Landessozialgericht Niedersachsen-Bremen
Urt. v. 27.11.2019, Az.: L 3 KA 128/16

Rechtmäßigkeit einer Beratung wegen unwirtschaftlicher Behandlungsweise und unwirtschaftlicher Verordnung von Arzneimitteln; Zufälligkeitsprüfungen im Einzelfall; Kriterien für die Beurteilung der Wirtschaftlichkeit

Bibliographie

Gericht
LSG Niedersachsen-Bremen
Datum
27.11.2019
Aktenzeichen
L 3 KA 128/16
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2019, 63851
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

Verfahrensgang

vorgehend
SG Hannover - 19.10.2016 - AZ: S 78 KA 191/15

Redaktioneller Leitsatz

Bei Zufälligkeitsprüfungen im Einzelfall muss mindestens eines der gesetzlich vorgegebenen Kriterien Gegenstand der Beurteilung der Wirtschaftlichkeit sein; der Katalog des § 106 Abs. 2a SGB enthält dazu eine enumerative und nicht lediglich beispielhafte Aufzählung möglicher Beurteilungsgegenstände und die Norm ist nicht als Kann-, sondern als Ist-Bestimmung ("sind") formuliert.

Tenor:

Auf die Berufung des Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Hannover vom 19. Oktober 2016 geändert. Der Beklagte wird verurteilt, über die Wirtschaftlichkeit der vom Kläger im Jahr 2011 erbrachten Leistungen nach der Gebührenordnungsposition 10341 EBM sowie über die Wirtschaftlichkeit der im selben Jahr verordneten Arzneimittel unter Beachtung der Rechtsauffassung des Senats neu zu entscheiden. Der Kläger und der Beklagte tragen die Kosten des Berufungsverfahrens jeweils zur Hälfte mit Ausnahme der Kosten der Beigeladenen, die diese selbst tragen. Die Revision wird nicht zugelassen. Der Streitwert des Berufungsverfahrens wird auf 5.000 Euro festgesetzt.

Tatbestand

Die Beteiligten streiten über die Rechtmäßigkeit einer Beratung wegen unwirtschaftlicher Behandlungsweise und unwirtschaftlicher Verordnung von Arzneimitteln.

Der Kläger nimmt als Facharzt für Dermatologie und Allergologie an der vertragsärztlichen Versorgung in F. teil. Aufgrund einer Auswahl mittels Zufallsgenerators leitete die Prüfungsstelle Niedersachsen gegen ihn eine Prüfung der Wirtschaftlichkeit der ärztlichen und ärztlich verordneten Leistungen im Jahr 2011 auf der Grundlage einer Zufälligkeitsprüfung ein und teilte ihm dazu mit, dass im Rahmen der nach der Prüfvereinbarung durchzuführenden statistischen Durchschnittsprüfungen weitergehende Ermittlungen vorgenommen würden und überprüft werde, ob relevante Überschreitungen vorliegen (Schreiben vom 28. April 2014). Nach Auswertung der beigezogenen Abrechnungs- und Verordnungsdaten teilte die Prüfungsstelle dem Kläger mit, dass sich in Bezug auf die Arzneimittelverordnungen im Verhältnis zur Vergleichsgruppe (VG) eine Überschreitung iHv 157,43 % (Mittelwert für die Quartale I - IV/2011) ergeben habe. Zudem lägen bei der Abrechnung ärztlicher Leistungen nach den Gebührenordnungspositionen (GOPen) 10341 und 10350 des Einheitlichen Bewertungsmaßstabs für vertragsärztliche Leistungen (EBM) Überschreitungen iHv 609,07 % bzw 395,89 % (Mittelwerte für die Quartale I - IV/2011) im Vergleich zur verfeinerten Vergleichsgruppe (VVG) vor (Schreiben vom 7. Mai 2014).

Nachdem der Kläger zunächst nicht Stellung genommen hatte, setzte die Prüfungsstelle gegen ihn wegen unwirtschaftlicher Erbringung von Leistungen nach den GOPen 10341 und 10350 EBM sowie wegen unwirtschaftlicher Verordnungen von Arzneimitteln eine schriftliche Beratung fest (Bescheid vom 15. Juli 2014).

Mit seinem dagegen eingelegten Widerspruch machte der Kläger Praxisbesonderheiten geltend (überdurchschnittliche Vorsorge- und Nachsorgeuntersuchungen sowie häufige operative Eingriffe bei hellem und schwarzem Hautkrebs; Lasertherapie; Balneo-Phototherapie bei Patienten mit schwerer Psoriasis vulgaris). Hinsichtlich der Prüfung der Arzneimittelverordnungen wandte er ein, dass die zur Verfügung gestellte Arzneimittelliste nicht verwertbar sei, da darin keine konkreten Medikamente in Menge und Kostenanteil aufgeführt würden. Es könne daher nur vermutet werden, dass sich drei Gruppen von Medikamenten intensiv auswirken. Dazu gehörten die Verordnungen sogenannter "Biologicals, die bei völlig therapieresistenten Formen der Psoriasis (Praxisschwerpunkt) eingesetzt werden", die Verordnungen im Bereich des weiteren Praxisschwerpunkts in der Mykologie sowie die Verordnungen des Präparats Humira bei Patienten mit schwerer Schuppenflechte.

