Oberlandesgericht Celle
Beschl. v. 18.11.2010, Az.: 10 WF 358/10

Beiordnung eines Rechtsanwalts im Sorgerechtsverfahren

Bibliographie

Gericht
OLG Celle
Datum
18.11.2010
Aktenzeichen
10 WF 358/10
Entscheidungsform
Beschluss
Referenz
WKRS 2010, 33892
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:OLGCE:2010:1118.10WF358.10.0A

Verfahrensgang

vorgehend
AG Hannover - 28.09.2010 - AZ: 614 F 4223/10

Fundstellen

  • FamRZ 2011, 388
  • MDR 2011, 367
  • RVGreport 2011, 35-36

Amtlicher Leitsatz

1. In einem Verfahren, mit dem die Übertragung der elterlichen Sorge für ein Kind auf allein den Elternteil, in dessen Haushalt es seit langem lebt, erstrebt wird, ist - wenn dies dem erklärten Willen des Kindes entspricht und bereits die ausdrückliche Zustimmung des anderen Elternteils vorliegt - die Beiordnung eines Rechtsanwaltes im Rahmen der bewilligten Verfahrenskostenhilfe mangels Schwierigkeit der Sach- und Rechtslage nicht erforderlich.

2. Nach der Regelung durch § 78 Abs. 2 FamFG ergibt sich eine Notwendigkeit zur Anwaltsbeiordnung auch nicht allein daraus, dass ein anderer Beteiligter anwaltlich vertreten ist. dies gilt insbesondere, wenn dieser lediglich die Zustimmungserklärung wiederholt und eine vom anderen Elternteil selbst verfasste Äußerung zu den Grundlagen seiner Zustimmung übermittelt.

Tenor:

Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

Gründe

1

I. Die Beteiligten zu 1. und 2. sind die Eltern von fünf - inzwischen bis auf den Betroffenen volljährigen - Kindern. Nach Trennung im Jahre 2003 ist ihre Ehe seit Frühjahr 2006 rechtskräftig geschieden. die elterliche Sorge für die drei damals minderjährigen Kinder ist von beiden Elternteilen weiter gemeinsam ausgeübt worden, lediglich das Aufenthaltsbestimmungsrecht ist bezüglich zweier Kinder - darunter des Betroffenen - auf die Mutter, hinsichtlich des weiteren Kindes auf den Vater allein übertragen worden. Für den Betroffenen wird durch das Jugendamt seit 2006 Hilfe zur Erziehung gem. § 32 SGB VIII gewährt. er besucht eine sozialpädagogische Tagesgruppe. In den diesbezüglichen Hilfeplanungen ist auch der seit langem nur noch sehr unregelmäßige und zuletzt vom Betroffenen gänzlich eingestellte Umgangskontakt zum Kindesvater thematisiert und mit dem Jugendamt die weitere Vorgehensweise besprochen worden.

2

Im vorliegenden Verfahren hat die antragstellende Kindesmutter im August 2010 über ihren Verfahrensbevollmächtigten dieÜbertragung der elterlichen Sorge für den Betroffenen auf sich allein begehrt und eine aktuelle diesbezügliche schriftliche Zustimmung des Kindesvaters vorgelegt. zugleich hat sie für das Verfahren um´Prozeßkostenhilfe´ unter Beiordnung ihres Verfahrensbevollmächtigten nachgesucht. Das Amtsgericht hat nach Gewährung rechtlichen Gehörs für die anderen Beteiligten, in deren Rahmen sich das Jugendamt bereits mit einem abschließenden Bericht u.a. im Hinblick auf den vom Betroffenen ausdrücklich selbst dahin erklärten Wunsch zustimmend geäußert hat, mit Beschluß vom 28. September 2010 Verfahrenskostenhilfe (VKH) bewilligt, die Beiordnung des Verfahrensbevollmächtigten mangels erforderlicher Schwierigkeit der Sach und Rechtslage jedoch versagt.

3

Der Kindesvater hat über seinen Verfahrensbevollmächtigten seine Zustimmung zur Sorgerechtsübertragung wiederholt und eine selbstgefertigte zweiseitige´Stellungnahme´ übermittelt, in der er seine Motive dafür näher darlegt. zugleich hat auch er um VKH unter Anwaltsbeiordnung nachgesucht, worüber das Amtsgericht mangels Vorlage einer Erklärungüber die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse noch nicht befunden hat.

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Gegen die Versagung der Beiordnung ihres Verfahrensbevollmächtigten im Beschluß vom 28. September 2010 richtet sich die form und fristgerecht eingelegte sofortige Beschwerde der Antragstellerin, die ihr Begehren ohne zusätzliche Begründung weiterverfolgt. Das Amtsgericht hat mit Beschluß vom 8. November 2010 der Beschwerde nicht abgeholfen.

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II. Die zulässige Beschwerde der Antragstellerin kann in der Sache keinen Erfolg haben.

