Landessozialgericht Niedersachsen-Bremen
Urt. v. 26.11.2019, Az.: L 11 AS 1044/18
Anrechnung einer Entschädigung wegen überlanger Verfahrensdauer auf Leistungen nach dem SGB II; Entschädigung keine zweckgebundene Leistung
Bibliographie
- Gericht
- LSG Niedersachsen-Bremen
- Datum
- 26.11.2019
- Aktenzeichen
- L 11 AS 1044/18
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 2019, 63847
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- [keine Angabe]
Verfahrensgang
- vorgehend
- SG Hildesheim - 24.09.2018 - AZ: S 37 AS 1530/17
Rechtsgrundlagen
- § 198 GVG
- § 9 SGB II
- § 11 Abs. 2 SGB II
- § 11 Abs. 3 S. 1 SGB II
Fundstellen
- ZfSH/SGB 2020, 404-408
- info also 2020, 239
Redaktioneller Leitsatz
§ 11a Abs 2 SGB II kann nicht entsprechend auf Entschädigungszahlungen wegen überlanger Verfahrensdauer angewandt werden, da es sich bei dieser Vorschrift um eine abschließende und einer Analogie nicht zugängliche Regelung handelt; eine solche Entschädigung ist auch keine zweckgebundene Leistung im Sinne von § 11a Abs. 3 Satz 1 SGB II.
Tenor:
Auf die Berufung des Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Hildesheim vom 24. September 2018 aufgehoben und die Klage abgewiesen. Der Beklagte hat der Klägerin für beide Rechtszüge keine Kosten zu erstatten. Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Die Klägerin wendet sich gegen die Aufhebung der ihr mit Änderungsbescheid vom 27. Juli 2017 für die Monate Oktober bis November 2017 gewährten Leistungen. Streitig zwischen den Beteiligten ist die Anrechnung einer Entschädigung nach § 198 Gerichtsverfassungsgesetz (GVG) auf die Leistungen der Grundsicherung für Arbeitsuchende nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II).
Die 1955 geborene Klägerin steht seit längerem im Leistungsbezug bei dem Beklagten. Sie lebt in einer Bedarfsgemeinschaft mit ihrem 1954 geborenen Ehemann. Auch dieser erhielt in der Vergangenheit Leistungen von dem Beklagten. Seit August 2013 wurde für ihn Pflegegeld gewährt. Seit Januar 2015 erhielt er keine Leistungen mehr von dem Beklagten, sondern Leistungen nach dem Sozialgesetzbuch Zwölftes Buch (SGB XII). Die Klägerin erhält seit 2010 Rente von der Deutschen Rentenversicherung (DRV) Bund, die auf ihren Anspruch nach dem SGB II angerechnet wird.
Zwischen den Beteiligten war in der Vergangenheit die Höhe der zu berücksichtigenden Kosten für Unterkunft und Heizung (KdUH) streitig. Nach Abschluss des vor dem Sozialgericht (SG) Hildesheim geführten Verfahren S 24 AS 1867/10 betreffend die KdUH für Juli bis Dezember 2009 erhob die Klägerin gemeinsam mit ihrem Ehemann wegen der überlangen Dauer dieses Gerichtsverfahrens Klage. In diesem Verfahren vor dem Landessozialgericht (LSG) Niedersachsen-Bremen (L 10 SF 7/16 EK AS) schlossen die Klägerin und ihr Ehemann mit dem Land Niedersachsen am 24. April 2017 einen Vergleich. Das Land Niedersachsen verpflichtete sich darin, an die Klägerin und ihren Ehemann jeweils eine Entschädigungssumme für die immateriellen Schäden iHv 2.100,00 Euro, zahlbar auf das Konto des Prozessbevollmächtigten Rechtsanwalt H., zu zahlen. Die Kosten des Rechtsstreits trugen die Kläger und das Land Niedersachsen jeweils zur Hälfte. Zu diesem Verfahren war der Beklagte beigeladen. Der Beschluss über den Vergleich ging dem Beklagten am 27. April 2017 zu.
Der Beklagte bewilligte auf den Weiterbewilligungsantrag der Klägerin hin mit Bescheid vom 15. November 2016 in Gestalt des Änderungsbescheids vom 26. November 2016 (Anpassung der Regelbedarfsleistungen) für die Zeit von Januar bis Dezember 2017 Leistungen nach dem SGB II unter Berücksichtigung der Rente wegen voller Erwerbsminderung und wies für die Klägerin den Betrag von monatlich 206,74 Euro aus. Nachdem am 24. Juli 2017 der Bescheid der I. J. über die Rentenanpassung zum 1. Juli 2017 einging, erließ der Beklagte den Aufhebungs- und Erstattungsbescheid vom 27. Juli 2017 für die Monate Juli/August 2017 iHv je 7,25 Euro gemäß § 48 Abs 1 Satz 2 Nr 3 Sozialgesetzbuch Zehntes Buch (SGB X) und am selben Tag einen Änderungsbescheid betreffend die Monate September bis Dezember 2017. Es ergab sich nun ein monatlicher Anspruch der Klägerin iHv 199,49 Euro.