Mit Bescheid vom 21. April 2015 (den Prozessbevollmächtigten des Klägers zugegangen am 23. April 2015) gab der Beklagte dem Widerspruch teilweise statt und hob den Bescheid der Prüfungsstelle vom 15. Juli 2014 insoweit auf, als gegen den Kläger bezüglich der GOP 10350 EBM eine schriftliche Beratung festgesetzt wurde. Im Übrigen wies er den Widerspruch zurück und bestätigte die für die Quartale I/2011 - IV/2011 bezüglich der GOP 10341 EBM sowie wegen der Überschreitungen im Bereich der Arzneimittelverordnungen festgesetzte schriftliche Beratung. Rechtsgrundlage der Entscheidung sei § 106 Abs 2 S 1 Nr 2 Sozialgesetzbuch Fünftes Buch (SGB V) iVm den Richtlinien über die Zufälligkeitsprüfung gemäß § 106 Abs 2 S 1 Nr 2 SGB V (Richtlinien) und §§ 16 ff der Vereinbarung zur Prüfung der Wirtschaftlichkeit in der vertragsärztlichen Versorgung gemäß § 106 SGB V ab dem Jahr 2010 (Prüfvereinbarung 2010). Der Beschwerdeausschuss habe sich im Rahmen seines Ermessens für die Prüfmethode des statistischen Fallkostenvergleichs mit der Vergleichsgruppe unter Zugrundelegung der arithmetischen Mittelwerte entschieden; nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) stelle die statistische Vergleichsprüfung die Regelprüfmethode dar. Der Kläger habe die durchschnittlichen Honoraranforderungen der VVG für die GOP 10341 EBM im Prüfzeitraum um 551,22 % - 680,77 % je Fall überschritten. Unter Berücksichtigung eines Zuschlags auf den durchschnittlichen Anforderungswert der VVG von 100 % ("Toleranzgrenze") verbleibe ein unwirtschaftlicher Mehraufwand von 1,85 - 2,54 Euro je Fall. Zudem habe er die durchschnittlichen Verordnungskosten der VG für Arzneimittel um 120,65 % - 180,72 % überschritten. Bei Berücksichtigung einer Toleranzgrenze von 50 % verbleibe insoweit ein unwirtschaftlicher Mehraufwand von 18,68 - 35,74 Euro je Fall. Diese Überschreitungen seien nicht durch Praxisbesonderheiten gerechtfertigt. Die Behandlungen von Patienten mit hellem und schwarzem Hautkrebs sowie die Lasertherapie würden im Hinblick auf die VG der Dermatologen keinen atypischen Umstand darstellen. Die Behauptung überdurchschnittlicher Vorsorge- und Nachsorgeuntersuchungen sei nicht anhand von konkretem Zahlenmaterial belegt worden; konkrete Unterschiede seiner Praxis zur VG bzw VVG zeige der Kläger nicht auf. Auch fehle es an einer Begründung, warum er die Leistung nach GOP 10341 EBM in der Häufigkeit erbracht und abgerechnet hat. Sein Vortrag sei danach insgesamt zu allgemein gehalten und zu pauschal, um Praxisbesonderheiten zu begründen. Es fehle auch an nachvollziehbarem Vortrag zum jeweiligen medizinischen Zusammenhang (Kausalität), der den erhöhten Abrechnungsbedarf der GOP gegenüber der VG bzw VVG erklärt. Das gelte auch für die Verordnungen von Arzneimitteln; dabei entsprächen die zur Prüfung herangezogenen Statistiken den Vorgaben der Prüfvereinbarung. Der Kläger habe keine konkreten inhaltlichen Angaben zu den von ihm getätigten Arzneimittelverordnungen gemacht und nur allgemeine Vermutungen geäußert. Auch dieser Vortrag sei zu allgemein gehalten und damit zu pauschal, um Praxisbesonderheiten zu begründen; zudem sei auch der Vortrag zu kompensatorischen Einsparungen nicht substantiiert genug. Da es sich um eine erstmalige Stichprobenprüfung handele, erachte der Beschwerdeausschuss Honorarkürzungen für unverhältnismäßig und bestätige die von der Prüfungsstelle bezüglich der ärztlichen Verordnungen von Arzneimitteln und der abgerechneten Leistungen nach GOP 10341 EBM festgesetzte schriftliche Beratung.

Am 26. Mai 2015 hat der Kläger beim Sozialgericht (SG) Hannover Klage erhoben und dort geltend gemacht, das dem Bescheid des Beklagten nicht eindeutig zu entnehmen sei, ob sich die Anerkennung der Praxisbesonderheit aufgrund der Balneo-Phototherapie auf Psoriasis- und Neurodermitis-Patienten bezieht. In diesem Fall seien auch die Folgekosten etwa der therapiebegleitend verschriebenen Neurodermitis-Präparate anzuerkennen. Außerdem sei zu berücksichtigen, dass der Beklagte bereits im Rahmen der Richtgrößenprüfungen für die Jahre 2003, 2005 und 2006 Praxisbesonderheiten anerkannt habe (Bezugnahme auf die Bescheide vom 10. März 2011 und 26. Januar 2016). Der Kläger hat ferner sein Vorbringen zu den Praxisbesonderheiten und kompensatorischen Einsparungen ergänzt.

Mit Urteil vom 19. Oktober 2016 hat das SG den Bescheid des Beklagten vom 21. April 2015 aufgehoben und den Beklagten verpflichtet, über den Widerspruch des Klägers erneut zu entscheiden. Bei der Feststellung einer Unwirtschaftlichkeit der Leistungserbringung und der Arzneimittelverordnungen für das Jahr 2011 habe der Beklagte die Grenzen seines Beurteilungsspielraums missachtet. Er habe sich im Rahmen der Zufälligkeitsprüfung ohne weitere Darlegungen auf die Durchführung einer statistischen Durchschnittsprüfung beschränkt. Dieses Vorgehen stehe im Widerspruch zu den gesetzlichen Vorgaben des § 106 Abs 2 S 1 Nr 2, Abs 2a SGB V, die im Rahmen der Zufälligkeitsprüfung regelmäßig eine Einzelfallprüfung vorsähen. Da diese Vorgaben nicht zur Disposition der Vertragspartner auf Bundes- und Landesebene stünden, sei unerheblich, dass die Vertragspartner einen solchen Vorrang der Einzelfallprüfung nicht in die Richtlinie über die Zufälligkeitsprüfung bzw in die Prüfvereinbarung aufgenommen haben. Diesen Vorrang der Einzelfallprüfung habe der Beklagte nicht hinreichend beachtet. Zwar könnten die Prüfgremien im Einzelfall von einer gesetzlich vorgesehenen Regelprüfmethode vor dem Hintergrund des Gebots der effektiven Wirtschaftlichkeitsprüfung abweichen. Voraussetzung dafür sei aber, dass die gesetzlich vorgesehenen Prüfmethoden sich als nicht aussagekräftig oder nicht durchführbar erweisen; insoweit seien die Prüfgremien aufgrund ihres Beurteilungsspielraums grundsätzlich zu Feststellungen im Rahmen der Bescheidbegründung verpflichtet. Derartige Feststellungen habe der Beklagte nicht getroffen. Die Kammer habe im konkreten Fall auch keinerlei Anhaltspunkte dafür, dass eine Einzelfallprüfung nicht aussagekräftig bzw nicht durchführbar gewesen wäre; vielmehr biete der Klägervortrag Anknüpfungspunkte für eine (eingeschränkte) Einzelfallprüfung.

Gegen das ihm am 28. Oktober 2016 zugestellte Urteil hat der Beklagte am 24. November 2016 Berufung beim Landessozialgericht (LSG) Niedersachsen-Bremen eingelegt. Er ist der Auffassung, dass sich dem Gesetz kein Vorrang der Einzelfallprüfung entnehmen lasse. Vielmehr habe der Gesetzgeber das Wie der Prüfung im Wesentlichen den Vertragspartnern überlassen. Insofern sei es dem Beklagten auch nach der hier anwendbaren Prüfvereinbarung nicht verwehrt, die Zufälligkeitsprüfung anhand einer Prüfung nach Durchschnittswerten durchzuführen. Entgegen der Auffassung des SG sei eine solche Prüfung auch keine rein statistische Prüfung, weil stets auch eine intellektuelle Prüfung unter Berücksichtigung medizinisch-ärztlicher Gesichtspunkte durchzuführen sei. Diesen Ablauf habe der Beklagte eingehalten und sei zu dem Schluss gekommen, dass der Vortrag des Klägers nicht geeignet ist, eine Praxisbesonderheit zu begründen.

Der Beklagte beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Hannover vom 19. Oktober 2016 aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Der Kläger beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Er verteidigt die erstinstanzliche Entscheidung und nimmt auf seinen bisherigen Vortrag Bezug.

