Landessozialgericht Niedersachsen-Bremen
Urt. v. 26.11.2019, Az.: L 11 AS 814/18

Übernahme einer Avalprovision als Teil der Kosten der Unterkunft und Heizung im Rahmen der Leistungsgewährung nach dem SGB II; Tatsächliche Aufwendungen; Zahlung von Kosten an Dritte; Sicherung der Unterkunft

Bibliographie

Gericht
LSG Niedersachsen-Bremen
Datum
26.11.2019
Aktenzeichen
L 11 AS 814/18
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2019, 63849
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

Verfahrensgang

vorgehend
SG Lüneburg - 03.09.2018 - AZ: S 40 AS 1017/16

Fundstelle

  • info also 2021, 46

Redaktioneller Leitsatz

1. Kosten, die für eine zu Wohnzwecken tatsächlich genutzte Unterkunft anfallen, sind Aufwendungen i.S.d. § 22 Abs. 1 Satz 1 SGB II, mithin tatsächliche Aufwendungen.

2. Auch Kosten, die der Leistungsempfänger an Dritte, klassischerweise etwa einem Energieversorgungsunternehmen für die Versorgung mit z.B. Gas, zu zahlen hat, sind tatsächliche Aufwendungen; entscheidend ist allein, dass die Kosten dem Zweck dienen, die Unterkunft zu sichern.

Tenor:

Der Tenor des Urteils des Sozialgerichts Lüneburg vom 3. September 2018 wird wie folgt neu gefasst: Der Bescheid vom 29. Juli 2016 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 15. August 2016 wird aufgehoben und der Beklagte verpflichtet, die für den Monat Mai 2016 ergangenen Bescheide zu ändern und der Klägerin im Monat Mai 2016 weitere Kosten der Unterkunft und Heizung in Höhe von 100,00 Euro zu gewähren. Die Berufung des Beklagten wird zurückgewiesen. Der Beklagte erstattet der Klägerin ihre notwendigen außergerichtlichen Kosten beider Rechtszüge. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

Der Beklagte wendet sich mit der vom Sozialgericht (SG) Lüneburg zugelassenen Berufung gegen seine Verurteilung zur Übernahme einer sog Avalprovision iHv 100,00 Euro als Teil der Kosten der Unterkunft und Heizung (KdUH) im Rahmen der Leistungsgewährung nach dem Sozialgesetzbuch Zweites Buch - Grundsicherung für Arbeitsuchende - (SGB II) für den Monat Mai 2016.

Die Klägerin steht seit Juli 2014 im laufenden (ergänzenden) SGB II-Leistungsbezug bei dem Beklagten. Sie ist als selbständige Rechtsanwältin tätig und betreibt zusätzlich das Gewerbe "I.", mit dem sie ua Kutschfahrten anbietet. Die Klägerin bewohnt seit Juli 2012 eine 85 qm große Wohnung unter der Anschrift "J. 1" in K. L., OT M., von der aus sie auch ihrer Tätigkeit als Rechtsanwältin nachgeht. Ausweislich des Mietvertrages beträgt der monatliche Mietzins 590,00 Euro, der nach dem Vortrag der Klägerin Betriebskosten und Heizkosten beinhalten soll; eine Aufschlüsselung getrennt nach Betriebs- und Heizkosten enthält der Mietvertrag nicht. Aus einer handschriftlichen Anlage zum Mietvertrag ergibt sich, dass Kosten für Wasser und Abwasser sowie Müllgebühren "am Jahresende abgerechnet" werden (vgl insoweit die Abrechnung für das Jahr 2015 mit einem im Februar 2016 fälligen Nachzahlungsbetrag für diese Positionen von 134,29 Euro, Bl. 621 der Verwaltungsakte - VA - und die entsprechende Bewilligung mit Bescheid vom 10. März 2016, Bl. 689 ff VA). Die nach dem Mietvertrag zu leistende Mietkaution iHv insgesamt 1.200,00 Euro hat die Klägerin durch eine sog Mietkautionsbürgschaft der N. Bank AG zugunsten ihres Vermieters erbracht. Für die Dauer ihrer Haftung aus der Bürgschaft berechnet die Bank einmal jährlich eine für die Abrechnungsperiode - beginnend jeweils am 22. Mai - im Voraus zu zahlende Avalprovision iHv 100,00 Euro. Wegen der Einzelheiten der Bürgschaft und ihrer Bedingungen wird insoweit auf Bl. 22 ff. der Gerichtsakte - GA - zum Parallelverfahren L 11 AS 813/18 Bezug genommen.