Aus den am 2. August 2017 beim Beklagten eingegangenen Kontoauszügen der Klägerin ergab sich eine Gutschrift betreffend die Entschädigung aus dem Verfahren L 10 SF 7/16 EK AS am 19. Mai 2017 iHv 3.000,00 Euro. Der Beklagte hörte daraufhin die Klägerin am 28. August 2017 zur beabsichtigten Aufhebung für den Monat Juni 2017 iHv 206,74 Euro und für die Monate Juli bis September 2017 iHv 199,49 Euro, insgesamt 805,21 Euro an. Die Klägerin habe einmaliges Einkommen iHv 3.000,00 Euro erzielt, das gemäß § 11 Abs 3 SGB II auf sechs Monate aufzuteilen sei und zum Wegfall des Anspruchs führe. In der Folgezeit erging der entsprechende Aufhebungs-und Erstattungsbescheid vom 18. September 2017 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 2. November 2017 (vgl das im Senat anhängige Verfahren L 11 AS 1043/18).
Ohne vorherige Anhörung erging am 28. August 2017 der streitbefangene Aufhebungsbescheid. Die Klägerin sei aufgrund der am 19. Mai 2017 erhaltenen einmaligen Entschädigung nach § 198 GVG unter Berücksichtigung des § 11 Abs 3 Satz 1 SGB II für die Dauer von sechs Monaten nicht bedürftig gewesen. Denn der Entschädigungsbetrag von 3.000,00 Euro sei nicht privilegiertes Einkommen und auf sechs Monate aufzuteilen. Der monatliche Teilbetrag übersteige den Anspruch nach dem SGB II. Dementsprechend werde die vorangegangene Bewilligung von SGB II-Leistungen für die Zeit vom 1. Oktober bis 30. November vollständig aufgehoben.
Den hiergegen am 6. September 2017 eingelegten Widerspruchs wies der Beklagte mit Bescheid vom 23. Oktober 2017 zurück. Die Entschädigung aus § 198 GVG stelle Einkommen dar. Dieses sei auch anzurechnen, denn es liege keine Privilegierung iSd § 11a Abs 3 SGB II vor. Entschädigungsleistungen würden nicht zu einem ausdrücklich genannten Zweck erbracht, der sich von dem der Grundsicherung unterscheide. Da das einmalige Einkommen bei Berücksichtigung im Monat des Zuflusses zum Wegfall des Anspruchs geführt hätte, sei eine Aufteilung über einen Zeitraum von sechs Monaten vorzunehmen gewesen. Unter Berücksichtigung der sich daraus ergebenden Beträge von 500,00 Euro pro Monat bestehe im Oktober und November 2017 keine Hilfebedürftigkeit mehr. Die Beklagte bezog sich auf den beigefügten Berechnungsbogen.
Hiergegen hat die Klägerin am 23. November 2017 vor dem SG Hildesheim Klage erhoben. Der Bescheid vom 28. August 2017 sei rechtswidrig und habe formelle und materielle Fehler. Bei den 3.000,00 Euro handele es sich nicht um Einkommen im sozialrechtlichen Sinne, sondern um eine Entschädigung für ein überlanges Gerichtsverfahren vor dem SG Hildesheim. Der Beklagte hat seine Auffassung wiederholt, dass die Entschädigung aus § 198 GVG Einkommen darstelle und anzurechnen sei.
Das SG hat mit Urteil vom 24. September 2018 auf die Klage die angefochtenen Bescheide aufgehoben und die Berufung zugelassen. Der Klägerin stehe auch in den Monaten Oktober und November 2017 der Betrag von 199,49 Euro zu. Es könne dahinstehen, ob der Beklagte zutreffend seine Entscheidung auf § 48 Abs 1 Satz 2 Nr 3 SGB X gestützt habe oder ob nicht zumindest für die Zeit ab September § 45 SGB X einschlägig sei. Denn der Ausgangsbescheid in Gestalt der Änderungsbescheide sei nicht rechtswidrig. Die erhaltene Einmalzahlung stelle zwar Einkommen dar. Hierdurch sei auch eine nachträgliche Änderung der Verhältnisse herbeigeführt worden. Dieses Einkommen führe aber nicht zum Wegfall oder zur Minderung des Leistungsanspruchs im Sinne von § 48 Abs 1 Satz 2 Nr 3 SGB II. Denn die Entschädigungszahlung sei zwar Einkommen im Sinne von § 11 Abs 1 Satz 1 SGB II. Bei der Einmalzahlung handele es sich nicht um privilegiertes Einkommen im Sinne von § 11a Abs 1 SGB II, da Entschädigungszahlungen wegen überlanger Verfahrensdauer im dortigen Katalog nicht aufgelistet seien. Ebenfalls liege keine Privilegierung nach § 1 Alg II-Verordnung (Alg II-V) vor. Soweit angedacht werde, Entschädigungen nach § 198 GVG analog unter § 11a Abs 2 SGB II zu fassen, spreche hiergegen jedoch, dass es sich bei dieser Vorschrift um eine nicht analogiefähige Sondervorschrift handele. Auch wenn das Bundessozialgericht (BSG) entschieden habe, dass Entschädigungszahlungen wegen einer Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts sowie wegen einer Diskriminierung nach § 15 des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes (AGG) in der Grundsicherung für Arbeitsuchende als Schmerzensgeld einzustufen und daher von der Berücksichtigung auszunehmen seien, was der Annahme eines totalen Analogieverbots diametral entgegenstehe, sei dies letztlich nicht klärungsbedürftig. Denn es sei der Rückgriff auf § 11a Abs 3 SGB II möglich. Hiernach seien Leistungen, die aufgrund öffentlich-rechtlicher Vorschriften zu einem ausdrücklich genannten Zweck erbracht würden, nur soweit als Einkommen zu berücksichtigen, als die Leistungen nach dem SGB II im Einzelfall demselben Zweck dienten. Die aufgrund der öffentlich-rechtlichen Vorschrift des § 198 GVG erbrachten Entschädigungszahlungen dienten dem Zweck der Entschädigung der Betroffenen für den Verlust von Lebensqualität wegen überlanger Verfahrensdauer im Sinne eines immateriellen Schadens. Die Leistungen nach dem SGB II dienten schwerpunktmäßig der Existenzsicherung und im Übrigen dem Zweck der Wiedereingliederung in Arbeit. Eine Zweckidentität liege somit nicht vor, so dass eine Anrechnung als Einkommen ausscheide. Der vom Gesetzgeber gewollte Zweck der Entschädigungsleistungen nach § 198 Abs 3 iVm Abs 2 GVG unterscheide sich deutlich von dem Zweck der Leistungen zum Lebensunterhalt nach dem SGB II.
Gegen das ihm am 15. November 2018 zugestellte Urteil wendet sich der Beklagte mit der am 10. Dezember 2018 eingegangenen Berufung. Er ist weiterhin der Auffassung, dass Einkommen aus Entschädigungsansprüchen aus § 198 GVG anrechenbares Einkommen im Sinne von § 11 SGB II darstellt und nicht privilegiert ist. Die Entschädigungsleistung unterfalle nicht den in § 11a Abs 1 SGB II enumerativ aufgezählten Einnahmen und auch nicht den nach § 1 der Alg II-V aufgezählten Einnahmen. Unzulässig sei es auch, die Entschädigungsleistungen nach § 198 GVG unter § 11a Abs 2 SGB II zu subsummieren. Dort seien Entschädigungszahlungen nach § 253 Abs 2 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) aufgeführt. Bei der Entschädigungszahlung nach dem GVG handele es sich jedoch nicht um die Erfüllung eines Schmerzensgeldanspruchs. Denn der Entschädigung wegen überlanger Verfahrensdauer liege weder eine Verletzung der in § 253 Abs 2 BGB (vgl § 847 BGB in der bis zum 31. Juli 2002 geltenden Fassung - im Folgenden: alter Fassung - aF) aufgeführten Rechtsgüter Körper, Gesundheit, Freiheit und sexuelle Selbstbestimmung zugrunde, noch eine Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts. Seine Grundlage sei eine Verletzung des Justizgewährleistungsanspruchs. Es handele sich um eine Form der verschuldensunabhängigen Staatshaftung, in der amtlichen Begründung des Gesetzentwurfes als "staathaftungsrechtlicher Anspruch sui generis" bezeichnet. Auch eine Privilegierung nach § 11a Abs 3 SGB II könne nicht angenommen werden. Denn die Entschädigung aus § 198 GVG verfolge keinen konkreten Zweck. Zwar müsse eine Zweckbindung unter Berücksichtigung der Rechtsprechung des BSG nicht ausdrücklich geregelt sein, die Existenz eines bestimmten Verwendungszwecks müsse aber vorliegen. Ein solcher sei der Entschädigung aus § 198 GVG nicht zu entnehmen. Sie diene ua der Kompensation eines immateriellen Nachteils. Für eine Zweckbestimmung genüge es nicht, wenn eine Leistung kausal für etwas erbracht werde, sie müsse gerade final für einen Zweck erbracht werden. Überdies seien die Besonderheiten des SGB II zu bedenken. Es gehe um die Existenzsicherung Bedürftiger. Wenn durch Entschädigungsansprüche, die nicht final dazu bestimmt seien, konkrete Folgen von Unrecht abzufangen, die Möglichkeit eingeräumt werde, trotz Einkommens weiterhin die vollen Leistungen nach dem SGB II zu erhalten, finde eine Form von Vermögenssicherung statt, die das SGB II nicht vorgesehen habe. Faktisch liege kein Grund mehr für "Existenzsicherung" vor, wenn ausreichend Einkommen zur Verfügung stehe. Einer Kompensation des Verlusts von Lebensqualität sei Genüge getan, wenn Einkommen unter Berücksichtigung der Freibeträge über einen Zeitraum von sechs Monate verteilt werde und damit zwar zum Lebensunterhalt zu verwenden sei, jedoch aufgrund der Freibeträge dem Hilfeempfänger auch teilweise zur Verfügung stehe.