Die Beigeladenen stellen keinen Antrag.

Die Beigeladenen zu 1. und 2. schließen sich der Rechtsauffassung des Beklagten zur Zulässigkeit der statistischen Durchschnittsprüfung an. Jedoch hält die Beigeladene zu 1. den Bescheid des Beklagten aus anderen Gründen für rechtswidrig (unzureichende Sachverhaltsermittlungen im Hinblick auf die geltend gemachte besondere technische Ausstattung der Praxis und Nichtberücksichtigung von in Vorjahren anerkannten Praxisbesonderheiten).

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der Prozessakten und der beigezogenen Verwaltungsakte des Beklagten Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

Die Berufung des Beklagten ist zulässig, aber nur teilweise begründet. Das SG Hannover hat seinen Bescheid im Ergebnis zu Recht aufgehoben und ihn zur Neubescheidung verurteilt. Die Berufung hat aber insoweit Erfolg, als die der Neubescheidungsverpflichtung zugrunde gelegte Auffassung, wonach der Beklagte anstelle der statistischen Durchschnittsprüfung eine Einzelfallprüfung habe durchführen müssen, nicht zutrifft. Da der Bescheid gleichwohl aus anderen Gründen rechtswidrig ist, war das angefochtene Urteil dahingehend zu ändern, dass der Beklagte den Kläger unter Beachtung der Rechtsauffassung des Senats neu zu bescheiden hat.

A. Die Klage ist zulässig.

I. Alleiniger Klagegegenstand ist der Bescheid des Beklagten vom 21. April 2015 (zu dieser Besonderheit der vertragsärztlichen Wirtschaftlichkeitsprüfung vgl BSG, Urteil vom 29. Juni 2011 - B 6 KA 16/10 R, SozR 4-2500 § 106 Nr 31 mwN), soweit der Beklagte gegen den Kläger eine Beratung wegen unwirtschaftlicher Erbringung und Abrechnung von Leistungen nach GOP 10341 EBM sowie wegen Unwirtschaftlichkeit der Verordnung von Arzneimitteln in den Quartalen I/2011 - IV/2011 festgesetzt hat.

Diese Entscheidung ist im Berufungsverfahren allerdings nur noch insoweit streitbefangen, als die im Urteil des SG vom 21. September 2016 enthaltene Verpflichtung zur Neubescheidung Vorgaben enthält, die für den Beklagten nachteilig sind. Denn das Urteil des SG ist nur vom Beklagten mit dem Rechtsmittel der Berufung angefochten worden. Soweit im Urteil des SG ebenfalls für den Kläger nachteilige Vorgaben enthalten sind, sind diese mangels eines auch insoweit von ihm eingelegten Rechtsmittels oder im Berufungsverfahren erhobener Gegenrügen (vgl hierzu BSG, Urteil vom 16. Juli 2008 - B 6 KA 57/07 R, SozR 4-2500 § 106 Nr 19) nicht Gegenstand des Berufungsverfahrens geworden. Insoweit ist die Entscheidung rechtskräftig und damit nach § 141 Abs 1 Nr 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) sowohl für die Verfahrensbeteiligten als auch für den erkennenden Senat bindend (eingehend zur Differenzierung zwischen der Rechtskraft und der gerichtlichen Überprüfbarkeit von Neubescheidungsurteilen BSG, Urteil vom 27. Juni 2007 - B 6 KA 27/06 R, SozR 4-1500 § 141 Nr 1). Dies gilt auch insoweit, als das Gericht zu einzelnen vom Kläger erhobenen Einwendungen in den Entscheidungsgründen nicht ausdrücklich Stellung nimmt und sie damit nicht zum Inhalt seiner für die Neubescheidung maßgeblichen Rechtsauffassung macht. Denn auch in diesem Fall ist grundsätzlich davon auszugehen, dass das Gericht das klägerische Vorbringen zur Kenntnis genommen und bei seiner Entscheidung gewürdigt, ihm aber keine Maßgeblichkeit für die Neubescheidung beigemessen hat (vgl BSG aaO mwN).

Nicht mehr im Streit steht die Wirtschaftlichkeit der Behandlungsweise des Klägers in Bezug auf die Erbringung von Leistungen nach GOP 10350 EBM. Insoweit hat der Beklagte dem Widerspruch stattgegeben und die von der Prüfungsstelle festgesetzte Beratung aufgehoben. Diese Entscheidung ist von keinem der übrigen Beteiligten angefochten worden und damit in Bestandskraft erwachsen.

II. Die Klage ist als kombinierte Anfechtungs- und Verpflichtungsklage in der Sonderform der Bescheidungsklage gemäß §§ 54 Abs 1, 131 Abs 3 SGG statthaft und auch im Übrigen zulässig; sie ist insbesondere innerhalb der Klagefrist von einem Monat nach Bekanntgabe des Widerspruchsbescheids (§ 87 Abs 2 iVm Abs 1 S 1 SGG) erhoben worden.

Nachdem sich der Zeitpunkt der Aufgabe des Verwaltungsakts zur Post (zu dessen Bedeutung vgl § 37 Abs 2 S 1 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X)) der vom Beklagten vorgelegten Verwaltungsakte nicht entnehmen lässt, beginnt der Lauf der Klagefrist mit dem Tag nach dem tatsächlichen Zugang seines Bescheides bei den Prozessbevollmächtigten des Klägers, hier also am 24. April 2015 (§ 64 Abs 1 SGG). Da das Fristende bei der Fristberechnung nach § 64 Abs 2 S 1 SGG auf einen Sonnabend - hier: den Ablauf des 23. Mai 2015 - fällt, endet die Klagefrist gemäß § 64 Abs 3 SGG mit Ablauf des nächsten Werktags. Das ist vorliegend der auf einen gesetzlichen Feiertag (Pfingstmontag) folgende Tag der Klageerhebung.

B. Die Klage ist auch begründet. Der Bescheid vom 21. April 2015 ist rechtswidrig und verletzt den Kläger in seinen Rechten.

I. Entgegen der Auffassung des SG war der Beklagte allerdings nicht verpflichtet, die Prüfung der Wirtschaftlichkeit der vom Kläger erbrachten Leistungen und verordneten Arzneimittel zwingend oder auch nur vorrangig auf der Grundlage einer Einzelfallprüfung durchzuführen.

1. Rechtsgrundlage des angefochtenen Bescheids ist § 106 Abs 2 S 1 Nr 2 SGB V (idFd Gesetzes zur Reform der gesetzlichen Krankenversicherung ab dem Jahr 2000 (GKV-Gesundheitsreformgesetz 2000) vom 22. Dezember 1999, BGBl I S 2626) iVm den von der Kassenärztlichen Bundesvereinigung (KBV) und den Spitzenverbänden der Krankenkassen (GKV-Spitzenverband) vereinbarten Richtlinien (in der am 1. Juli 2008 in Kraft getretenen Fassung vom 1. August 2008, DÄ PP 10/2008, S 490) und §§ 16 - 18 der zwischen der beigeladenen Kassenärztlichen Vereinigung (KÄV) und den (Landesverbänden der) Krankenkassen und Ersatzkassen getroffenen Prüfvereinbarung 2010.

