Oberlandesgericht Celle
Beschl. v. 13.04.2011, Az.: 11 U 236/10
Im Fall einer Verurteilung zur Unterlassung ist der Beschwerdewert in der Berufung auf mindestens 300 Euro festzusetzen; Höhe des Beschwerdewerts bei einer Verurteilung zur Unterlassung der Verwendung von Kundendaten
Bibliographie
- Gericht
- OLG Celle
- Datum
- 13.04.2011
- Aktenzeichen
- 11 U 236/10
- Entscheidungsform
- Beschluss
- Referenz
- WKRS 2011, 16547
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:OLGCE:2011:0413.11U236.10.0A
Verfahrensgang
- vorgehend
- LG Lüneburg - 04.11.2010 - AZ: 7 O 33/10
- nachfolgend
- BGH - 25.09.2013 - AZ: VII ZB 26/11
Rechtsgrundlagen
- § 511 Abs. 2 Nr. 1 ZPO
- § 522 Abs. 1 ZPO
Amtlicher Leitsatz
Der Beschwerdewert einer Berufung gegen die Verurteilung zur Unterlassung ist auf den Mindestwert von bis zu 300 EUR festzusetzen, wenn die Parteien sich nicht über die Unterlassungspflicht selbst, sondern nur über einen bereits erfolgten Verstoß gegen die Unterlassungspflicht streiten. Weder das angedrohte Ordnungsgeld noch die Verurteilung zur Zahlung außergerichtlicher Rechtsanwaltskosten erhöhen den Beschwerdewert.
In dem Rechtsstreit
K. J., ...,
Beklagte und Berufungsklägerin,
Prozessbevollmächtigte:
Anwaltsbüro ...
gegen
W. AG, ...,
Klägerin und Berufungsbeklagte,
Prozessbevollmächtigte:
Rechtsanwälte ...
Tenor:
wird die Berufung der Beklagten gegen das Urteil der 1. Kammer für Handelssachen des Landgerichts Lüneburg vom 4. November 2010 als unzulässig verworfen.
Die Kosten des Berufungsverfahrens trägt die Beklagte.
Der Wert des Streitgegenstandes für die Berufungsinstanz wird auf 300 EUR festgesetzt.
Gründe
I. Die Klägerin macht gegen die Beklagte einen Unterlassungsanspruch bezüglich der Verwendung von Kundendaten geltend.
Die Beklagte war bis zum 30. September 2007 als hauptberufliche Handelsvertreterin für die Beklagte, eine bundesweit agierende Bausparkasse, tätig. Die Parteien streiten darüber, ob die Beklagte Kundendaten, die ihr im Rahmen ihrer Tätigkeit für die Klägerin bekannt geworden sind, zu geschäftlichen Zwecken verwendet hat. Die Pflicht, dieses zu unterlassen, ist zwischen den Parteien unstreitig.
Die Klägerin hat beantragt,
1. der Beklagten zu untersagen, Aufzeichnungen von Kundendaten, beispielsweise Kopien, Abschriften, Dateien oder sonstige Verzeichnisse, welche ihr im Rahmen ihrer Tätigkeit als Handelsvertreterin der Klägerin bekannt geworden sind, zu geschäftlichen Zwecken zu verwenden.
2. der Beklagten für jeden Fall der Zuwiderhandlung ein Ordnungsgeld bis zu 250.000 € (ersatzweise Ordnungshaft) oder Ordnungshaft bis zu 6 Monaten anzudrohen.
3. die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin 1.641,96 € zuzüglich Zinsen in Höhe von 8 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz hieraus seit dem 3. März 2010 zu zahlen.
Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Mit dem angegriffenen Urteil vom 4. November 2010 hat die 1. Kammer für Handelssachen des Landgerichts Lüneburg nach Durchführung einer Beweisaufnahme die Beklagte - mit Ausnahme eines kleinen Teils der geltend gemachten Verzugszinsen - antragsgemäß verurteilt. Wegen der weiteren Feststellungen wird auf das angefochtene Urteil verwiesen.
Gegen dieses Urteil richtet sich die rechtzeitig und formgerecht eingelegte Berufung der Beklagten. Sie ist der Meinung, dass der Beschwerdewert 600 ۟bersteigt.
