Verwaltungsgericht Lüneburg
Urt. v. 20.02.2018, Az.: 3 A 17/17
Entkräftung; Vermutung; Vorverfolgung
Bibliographie
- Gericht
- VG Lüneburg
- Datum
- 20.02.2018
- Aktenzeichen
- 3 A 17/17
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 2018, 74440
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- [keine Angabe]
Rechtsgrundlagen
- § 3e AsylVfG
- § 4 Abs 1 S 2 Nr 3 AsylVfG
Amtlicher Leitsatz
Leitsatz
In der Provinz Balch ist es derzeit nicht beachtlich wahrscheinlich, als Zivilperson aufgrund eines sicherheitsrelevanten Vorfalls verletzt oder getötet zu werden.
Tenor:
Soweit der Kläger seine Klage zurückgenommen hat, wird das Verfahren eingestellt.
Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
Der Kläger trägt die außergerichtlichen Kosten des Verfahrens; insoweit ist das Urteil vorläufig vollstreckbar. Der Kläger kann die Zwangsvollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 Prozent des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Zwangsvollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 Prozent des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
Gerichtskosten werden nicht erhoben.
Tatbestand:
Der Kläger begehrt die Zuerkennung subsidiären Schutzes, hilfsweise die Feststellung von Abschiebungsverboten durch die Beklagte.
Der 1998 in der Provinz Balch im Distrikt Dawlatabad im Dorf E. geborene Kläger ist afghanischer Staatsangehöriger mit tadschikischer Volks- und sunnitischer Religionszugehörigkeit. Nach eigenen Angaben hat er Afghanistan im Juni 2015 verlassen und ist im August 2015 in Deutschland eingereist. Am 7. September 2015 stellte er gegenüber der Beklagten einen Asylantrag.
In seiner Anhörung durch einen Mitarbeiter des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge (im Folgenden: Bundesamt) gab er an, bis zu seiner Ausreise im Distrikt Dawlatabad gewohnt zu haben. Er habe dort mit seinen Eltern gelebt. Diese seien einige Tage später auch ausgereist. Auch sonst habe er in Afghanistan keine Verwandten mehr. Sie seien alle verstorben. Die Schule habe er bis zur neunten Klasse besucht. Einen Beruf habe er nicht erlernt, sondern mit seinem Vater in der eigenen Landwirtschaft gearbeitet. Sie hätten Traktoren und ein Haus besessen.
Die Taliban hätten die Lehrer, die an seiner Schule tätig gewesen seien, getötet. Auch ein Onkel von ihm sei getötet worden. Seiner Familie sei gedroht worden, dass sie ihn - den Kläger - mitnehmen würden, wenn sie nicht die Hälfte des Ernteerlöses an die Taliban abgeben würden. Daraufhin habe die Familie alles zurückgelassen und sei ausgereist. Ungefähr ein Jahr vor ihrer Ausreise hätten die Taliban begonnen, von ihnen Geld zu verlangen. Zuvor hätten sie noch nicht so viel Macht gehabt. Sein Vater habe das Geld an die Taliban bezahlt. Die Forderungen der Taliban seien jedoch immer größer geworden. Sie hätten sich dann nicht mehr leisten können, zu bezahlen. Er selbst habe nie Kontakt zu den Taliban gehabt. Er habe sich immer versteckt gehabt. Sein Vater habe bis zur Ausreise die Forderung der Taliban erfüllt. Sie hätten zum Beispiel immer wieder Tiere von ihnen haben wollen. Sie seien alle paar Monate dagewesen.
Er sei auch einmal auf dem Weg zur Schule entführt worden. Auf Nachfrage des Mitarbeiters des Bundesamtes, wann er von wem entführt worden sei, erklärte der Kläger, dass er sich nicht erinnern könne. Nach Erläuterung der Frage hat er angegeben, dass dies ungefähr fünf oder sechs Monate vor seiner Ausreise gewesen sei. Er sei aus der Schule gekommen und ein Motorradfahrer habe ihm die Augen verbunden und mitgenommen. Er sei in einen Sack gesteckt und mitgenommen worden. Sie hätten in gefesselt in einen Brunnen geworfen. Dort sei er dann zwei oder drei Nächte gewesen. Dann sei der Dorfälteste gekommen und habe mit den Entführern verhandelt. Er - der Kläger - sei dann freigelassen worden. Die Entführung habe stattgefunden, weil sie das Geld der Familie hätten haben wollen. Auf Vorhalt des Mitarbeiters des Bundesamtes, dass der Vater das Geld doch immer gezahlt habe, erklärte der Kläger, dass sein Vater ca. fünf bis sechs Monate vor der Ausreise das Geld nicht mehr gezahlt habe. Es gebe eben unterschiedliche Gruppierungen. An die eine habe er bis zur Ausreise gezahlt, an die andere nicht. Es seien mehrere Gruppen gewesen. Jeder habe von seinem Vater Geld gewollt. Wie viele Gruppierungen das genau gewesen sind, wisse er nicht. Nach der Entführung habe er auch nicht weiter zur Schule gehen können. Auf Vorhalt des Mitarbeiters des Bundesamtes, dass der Kläger zuvor berichtet habe, dass er bis ca. ein oder zwei Monate vor der Ausreise zur Schule gegangen sei, erklärt der Kläger, dass er zwar zur Schule gegangen sei, aber nicht regelmäßig. Manchmal habe er Angst gehabt und sei zu Hause geblieben.