Demgegenüber bieten die Vorschriften der §§ 19 ff bzw §§ 25 ff Prüfvereinbarung 2010 - mit denen auf der Grundlage von § 106 Abs 2 S 4 SGB V (idFd Gesetzes zur Modernisierung der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV-Modernisierungsgesetz - GMG) vom 14. November 2003, BGBl I S 2190) über die in S 1 vorgesehenen Prüfungen (also auch über die Zufälligkeitsprüfungen) hinaus Prüfungen der Wirtschaftlichkeit der ärztlichen Behandlungsweise sowie der ärztlich verordneten Leistungen nach Durchschnittswerten vereinbart worden sind (zur Zulässigkeit derartiger Vereinbarungen vgl BSG, Urteil vom 9. April 2008 - B 6 KA 34/07 R, SozR 4-2500 § 106 Nr 18) - im vorliegenden Fall von vornherein keine mögliche Rechtsgrundlage für die festgesetzte Beratung. Denn derartige Prüfungen erfolgen nur auf Antrag eines Vertragspartners der Vereinbarung (§ 19 Abs 1 bzw § 25 Abs 1 Prüfvereinbarung 2010) und es ist nicht ersichtlich, dass ein derartiger Antrag gestellt worden wäre. Dementsprechend stützt der Beklagte seinen Bescheid auch allein auf die Auswahl des Klägers im Rahmen der Stichproben- bzw Zufälligkeitsprüfung nach § 106 Abs 2 S 1 Nr 2 SGB V.

2. Nach § 106 Abs 2 S 1 Nr 2 SGB V wird die Wirtschaftlichkeit der Versorgung durch arztbezogene Prüfung ärztlicher und ärztlich verordneter Leistungen auf der Grundlage von arztbezogenen und versichertenbezogenen Stichproben geprüft, die mindestens 2 vH der Ärzte je Quartal umfassen (Zufälligkeitsprüfung). Die Prüfungen nach S 1 Nr 2 umfassen neben dem zur Abrechnung vorgelegten Leistungsvolumen auch Überweisungen, Krankenhauseinweisungen und Feststellungen der Arbeitsunfähigkeit sowie sonstige veranlasste Leistungen, insbesondere aufwändige medizinisch-technische Leistungen (§ 106 Abs 2 S 3 SGB V (idFd GMG)). Gegenstand der Beurteilung der Wirtschaftlichkeit in den vertragsärztlichen Zufälligkeitsprüfungen sind die in § 106 Abs 2a Nr 1 - 5 SGB V (hier ebenfalls idFd GMG) normierten Kriterien, soweit dafür Veranlassung besteht (dazu näher unter 4.).

Mit diesen Regelungen zur Zufälligkeitsprüfung nach § 106 Abs 2 S 1 Nr 2 SGB V hat der Gesetzgeber allerdings zum einen nur die Art und Weise bestimmt, wie es zu einem Prüfungsverfahren kommt und überdies einzelne Vorgaben zum Inhalt der Prüfung gemacht. Eine Prüfmethode im eigentlichen Sinn hat er hingegen nicht normiert; die Zufälligkeitsprüfung als solche stellt daher keine Prüfmethode dar (vgl Clemens in: jurisPK-SGB V, 3. Aufl 2016, § 106 Rn 356 mwN). Etwas anderes folgt nicht daraus, dass die Zufälligkeitsprüfung in der Rechtsprechung des BSG als "Regelprüfmethode" bezeichnet worden ist (vgl Urteil vom 9. April 2008 aaO). Denn damit hat auch das BSG keine Vorgaben zur Art und Weise der Prüfung iSe Prüfmethode verbunden, sondern lediglich darlegen wollen, dass es sich um das gesetzlich vorgesehene Regelverfahren handelt (vgl dazu auch Urteil vom 28. September 2016 - B 6 KA 44/15 R, SozR 4-2500 § 106 Nr 55).

Soweit demgegenüber vereinzelt die Auffassung vertreten wird, dass mit der Stichproben- bzw Zufälligkeitsprüfung zugleich die Prüfmethode - also das "Wie" - festgelegt werde (vgl Engelhard in: Hauck/Noftz, SGB V, Stand 10/2019, K § 106 Rn 266 mwN), trifft das nicht zu. Denn über die vorstehend genannten Regelungen hinaus hat der Gesetzgeber gerade keine näheren Vorgaben dazu getroffen, anhand welcher Vorgehensweise die Prüfung im Einzelnen durchzuführen ist. Vielmehr hat er es gemäß § 106 Abs 2b SGB V (idFd Gesetzes zur Stärkung des Wettbewerbs in der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV-Wettbewerbsstärkungsgesetz - GKV-WSG) vom 26. März 2007, BGBl I S 378) den KBVen und dem GKV-Spitzenverband überlassen, erstmalig bis zum 31. Dezember 2004 Richtlinien zum Inhalt und zur Durchführung der Prüfungen nach Abs 2 S 1 Nr 2 zu vereinbaren, die gemäß § 106 Abs 3 S 1 Halbs 2 SGB V (idFd GMG) Gegenstand der Prüfvereinbarungen werden. Diese Ermächtigung beinhaltet damit auch die Festlegung der möglichen Prüfmethoden (vgl Clemens aaO, Rn 357; ferner Ulrich in: juris PK-SGB V, 3. Aufl 2016, § 106a Rn 26 zur vergleichbaren Nachfolgeregelung zur Zufälligkeitsprüfung ärztlicher Leistungen gemäß § 106a SGB V idFd Gesetzes zur Stärkung der Versorgung in der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV-Versorgungsstärkungsgesetz - GKV-VSG) vom 16. Juli 2015, BGBl I S 1211).

3. In Ausfüllung dieser Kompetenzzuweisung ist in § 9 der Richtlinien geregelt worden, dass in der Zufälligkeitsprüfung die Prüfungsmethoden der Einzelfallprüfung und repräsentativen Einzelfallprüfung, der statistischen Durchschnittsprüfung und des Vertikalvergleichs in Betracht kommen. Die von den Vertragspartnern in Niedersachsen geschlossene Prüfvereinbarung 2010 lässt ebenfalls die Prüfmethoden der Einzelfallprüfung und repräsentativen Einzelfallprüfung sowie der statistischen Durchschnittsprüfung zu (§ 16 Abs 7 der Vereinbarung).

Nach den insoweit übereinstimmenden Regelungen in § 9 Ziff 2 der Richtlinien und § 16 Abs 7 Buchst b Prüfvereinbarung 2010 kommt eine statistische Durchschnittsprüfung bei Vorliegen von arztgruppenbezogenen Datenauswertungen und ausreichend großer Zahl an Vertragsärzten in der Vergleichsarztgruppe in Betracht.