Zwischen den Beteiligten stand zu Beginn des Leistungsbezuges die Angemessenheit der KdUH im Streit. Mit Schreiben vom 15. Juli 2014 wies der Beklagte die Klägerin auf die nach seiner Auffassung unangemessenen Unterkunftskosten hin. Er ging hierbei - unter Hinzurechnung der monatlich umgelegten Nebenkostennachzahlung für das Abrechnungsjahr 2013 iHv insgesamt 140,50 Euro - von einer Warmmiete iHv 601,71 Euro aus, von der er - nach Eigenangabe der Klägerin - 100,00 Euro als Heizkosten abzog. Die so errechnete Bruttokaltmiete von 501,71 Euro übersteige den als angemessen erachteten Betrag von 444,00 Euro - Wert der Tabelle zu § 8 Wohngeldgesetz (WoGG) a.F. zzgl eines Aufschlages von 20 % - für einen Einpersonen-Haushalt. Zudem verwies der Beklagte darauf, dass Heizkosten mit maximal 1,45 Euro je Quadratmeter für maximal 50 Quadratmeter angemessen seien.

Seit Februar 2015 berücksichtigte der Beklagte bei der Klägerin KdUH iHv monatlich 485,88 Euro. Dabei handelte es sich nach Auffassung der Beteiligten um die tatsächlich angefallenen Unterkunftskosten nach Abzug eines Betrages von 104,12 Euro, der als Betriebsausgabe im Rahmen der Einkommensanrechnung wegen der anteiligen gewerblichen Nutzung des Wohnraumes berücksichtigt wurde. Auf die Heizkosten soll ein (geschätzter) Betrag von 72,88 Euro entfallen (15 % von 485,88 Euro), sodass die Beteiligten von einer Bruttokaltmiete von 413,00 Euro ausgehen (vgl Schriftsatz der Klägerin vom 6. Oktober 2015 mit Anlagen, Bl 56 ff GA zum Parallelverfahren L 11 AS 813/18 und die im Berufungsverfahren von den Beteiligten unwidersprochen gebliebene Feststellung im Urteil des SG, dort Seite 5).

Dementsprechend gewährte der Beklagte der Klägerin im streitigen Monat Mai 2016 mit Bescheid vom 14. Januar 2016 Leistungen in einer Gesamthöhe von 889,88 Euro unter Berücksichtigung von KdUH iHv 485,88 Euro und des Regelbedarfs iHv 404,00 Euro. Die Entscheidung erfolgte wegen der noch abschließend festzustellenden Einkommenshöhe gem § 40 Abs 2 Nr 1 SGB II (in der bis zum 31. Juli 2016 gültigen Fassung) iVm § 328 Abs 1 Satz 1 Sozialgesetzbuch Drittes Buch - Arbeitsförderung - (SGB III) vorläufig. Eine endgültige Leistungsfestsetzung erfolgte nicht (vgl Schriftsatz der Klägerin vom 17. November 2019 im Parallelverfahren L 11 AS 813/18, dort Bl. 104 GA).