Auf Hinweis des Senats trägt der Beklagte vor, dass § 45 SGB X und nicht § 48 SGB X die richtige Rechtsgrundlage sei. Denn der Änderungsbescheid vom 27. Juli 2017 sei bereits bei seinem Erlass rechtswidrig gewesen. Auf Vertrauensschutz könne sich die Klägerin nicht berufen, da zumindestens § 45 Abs 2 Nr 3 SGB X einschlägig sein dürfte. Die Klägerin habe bereits am 19. Mai 2017 den Betrag iHv 3.000,00 Euro von ihrem Rechtsanwalt überwiesen bekommen. Dieses Einkommen habe sie nicht mitgeteilt. Eher zufällig sei dies wegen einer anderen Angelegenheit bekannt geworden. Daher sei bezüglich der Kenntnis von der Rechtswidrigkeit des Verwaltungsaktes mindestens grobe Fahrlässigkeit anzunehmen. Auch wenn der auf dem Konto gutgeschriebene Entschädigungsbetrag von 3.000,00 Euro auf die Klägerin und ihren Ehemann verteilt und dementsprechend als Einkommen der Klägerin nur 1.500,00 Euro berücksichtigt würden, übersteige das monatlich zu berücksichtigende Einkommen weiterhin den Anspruch der Klägerin.
Der Beklagte beantragt schriftsätzlich,
das Urteil des Sozialgerichts Hildesheim vom 24. September 2018 aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Der Klägerin beantragt schriftsätzlich,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie bezieht sich auf ihr bisheriges Vorbringen und verteidigt die erstinstanzliche Entscheidung. Leistungen, die aufgrund öffentlich-rechtlicher Vorschriften zu einem ausdrücklichen Zweck erbracht würden, seien nur soweit als Einkommen zu berücksichtigen, als die Leistungen nach dem SGB II im Einzelfall demselben Zweck dienten. Der Zweck der Leistungen nach § 198 GVG diene nicht demselben Zweck wie die Leistungen nach dem SGB II. Zweck der Entschädigung nach § 198 GVG sei es, eine überlange Gerichtsverfahrensdauer und damit verbundene unnötige Belastungen, die auch einen Eingriff in das allgemeine Persönlichkeitsrecht darstellten, zu entschädigen. Das sei nicht einmal annähernd deckungsgleich mit dem Zweck des SGB II, nämlich die Grundsicherung von erwerbsfähigen Personen sicherzustellen.
Die Beteiligten haben ihr Einverständnis mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung am 18. und 30. Juli 2019 erklärt.
Außer den Gerichtsakten haben die vom Beklagten vorgelegten Verwaltungsvorgänge vorgelegen und waren Gegenstand der Entscheidungsfindung. Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhaltes und des Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der Akten ergänzend Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
Im Einverständnis mit den Beteiligten (vgl Schriftsätze vom 18. und 30. Juli 2019) entscheidet der Senat gemäß § 124 Abs 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) ohne mündliche Verhandlung.
Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung ist zulässig und begründet. Der Beklagte hat im Ergebnis zutreffend entschieden, dass die der Klägerin gewährte Entschädigung nach § 198 GVG als Einkommen anzurechnen ist. Er hat deshalb mit dem angefochtenen Bescheid vom 28. August 2017 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 23. Oktober 2017 zutreffend die Leistungsgewährung wegen fehlender Hilfebedürftigkeit aufgehoben. Das entgegenstehende Urteil des SG war hingegen aufzuheben.
1. Die Klägerin gehörte im hier streitgegenständlichen Zeitraum zum Kreis der nach Maßgabe des § 7 Abs 1 SGB II anspruchsberechtigten Personen. Sie hat das 15. Lebensjahr vollendet, das 65. jedoch noch nicht, ist erwerbsfähig und hat ihren gewöhnlichen Aufenthalt in der Bundesrepublik Deutschland. Zudem lag zunächst auch Hilfebedürftigkeit iS des § 9 Abs 1 SGB II vor. Diesen Tatbestand erfüllt, wer seinen Lebensunterhalt nicht oder nicht ausreichend aus eigenen Kräften und Mitteln, vor allem nicht durch Aufnahme einer zumutbaren Arbeit, aus dem zu berücksichtigenden Einkommen oder Vermögen sichern kann und die erforderliche Hilfe nicht von anderen Angehörigen oder von Trägern anderer Sozialleistungen erhält. Da die Klägerin mit ihrem Mann in einer Bedarfsgemeinschaft lebt, ist gem Abs 2 auch das Einkommen und Vermögen des Partners zu berücksichtigen.