4. Entgegen der vom SG angedeuteten Auffassung verstößt die von den Vertragspartnern der Richtlinien und der Prüfvereinbarung 2010 vorgesehene Möglichkeit, Zufälligkeitsprüfungen auf der Grundlage einer statistischen Durchschnittsprüfung durchzuführen, auch nicht gegen höherrangiges Recht. Insbesondere sind die in den Richtlinien getroffenen näheren Regelungen zur Ausgestaltung auch der Durchschnittsprüfung mit den gesetzlichen Vorgaben des § 106 SGB V vereinbar.

a) Gegen die Zulässigkeit statistischer Durchschnittsprüfungen als eine von mehreren Prüfmethoden in der Zufälligkeitsprüfung kann nicht angeführt werden, dass mit der Neufassung des § 106 Abs 2 SGB V durch das GMG zum 1. Januar 2004 die bis dahin vorgesehene Prüfung ärztlicher und ärztlich verordneter Leistungen nach Durchschnittswerten als Regelprüfmethode abgelöst worden ist. Denn entfallen ist dadurch nur die bisher verpflichtende gesetzliche Vorgabe dieser Prüfmethode. Gleichzeitig hat es der Gesetzgeber aber ausdrücklich in die Entscheidungskompetenz der Vertragspartner nach § 106 Abs 3 S 1 iVm Abs 2 S 4 SGB V gestellt, die Prüfung nach Durchschnittswerten auch nach dem Inkrafttreten des GMG fortzuführen (vgl dazu nochmals BSG, Urteil vom 9. April 2008 aaO). Dabei bestanden zur Umsetzung dieser Ermächtigung verschiedene Möglichkeiten; neben einer Festschreibung der Zufälligkeitsprüfung als "Regelprüfmethode" (bzw als "Regelverfahren") und der Prüfung nach Durchschnittswerten als subsidiärem Prüfverfahren konnten die Gesamtvertragspartner es bei dem bisherigen Rechtszustand belassen oder abwarten, mit welchem Inhalt Richtlinien gemäß § 106 Abs 2b SGB V erlassen würden (vgl BSG aaO). Gleichermaßen war es im Grundsatz zulässig, in diesen Richtlinien eine Prüfung nach Durchschnittswerten als mögliche Prüfmethode im Rahmen der Zufälligkeitsprüfungen vorzusehen (vgl Clemens aaO, Rn 45 und 357). Denn in dieser Hinsicht kann dem Gesetz keine Beschränkung der Ermächtigung nach § 106 Abs 2b SGB V entnommen werden.

Allerdings fordert der eindeutige Wortlaut des § 106 Abs 2 S 1 Nr 2 SGB V eine Prüfung nicht nur auf der Grundlage von arztbezogenen, sondern auch ("und") von versichertenbezogenen Stichproben. Mit dieser Vorgabe einer Prüfung versichertenbezogener Stichproben kann jedoch erkennbar nur gemeint sein, dass im Rahmen der Zufälligkeitsprüfung (auch) einzelne Behandlungsfälle untersucht werden müssen (vgl dazu auch Hess in: Kasseler Kommentar zum Sozialversicherungsrecht, 91. EL September 2016, § 106 SGB V Rn 41; Ulrich aaO, Rn 28). Dementsprechend sehen die Bestimmungen in § 297 Abs 2 - 4 SGB V (idFd GKV-WSG) auch eine Übermittlung versichertenbezogener Daten durch die KÄVen (zB Krankenversichertennummer, abgerechnete GOPen je Behandlungsfall, bei ärztlicher Behandlung: verschlüsselte Diagnose) bzw die Krankenkassen (zB verordnete Leistungen unter Angabe ua der Krankenversichertennummer) vor.

Hinzu kommt, dass der Gesetzgeber mit der Normierung von Beurteilungsgegenständen in § 106 Abs 2a SGB V die Absicht verfolgt hat, auch "qualitative Aspekte" der erbrachten oder verordneten Leistungen in die Prüfung einzubringen. Nachdem die Zufälligkeitsprüfung bereits durch das Gesetz zur Strukturreform im Gesundheitswesen (Gesundheits-Reformgesetz - GRG) vom 20. Dezember 1988 (BGBl I S 2477) geschaffen worden war (vgl dazu auch die Gesetzesbegründung in BT-Drs 11/2237, S 196: "um die Nachteile einer ausschließlich an Durchschnittswerten orientierten Prüfung, z.B. durch eine Annäherung an die Fachgruppendurchschnitt, auszuschließen"), hat der Gesetzgeber den Gegenstand der Zufälligkeitsprüfungen durch das GKV-Gesundheitsreformgesetz 2000 (aaO) in § 106 Abs 2a SGB V konkretisiert. Danach sind Gegenstand der Beurteilung der Wirtschaftlichkeit in den Prüfungen nach Abs 2 S 1 Nr 2, soweit dafür Veranlassung besteht, 1. die medizinische Notwendigkeit der Leistungen (Indikation), 2. die Eignung der Leistungen zur Erreichung des therapeutischen oder diagnostischen Ziels (Effektivität), 3. die Übereinstimmung der Leistungen mit den anerkannten Kriterien für ihre fachgerechte Erbringung (Qualität), insbesondere mit den in den Richtlinien des Gemeinsamen Bundesausschusses enthaltenen Vorgaben und 4. die Angemessenheit der durch die Leistungen verursachten Kosten im Hinblick auf das Behandlungsziel; der unter 5. genannte weitere Beurteilungsgegenstand ("bei Leistungen des Zahnersatzes und der Kieferorthopädie auch die Vereinbarkeit der Leistungen mit dem Heil- und Kostenplan") kommt nur bei Vertragszahnärzten in Betracht und scheidet hier von vornherein aus.

Nach der Gesetzesbegründung zu dieser ursprünglich als § 106 Abs 3 S 4 SGB V vorgesehenen Regelung würden damit die bisher im Gesetz nicht spezifizierten Ziele bzw Gegenstände der Stichprobenprüfung explizit aufgeführt; damit werde insbesondere deutlich gemacht, dass nicht nur die Kosten, sondern auch die qualitativen Aspekte der von den Ärzten erbrachten, verordneten und veranlassten Leistungen in die Prüfung der Wirtschaftlichkeit einzubeziehen sind (vgl BT-Drs 14/1245, S 81). Mit der im Lauf des Gesetzgebungsverfahrens erfolgten Ergänzung des ursprünglichen Gesetzesentwurfs, wonach die in Abs 2a Nrn 1 - 5 aufgeführten Aspekte (nur) Gegenstand der Beurteilung sind, "soweit dafür Veranlassung besteht", wollte der Gesetzgeber klarstellen, dass in einer Stichprobenprüfung nicht sämtliche der aufgeführten Prüfkriterien Gegenstand der Prüfungen sein müssen (vgl BT-Drs 14/1977, S 166).

