Oberlandesgericht Celle
Beschl. v. 28.04.2011, Az.: 10 WF 127/11

Keine Anwaltsbeiordnung nach einvernehmlicher Sorgerechtsregelung für das weitere Verfahren

Bibliographie

Gericht
OLG Celle
Datum
28.04.2011
Aktenzeichen
10 WF 127/11
Entscheidungsform
Beschluss
Referenz
WKRS 2011, 15406
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:OLGCE:2011:0428.10WF127.11.0A

Verfahrensgang

vorgehend
AG Hannover - 15.03.2011 - AZ: 601 F 4906/10

Fundstellen

  • FPR 2011, 7
  • MDR 2011, 1006

Verfahrensgegenstand

Eie elterliche Sorge für das beteiligte Kind M. D., geboren am ...2009, ...,

Amtlicher Leitsatz

Begehrt der bislang nicht sorgeberechtigte Kindesvater seine Beteiligung an der elterlichen Sorge und sind sich die Kindeseltern bereits seit einem ersten diesbezüglichen Gespräch unter Beteiligung des Jugendamtes über die zukünftige gemeinsame Ausübung der elterlichen Sorge mit Ausnahme des bei der Kindesmutter verbleibenden Aufenthaltsbestimmungsrechtes einig, so besteht für das weitere Verfahren mangels Schwierigkeit der Sach- und Rechtslage kein Anlaß, der Kindesmutter nunmehr einen Rechtsanwalt beizuordnen.

In der Familiensache
......
hat der 10. Zivilsenat - Senat für Familiensachen - des Oberlandesgerichts Celle
auf die sofortige Beschwerde der Antragsgegnerin vom 29. März 2011
gegen
den die Beiordnung der Verfahrensbevollmächtigten im Rahmen der Bewilligung von Verfahrenskostenhilfe versagenden Beschluss des Amtsgerichts - Familiengericht - Hannover vom 15. März 2011
durch
die Richter am Oberlandesgericht H. und W. und
die Richterin am Amtsgericht C.
am 28. April 2011
beschlossen:

Tenor:

Die Beschwerde der Antragsgegnerin wird zurückgewiesen.

Gründe

1

I.

Die Beteiligten zu 1. und 2. sind die Eltern des betroffenen Kindes, das im Haushalt der Kindesmutter lebt. Sie waren nicht miteinander verheiratet. Die Kindesmutter hat die elterliche Sorge bislang allein ausgeübt; das Kind hat eine gefestigte und enge Beziehung zum Kindesvater, mit dem regelmäßig Umgang stattfindet.

2

Der Kindesvater stellte am 20. September 2010 bei der Rechtsantragstelle des Amtsgerichts Celle einen Antrag auf Übertragung der elterlichen Sorge auf beide Elternteile gemeinsam. Nachdem das Verfahren zuständigkeitshalber an das Amtsgericht Hannover verwiesen worden war, führten die beteiligten Kindeseltern am 28. Oktober 2010 ein gemeinsames Gespräch beim Jugendamt der Stadt L. Es wurde eine Einigung dahingehend erzielt, dass die Kindesmutter das Aufenthaltsbestimmungsrecht weiterhin allein ausübt und dass die elterliche Sorge im Übrigen auf beide Elternteile übertragen werden sollte. Die Kindesmutter bestätigte mit Schreiben vom 26. November 2010 an das Amtsgericht, dass sich die beteiligten Kindeseltern in dem Gespräch beim Jugendamt geeinigt hatten.

3

Der Kindesvater teilte mit Schreiben vom 4. Dezember 2010 mit, dass er weiterhin die gemeinsame elterliche Sorge begehre, und zwar auch hinsichtlich des Aufenthaltsbestimmungsrechts.

4

Daraufhin bestellte das Amtsgericht - Familiengericht - Hannover durch Beschluss vom 14. Dezember 2010 einen Verfahrensbeistand für das betroffene Kind. Gleichzeitig bestimmte es einen Anhörungstermin auf den 8. Februar 2011. Der Verfahrensbeistand berichtete am 28. Dezember 2010, dass sich die Kindeseltern weiterhin einig seien, dass sie die elterliche Sorge - mit Ausnahme des Aufenthaltsbestimmungsrechts - künftig gemeinsam ausüben wollten.

5

Am 12. Januar 2011 legitimierte sich die Verfahrensbevollmächtigte der Antragsgegnerin für diese und kündigte einen Antrag auf Übertragung der alleinigen elterlichen Sorge auf die Kindesmutter an. Der Verfahrensbeistand berichtete am 20. Januar 2011, dass die Einigung der Kindeseltern weiterhin Bestand habe.

6

Nach einer Terminsverlegung hat das Amtsgericht - Familiengericht - Hannover die Kindeseltern, das Jugendamt und den Verfahrensbeistand an 15. März 2011 persönlich angehört. Durch Beschluss des Amtsgerichts vom 5. April 2011 ist die elterliche Sorge mit Ausnahme des Aufenthaltsbestimmungsrechts für das betroffene Kind auf beide Elternteile gemeinsam übertragen worden.