Mit Schreiben vom 15. Juni 2016 beantragte die Klägerin bei der Beklagten die Übernahme der am 22. Mai 2016 von ihrem Konto abgebuchten Avalprovision iHv 100,00 Euro als KdUH. Mit Bescheid vom 29. Juli 2016 iGd Widerspruchsbescheides vom 15. August 2016 lehnte der Beklagte die Übernahme dieser Kosten ab. Es handele sich nicht um KdUH iSd § 22 Abs 1 Satz 1 SGB II, da es sich weder um Aufwendungen handele, die die Klägerin dem Vermieter schulde, noch um unmittelbar im Zusammenhang mit der Nutzung der Unterkunft entstehende Aufwendungen. Es handele sich vielmehr um Kosten, die mit der Anmietung der Wohnung entstanden seien; allerdings fehle es für die Übernahme an der erforderlichen Zusicherung des Leistungsträgers.

Hiergegen hat die Klägerin am 19. September 2016, Zugang des Widerspruchsbescheides: 19. August 2016, Klage vor dem SG Lüneburg erhoben mit dem Antrag, den Beklagten zur Gewährung weiterer KdUH für den Monat Mai 2016 zu verpflichten.

Mit Urteil vom 3. September 2018 hat das SG den Beklagten unter Aufhebung des Bescheides vom 29. Juli 2016 iGd Widerspruchsbescheides vom 15. August 2016 verurteilt, der Klägerin für den Monat Mai 2016 Leistungen unter Berücksichtigung der Avalprovision iHv 100,00 Euro zu gewähren. Zwar handele es sich bei der Avalprovision grundsätzlich um Wohnungsbeschaffungskosten iSd § 22 Abs 6 Satz 1 SGB II, für die eine vorherige Zusicherung des örtlich zuständigen kommunalen Trägers notwendig sei. Da die Klägerin allerdings im Zeitpunkt der Kostenentstehung noch nicht im Leistungsbezug gestanden habe, scheide eine Anwendung des § 22 Abs 6 SGB II aus. Damit richte sich die Kostenübernahme nach der allgemeinen Vorschrift des § 22 Abs 1 Satz 1 SGB II. Soweit der Beklagte monatlich anfallende Kosten von 444,00 Euro für angemessen halte, habe die Klägerin auf die Übernahme von Unterkunftskosten bis zu dieser Höhe vertrauen dürfen. Dabei sei mangels anderer Anhaltspunkte auf die Schätzung der Klägerin zurückzugreifen, wonach von den tatsächlich anfallenden KdUH iHv 485,88 Euro ein Betrag von 72,88 Euro auf die Heizkosten entfalle und demnach regelmäßig nur eine Bruttokaltmiete von 413,00 Euro anfalle. Aufgeteilt auf einen Zwölfmonatszeitraum entfielen auf die Avalprovison monatlich 8,33 Euro, die sich noch innerhalb der Angemessenheitsgrenze bewegten. Das SG hat die Berufung wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache zugelassen.

Gegen das ihm am 5. September 2018 zugestellte Urteil wendet sich der Beklagte mit seiner Berufung vom 28. September 2018. Zur Begründung trägt er vor: Weder habe die Klägerin eine vorherige Zusicherung eingeholt noch handele es sich bei der Avalprovision um Aufwendungen für die Unterkunft. Der Beklagte ist der Auffassung, bei der Avalprovision handele es sich um im Zusammenhang mit der Anmietung der Wohnung entstandene Kosten, deren Rechtsnatur sich nicht dadurch ändere, dass sie nicht sofort fällig geworden seien. Es handele sich auch nicht um Aufwendungen im Zusammenhang mit der Wohnungsnutzung, weshalb § 22 Abs 1 Satz 1 SGB II nicht zum Tragen komme. Entgegen der Auffassung des SG sei dem Urteil des BSG vom 6. Mai 2010 - B 14 AS 7/09 R - auch nicht zu entnehmen, dass Bedarfe nach § 22 Abs 6 SGB II stets auch Bedarfe des § 22 Abs 1 SGB II seien; denn dann bedürfte es der Regelung des § 22 Abs 6 SGB II nicht.