Der Beklagte hat unter Berücksichtigung dieser Vorschriften nach den zu diesem Zeitpunkt bestehenden Verhältnissen der Klägerin zutreffend mit Bescheiden vom 15. und 26. November 2016 Leistungen iHv 206,74 Euro für das gesamte Jahr 2017 bewilligt. Wegen einer Erhöhung der anzurechnenden DRV-Rente ab 1. Juli 2017 hat er mit Bescheiden vom 27. Juli 2017 die Bewilligung für die Monate Juli und August 2019 teilweise zurückgenommen und für die Zeit ab September 2017 die Leistungshöhe mit 199,49 Euro unter Berücksichtigung der ihm bekannten Daten rechnerisch zutreffend neu festgesetzt. Wegen der Einzelheiten wird auf die den Bescheiden beigefügten Berechnungsbögen verwiesen.
2. Allerdings lagen bereits ab Juni 2017 und auch noch in den hier streitigen Monaten Oktober und November 2017 die Voraussetzungen für die Leistungsgewährung nicht mehr vor, da die Klägerin infolge des Zuflusses anzurechnenden Einkommens nicht mehr hilfebedürftig iSd § 9 SGB II war. Am 19. Mai 2017 ging ein Betrag iHv 3.000,00 Euro (Teilbetrag der Entschädigung nach § 198 GVG für die Klägerin und ihren Ehemann iHv zunächst 4.200,00 Euro) auf dem Konto der Klägerin ein.
Zutreffend hat der Beklagte den Geldeingang als einmalige Einnahme angesehen. Nach § 11 Abs 1 S 1 SGB II sind als Einkommen zu berücksichtigen Einnahmen in Geld, abzüglich der nach § 11b abzusetzenden Beträge mit Ausnahme der in § 11a genannten Einnahmen. Wegen der Höhe des zugeflossenen Betrags war dieses Einkommen gem § 11 Abs 3 Satz 4 SGB II auf 6 Monate aufzuteilen. Dass der Beklagte bei seiner vorgenommenen Berechnung dabei auch den auf den Ehemann der Klägerin entfallenden Betrag als Einkommen der Klägerin angesehen hat, ist zwar fehlerhaft, im Ergebnis aber unschädlich. Denn dasselbe Ergebnis - Entfallen des Leistungsanspruchs durch Berücksichtigung in einem Monat und deshalb erforderliche gleichmäßige Aufteilung auf 6 Monate sowie Übersteigen des Leistungsanspruchs durch den anzurechnenden Betrag - ergibt sich auch bei zutreffender Berücksichtigung von nur 1.500,00 Euro (vgl die vom Beklagten mit Schriftsatz vom 25. Oktober 2019 vorgelegte Berechnung).
3. Die hier für den immateriellen Schaden gezahlte Entschädigung nach § 198 GVG ist - entgegen dem SG - auch nicht gem § 11a SGB II von der Berücksichtigung als Einkommen ausgenommen.
Nach § 198 Abs 1 Satz 1 GVG wird derjenige, der infolge einer unangemessenen Dauer eines Gerichtsverfahrens als Verfahrensbeteiligter einen Nachteil erleidet, angemessen entschädigt. Der Nachteil kann sowohl materielle als auch immaterielle Schäden umfassen. Ein Nachteil, der nicht Vermögensnachteil (= immaterieller Schaden) ist, wird gem § 198 Abs 2 Satz 1 GVG gesetzlich widerleglich vermutet, wenn ein Gerichtsverfahren unangemessen lange gedauert hat. Die Entschädigung gemäß Satz 2 beträgt 1.200,00 Euro für jedes Jahr der Verzögerung.
Nach dem vor dem 10. Senat des erkennenden Gerichts geschlossenen Vergleich erhielten die Klägerin und ihr Ehemann 2.100,00 Euro pro Person. Dass es sich hierbei um Beträge handelt, die zum Ausgleich immaterieller Schäden geleistet wurden, ergibt sich aus der Begründung des Prozesskostenhilfe(PKH)-Beschlusses des 10. Senats vom März 2017. Darin wird zum einen festgehalten, dass die Klage auf Entschädigung für immaterielle Schäden durch die überlange Dauer des Ausgangsrechtsstreits S 24 AS 1867/10 hinreichende Erfolgsaussicht hat und zum anderen gem § 198 Abs 2 Satz 2 GVG die Verzögerung von 21 Monaten in Beziehung gesetzt zur Entschädigungssumme von 2.100,00 Euro pro Person.
a. Die Entschädigung nach § 198 GVG unterfällt vom Wortlaut her keiner der in § 11a Abs 1 SGB II aufgeführten Ausnahmen.
b. Die Entschädigung nach § 198 GVG kann auch nicht unter § 11a Abs 2 SGB II subsumiert werden. Danach sind nicht als Einkommen zu berücksichtigen Entschädigungen, die wegen eines Schadens, der kein Vermögensschaden ist, nach § 253 Abs 2 BGB geleistet werden.