Die Beklagte beantragt,
die Klage unter Abänderung des angefochtenen Urteils abzuweisen.
Die Klägerin beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Vorbringens der Parteien im Berufungsverfahren wird auf den vorgetragenen Inhalt der gewechselten Schriftsätze Bezug genommen.
II. Die Berufung der Beklagten ist als unzulässig zu verwerfen, da der gem. § 511 Abs. 2 Nr. 1 ZPO erforderliche Beschwerdewert von 600 € durch die angegriffene Entscheidung nicht erreicht wird. Die Berufung richtet sich gegen die Verurteilung zur Unterlassung eines wettbewerbswidrigen Verhaltens und zur Zahlung außergerichtlicher Rechtsanwaltsgebühren. Unabhängig vom Streitwert der Hauptsache erster Instanz wird der Wert der für die Zulässigkeit der Berufung maßgeblichen Beschwer nach der tatsächlichen Beeinträchtigung bemessen, die die Beklagte als Berufungsführerin durch die Verurteilung zur Unterlassung erleidet. Da die Parteien sich jedoch darüber einig sind, dass die ausgeurteilte Unterlassungspflicht ohnehin besteht, und der Streit sich lediglich um die Frage einer von der Beklagten in der Vergangenheit begangenen Pflichtverletzung dreht, ist die Beklagte durch die Verurteilung zur Unterlassung selbst nicht beeinträchtigt. Die Beklagte wurde allein zur Einhaltung einer unstreitig bestehenden Pflicht verurteilt (vgl. BGH NJWRR 2009, 549 zitiert nach Juris Tz. 3). Weder der Umfang eines drohenden Ordnungsgeldes noch das Interesse der Klägerin an der Einhaltung der Unterlassungspflicht sind daher für die Beschwer der Beklagten relevant (vgl. BGH aaO. Tz. 4). In dem angefochtenen Hauptsachetenor zu 1 wurde lediglich die Verpflichtung der Beklagten ausgesprochen, es zu unterlassen, ´Aufzeichnungen von Kundendaten, beispielsweise Kopien, Abschriften, Dateien oder sonstige Verzeichnisse, welche ihr im Rahmen ihrer Tätigkeit als Handelsvertreterin der Klägerin bekannt geworden sind, zu geschäftlichen Zwecken zu verwenden´. Auch die Beklagte akzeptiert diese grundsätzliche Pflicht ohne Einschränkung, behauptet jedoch, dass sie gegen die ausgesprochene Verpflichtung (auch) in der Vergangenheit nicht verstoßen habe. Das heißt jedoch zugleich, dass sie durch den Ausspruch der Unterlassungspflicht in ihrem zulässigen Verhalten nicht beeinträchtigt wird und dies auch nicht geltend macht.
Eine zusätzliche Beschwer ergibt sich auch nicht ausnahmsweise aus einer weitergehenden Rechtskraftwirkung des angefochtenen Urteils. Die vom Landgericht als bewiesen erachtete Verletzung der Unterlassungspflicht erwächst nicht in Rechtskraft, so dass das Urteil insoweit keine präjudizielle Wirkung für einen möglichen Schadensersatzanspruch der Klägerin nach sich zieht.
Die Verurteilung zur Zahlung der außergerichtlichen Rechtsanwaltskosten führt ebenfalls nicht zu einer Erhöhung des Beschwerdewertes. Diese vorprozessual aufgewendeten Kosten wirken sich gem. § 4 ZPO nicht streitwerterhöhend aus (vgl. BGH, NJW 2007, 3289). Der Bundesgerichtshof hat sich in der zitierten Entscheidung gerade auch auf die durch eine wettbewerbsrechtliche Abmahnung entstandenen vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten bezogen (vgl. BGH aaO. zitiert nach Juris Tz. 6).
Der Beschwerdewert des Berufungsverfahrens kann deshalb insgesamt nur auf den Mindeststreitwert von bis zu 300 € festgesetzt werden.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.
Soweit die Beklagte beantragt, die Rechtsbeschwerde zuzulassen, weist der Senat darauf hin, dass gegen diesen Verwerfungsbeschluss kraft Gesetzes die Rechtsbeschwerde statthaft ist, § 522 Abs. 1 S. 3 ZPO.