Der Beklagte beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Lüneburg vom 3. September 2018 aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Die Klägerin beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie tritt der Berufung entgegen und verweist darauf, dass die Nichtzahlung der Provision zur Kündigung der Bankbürgschaft führen würde. Die Stellung einer Bürgschaft sei allerdings eine Pflicht aus dem Mietvertrag, deren Verletzung im äußersten Fall zur Kündigung der Wohnung führen könnte. Die Nichtübernahme der Provision führe zu einer Unterdeckung ihres Existenzminimums.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakte und die zum Verfahren L 11 AS 813/18 übersandten Verwaltungsakten des Beklagten Bezug genommen, die vorgelegen haben und Grundlage der Entscheidungsfindung gewesen sind.

Entscheidungsgründe

Die nach §§ 143, 144 Sozialgerichtsgesetz (SGG) wegen der Zulassung durch das SG statthafte Berufung des Beklagten ist zulässig, aber unbegründet. Zu Recht hat das SG den Beklagten verpflichtet, die von der Klägerin gezahlte Avalprovision im Mai 2016 als weitere Aufwendungen im Rahmen der KdUH zu berücksichtigen. Allerdings konnte der Beklagte nicht unmittelbar zur Leistungsgewährung, sondern nur zur entsprechenden Änderung seiner Bescheide verpflichtet werden (dazu sogleich unter 1.), weshalb der Tenor des erstinstanzlichen Urteils zu korrigieren war.

1.

Streitgegenstand des Berufungsverfahrens sind entsprechend dem mit der Klagebegründung (Schriftsatz vom 12. Februar 2017, Bl. 8 GA) gestellten Antrag der als Rechtsanwältin ua im Sozialrecht tätigen Klägerin auf Übernahme der Avalprovision als Teil der KdUH und der darauf gerichteten Verurteilung des Beklagten durch das SG Lüneburg nur die KdUH im Monat Mai 2016 (vgl zur möglichen Begrenzung des Streitgegenstandes auf die KdUH, weil es sich insoweit um einen abtrennbaren Verfügungssatz handelt: BSG, Urteil vom 27. Februar 2008 - B 14 AS 23/07 R -, Rn 12).

Zutreffende Klageart ist insoweit die Anfechtungs-, Verpflichtungs- und Leistungsklage, da der Beklagte nicht unmittelbar, sondern zunächst nur zur Änderung der insoweit ergangenen Bescheide und erst danach zur Leistungsgewährung verpflichtet werden kann. Denn der dem streitgegenständlichen Bescheid zugrundeliegende Antrag der Klägerin auf Übernahme der Avalprovision als KdUH im Monat Mai 2016 ist als Antrag nach § 44 Sozialgesetzbuch Zehntes Buch (SGB X) des für diesen Monat zuletzt ergangenen Bescheides vom 14. Januar 2016 auszulegen (vgl insoweit die Rechtsprechung des BSG zu Anträgen auf Übernahme von Mehrbedarfen, exemplarisch: Urteil vom 18. November 2014 - B 4 AS 4/14 R -, BSGE 117, 240-250, SozR 4-4200 § 21 Nr 19, Rn 11 f. mwN).

2.

Der Bescheid vom 29. Juli 2016 iGd Widerspruchsbescheides vom 15. August 2016 ist rechtswidrig und verletzt die Klägerin in ihren Rechten, vgl § 54 Abs 2 Satz 1 SGG. Die Voraussetzungen des § 44 Abs 1 Satz 1 SGB X liegen vor. Hiernach ist ein Verwaltungsakt, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, mit Wirkung für die Vergangenheit zurückzunehmen, soweit sich im Einzelfall ergibt, dass bei Erlass eines Verwaltungsaktes das Recht unrichtig angewandt oder von einem Sachverhalt ausgegangen worden ist, der sich als unrichtig erweist, und soweit deshalb Sozialleistungen zu Unrecht nicht erbracht oder Beiträge zu Unrecht erhoben worden sind. So liegt der Fall hier. Bei Erlass des Bescheides vom 14. Januar 2016 hat der Beklagte nicht berücksichtigt, dass im Monat Mai 2016 weitere KdUH iHv 100,00 Euro fällig werden, auf deren Übernahme die Klägerin gem § 22 Abs 1 Satz 1 SGB II Anspruch hat.

a.