Bei einer Rückkehr nach Afghanistan hätte er nichts mehr. Wenn sie ihn sehen würden, würden sie ihn töten. Auch nach Kabul könne er nicht, weil er dort niemanden kenne und auch nicht wisse, ob die Taliban in da nicht finden würden.
Das Bundesamt lehnte mit Bescheid vom 18. Januar 2017 die Anträge auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft (Ziff. 1 des Bescheides), Asylanerkennung (Ziff. 2) sowie auf subsidiären Schutz (Ziff. 3) ab und stellte fest, dass Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 und Abs. 7 S. 1 AufenthG nicht vorliegen (Ziff. 4), forderte den Kläger unter Androhung der Abschiebung nach Afghanistan zur Ausreise innerhalb von 30 Tagen nach Bekanntgabe des Bescheides bzw. nach dem unanfechtbaren Abschluss des Asylverfahrens auf (Ziff. 5) und befristete das Einreise- und Aufenthaltsverbot gem. § 11 Abs. 1 AufenthG auf 30 Monate ab dem Tag der Abschiebung (Ziff. 6). Zur Begründung wird in dem Bescheid insbesondere ausgeführt, dass der Kläger eine Verfolgung bzw. Gefährdung nicht glaubhaft habe machen können. Die Sicherheitslage sei nicht so, dass dem Kläger subsidiärer Schutz zu gewähren wäre und die dortigen humanitären Bedingungen würden nicht zu einem Abschiebungsverbot führen.
Gegen diesen Bescheid hat der Kläger am 21. Januar 2017 Klage erhoben.
In der mündlichen Verhandlung hat der Kläger seine Klage insoweit zurückgenommen, als er zunächst auch beantragt hatte, die Beklagte zu verpflichten, ihm die Flüchtlingseigenschaft zuzuerkennen.
Der Kläger beantragt noch,
die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides des Bundeamtes für Migration und Flüchtlinge vom 18. Januar 2017 zu verpflichten, dem Kläger den subsidiären Schutz zuzuerkennen,
hilfsweise, die Beklagte zu verpflichten, festzustellen, dass Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 und 7 Satz 1 AufenthG vorliegen.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakten und der beigezogenen Verwaltungsvorgänge der Beklagten verwiesen.
Entscheidungsgründe
Das Gericht konnte gemäß § 102 Abs. 2 VwGO trotz Abwesenheit eines Vertreters der Beklagten in der mündlichen Verhandlung über die Klage entscheiden, weil die Beteiligten in der Ladung zum Termin auf diese Möglichkeit hingewiesen worden sind.
Soweit der Kläger in der mündlichen Verhandlung seine Klage zurückgenommen hat, war das Verfahren gem. § 92 Abs. 3 Satz 1 VwGO einzustellen.
Im Übrigen ist die Klage zulässig, aber unbegründet. Der angefochtene Bescheid des Bundesamtes ist rechtmäßig und verletzt den Kläger daher nicht in seinen Rechten, § 113 Abs. 1 Satz 1, Abs. 5 Satz 1 VwGO. Der Kläger hat nach der Sach- und Rechtslage im maßgeblichen Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung (§ 77 Abs. 1 Satz 1 HS 1 AsylG) weder einen Anspruch auf Zuerkennung subsidiären Schutzes nach § 60 Abs. 2 AufenthG i.V.m. § 4 Abs. 1 AsylG (dazu 1.), noch bestehen Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 und Abs. 7 Satz 1 AufenthG (dazu 2.).
1. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Zuerkennung subsidiären Schutzes gem. § 60 Abs. 2 AufenthG i.V.m.§ 4 Abs. 1 Satz 1 AsylG, weil er keine stichhaltigen Gründe für die Annahme vorgebracht hat, dass ihm im Herkunftsland ernsthafter Schaden im Sinne des § 4 Abs. 1 Satz 1, Satz 2 AsylG durch einen in § 4 Abs. 3 i.V.m. § 3 c AsylG genannten Akteur (vgl. dazu auch VGH BaWü, Urt. v. 17.01.2018 - A 11 S 241/17 -, juris Rn. 168 ff.; wohl a.A. zur Erforderlichkeit eines Akteurs VG Sigmaringen, Urt. v. 27.01.2017 - A 2 K 2571/16 -, juris; Urteil v. 25.07.2017 - A 7 K 4217/17 -, juris Rn. 38 ff.; entgegen VG Lüneburg, Urt. v. 15.05.2017 - 3 A 156/16 -, juris Rn. 51 f.) droht. Grundsätzlich ist dabei auf die Herkunftsregion als Anknüpfungspunkt für die Gefahrenprognose abzustellen; etwas anderes gilt allerdings jedenfalls dann, wenn sich der Ausländer schon vor der Ausreise und unabhängig von den fluchtauslösenden Umständen von dieser gelöst und in einem anderen Landesteil mit dem Ziel niedergelassen hatte, dort auf unabsehbare Zeit zu leben (BVerwG, Urt. v. 31.01.2013 - 10 C 15/12 -, juris Rn. 14; nach VG Oldenburg (Oldenburg), Urt. v. 13.11.2017 - 3 A 4590/15 -, juris Rn. 34 ist grundsätzlich auf den gesamten Herkunftsstaat abzustellen, ausgehend vom Herkunftsort des Ausländers). Prognosemaßstab für den Schaden ist die beachtliche Wahrscheinlichkeit (OVG NRW, Urt. v. 26.08.2014 - 13 A 2998/11.A -, juris Rn. 34). Dabei spricht bei einem Schutzsuchenden, der bereits einen solchen ernsthaften Schaden erlitten hatte, eine widerlegbare tatsächliche Vermutung dafür, dass er erneut von einem solchen Schaden bedroht ist, ohne dass hierdurch jedoch der Wahrscheinlichkeitsmaßstab geändert würde (BVerwG, Urt. v. 07.09.2010 - 10 C 11/09 -, juris Rn. 14 f.; Urt. v. 17.04.2010 - 10 C 5/09 -, juris Rn. 19 f., 22 f.). Die Nachweiserleichterung, die einen inneren Zusammenhang zwischen erlittener Vorverfolgung und befürchteter erneuter Verfolgung voraussetzt, beruht zum einen auf der tatsächlichen Erfahrung, dass sich Verfolgung nicht selten und Pogrome sogar typischerweise in gleicher oder ähnlicher Form wiederholen, zum anderen widerspricht es dem humanitären Charakter des Asyls, demjenigen, der das Schicksal der Verfolgung bereits erlitten hat, wegen der meist schweren und bleibenden - auch seelischen - Folgen das Risiko einer Wiederholung aufzubürden (BVerwG, Urt. v. 17.04.2010 - 10 C 5/09 -, juris Rn. 21). Diese Vermutung kann widerlegt werden, indem stichhaltige Gründe die Wiederholungsträchtigkeit des Eintritts eines solchen Schadens entkräften (BVerwG, Urt. v. 17.04.2010 - 10 C 5/09 -, juris Rn. 23).
Das Gericht ist bereits nicht davon überzeugt, dass dem Kläger bei einer Rückkehr nach Afghanistan und in sein Heimatdorf mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit eine unmenschliche oder erniedrigende Behandlung im Sinne des § 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 AsylG durch die Taliban oder sonstige Gruppen, insbesondere die von ihm in der Anhörung durch einen Mitarbeiter des Bundesamtes noch befürchtete Tötung, erwartet; jedenfalls stünde ihm insoweit mit Kabul auch eine inländische Schutzalternative zur Verfügung (dazu a). Auch droht dem Kläger bei einer Rückkehr nicht mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit eine Verletzung seiner Unversehrtheit im Rahmen eines innerstaatlichen bewaffneten Konfliktes gem. § 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 AsylG (dazu b)).
a) aa) Selbst bei Unterstellung, dass sich die vom Kläger auch in der mündlichen Verhandlung behauptete Entführung so wie von ihm geschildert zugetragen hat, würde das Gericht nicht zu der Überzeugung gelangen, dass dem Kläger bei einer Rückkehr nach Afghanistan mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit ein ernsthafter Schaden in Form einer erniedrigenden oder unmenschlichen Behandlung im Sinne des § 4 Abs. 1 Satz 1, Satz 2 Nr. 2 AsylG droht. Zwar läge in diesem Fall eine Vorschädigung vor, mit der Folge einer tatsächlichen Vermutung, dass der Kläger bei einer Rückkehr nach Afghanistan erneut von einem solchen Schaden bedroht ist. Diese wäre jedoch durch die vom Kläger selbst geschilderten Umstände entkräftet, so dass das Gericht nicht davon überzeugt wäre, dass dem Kläger mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit eine Wiederholung der Entführung drohen würde. Der Kläger hat angegeben, dass seine Eltern nicht mehr in Afghanistan seien und sie dort auch keine Ländereien mehr hätten. Entführer könnten daher keine (erneute) Zahlung von Lösegeld erwarten. Der Kläger hat auch sonst keine Umstände geschildert, die auf eine Gefahr einer erneuten Entführung schließen lassen würden. Auf Nachfrage des Gerichts in der mündlichen Verhandlung, was aus seiner Sicht gegen eine Rückkehr nach Afghanistan spreche, hat er selbst auch nur seine dortige wirtschaftliche Lage angeführt und nicht etwa Bedenken hinsichtlich einer erneuten Entführung oder seiner Sicherheit.
