wieder aus der Akte zu entfernen, ist dem Wortlaut des § 200 Abs 2 Halbs 1 SGB VII aber nicht zu entnehmen. Ob diese Vorschrift gleichwohl so verstanden werden muss, ist vom BSG (SozR 4-2700 § 200 Nr 2) bisher offen gelassen worden.
Auch der Senat muss diese Frage nicht entscheiden; denn die Beklagte hat das Auswahlrecht der Klägerin gewahrt. In Ihrem Schreiben vom 4. Februar 2003 hat sie drei Sachverständige zur Auswahl genannt. Das Schreiben konnte sie auch an den damaligen Bevollmächtigten der Klägerin richten, weil sich die Behörde gem § 13 Abs 3 S 1 SGB X an einen für das Verfahren bestellten Bevollmächtigten wenden muss. Dementsprechend ist es auch nicht zu beanstanden, wenn die Beklagte das Gutachten von dem telefonisch vom Bevollmächtigten der Klägerin benannten Prof. Dr. F. eingeholt hat. Denn die erteilte Vollmacht ermächtigt - sofern sich aus ihrem Inhalt nicht etwas anderes ergibt - gem § 13 Abs 1 S 2 SGB X zu allen das Verwaltungsverfahren betreffenden Verfahrenshandlungen, mithin auch zur Mitteilung von Auswahlentscheidungen der vorliegenden Art. Das Auswahlrecht aus § 200 Abs 2 Halbs 1 SGB VII hat zwar höchstpersönlichen Charakter; aus der Vorschrift ist aber nicht zu ersehen, dass der Versicherte seine Entscheidung der Behörde auch persönlich mitteilen müsste.
Selbst wenn der Beklagten bei der Benennung der Sachverständigen ein Fehler unterlaufen wäre, kann dies nicht zur Unzulässigkeit der Speicherung des Gutachtens von Prof. Dr. F. führen. Denn eine mögliche Verletzung des genannten Verfahrensrechts wird nach der Rechtsprechung des BSG (aaO) unbeachtlich, wenn sie vom Versicherten nicht unverzüglich, spätestens bis zum Abschluss des jeweiligen Verwaltungsverfahrens gerügt wird. Eine Rüge des Inhalts, die Beklagte habe das Auswahlrecht der Klägerin nicht in der gebotenen Weise gewährleistet, ist im Verwaltungsverfahren jedoch nicht erhoben worden. Wie die Klägerin nunmehr vorbringt, hatte sie selbst sogar darauf verzichtet, einen der drei Gutachter auszuwählen.
b) Anders als die Klägerin - und ihr folgend das SG - meint, liegt auch keine unzulässige Speicherung von Sozialdaten vor, weil die Beklagte sie nicht auf ein Recht hingewiesen hat, selbst einen Gutachter vorzuschlagen. Ein entsprechendes Recht sieht § 200 Abs 2 Halbs 1 SGB VII nicht vor. Dies ergibt sich bereits aus dem eindeutigen Wortlaut der Vorschrift.
Aus den Gesetzesmaterialien folgt nichts anderes. Im Ausschussbericht des Bundestags vom 12. Juni 1996 ist zu § 200 SGB VII zwar ausgeführt, auch der Versicherte habe das Recht, einen oder mehrere Gutachter vorzuschlagen (BT-Drs 13/4853 S 22). Derartige Vorstellungen eines am Gesetzgebungsverfahrens beteiligten Ausschusses sind bei der Interpretation eines Gesetzes aber nur relevant, wenn sie auch im Text der Norm Niederschlag gefunden haben (Bundesverfassungsgericht <BVerfG> BVerfGE 54, 277, 298 f; 62, 1, 45; Kramer, Juristische Methodenlehre, 3. Aufl, S 139 f). Hieran fehlt es vorliegend. Die Klägerin mag die genannten Ansichten im Ausschussbericht vom 12. Juni 1996 aus datenschutzpolitischen Erwägungen zwar begrüßen. Dies kann aber nichts daran ändern, dass Rechte aus dem SGB nur durch Gesetz begründet werden können (§ 31 SGB I). In Übereinstimmung hiermit wird auch im Schrifttum ein sich aus § 200 Abs 2 SGB VII ergebendes eigenes Vorschlagsrecht des Versicherten einmütig abgelehnt (Kranig in: Hauck, SGB VII, Stand: Juni 2011, § 200 Rn 11; Bereiter-Hahn/Mehrtens, Gesetzliche Unfallversicherung, Stand: August 2011, § 200 SGB VII, Rn 4.9; Burchardt in: Becker ua, SGB VII-Komm, Stand: Juni 2011, § 200 Rn 19; Dahm in: Lauterbach, SGB VII, Stand: März 2011, § 200 Rn 18; Ricke in: Kasseler Kommentar, Stand: Juli 2011, § 200 Rn 3a). Dem hat sich inzwischen auch das BSG (aaO) angeschlossen. Zu einer entsprechenden Änderung des § 200 Abs 2 Halbs 2 SGB VII ist es schließlich - wie die Klägerin selbst einräumt - bislang nicht gekommen.