Dabei erfüllte die Klägerin im streitbefangenen Zeitraum zunächst die Grundvoraussetzungen für den Bezug von Leistungen nach dem SGB II gem § 7 Abs 1 Satz 1 Nr 1 bis 4 SGB II. Gegenteiliges ist weder vorgetragen noch anhand der vorliegenden Unterlagen ersichtlich.

b.

Bei der im Monat Mai 2016 fällig gewordenen Avalprovision iHv 100,00 Euro handelt sich um einen laufenden Unterkunftsbedarf nach § 22 Abs 1 Satz 1 SGB II. Hiernach werden Bedarfe für Unterkunft und Heizung in Höhe der tatsächlichen Aufwendungen anerkannt, soweit diese angemessen sind.

(1)

Entgegen der Auffassung des Beklagten unterfällt die Avalprovision nicht § 22 Abs 6 SGB II. Zwar war die Klägerin ursprünglich verpflichtet, eine Mietkaution iHv 1.200,00 Euro - entweder bei Mietbeginn (dh zum 15. Juli 2012) oder aber in drei Monatsraten (dh in der Zeit von Juli bis September 2012, vgl § 8 des Mietvertrages, Bl. 12 GA) - zu zahlen, deren Kostenübernahme sich ausweislich des Wortlautes - vgl § 22 Abs 6 Satz 1 HS 2 SGB II - ausdrücklich nach § 22 Abs 6 SGB II richtet. Allerdings hat der Vermieter der Klägerin eingeräumt, stattdessen lediglich eine entsprechende Bankbürgschaft zu stellen, sodass von der Klägerin weder die Übernahme einer Mietkaution iHv 1.200,00 Euro noch die Übernahme von etwaigen Finanzierungskosten einer Mietkaution (etwa von Darlehensraten bei Vorfinanzierung der Mietkaution durch Dritte) begehrt werden. Vielmehr ist die Übernahme der von der Klägerin an die Bank gezahlten Avalprovision streitbefangen, bei der es sich um eine finanzielle Gegenleistung der Klägerin für die von der Bank übernommene Dienstleistung (Bürgschaft) und nicht um Zahlungen zur Tilgung oder Finanzierung einer (von der Klägerin gar nicht mehr geschuldeten) Mietkaution handelt. Da diese Avalprovsion für die Dauer der Übernahme der Bürgschaft durch die Bank regelmäßig wiederkehrend im Mai eines jeden Jahres anfällt, handelt es sich bei der streitbefangenen im Mai 2016 fällig gewordenen Avalprovision nicht um eine Zahlungsverpflichtung, die bereits zum Zeitpunkt des Einzugs bestand. Ebenso wenig handelt es sich hierbei um für die Beschaffung der Wohnung erforderliche Kosten (wie zB ein Genossenschaftsanteil oder eine zu Beginn des Mietverhältnisses zu zahlende Mietkaution). Vielmehr handelt es sich bei der im Monat Mai 2015 fällig gewordenen Avalprovision - anders als möglicherweise bei der bei Abschluss der Bürgschaft im Mai 2012 angefallenen Provision - um laufende Kosten einer Dienstleistung, die zur Aufrechterhaltung der Wohnung erforderlich sind.