Auch sonst liegen keine Anhaltspunkte für eine dem Kläger mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit drohende erniedrigende oder unmenschliche Behandlung im Falle seiner Rückkehr vor. Da seine Familie nach seinen eigenen Angaben keine Ländereien mehr hat, besteht auch keine Gefahr - sein Vortrag insoweit als zutreffend unterstellt - weiterer Herausgabeverlangen von Geld oder Vieh unter Drohungen.
bb) Dem Kläger würde sich aber auch eine inländische Fluchtalternative bieten (§ 4 Abs. 3 Satz 1 i.V.m. § 3e AsylG). Das Gericht ist vorliegend davon überzeugt, dass die ausweglose Lage für den Kläger nicht landesweit bestehen, mithin er in anderen Teilen seines Heimatstaates eine zumutbare Zuflucht finden können würde (vgl. BVerfG, Beschl. v. 10.07.1989 - 2 BvR 502/86, 2 BvR 1000/86, 2 BvR 961/86 -, juris Rn. 61).
Nach § 4 Abs. 3 Satz 1 AsylG i.V.m. § 3e AsylG wird dem Ausländer subsidiärer Schutz nicht gewährt, wenn ihm in einem Teil seines Herkunftslandes kein ernsthafter Schaden droht (dazu (1)) und er sicher und legal in diesen Landesteil reisen kann (dazu (2)), dort aufgenommen wird und vernünftigerweise erwartet werden kann, dass er sich dort niederlässt (dazu (3)). Diese Voraussetzungen würden für den Kläger hinsichtlich Kabul vorliegen (vgl. auch VG Augsburg, Urt. v. 15.01.2018 - Au 5 K 17.31921 -, juris Rn. 29; Urt. v. 08.01.2018 - Au 5 K 17.32590 -, juris Rn. 27; VG Leipzig, Urt. v. 08.12.2017 - 8 K 1290/17.A -, juris; VG Osnabrück, Urt. v. 28.11.2017 - 1 A 156/17 -, juris; VG Potsdam, Urt. v. 14.11.2017 - 7 K 2319/16.A -, juris Rn. 44; VG Würzburg, Urt. v. 18.04.2017 - W 1 K 16.30993 -, juris Rn. 14).
(1) Das Gericht geht aufgrund der vorliegenden Erkenntnismittel davon aus, dass der Kläger in Kabul aufgrund der Anonymität der Großstadt und unter Berücksichtigung des Zeitablaufs (vgl. auch Bay. VGH, Beschl. v. 02.08.2016 - 13a ZB 16.30105 -, juris Rn. 5; OVG NRW, Beschl. v. 06.06.2016 - 13 A 1882/15.A -, juris Rn. 27) von mehr als zwei Jahren seit seiner Ausreise nicht aufgefunden würde (vgl. auch Nds. OVG, Urt. v. 19.09.2016 - 9 LB 100/15 -, juris S. 12), zumal alleine der Umstand, dass - seinen Vortrag insoweit als zutreffend unterstellt - von seinem Vater vor Jahren Geld und Vieh verlangt und der Kläger entführt wurde, um Geld von seinem Vater zu erhalten, nicht ausreichend sein dürfte, dass kriminelle Gruppierungen nach ihm (in Kabul) suchen würden. Dies gilt umso mehr, als dass seine Eltern - nach seinem Vortrag - Afghanistan zwischenzeitlich verlassen haben und deshalb von seinem Vater nichts mehr verlangt werden könnte. Das Gericht ist daher vorliegend davon überzeugt, dass sich die Gruppierungen nicht mehr für ihn interessieren und der Kläger daher auch nicht gesucht werden würde.
Dem Kläger würde in Kabul auch nicht mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit (vgl. Nds. OVG, Urt. v. 19.09.2016 - 9 LB 100/15 -, S. 12, 14) eine sonstige existenzielle Gefährdung, insbesondere eine Verletzung von Leib und Leben, die der Annahme Kabuls als inländischer Fluchtalternative entgegenstehen würde, drohen (Nds. OVG, Urt. v. 20.07.2015 - 9 LB 320/14 -, juris S. 8 f.; OVG NRW, Urt. v. 27.01.2015 - 13 A 1201/12.A -, juris Rn. 46).