Ein spezielles Recht der Versicherten, eigene Sachverständige vorzuschlagen, lässt sich auch nicht aus dem Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung (Art 2 Abs 1 iVm Art 1 Abs 1 Grundgesetz <GG>) ableiten. Dieses gewährleistet den Schutz des Einzelnen gegen unbegrenzte Erhebung, Speicherung, Verwendung und Weitergabe seiner persönlichen Daten (grundlegend: BVerfGE 65, 1, 41 ff [BVerfG 15.12.1983 - 1 BvR 209/83]). Die Mitwirkung der Versicherten bei der Gutachterauswahl hat aber lediglich den Zweck, Bürgernähe und Transparenz des Verwaltungsverfahrens zu stärken (Kranig aaO, Rn 9). Unter Hinweis hierauf und auf den Charakter des oa Grundrechts als Abwehrrecht hat es das BSG (aaO) abgelehnt, aus dem Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung Speicherungsverbote in Fällen der vorliegenden Art abzuleiten.
Eine Möglichkeit, mit eigenen Vorschlägen auf die Auswahl des Sachverständigen Einfluss zu nehmen, steht dem Versicherten deshalb nur im Rahmen seines allgemeinen Rechts zu, sich mit Anträgen, Anregungen oder sonstigem Sachvorbringen am Verwaltungsverfahren zu beteiligen (vgl § 20 Abs 3 SGB X). Auf derartige generelle Verfahrensrechte muss die Behörde den Versicherten aber weder iSd §§ 14 ff SGB I gesondert hinweisen, noch folgt aus dem Unterbleiben entsprechender Hinweise ein Speicherungsverbot gem § 84 Abs 2 SGB X.
c) Ist es nach alledem nicht zu beanstanden, dass die Beklagte ein Gutachten von Prof. Dr. F. eingeholt und dies in die Verwaltungsakte eingefügt hat, besteht auch kein Löschungsanspruch in Hinblick auf die diesbezügliche Stellungnahme von Dr. J.. Dies gilt auch, soweit die Klägerin beanstandet, dass sie vor Einholung der Stellungnahme vom 26. Mai 2003 nicht nochmals iSd § 200 Abs 2 SGB VII beteiligt worden ist. Das dort angeführte Auswahlrecht und die Hinweise nach § 200 Abs 2 Halbs 2 SGB VII setzen voraus, dass ein Gutachten eingeholt wird, also eine eigenständige Bewertung der verfahrensentscheidenden Tatsachenfrage (BSG SozR 4-2700 § 20 Nr 1). Dr. I. hat sich im Wesentlichen aber darauf beschränkt, sich mit der Schlüssigkeit des Gutachtens von Prof. Dr. F. auseinanderzusetzen. Damit ist seine Ausarbeitung nur als beratende Stellungnahme anzusehen, für die § 200 Abs 2 SGB VII nicht gilt (BSG aaO). Selbst wenn man insoweit anderer Meinung wäre, könnte sich die Klägerin im vorliegenden Verfahren nicht mehr darauf berufen. Denn auch einen derartigen Mangel hätte sie - wie oben bereits dargelegt - bis zum Abschluss des Verwaltungsverfahrens rügen müssen.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 Abs 1 SGG.
Gründe, die Revision zuzulassen (§ 160 Abs 2 SGG), liegen nicht vor.