Bei der Entschädigung nach § 198 GVG handelt es sich nicht um ein Schmerzensgeld iS des § 253 Abs 2 BGB. Denn sie wird nicht wegen einer Verletzung eines der in § 253 Abs 2 BGB abschließend aufgeführten Rechtsgüter Körper, Gesundheit, Freiheit und sexuelle Selbstbestimmung gewährt. Ihr liegt auch keine Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts zugrunde (zur Nichtberücksichtigung von Entschädigungszahlungen nach § 15 Abs 2 Allgemeines Gleichbehandlungsgesetz - AGG - als Einkommen gem § 11 Abs 3 Nr 2 SGB II in der bis 31. März 2011 geltenden Fassung - aF -, jetzt: § 11a Abs 2 SGB II, wenn der Anspruch auf einer Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts durch Benachteiligung aus Gründen der Rasse oder wegen der ethnischen Herkunft, des Geschlechts, der Religion oder der Weltanschauung, einer Behinderung, des Alters oder der sexuellen Identität (§ 1 AGG) seitens des Arbeitgebers beruht und deshalb zivilrechtlich nicht unter § 253 Abs 2 BGB fallen würde: BSG, Urteil vom 22. August 2012 - B 14 AS 164/11 R -). Grundlage der Entschädigung ist vielmehr eine Verletzung des Justizgewährleistungsanspruchs aus Art 19 Abs 4 und Art 20 Abs 3 Grundgesetz (GG) bzw aus Art 6 Abs 1 und Art 13 Europäische Menschenrechtskonvention (EMRK). Es handelt sich um eine besondere Form verschuldensunabhängiger Staatshaftung, also um einen staatshaftungsrechtlichen Anspruchs sui generis (vgl amtliche Begründung des Gesetzesentwurfs, BT-Drs. 17/3802, S 19, 40). Ein solcher Staatshaftungsanspruch fällt nicht unter § 253 Abs 2 BGB.
Eine entsprechende Anwendung des § 11a Abs 2 SGB II kommt nicht in Betracht, da es sich bei dieser Vorschrift um eine abschließende und einer Analogie nicht zugängliche Regelung handelt (vgl BSG, Urteil vom 5. September 2007 - B 11b AS 15/06 R - Rn 30 zu § 11 Abs 3 Nr 2 SGB II aF und einer Verletztenrente nach dem SGB VII; Landessozialgericht Niedersachsen-Bremen, Urteil vom 27. April 2017 - L 15 SF 18/16 EK AS -, Rn 25 mwN, nachfolgend: Beschluss des BSG vom 12. Oktober 2017 - B 10 ÜG 13/17 B -).
c. Die Entschädigung nach § 198 GVG ist - entgegen dem SG - auch keine zweckgebundene Leistung im Sinne von § 11a Abs 3 Satz 1 SGB II. Nach dieser Vorschrift sind Leistungen, die aufgrund öffentlich-rechtlicher Vorschriften zu einem ausdrücklich genannten Zweck erbracht werden, nur so weit als Einkommen zu berücksichtigen, als die Leistungen nach dem SGB II im Einzelfall demselben Zweck dienen. Eine allgemeine Zweckrichtung reicht nicht aus. An einem besonderen Zweck fehlt es nach der Gesetzesbegründung (BT-Drs 17/3404, S 94) jedenfalls dann, wenn der Einkommensbezieher weder rechtlich noch tatsächlich daran gehindert ist, die Leistungen zur Deckung von Bedarfen nach dem SGB II einzusetzen. Da der Gesetzgeber eine Anpassung der Regelungen des SGB II und des Zwölften Buchs Sozialgesetzbuch (SGB XII) beabsichtigte (vgl BT-Drs aaO), kann zur Auslegung von § 11a SGB II die Rechtsprechung zu § 83 Abs. 1 SGB XII (bis 31. 12. 2004: § 77 Abs 1 BSHG) herangezogen werden. Danach ist zunächst zu klären, ob in den öffentlich-rechtlichen Vorschriften ein über die Sicherung des Lebensunterhalts hinausgehender Zweck der Leistung ausdrücklich genannt ist, wobei es nach der Rechtsprechung auch ausreicht, wenn sich der Zweck aus der Gesetzesbegründung oder dem Bescheid ergibt. Eine Verwendung des Wortes "Zweck" ist nicht erforderlich. Der ausdrückliche Zweck kann schon durch Worte wie "zur Sicherung", "zum Ausgleich" etc ausreichend deutlich zum Ausdruck kommen. Es genügt auch, dass die Zweckbestimmung aus den Voraussetzungen für die Leistungsgewährung folgt, soweit sich aus dem Gesamtzusammenhang die vom Gesetzgeber gewollte Zweckbindung eindeutig ableiten lässt. Lässt sich danach ein "ausdrücklich genannter" Zweck der anderen Leistung feststellen, ist in einem zweiten Schritt der Zweck der konkret in Frage stehenden Sozialhilfeleistung zu ermitteln. In einem dritten Schritt sind die Zwecke der beiden Leistungen einander gegenüberzustellen. Nur wenn es dann an der Identität der Zwecke fehlt, ist die andere Leistung bei der Gewährung der Sozialhilfe nicht als anrechenbares Einkommen zu berücksichtigen (BSG, Urteil vom 23. März 2010 - B 8 SO 17/09 R -, Rn 24).