Nach dem Lagebericht des Auswärtigen Amtes mit Stand September 2016 (S. 4 unter Verweis auf den UNAMA-Bericht von Juli 2016 über den Schutz von Zivilisten im bewaffneten Konflikt) hat es in Afghanistan im ersten Halbjahr 2016 mit 1.601 getöteten und 3.565 verletzten Zivilisten einen Anstieg von 4 % gegenüber dem Vorjahreszeitraum gegeben, mit der Folge der höchsten Zahl seit Beginn der Erfassungen im Jahr 2009. Seit dem Beginn der Zählung wurden insgesamt mehr als 26.500 Zivilisten in Afghanistan getötet und fast 49.000 weitere verletzt (www.zeit.de, Zahl der getöteten Zivilisten erneut gestiegen, v. 17.07.2017). Ende 2015 hatte die Anzahl der zivilen Opfer mit 11.002 einen neuen Höchststand erreicht (Schweizerische Flüchtlingshilfe, Afghanistan: Update, Die aktuelle Sicherheitslage v. 30.9.2016, S.6). Nach einem Bericht der UN in Afghanistan sind im Jahr 2016 1.963 Menschen bei Selbstmordanschlägen verletzt oder getötet worden, mithin 7 % mehr als im Jahr 2015; in Kabul habe es einen Anstieg um 75 % gegeben, mit 1.514 verletzten oder getöteten Zivilpersonen bei 16 Anschlägen (www.handelsblatt.de, Mindestens 22 Tote bei Anschlag vor Gericht in Kabul, v. 07.02.2017). Im Jahr 2016 wurden durch die UNAMA in Afghanistan 11.418 verletzte und getötete Zivilpersonen gezählt, mithin 384 mehr als im Jahr 2015 (Afghanistan Annual Report on Protection of Civilians in Armed Conflict: 2016, v. Februar 2017, S. 11), im Jahr 2017 10.453 gegenüber noch 11.434 im Vorjahr (Annual Report 2017, v. Febr. 2018, S. 1).
Anschlagsziele sind in erster Linie Regierungsinstitutionen und internationale Einrichtungen, dennoch kommt es (auch) zu Opfern unter der Zivilbevölkerung (vgl. AI, Anfragebeantwortung v. 08.01.2018, S. 4; Schweizer Flüchtlingshilfe, Schnellrecherche der SFH-Länderanalyse vom 6. Juni 2016 zu Afghanistan: Sicherheitslage in der Stadt Kabul, S. 4; vgl. auch Schweizerische Flüchtlingshilfe, Schnellrecherche zu Afghanistan: Sicherheitslage in der Stadt Kabul, v. 19.06.2017, S. 3). Im Jahr 2015 wurden 1.335 Zivilpersonen durch gezielte Tötungen bzw. Tötungsversuche verletzt oder getötet (UNHCR-Richtlinien zur Feststellung des internationalen Schutzbedarfs afghanischer Asylsuchender v. 19.04.2016, S. 38). Zwischen Februar und Mai 2016 gingen die gezielten Tötungen um 37 % gegenüber dem Vergleichszeitraum des Vorjahres zurück (ecoi.net-Themendossier: Allgemeine Sicherheitslage in Afghanistan & Chronologie für Kabul v. 30.09.2016). In der Erklärung der Taliban vom 12. April 2016 zum Ausruf der jährlichen Offensive sprachen sie anders als in vergangenen Jahren keine expliziten Drohungen mehr gegen zivile Regierungsbeamte aus (ecoi.net-Themendossier: Allgemeine Sicherheitslage in Afghanistan & Chronologie für Kabul v. 30.09.2016). Die Taliban haben ihre Taktik auf großangelegte Angriffe insbesondere in städtischen Gebieten umgestellt (UNHCR, Anmerkung zur Situation in Afghanistan auf Anfrage des Deutschen Bundesministeriums des Innern, v. Dez. 2016, S. 3; Schweizerische Flüchtlingshilfe, Schnellrecherche zu Afghanistan: Sicherheitslage in der Stadt Kabul, v. 19.06.2017, S. 1). Dennoch sollen im Jahr 2016 mindestens 2.100 Zivilisten durch versteckte Bomben getötet oder verletzt worden sein (www.deutschlandfunk.de, Versteckter Sprengsatz tötet Zivilisten, v. 05.07.2016). Anschläge des IS zielen zudem auch immer wieder direkt auf die Zivilbevölkerung ab (Schweizerische Flüchtlingshilfe, Schnellrecherche zu Afghanistan: Sicherheitslage in der Stadt Kabul, v. 19.06.2017, S. 