7

Das Amtsgericht hat der Kindesmutter durch den angefochtenen Beschluss vom 15. März 2011 antragsgemäß Verfahrenskostenhilfe bewilligt, die Beiordnung der Verfahrensbevollmächtigten jedoch nach § 78 Abs. 2 FamFG versagt.

8

Gegen die Versagung der Anwaltsbeiordnung richtet sich die fristgerecht eingelegte sofortige Beschwerde der Antragsgegnerin.

9

II.

Die Beschwerde der Antragsgegnerin ist zulässig, insbesondere form- und fristgerecht eingelegt; in der Sache kann sie jedoch keinen Erfolg haben.

10

Nach der seit September 2009 - also auch für das vorliegende Verfahren - maßgeblichen Regelung in § 78 Abs. 2 FamFG erfolgt für Verfahren, in denen - wie vorliegend - die Vertretung durch einen Rechtsanwalt nicht vorgeschrieben ist, im Rahmen der VKH die Beiordnung eines Anwaltes nur noch dann, wenn dies wegen der Schwierigkeit der Sach- und Rechtslage erforderlich erscheint.

11

Der Bundesgerichtshof hat mit seinem Beschluss vom 23. Juni 2010 - XII ZB 232/09 - FamRZ 2010, 1427 ff = MDR 2010, 1145 ff. = NJW 2010, 3029 ff. - geklärt, dass es sich insofern um eine einzelfallbezogene tatrichterliche Prüfung handelt, bei der darauf abzustellen ist, ob ein bemittelter Rechtssuchender in der Lage des Unbemittelten vernünftigerweise einen Rechtsanwalt mit der Wahrnehmung beauftragt hätte; eine Erforderlichkeit der Anwaltsbeiordnung kann sich dabei sowohl im Hinblick auf eine Schwierigkeit der Sachlage als auch auf eine solche der Rechtslage allein ergeben und ist auch nach den subjektiven Fähigkeiten des betroffenen Beteiligten zu beurteilen. Dies entspricht der bereits in einer Vielzahl von Fällen vor Veröffentlichung des besagten Beschlusses zugrunde gelegten Auffassung des Senates (vgl. etwa Senatsbeschlüsse vom 15. Februar 2010 - 10 WF 59/10 - FamRZ 2010, 1363 = NdsRpfl 2010, 171 = AGS 2010, 187 sowie vom 2. Mai 2011 - 10 WF 215/10 - NdsRpfl 2010, 358 f.).

12

Darüber hinaus hat der Senat bereits entschieden, dass eine die Anwaltsbeiordnung erfordernde schwierige Sach- und Rechtslage nicht gegeben ist, wenn ein Elternteil eine Entscheidung nach § 1671 BGB begehrt und der andere Elternteil zustimmt, so dass die Voraussetzungen des § 1671 Abs. 2 Nr. 1 BGB vorliegen und dem Antrag stattzugeben ist (vgl. Senatsbeschluss vom 12. November 2010 - 10 WF 358/10 - FamRZ 2011, 388 [Leitsatz] = MDR 2011, 367 [OLG Celle 18.11.2010 - 10 WF 358/10]).

13

In Ansehung dieser Grundsätze kommt eine Anwaltsbeiordnung auch dann nicht in Betracht, wenn ein Vater die Übertragung der elterlichen Sorge oder eines Teils der elterlichen Sorge auf beide Elternteile gemeinsam begehrt und die Mutter zustimmt. Seit der Entscheidung desBundesverfassungsgerichts vom 21. Juli 2010 - 1 BvR 420/09 - überträgt das Familiengericht den Eltern auf Antrag eines Elternteils die elterliche Sorge oder einen Teil der elterlichen Sorge gemeinsam, soweit zu erwarten ist, dass dies dem Kindeswohl entspricht. Die gemeinsame elterliche Sorge entspricht bei entsprechender Anwendung des § 1671 Abs. 2 Nr. 1 BGB in der Regel dann dem Kindeswohl, wenn der andere Elternteil zustimmt.

14

Im Streitfall ist die begehrte Beiordnung einer Rechtanwältin für die Kindesmutter zu versagen, weil eine Schwierigkeit der Sach- oder Rechtslage nicht ansatzweise zu erkennen ist. Der Antragsteller hat sich während des gesamten Verfahrens nicht anwaltlich vertreten lassen. Die beteiligten Kindeseltern haben eigene schriftliche Stellungnahmen gegenüber dem Amtsgericht abgegeben. Die Kindesmutter hat der Übertragung der elterlichen Sorge mit Ausnahme des Aufenthaltsbestimmungsrechts zugestimmt. Hierauf hatten sich die Kindeseltern bereits in dem Gespräch beim Jugendamt geeinigt und diese Vereinbarung später auch gegenüber dem Verfahrensbeistand bestätigt. Eine Anwaltsbeiordnung war somit unter keinem Gesichtspunkt erforderlich.