Derartige Kosten, die für eine zu Wohnzwecken tatsächlich genutzte Unterkunft anfallen, sind Aufwendungen iSd § 22 Abs 1 Satz 1 SGB II, weil hierzu im Grundsatz alle (Hervorhebung durch den Senat) tatsächlichen Aufwendungen fallen (vgl Luik in: Eicher/Luik, SGB II 4. Auflage 2017, § 22, Rn 44). Hierunter fallen nicht nur Kosten, die nach dem Mietvertrag geschuldet werden, sondern auch Kosten, die der Leistungsempfänger an Dritte (hier: die Bank), klassischerweise etwa einem Energieversorgungsunternehmen für die Versorgung mit zB Gas, zu zahlen hat. Maßgeblich ist allein, dass die Kosten dem Zweck dienen, die Unterkunft zu sichern (vgl Piepenstock in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB II, 4. Auflage 2015, § 22, Rn 54). Die Zahlung der Avalprovision dient insoweit dem durch § 22 Abs 1 Satz 1 SGB II sicherzustellenden Grundbedürfnis Wohnen, weil die Nichtzahlung der Provision - worauf die Klägerin zutreffend verweist - zur Kündigung der Mietkautionsbürgschaft führen kann (vgl insoweit Nr 2 der "Bedingungen für Bürgschaftsaufträge", wonach die Klägerin zur Zahlung einer Provision verpflichtet ist, hier Bl 24 GA) und die dann fehlende Mietsicherheit den Vermieter zur fristlosen außerordentlichen Kündigung berechtigen würde (vgl § 569 Abs 2a Satz 1 Bürgerliches Gesetzbuch - BGB -).

Der Klägerin kann bei Eintritt in den Leistungsbezug nicht entgegengehalten werden, dass sie in der Vergangenheit (hier: ca 2 Jahre vor Eintritt der Hilfebedürftigkeit) eine auf lange Sicht kostenintensive und damit unwirtschaftliche (aber gleichwohl wirksame) zivilrechtliche Verpflichtung eingegangen ist, soweit die Kosten der Kaution nach Ablauf von 12 Jahren bereits die Höhe der Mietkaution selbst übersteigen. Für nach SGB II-Maßstäben kostenunangemessene Aufwendungen sieht das SGB II eigene Mechanismen vor, wie etwa die Kostensenkungsaufforderung mit Gewährung einer Übergangsfrist bei einer aus Sicht des Leistungsträgers zu teuren Unterkunft (§ 22 Abs 1 Satz 3 SGB II). Die Klägerin dürfte die Aufrechterhaltung der zivilrechtlichen Verpflichtung aus einer Mietkautionsbürgschaft auch nicht daraus herleiten können, dass ihre Aufwendungen sich insgesamt noch innerhalb der Angemessenheitsgrenze des § 22 Abs 1 Satz 1 SGB II auch unter Berücksichtigung der Provision bewegen (dazu sogleich unter (2). Als Bezieherin von SGB II-Leistungen unterliegt sie dem Selbsthilfegebot, dh der Obliegenheit, alle Möglichkeiten zur Verringerung ihrer Hilfebedürftigkeit auszuschöpfen (§ 2 Abs 1 Satz SGB II). Zutreffend verweist der Beklagte mit Schriftsatz vom 4. Februar 2019 insoweit auf die Möglichkeit, die Mietkaution mittels Darlehen durch den Beklagten nach Maßgabe des § 22 Abs 8 SGB II zu übernehmen, sofern die Unterkunft gefährdet ist. Ob und unter welchen Voraussetzungen der Beklagte zur darlehnsweise Übernahme verpflichtet wäre, braucht der Senat nicht zu entscheiden. Denn die Klägerin hat solange Anspruch auf Übernahme ihrer Verbindlichkeiten aus der Mietkautionsbürgschaft als laufenden Unterkunftsbedarf, solange der Beklagte - was hier im Mai 2016 weder vorgetragen noch sonst ersichtlich ist - die Klägerin nicht auf entsprechende Gestaltungsmöglichkeiten/-notwendigkeiten hingewiesen hat (§ 14 Sozialgesetzbuch Erstes Buch - SGB I -; vgl zur Pflicht des Leistungsträgers zur sog "Spontanberatung" bei naheliegenden Gestaltungsmöglichkeiten: Kasseler Kommentar/Seewald, § 14 SGB I, Rn 21; vgl zu Hinweispflichten des Leistungsträgers zB bei zivilrechtlich unwirksamen Vereinbarungen: BSG, Urteil vom 22. September 2009 - B 4 AS 8/09 R -, BSGE 104, 179-185, SozR 4-4200 § 22 Nr 24).