Vor dem Hintergrund dieses erkennbaren Willens des Gesetzgebers kann die Regelung des § 106 Abs 2a SGB V daher nur so verstanden werden, dass bei Zufälligkeitsprüfungen im Einzelfall mindestens eines der dort vorgegebenen Kriterien Gegenstand der Beurteilung der Wirtschaftlichkeit sein muss. Dabei enthält der Katalog des § 106 Abs 2a SGB eine enumerative und nicht lediglich beispielhafte Aufzählung möglicher Beurteilungsgegenstände; er ist zudem nicht als Kann-, sondern als Ist-Bestimmung ("sind") formuliert. Der dazu von Clemens (aaO, Rn 359) vertretenen Auffassung, dieser Katalog müsse nach der einschränkenden Formulierung des Gesetzes ("soweit dafür Veranlassung besteht") nicht Gegenstand jeder Prüfung sein, ist demzufolge nur insoweit zuzustimmen, als im Einzelfall jeweils nicht der gesamte Katalog zu prüfen ist. Die Prüfgremien haben aber mindestens einen dieser möglichen Beurteilungsgegenstände auszuwählen, wobei die Auswahl in ihrem Beurteilungsspielraum liegt (vgl Engelhard aaO, Rn 272; dazu auch Hess aaO, Rn 39).

Diese Auslegung deckt sich auch mit der weiteren Gesetzeshistorie. So ist in der Begründung zum GMG im Zusammenhang mit der Streichung der Durchschnittsprüfung als bis dahin in § 106 Abs 2 S 1 Nr 1 SGB V normierter Regelprüfmethode ausgeführt worden, dass die Zufälligkeitsprüfungen durch das GKV-Gesundheitsreformgesetz 2000 zu qualitätsorientierten Wirtschaftlichkeitsprüfungen der ärztlichen und ärztlich verordneten Leistungen weiterentwickelt, von den Vertragspartnern auf regionaler Ebene aber praktisch kaum umgesetzt worden seien. Untersuchungen der Prüfdienste des Bundes und der Länder hätten bestätigt, dass die Durchschnittsprüfung ein qualitativ minderwertiges Prüfungsverfahren sei. Die Abschaffung der Pflicht zur Durchführung der Durchschnittsprüfungen solle der Selbstverwaltung der Ärzte und Krankenkassen einen Impuls geben, den gesetzlich vorgegebenen Übergang zu anderen Prüfungsformen, insbesondere zu den qualitätsorientierten Wirtschaftlichkeitsprüfungen nach § 106 Abs 2 S 1 Nr 2 (Zufälligkeitsprüfungen) in dem gesetzlich vorgegebenen Mindestumfang ohne weitere Verzögerungen durchzuführen (vgl BT-Drs 15/1525, S 113).

Die nach alledem notwendige Prüfung eines oder mehrerer qualitativer Aspekte (Indikation, Effektivität, Qualität und Angemessenheit der durch die Leistungen verursachten Kosten im Hinblick auf das Behandlungsziel) ist aber ohne Untersuchung einzelner Behandlungsfälle schwerlich möglich.

b) Diese vom Gesetzgeber getroffenen Vorgaben hatten die Vertragspartner der Richtlinien bei der Ausgestaltung der Regelungen zum Inhalt und zur Durchführung der Zufälligkeitsprüfungen zu beachten. Daraus ergab sich jedoch kein Erfordernis, für die Durchführung der Zufälligkeitsprüfung zwingend die Prüfmethode der Einzelfallprüfung vorzugeben, denn die Prüfung von Einzelfällen ist (ergänzend) auch im Rahmen der statistischen Durchschnittsprüfung möglich.

Dabei folgt aus der Ermächtigung in § 106 Abs 2b SGB V und dem weitgehenden Fehlen gesetzlicher Vorgaben zur Prüfmethode, dass den Vertragspartnern der Richtlinien hinsichtlich der Festlegung und näheren Ausgestaltung der (möglichen) Prüfmethode(n) ein weiter Gestaltungsspielraum zukommt, der gerichtlich nur eingeschränkt überprüfbar ist (vgl zum Gestaltungsspielraum der Gesamtvertragspartner bei der Ausgestaltung der Wirtschaftlichkeitsprüfung auch BSG, Urteil vom 28. September 2016 - B 6 KA 44/15 R, SozR 4-2500 § 106 Nr 55). Gegenstand der gerichtlichen Überprüfung ist dabei insbesondere die Vereinbarkeit der getroffenen Regelungen mit höherrangigem Recht, vor allem mit den dargelegten verbindlichen Vorgaben in § 106 Abs 2 S 1 Nr 2 und Abs 2a SGB V. Dieser Prüfung halten die Richtlinien (auch) insoweit stand, als dort die Möglichkeit der statistischen Durchschnittsprüfung normiert worden ist. Der Kläger hatte hiergegen auch gar keine Einwendungen erhoben, und dem Senat sind keine gerichtlichen Entscheidungen oder in der Literatur vertretenen Auffassungen bekannt geworden, die in dieser Hinsicht ausdrücklich von einem Verstoß der Richtlinien gegen höherrangiges Recht und damit von der Unwirksamkeit der Richtlinien ausgehen. Ein solcher Verstoß liegt auch nicht vor.

Dass die (Zufälligkeits-)Prüfung stets (auch) versichertenbezogene Stichproben zu erfassen hat, folgt aus § 2 Abs 6 der Richtlinien. Danach bestimmt die Prüfungsstelle unter Verwendung der Daten nach §§ 3 und 4 die versichertenbezogene Stichprobe in Bezug auf die in die Stichprobe einbezogenen Ärzte/Psychotherapeuten sowie die ärztlich geleiteten Einrichtungen. §§ 3 und 4 (sowie ggf bei KÄV-übergreifender Berufsausübung: § 4a) der Richtlinien enthalten nähere Vorgaben dazu, welche Daten zu erstellen und an die Prüfungsstelle zu übermitteln sind, nämlich durch die KÄV je Behandlungsfall ein Datensatz gemäß Abschnitt 5 § 16 des Vertrages über den Datenaustausch auf Datenträgern (Anl 6 zum Bundesmantelvertrag Ärzte (BMV-Ä); im Folgenden: DTA-Vertrag) und durch die Krankenkassen Datensätze je Versicherten entsprechend Abschnitt 5 § 17 DTA-Vertrag. Mit diesen Regelungen ist zugleich gewährleistet, dass die Vorgaben zur Datenübermittlung gemäß § 297 Abs 2 und 3 SGB V erfüllt werden. Der Anwendungsbereich dieser Regelungen in den Richtlinien ist nicht auf bestimmte Prüfmethoden beschränkt worden; sie sind daher auch bei Wahl der Prüfmethode der statistischen Durchschnittsprüfung zu beachten.