Der Senat vermag für die Entschädigung nach § 198 GVG weder aus dem Wortlaut des Gesetzes einen ausdrücklich genannten Zweck zu entnehmen noch aus der Gesetzesbegründung oder der Entstehungsgeschichte eine vom Gesetzgeber eindeutig gewollte Zweckbindung abzuleiten (so auch mit überzeugender Begründung LSG Niedersachsen-Bremen, Urteil vom 27. April 2017 - L 15 SF 18/16 EK AS -, Rn 27ff mwN; Sächsisches LSG, Urteil vom 29. März 2017 - L 11 SF 17/16 EK -, Rn 28; Stotz, Die Entschädigung nach § 198 GVG wegen überlanger Verfahrensdauer - Pyrrhussieg für Bezieher von SGB II-Leistungen? NZS 2015, 410; anderer Ansicht: LSG Niedersachsen-Bremen, Urteil vom 10. August 2017 - L 10 SF 10/17 EK U -, Rn 36ff mit ausführlicher Begründung und mwN; ohne nähere Begründung Söhngen in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB II § 11a, Rn 38).
Die Entschädigung wird nach der Gesetzesbegründung zu § 198 GVG (BT-Drs, 17/3802, S 19, 40) zwar aus einem bestimmten Grund gewährt, nämlich als Ausgleich für Nachteile infolge rechtswidrigen hoheitlichen Verhaltens. Zu diesen Nachteilen gehören nach der Gesetzesbegründung auch sämtliche immateriellen Folgen eines überlangen Verfahrens. Als Beispiele sind genannt neben der "seelischen Unbill" körperliche Beeinträchtigungen oder Rufschädigungen oder im Sorgerechtsstreit die Entfremdung eines Kindes vom Elternteil.
Eine ausdrückliche Zweckbestimmung, also eine Bestimmung, dass die Leistung final "zu etwas" geleistet wird (zu dieser Unterscheidung vgl Stotz, aaO; Sächsisches LSG, aaO), enthält aber die Gesetzesbegründung dagegen ebenso wenig wie das Gesetz. Die Klägerin ist frei darin, wofür sie den Geldbetrag einsetzt. Sie kann ihn zum Ausgleich des Verlustes von Lebensqualität, bedingt durch die "seelische Unbill" einsetzen (vgl dazu ausführlich LSG Niedersachsen-Bremen, Urteil vom 10. August 2017, - L 10 SF 10/17 EK U, Rn 37ff mwN). Sie ist jedoch auch nicht gehindert, diesen Betrag für den allgemeinen Lebensunterhalt zu verwenden. Eine Vergleichbarkeit mit der vom 10. Senat des erkennenden Gerichts in seiner oa Entscheidung zitierten BSG-Rechtsprechung zum Blindengeld und zur Haftentlassungsentschädigung sieht der Senat unter Verweis auf die Ausführungen des 15. Senats des erkennenden Gerichts in der oa Entscheidung (Rn 29) nicht. Eine Zweckbestimmung iS des § 11a Abs 3 SGB II, die ein Absehen von der Anrechnung rechtfertigt, liegt demnach nicht vor.
Mangels ausdrücklicher Zweckbestimmung der Entschädigung für immaterielle Nachteile nach § 198 GVG kommt es im vorliegenden Fall auf die nach der BSG-Rechtsprechung nachfolgenden Prüfungspunkte (Zweck der konkret in Frage stehenden Sozialleistung; Gegenüberstellung der Zweckbestimmungen der beiden betroffenen Leistungen, vgl BSG, Urteil vom 23. März 2010, aaO) nicht mehr an.
d. Auch aus der auf der Verordnungsermächtigung des § 13 Abs 1 Nr 1 SGB II beruhenden Alg II-V, die in § 1 weitere Einnahmen aufzählt, die nicht als Einkommen zu berücksichtigen sind, ergibt sich keine Privilegierung der Entschädigung nach § 198 GVG.
e. Ebenso enthält das GVG selbst keine Regelung zur abweichenden Behandlung der Entschädigung im Rahmen des SGB II (wie etwa § 13 Abs 5 SGB XI für das Pflegegeld).
4. Der Bescheid vom 28. August 2017 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 23. Oktober 2017, mit dem die Leistungen für die Zukunft - Oktober und November 2017 - aufgehoben wurde, ist nicht schon deshalb rechtswidrig, weil der Beklagte seine Entscheidung nicht auf § 40 Abs 2 Nr 3 SGB II iVm. § 45 Abs 2 Satz 3 Nr 2, 3 SGB X und § 330 Abs 2 SGB III, sondern auf § 40 Abs 2 Nr 3 SGB II iVm § 48 Abs 1 Satz 2 Nr 3 SGB X gestützt hat. Weil die §§ 45, 48 SGB X auf dasselbe Ziel, nämlich die Aufhebung eines Verwaltungsakts, gerichtet sind und in der vorliegenden Fallkonstellation weder im Rahmen des § 45 SGB X noch im Rahmen des § 48 SGB X Ermessen auszuüben ist, ist das Auswechseln dieser Rechtsgrundlagen grundsätzlich zulässig (BSG, Urteil vom 21. Juni 2011 - B 4 AS 21/10 R - mwN; BSG, Urteil vom 29. November 2012 - B 14 AS 6/12 R -, Rn 23) und deshalb auch im vorliegenden Fall nicht zu beanstanden.