3). Am 22. September 2016 vereinbarte die afghanische Regierung mit der Mujahedin-Rebellengruppe Hezb-e Islami ein Friedensabkommen (Kurzinformation der Staatendokumentation Afghanistan, Unterzeichnetes Friedensabkommen mit Gulbuddin Hekmatyar Anführer der großen Mujahedin-Rebellengruppe Hezb-e Islami, Republik Österreich Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl, vom 05.10.2016; vgl. auch www.taz.de, „Schlächter von Kabul“ findet Frieden, v. 05.02.2017). Ihr Anführer Hekmatyar hielt im April 2017 in der östlichen Provinz Laghman vor Anhängern erstmals seit 2001 eine Rede und rief vor allem die aufständischen Taliban auf, den Krieg gegen die Regierung zu beenden (www.focus.de, Afghanistan begrüßt Rückkehr des "Schlächters von Kabul", v. 29.04.2017). In der Mitteilung der Taliban zur Frühlingsoffensive 2017 kündigten sie an, ihre Angriffe auf afghanische und ausländische Truppen verstärken zu wollen (deutsch.rt.com, Taliban kündigen Frühlingsoffensive in Afghanistan an, v. 28.04.2017), zivile Opfer würden minimiert werden sollen (Auswärtiges Amt, Lagebericht v. 28.07.2017, S. 7). In Einzelfällen kommt es auch zu Bedrohungen von Regierungs- und Behördenmitarbeiter, Menschenrechtsanwälten, Mitarbeitern ausländischer Organisationen und Journalisten (Lagebericht des Auswärtigen Amtes, Stand: September 2016, S. 5). Auch Würdenträger, Stammesälteste und Religionsgelehrte sind Ziel von Anschlägen der gewaltbereiten Opposition (Lagebericht des Auswärtigen Amtes, Stand: September 2016, S. 7). 13 % aller Anschläge gegen Zivilpersonen richten sich gegen Zivilisten, die für die afghanische Regierung oder internationale Organisation arbeiten (Lagebericht des Auswärtigen Amtes, Stand: September 2016, S. 20). Anfang März 2017 riefen die Taliban ihre Kämpfer allerdings dazu auf, Entwicklungshelfern die notwendige Sicherheit zu bieten, nachdem sie bereits auch schon im November 2016 Schutz für Entwicklungshilfeprogramme versprochen hatten (www.handelsblatt.de, Taliban bitten um Hilfe für Afghanen, v. 06.03.2017). In einer weiteren von den Taliban im Internet veröffentlichten Erklärung heißt es, dass die Sicherheit von Mitarbeitern internationaler Hilfsorganisationen garantiert werde (www.deutschlandfunk.de, Taliban rufen zu internationaler Hilfe auf, v. 05.04.2017). Im vierten Quartal 2016 wurden 183 Mordanschläge registriert, was einen Rückgang von 32 % gegenüber dem Vergleichszeitraum 2015 zum Ausdruck bringt; auch die Zahl der Entführungen hat mit 99 gegenüber dem Vorjahr (109) abgenommen (Kurzinformation der Staatendokumentation Afghanistan, Aktualisierung der Sicherheitslage in Afghanistan - Q4.2016, Republik Österreich Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl, vom 19.12.2016). Zudem kommt es immer wieder zu Exekutionen durch nicht-staatliche Akteure, vor allem auch durch Aufständische, die sich auf traditionelles Recht berufen und die Vollstreckung der Todesstrafe mit dem Islam legitimieren, für ein aus ihrer Sicht fehlerhaftes Verhalten (Lagebericht des Auswärtigen Amtes, Stand: September 2016, S. 20). Im ersten Halbjahr 2016 wurden durch die UNAMA 26 Fälle dokumentiert, vor allem in den Provinzen Farah und Badghis (Amnesty Report 2017 Afghanistan, S. 4), die Vereinten Nationen dokumentierten im Jahr 2016 41 Bestrafungsaktionen, bei denen 38 Menschen starben (www.spiegel.de, Taliban hacken vermeintlichem Dieb Hand und Fuß ab, v. 14.03.2017). Die Höhe der Dunkelziffer ist nicht bekannt (Auswärtiges Amt, Lagebericht v. 28.07.2017, S. 11).