6

a. In Familiensachen, die weder Ehesachen noch Familienstreitsachen sind, ist die Bewilligung von VKH in §§ 76 ff. FamFG geregelt, wobei sich die Voraussetzungen der Beiordnung eines Rechtsanwaltes im Rahmen bewilligter VKH aus § 78 FamFG ergeben. danach ist, soweit in dem Verfahren die Vertretung durch einen Rechtsanwalt nicht vorgeschrieben ist, ein Rechtsanwalt beizuordnen, ´wenn wegen der Schwierigkeit der Sach und Rechtslage die Vertretung durch einen Rechtsanwalt erforderlich erscheint´ (§ 78 Abs. 2 FamFG). Der Bundesgerichtshof hat mit seinem Beschluß vom 23. Juni 2010 - XII ZB 232/09 - FamRZ 2010, 1427 ff = MDR 2010, 1145 ff. = NJW 2010, 3029 ff. - geklärt, daß es sich insofern um eine einzelfallbezogene tatrichterliche Prüfung handelt, bei der darauf abzustellen ist, ob ein bemittelter Rechtssuchender in der Lage des Unbemittelten vernünftigerweise einen Rechtsanwalt mit der Wahrnehmung beauftragt hätte. eine Erforderlichkeit der Anwaltsbeiordnung kann sich dabei sowohl im Hinblick auf eine Schwierigkeit der Sachlage als auch auf eine solche der Rechtslage allein ergeben und ist auch nach den subjektiven Fähigkeiten des betroffenen Beteiligten zu beurteilen. der Grundsatz der´Waffengleichheit´ ist dabei schließlich kein allein entscheidender Gesichtspunkt, so daß der Umstand anwaltlicher Vertretung anderer Beteiligter lediglich ein in der Gesamtwürdigung zu berücksichtigendes Kriterium bildet. Dies entspricht der bereits in einer Vielzahl von Fällen vor Veröffentlichung des besagten Beschlusses zugrundegelegten Auffassung des Senates (vgl. etwa Senatsbeschlüsse vom 15. Februar 2010 10 WF 59/10 - FamRZ 2010, 1363 = NdsRpfl 2010, 171 = AGS 2010, 187 sowie vom 18. November 2010 - 10 WF 215/10 - NdsRpfl 2010, 358 f.).

7

b. In Ansehung dieser Grundsätze ist im Streitfall die begehrte Beiordnung eines Rechtanwaltes für die Kindesmutter zu versagen, weil sie weder durch eine Schwierigkeit der Sach oder Rechtslage noch durch die - im übrigen unter der noch nicht geklärten Voraussetzung der Beiordnung im Rahmen beantragter VKH stehende - anwaltliche Vertretung des Kindesvaters erfordert wird.

8

Im Streitfall erstrebt die Kindesmutter eine Entscheidung nach § 1671 BGB. dabei liegen bereits nach ihrem - zudem durch eine entsprechende Urkunde unterlegten - Vortrag in der Antragsschrift, der im weiteren Verfahren lediglich weiter bestätigt worden ist, die Voraussetzungen des § 1671 Abs. 2 Nr. 1 BGB vor, so daß nach der gesetzlichen Vorschrift ihrem Antrag stattzugeben ist, ohne daß dem Gericht grundsätzlich eine Richtigkeitskontrolle oder ein Auswahlermessen zustünde oder es die Motive der Eltern zu beurteilen hätte (vgl. Palandt69Diederichsen, BGB § 1671 Rz. 11 m.w.N.). lediglich soweit´auf Grund anderer Vorschriften´ - namentlich §§ 1666, 1666a BGB - eine abweichende Regelung erforderlich ist, könnte dem Antrag nicht stattgegeben werden (§ 1671 Abs. 2 BGB) - dafür ist im Streitfall auch nicht im Ansatz etwas zu erkennen. Damit stellt sich aber sowohl die Sach als auch die Rechtslage als sowohl objektiv wie subjektiv denkbar einfach dar, so daß sich auch ein vernünftiger bemittelter Beteiligter, der für die Mehrkosten selbst aufzukommen hätte, in einer derartigen Ausgangslage nicht anwaltlich vertreten lassen würde.

9

Etwas anderes ergibt sich auch nicht etwa aufgrund der Tatsache, daß sich nunmehr auch der Antragsgegner anwaltlich vertreten lassen will. abgesehen davon, daß sich die Tätigkeit des Verfahrensbevollmächtigten des Kindesvaters auf die Bestätigung der Zustimmung sowie die Übermittlung einer gänzlich selbst verfaßten Erklärung des Kindesvaters beschränkt - was gleichfalls weder für eine objektive noch für eine subjektive Schwierigkeit weder der Sach noch der Rechtslage spricht - beruht das konkrete Tätigwerden offenkundig vor allem darauf, daß die Antragstellerin - objektiv nach den obigen Ausführungen zur Rechtslage völligüberflüssigerweise - zur Begründung ihres Sorgerechtsantrages ein vermeintliches Desinteresse des Kindesvaters sowie dessen angebliche Verfehlungen bei der gemeinsamen Ausübung der elterlichen Sorge thematisiert, woraus allein sich erst dessen weiteres Erklärungsbedürfnis ergibt.