(2) Die Aufwendungen iHv 100,00 Euro jährlich sind angemessen im Sinne des § 22 Abs 1 Satz 1 SGB II.

Die angemessene Bruttokaltmiete bestimmt sich, weil weder ein schlüssiges Konzept des Beklagten zur Ermittlung der Referenzwerte nicht vorliegt (vgl zu den Anforderungen an ein schlüssiges Konzept: BSG, Urteil vom 18. November 2014 - B 4 AS 9/14 R -, BSGE 117, 250-260, SozR 4-4200 § 22 Nr 81) noch Daten zur Erstellung eines solchen Konzepts erhoben worden oder sonstwie verfügbar sind, grundsätzlich nach dem Wert der Tabelle zu § 12 WoGG für eine Person (hier in der ab dem 1. Januar 2016 gültigen Fassung bei Mietstufe IV für L. im Landkreis O.: 434,00 Euro ) zzgl eines Sicherheitszuschlages von 10 % (vgl zur Heranziehung der Wohngeldtabelle mit Sicherheitszuschlag bei einem sog Erkenntnisausfall BSG, Urteil vom 16. Juni 2015 - B 4 AS 44/14 R -, SozR 4-4200 § 22 Nr 85, Rn 25 ff.). Der so ermittelte Grenzwert beträgt 477,70 Euro (zzgl angemessener HK). Soweit der Beklagte in seinem Hinweisschreiben vom 15. Juli 2014 einen Grenzwert von 444,00 Euro benennt - ausgehend offenkundig von Mietenstufe VI, obwohl L. im Landkreis O. auch vor dem 1. Januar 2016 der Mietenstufe IV zuzuordnen war - bewegt sich die Klagforderung auch innerhalb der vom Beklagten für zutreffend erachteten Angemessenheitsgrenze von 444,00 Euro.

Der Senat legt dabei 413,00 Euro als die Bruttokaltmiete zugrunde, von der die Beteiligten übereinstimmend davon ausgehen, dass diese monatlich anfällt. Es kann dahinstehen, inwieweit die (wohl ausschließlich einmalig) jährlich abgerechneten Nebenkosten für Wasser/Abwasser und Müll, die nach dem aus dem im Verwaltungsvorgang ersichtlichen Abrechnungsturnus jährlich im Februar fällig werden, bei der Ermittlung der im Monat Mai 2016 zugrundezulegenden Bruttokaltmiete durch Umlage eines monatlichen Teilbetrages hinzuzurechnen sind (vgl zur Fälligkeit der Nebenkosten im Monat ihrer Anforderung, begrenzt auf die angemessenen Kosten unter Hinzuziehung der für das Abrechnungsjahr bereits geleisteten KdUH: vgl BSG, Urteil vom 22. März 2010 - B 4 AS 62/09 R -, SozR 4-4200 § 22 Nr 38). Denn sowohl die für das Jahr 2016 angefallenen Kosten von monatlich 14,27 Euro (171,19 Euro insgesamt, vgl Bl. 118 der Gerichtsakte L 11 AS 813/18) als auch die für das Jahr 2015 angefallenen (bei Bescheidung im Monat Juli 2016 bekannten) Kosten von monatlich 11,19 Euro (134,39 Euro insgesamt) führen unter Hinzunahme der monatlich umgelegten Avalprovision von 8,33 Euro nicht zu einer Überschreitung der Angemessenheitsgrenze. Der so ermittelte Gesamtbetrag der Bruttokaltmiete von 435,60 Euro bzw 432,52 Euro liegt damit sogar noch innerhalb der vom Beklagten für zutreffend erachteten Angemessenheitsgrenze von 444,00 Euro.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Gründe für die Zulassung der Revision (§ 160 Abs 2 SGG) sind nicht ersichtlich.-