Darüber hinaus haben die Vertragspartner der Richtlinien auch die gesetzliche Vorgabe zur Prüfung der Beurteilungskriterien nach § 106 Abs 2a SGB V in nicht zu beanstandender Weise umgesetzt. Dazu haben sie - wiederum unabhängig von der gewählten Prüfmethode - die Regelung in § 6 Abs 3 der Richtlinien getroffen, wonach durch die Prüfungsstelle die Prüfungsgegenstände nach Abs 2 ausgewählt werden, für die sich auf der Grundlage der Beurteilungskriterien nach § 106 Abs 2a SGB V eine Veranlassung zur Wirtschaftlichkeitsprüfung ergibt. Ferner ist gemäß § 7 der Richtlinien durch die Prüfungsstelle auf der Grundlage der ausgewählten Beurteilungskriterien nach § 106 Abs 2a SGB V zu entscheiden, für welchen Arzt/Psychotherapeuten der Stichprobe eine Wirtschaftlichkeitsprüfung im Sinne dieser Richtlinien durchzuführen ist.

Die auch hiernach bestehende Notwendigkeit der Prüfung von Einzelfällen schließt es für sich genommen aber nicht aus, die Zufälligkeitsprüfung auf der Grundlage einer statistischen Durchschnittsprüfung vorzunehmen. Bei dieser Prüfmethode macht die statistische Betrachtung stets nur einen Teil der Wirtschaftlichkeitsprüfung aus; sie muss durch eine intellektuelle Prüfung und Entscheidung ergänzt werden, bei der die für die Frage der Wirtschaftlichkeit relevanten medizinisch-ärztlichen Gesichtspunkte (zB das Behandlungsverhalten und die unterschiedlichen Behandlungsweisen innerhalb der Arztgruppe und die beim geprüften Arzt vorhandenen Praxisbesonderheiten) in Rechnung zu stellen sind (vgl BSG, Urteil vom 9. März 1994 - 6 RKa 18/92, SozR 3-2500 § 106 Nr 23). Die intellektuelle Prüfung dient dazu, die Aussagen der Statistik zu überprüfen und ggf zu korrigieren. Erst aufgrund einer Zusammenschau der statistischen Erkenntnisse und der den Prüfgremien erkennbaren medizinisch-ärztlichen Gegebenheiten lässt sich beurteilen, ob die vorgefundenen Vergleichswerte die Annahme eines offensichtlichen Missverhältnisses und damit den Schluss auf eine unwirtschaftliche Behandlungsweise rechtfertigen (BSG aaO). In diesem Zusammenhang ist auch die Möglichkeit einer (ergänzenden) Prüfung von Einzelfällen im Rahmen statistischer Durchschnittsprüfungen anerkannt (vgl dazu BSG, Urteil vom 6. September 2000 - B 6 KA 24/99 R, SozR 3-2500 § 106 Nr 50; Urteil vom 16. Juli 2008 - B 6 KA 57/07 R, SozR 4-2500 § 106 Nr 19).

Vor dem Hintergrund dieser Vorgabe einer ergänzenden intellektuellen Prüfung ärztlich-medizinischer Gesichtspunkte ist auch die Regelung in § 11 Abs 1 S 3 der Richtlinien zu verstehen. Danach ist der Vergleich (der Abrechnungswerte bzw der Verordnungsweise des Arztes mit denjenigen der Fachgruppe oder mit denen einer nach verfeinerten Kriterien gebildeten engeren Vergleichsgruppe (§ 11 Abs 1 S 1 der Richtlinien)) einer bewertenden Betrachtung zu unterziehen. Das sich aus der Rechtsprechung des BSG ergebende Erfordernis einer intellektuellen Prüfung bzw die Notwendigkeit einer bewertenden Betrachtung iSd § 11 Abs 1 S 3 der Richtlinien kann im Lichte der dargelegten Vorgaben in § 106 Abs 2 S 1 Nr 2 SGB V nur so ausgelegt werden, dass diese ergänzenden Untersuchungen anhand von zufällig gezogenen Einzelfällen vorzunehmen sind. Dabei ist die Zahl der hierfür zu untersuchenden Fälle normativ nicht vorgegeben; auch insoweit steht den Prüfgremien im Grundsatz ein Beurteilungsspielraum zu (vgl dazu auch BSG, Urteil vom 6. September 2000 aaO für ergänzende Einzelfallprüfungen bei Überschreitungen im Bereich der sogenannten Übergangszone). Die Prüfung muss aber so ausgestaltet werden, dass sie nach dem Gesamtbild des Falles ausreichend gesicherte Schlussfolgerungen zulässt, ob die festgestellten Überschreitungen als unwirtschaftlich anzusehen sind oder nicht (vgl BSG aaO). Insofern muss sich die Anzahl der zufällig gezogenen Fälle daran orientieren, dass auf dieser Grundlage ein hinreichend repräsentativer Eindruck gewonnen werden kann. Nach Auffassung des Senats wäre es sachgerecht, in Anlehnung an die Regelung in § 10 Abs 3 S 1 der Richtlinien (mindestens) 100 Behandlungsfälle im gesamten Prüfzeitraum der ergänzenden Einzelfallprüfung zu unterziehen.

c) Entgegen der Auffassung des SG besteht auch kein Vorrang der Einzelfallprüfung gegenüber statistischen Durchschnittsprüfungen. Ein solcher Vorrang ist weder in der Prüfvereinbarung 2010 noch in den Richtlinien angeordnet worden noch lässt er sich aus den im Hinblick auf die Prüfmethoden in der Zufälligkeitsprüfung unergiebigen gesetzlichen Vorgaben in § 106 SGB V herleiten. Die Vertragspartner auf Bundesebene haben in § 9 der Richtlinien die statistische Durchschnittsprüfung gerade nicht als subsidiäre, sondern als gleichrangige Prüfungsmethode neben der Einzelfallprüfung und der repräsentativen Einzelfallprüfung sowie der Methode des Vertikalvergleichs vereinbart. Ebenso wenig sieht die Regelung in § 16 Abs 7 PrüfV 2010 ein Vor-/Nachrangverhältnis der in Betracht kommenden Prüfungsmethoden vor. Ein Verstoß gegen höherrangiges Recht ist insoweit nicht ersichtlich und wird auch von keinem der Beteiligten geltend gemacht.

Da es den Vertragspartnern auf Landesebene mit dem Wegfall der Durchschnittsprüfung als Regelprüfmethode offenstand, den bisherigen Rechtszustand auch im Rahmen einer neuen Prüfvereinbarung gemäß 106 Abs 2 S 4 SGB V fortzuschreiben und das BSG die Möglichkeit einer auf Bundesrecht beruhenden (zwingenden) Nachrangigkeit einer von den Vertragspartnern vereinbarten Prüfung nach Durchschnittswerten gegenüber möglichen Einzelfallprüfungen oder gegenüber den Zufälligkeitsprüfungen noch nicht einmal in Erwägung gezogen hat (vgl Urteil vom 9. April 2008 aaO), kann für die Vereinbarung dieser Prüfmethode im Rahmen der Zufälligkeitsprüfung in den Richtlinien nach § 106 Abs 2b SGB V im Grundsatz nichts anderes gelten.