In der Zentralregion Afghanistans, die neben Kabul (Einwohnerzahl ca. 4,5 Millionen, jeweils nach dem Länderinformationsblatt der Staatendokumentation Afghanistan, Republik Österreich Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl, vom 02.03.2017, aktualisiert am 30.01.2018, S. 56, 89, 102, 109, 111, 125) die Provinzen Parwan (Einwohnerzahl ca. 675.000), Kapisa (Einwohnerzahl ca. 448.000), Logar (Einwohnerzahl ca. 398.000), Panjshir (Einwohnerzahl ca. 156.000) und (Maidan) Wardak (Einwohnerzahl ca. 606.000) umfasst (vgl. UNAMA, Afghanistan Annual Report on Protection of Civilians in Armed Conflict: 2017, v. Febr. 2018, S. 2; Länderinformationsblatt der Staatendokumentation Afghanistan, Republik Österreich Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl, vom 21.01.2016, aktualisiert am 19.12.2016, S. 61; Schweizerische Flüchtlingshilfe, Afghanistan: Update, Die aktuelle Sicherheitslage v. 30.9.2016, S. 12) und in der insgesamt ca. 6,7 Millionen Einwohner leben, wurden im Jahr 2017 von der UNAMA 1.254 verletzte oder getötete Zivilpersonen gezählt gegenüber 1.116 im gleichen Vorjahreszeitraum (UNAMA, Afghanistan Midyear Report on Protection of Civilians in Armed Conflict: 2017, v. Juli 2017, S. 10). Hochgerechnet auf ein Jahr ergibt sich eine Zahl von 1.672 (2016: 2.348, UNAMA, Afghanistan Annual Report on Protection of Civilians in Armed Conflict: 2016, v. Februar 2017, S. 21). Bei einer Verdreifachung der Anzahl der durch die UNAMA registrierten verletzten und getöteten Zivilpersonen aufgrund einer hohen Dunkelziffer (vgl. hierzu Nds. OVG, Urt. v. 07.09.2015 - 9 LB 98/13 -, juris Rn. 65) ergibt sich daraus eine Wahrscheinlichkeit in der Zentralregion als Zivilperson binnen eines Jahres verletzt oder getötet zu werden von 1 : 997. Teilweise wird auch die Bevölkerungszahl allein für die Stadt Kabul auf mehr als sieben Millionen Menschen geschätzt (Nds. OVG, Urt. v. 19.09.2016 - 9 LB 100/15 -, juris), was die Wahrscheinlichkeit weiter reduzieren würde.
In der Provinz Kabul stieg die Anzahl der im Jahr 2017 von der UNAMA registrierten verletzten und getöteten Zivilpersonen gegenüber dem Vorjahr um 4 % auf 1.831 (479 Tote und 1.352 Verletzte). Bei einer Verdreifachung der Opferzahlen besteht rechnerisch eine Wahrscheinlichkeit von 1 : 819 verletzt oder getötet zu werden. Bereits im Jahr 2016 resultierte die hohe Zahl von betroffenen Zivilpersonen insbesondere auch aus den schweren Anschläge in der Stadt Kabul, die zu einer Steigerung um 34 % gegenüber dem Vorjahr führten (Schweizerische Flüchtlingshilfe, Schnellrecherche zu Afghanistan: Sicherheitslage in der Stadt Kabul, v. 19.06.2017, S. 2). Auch im Jahr 2017 ist es wieder zu zahlreichen schweren Anschlägen in der Stadt Kabul gekommen.
Die Sicherheitslage in Kabul ist allerdings dennoch nicht so, dass zu erwarten ist, dass dem Kläger bei einer Rückkehr mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit eine Verletzung seiner körperlichen Unversehrtheit droht. Dabei übersieht das Gericht nicht, dass durchaus die Möglichkeit seiner Verwundung oder gar Tötung besteht, die diesbezügliche Wahrscheinlichkeit erreicht jedoch nicht ein Maß, dass der Annahme Kabuls als inländische Fluchtalternative entgegenstehen würde. Daran ändern auch die schweren Anschläge in Kabul in den vergangenen Jahren nichts. Diese sind in den oben dargelegten Zahlen der UNAMA und der Bewertung durch das Gericht bereits berücksichtigt ebenso wie die Wahrscheinlichkeit weiterer schwerer Anschläge. Zwar verbessern sich die Sicherheitskräfte und ihre Fähigkeiten fortwährend, weitere Angriffe insbesondere auf Regierungsangehörige und internationale Organisationen sind aber nicht auszuschließen (Länderinformationsblatt der Staatendokumentation Afghanistan, Republik Österreich Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl, vom 21.01.2016, aktualisiert am 19.12.2016, S. 59). Dies hat sich insbesondere auch Anfang des Jahres 2018 wieder deutlich gezeigt. Aufständische planen oft Angriffe auf Gebäude und Individuen mit afghanischem und amerikanischem Hintergrund: afghanische und US-amerikanische Regierungseinrichtungen, ausländische Vertretungen, militärische Einrichtungen, gewerbliche Einrichtungen, Büros von Nichtregierungsorganisation, Restaurants, Hotels und Gästehäuser, Flughäfen und Bildungszentren; auch religiöse Orte werden regelmäßig angegriffen (Länderinformationsblatt der Staatendokumentation Afghanistan, Republik Österreich Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl, vom 02.03.2017, aktualisiert am 30.01.2018, S. 57). Nach alledem ist es angesichts der Bevölkerungszahl auf der einen und den Verletzten und getöteten Zivilpersonen auf der anderen Seite für eine Zivilperson in Kabul nicht beachtlich wahrscheinlich, aufgrund eines sicherheitsrelevanten Vorfalls verletzt oder getötet zu werden. Da der Kläger keinen Kontakt mit Institutionen der afghanischen Regierung oder internationaler Einrichtungen hat, ist für ihn selbst die Wahrscheinlichkeit in Kabul verletzt oder getötet zu werden, weiter reduziert.