Zutreffende Rechtsgrundlage für den Bescheid vom 28. August 2017 war § 45 SGB X iVm § 40 Abs 2 Nr 3 SGB II und § 330 Abs 2 SGB III. Diese Vorschriften regeln, dass ein Verwaltungsakt, der ein Recht oder einen rechtlich erheblichen Vorteil begründet oder bestätigt hat (begünstigender Verwaltungsakt), soweit er rechtswidrig ist, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, unter den Einschränkungen der Abs 2 bis 4 ganz oder teilweise mit Wirkung für die Zukunft oder für die Vergangenheit zurückgenommen werden muss. Die Normen grenzen sich nach den objektiven Verhältnissen im Zeitpunkt des Erlasses des aufzuhebenden Verwaltungsakts voneinander ab (BSG, Urteil vom 29. November 2012 - B 14 AS 6/12 R mwN). § 45 SGB X erfasst den anfänglich rechtswidrigen Bescheid. Werden Bescheide (mehrfach) geändert, ist grundsätzlich auf die Sachlage im Zeitpunkt des (letzten) Änderungsbescheids abzustellen (vgl Padé in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB X, § 45 SGB X, Rn 58). Das war hier der Änderungsbescheid vom 27. Juli 2017, mit dem der Beklagte die Leistungsbewilligung für die Monate September bis Dezember 2017 unter Anrechnung der erhöhten Rentenbeträge neu geregelt hat, den Einkommenszufluss im Mai 2017 jedoch nicht berücksichtigt hat.
Die Klägerin kann sich gem § 45 Abs 2 Satz 3 SGB X nicht auf Vertrauen berufen. Nach § 45 Abs 2 Satz 3 Nr 2 SGB X kann sich der Begünstigte nicht auf Vertrauen berufen, soweit der Verwaltungsakt auf Angaben beruht, die er vorsätzlich oder grob fahrlässig in wesentlicher Beziehung unrichtig oder unvollständig gemacht hat. Die Klägerin hat den Zufluss der Entschädigung nach § 198 GVG dem Beklagten nicht unverzüglich oder auch nur zeitnah mitgeteilt. Die Klägerin war im Rahmen der Leistungsbeantragung und Bewilligung über ihre Mitwirkungspflichten nach § 60 SGB I informiert und wusste oder hätte wissen müssen, dass sie jede Änderung in den Verhältnissen, u.a. Einkommenszuflüsse unverzüglich dem Beklagten mitzuteilen hat. Dies hat sie jedenfalls grob fahrlässig nicht getan und damit unvollständige Angaben zu ihren wirtschaftlichen Verhältnissen gemacht. Darauf beruhte auch der Änderungsbescheid vom 27. Juli 2017. Dem kann die Klägerin nicht entgegenhalten, dass sie nicht wusste oder wissen konnte, dass die Entschädigung als Einkommen anzurechnen war. Denn von der Klägerin wird keine rechtliche Bewertung erwartet, sondern eine bloße Mitteilung von Tatsachen (hier: Zufluss von Einkommen iHv 3.000,00 bzw 1.500,00 Euro am 19. Mai 2017). Die Klägerin kann dem auch nicht entgegenhalten, der Beklagte habe - infolge der Beiladung zum Verfahren L 10 SF 7/16 EK AS - von der Entschädigungszahlung gewusst und daher sei ihre fehlende Mitteilung nicht ursächlich geworden. Denn auch wenn der Beklagte eine Abschrift des den Vergleich feststellenden Beschlusses erhalten hat, wusste er nicht, wann und in welcher Höhe (nach Abzug der Prozesskosten) der Klägerin der ihr zustehende Anteil zufließen würde.
5. Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Sozialgerichtsgesetz (SGG).
6. Der Senat hat wegen grundsätzlicher Bedeutung der Frage, ob die Entschädigung nach § 198 GVG als Einkommen auf die SGB II-Leistungen anzurechnen ist oder ob sie der Privilegierung nach § 11a Abs 2 oder 3 SGB II unterfällt, zugelassen. Eine höchstrichterliche Entscheidung ist hierzu bislang nicht ergangen. Zweitinstanzlich ist die Rechtsprechung uneinheitlich (einerseits 10. Senat des LSG Niedersachsen Bremen, aaO, andererseits 15. Senat des LSG Niedersachsen-Bremen, aaO und Sächsisches LSG, aaO). -