Daran ändert es auch nichts, dass die Verfasser der Begründung des Entwurfs des GMG davon ausgegangen sind, dass die Prüfung nach Durchschnittswerten mit ihrer Übertragung in die Entscheidungskompetenz der Vertragspartner zwar erhalten bleibe, künftig jedoch "nachrangig" sein werde (vgl BT-Drs 15/1525, S 113). Denn dabei handelt es sich ersichtlich nur um eine Rechtsansicht, die sich weder im Wortlaut des Entwurfs des GMG noch im später verabschiedeten Gesetzeswortlaut widerspiegelt. Eine Rangfolge der verschiedenen Prüfmethoden war dort aber gerade nicht vorgesehen (vgl dazu eingehend LSG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 12. Dezember 2018 - L 11 KA 17/16, juris).

II. Den dargelegten Vorgaben wird der angefochtene Bescheid nicht gerecht.

1. Zwar ist es danach nicht zu beanstanden, dass der Beklagte die Zufälligkeitsprüfung anhand der Prüfmethode der statistischen Durchschnittsprüfung durchgeführt hat. Die dafür vorausgesetzten arztgruppenbezogenen Datenauswertungen (§ 9 Ziff 2 der Richtlinien bzw § 16 Abs 7 Buchst b Prüfvereinbarung 2010) liegen hinsichtlich der geprüften Leistungen nach GOP 10341 EBM sowie der Arzneimittelverordnungen für den gesamten Prüfzeitraum vor; zudem ist die Vergleichsarztgruppe der Dermatologen mit 194 - 196 Praxen im Prüfzeitraum ausreichend groß gewesen, was auch der Kläger nicht infrage gestellt hat.

2. Der Bescheid des Beklagten ist aber aus dem Grunde rechtswidrig, dass der Beklagte keine ergänzende intellektuelle Prüfung ärztlich-medizinischer Gesichtspunkte auf der Grundlage versichertenbezogener Stichproben durchgeführt hat. Der Beklagte wird deshalb im Rahmen der ihm auferlegten Neubescheidung aufgrund zufällig gezogener Stichproben ermittelte Einzelfälle mit in den Blick zu nehmen haben.

Dabei wird er zunächst festzustellen haben, ob die nach näherer Maßgabe der §§ 3 und 4 der Richtlinien zu übermittelnden Daten vorliegen. In Bezug auf die Prüfung der Wirtschaftlichkeit der Verordnungen von Arzneimitteln enthält die vom Beklagten vorgelegte Verwaltungsakte lediglich quartalsbezogene Statistiken, in denen die vom Kläger veranlassten Arzneimittelkosten als Gesamtbeträge und Beträge je Behandlungsfall ausgewiesen und den durchschnittlichen Kosten der VG je Behandlungsfall gegenübergestellt werden. Dabei ist nicht erkennbar, dass die Krankenkassen der Prüfungsstelle jeweils vollständige Datensätze übermittelt haben. Insbesondere finden sich keine Angaben der Versichertennummern, des Status (Mitglied, Familienangehöriger, Rentner), der Zahl der vom Arzt verordneten Arzneimittel (inkl Verbandmittel) sowie des Bruttowerts und des Nettowerts der vom Arzt verordneten Arzneimittel (inkl Verbandmittel) - letztere jeweils unter Angabe des Kennzeichens nach § 300 Abs 3 Nr 1 SGB V -, die in den Datensätzen nach § 17 Abs 1 S 1 DTA-Vertrag (in der 2011 geltenden Fassung) aber enthalten sein müssen. Ob diese Daten übermittelt und lediglich nicht zur Verwaltungsakte genommen worden sind, ist nicht erkennbar; nötigenfalls müssten sie nachträglich beigezogen werden.

Entsprechendes gilt für die von der Beigeladenen zu 1. übermittelten Datensätze. In der Verwaltungsakte finden sich vor allem statistische Daten zur Häufigkeit und zu den Kosten der vom Kläger abgerechneten Leistungen nach einzelnen GOPen des EBM, denen die Durchschnittswerte der VVG gegenüberstehen. Demgegenüber fehlt es an jeglichen versichertenbezogenen Daten. Insbesondere sind die Versichertennummern, der Status (Mitglied, Familienangehöriger, Rentner), das Geburtsjahr des Versicherten, die abgerechneten GOPen je Behandlungstag (nach näherer Maßgabe von § 16 Ziff 8 DTA-Vertrag) und die verschlüsselten Diagnosen nicht angegeben, obwohl dies in § 16 DTA-Vertrag (aF) vorgesehen ist.

Auf der Grundlage vollständiger Daten sind sodann die Behandlung von bzw die Verordnungen für die im Wege der Stichprobe ermittelten Patienten im Hinblick auf die in § 106 Abs 2a SGB V angeführten Kriterien zu untersuchen; hinsichtlich der Auswahl aus diesen Kriterien steht dem Beklagten wie ausgeführt ein Beurteilungsspielraum zu. Aus den ergänzenden Untersuchungen kann sich ergeben, dass von Amts wegen auch solche Praxisbesonderheiten zu erkennen sind, die bisher vom Kläger nicht ausreichend substantiiert dargelegt worden sind; ferner können positive Feststellungen im Hinblick auf Indikation im Einzelfall, Effektivität, Qualität und Angemessenheit dazu führen, dass der sich allein aus dem statistischen Vergleich ergebende Eindruck der Unwirtschaftlichkeit korrigiert werden muss.

C. Die Kostenentscheidung folgt aus § 197a Abs 1 S 1 Halbs 3 SGG iVm §§ 154 Abs 1 und 3, 162 Abs 3 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO).

Gründe, die Revision zuzulassen (§ 160 Abs 2 SGG), liegen nicht vor. Insbesondere hat die Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung iSv § 160 Abs 2 Nr 1 SGG (mehr), nachdem die zuletzt nur noch bei der Wirtschaftlichkeitsprüfung ärztlicher Leistungen gemäß § 106a SGB V (idFd GKV-VSG) vorgegebene Zufälligkeitsprüfung durch die mit Wirkung zum 11. Mai 2019 in Kraft getretene Änderung aufgrund des Gesetzes für schnellere Termine und bessere Versorgung (Terminservice- und Versorgungsgesetz - TSVG - vom 6. Mai 2019, BGBl I S 646) inzwischen als verpflichtende bundesrechtliche Vorgabe vollständig entfallen ist (vgl dazu auch die Gesetzesbegründung in BT-Drs 19/8351). Dabei ist auch nicht erkennbar, dass noch eine erhebliche Zahl von Fällen zu entscheiden wäre, in denen sich dieselben Rechtsfragen stellen. Beim Senat ist hierzu bislang kein einziges weiteres Verfahren anhängig; lediglich vereinzelt dokumentierte Entscheidungen deuten auch insgesamt nicht auf eine größere Zahl entsprechender Fälle hin.

Die Festsetzung des Streitwerts beruht auf der Anwendung von § 197a Abs 1 S 1 Halbs 1 SGG iVm §§ 47 Abs 1 S 1, 52 Abs 2 Gerichtskostengesetz (GKG). Mangels genügender Anhaltspunkte für die Bemessung des Streitwerts ist der Auffangwert von 5.000 Euro anzunehmen.