(2) Der Kläger könnte auf dem Luftweg auch sicher und legal nach Kabul reisen (Nds. OVG, Urt. v. 19.09.2016 - 9 LB 100/15 -, juris, S. 19).
(3) Ihm ist auch zumutbar, sich in Kabul niederzulassen.
Im Hinblick auf den internen Schutz muss gem. § 3e Abs. 1 Nr. 2 AsylG für den Rückkehrer in dem schutzgewährenden Landesteil auch die Existenzgrundlage so weit gesichert sein, dass von ihm erwartet werden kann, dass er sich vernünftigerweise dort aufhält (vgl. dazu auch OVG NRW, Beschl. v. 09.10.2017 - 13 A 1807/17.A -, juris Rn. 12). Für ihn muss wenigstens das Existenzminimum insoweit gesichert sein, dass er durch Arbeit oder Zuwendungen Dritter jedenfalls nach der Überwindung von Anfangsschwierigkeiten das zum Lebensunterhalt unbedingt Notwendige erlangen kann (vgl. VGH BaWü, Urt. v. 16.10.2017 - A 11 S 512/17 -, juris Rn. 87). Dies geht als Zumutbarkeitsmaßstab über das Fehlen einer im Rahmen des § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG beachtlichen existenziellen Notlage hinaus (vgl. BVerwG, Urt. v. 31.01.2013 - 10 C 15/12 -, juris Rn. 20; VGH BaWü, Urt. v. 16.10.2017 - A 11 S 512/17 -, juris Rn. 83; Nds. OVG, Urt. v. 19.09.2016 - 9 LB 100/15 -, juris; OVG NRW, Beschl. v. 06.06.2016 - 13 A 1882/15.A -, juris Rn. 14).
Das Gericht ist unter Berücksichtigung der ihm vorliegenden Erkenntnismittel nicht davon überzeugt, dass aufgrund der humanitären Umstände in Afghanistan, dort jeder Mensch sich sein Existenzminimum nicht sichern und eine ausreichende Unterkunft nicht erlangen kann. Dies mag zwar für bestimmte Teile der Bevölkerung zutreffen, jedoch nicht für jeden in Afghanistan lebenden Menschen bzw. jede dort lebende Familie. Vielmehr sind die Umstände des Einzelfalls maßgebend. Weder hat der Kläger ausreichende Gründe dafür vorgetragen, noch sind solche sonst ersichtlich, dass er bei seiner Abschiebung nach Kabul mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit Gefahr liefe, aufgrund der dortigen allgemeinen Lebensbedingungen seine Existenzgrundlage nicht sichern und eine Unterkunft nicht finden zu können und ihm ein Niederlassen in Kabul nicht zumutbar wäre.
Afghanistan ist trotz internationaler Unterstützung und erheblicher Anstrengungen der afghanischen Regierung eines der ärmsten Länder der Welt (Lagebericht des Auswärtigen Amtes, Stand: September 2016, S. 21; Schweizerische Flüchtlingshilfe, Afghanistan: Update, Die aktuelle Sicherheitslage v. 30.09.2016, S. 24) und das ärmste Land der Region (UNHCR-Richtlinien zur Feststellung des internationalen Schutzbedarfs afghanischer Asylsuchender vom 19.04.2016, S. 31). Das rapide Bevölkerungswachstum stellt eine weitere Herausforderung für die wirtschaftliche und soziale Entwicklung des Landes dar (Lagebericht des Auswärtigen Amtes, Stand: September 2016, S. 21). In Kabul und anderen großen Städten sind Lebensmittel vorhanden, nur können sich diese nicht alle Bewohner leisten (Schweizerische Eidgenossenschaft, Staatssekretariat für Migration SEM, Alltag in Kabul, Referat v. Thomas R., v. 12.04.2017, S. 7). Rund 36 % der Bevölkerung leben unterhalb der Armutsgrenze, mit einem eklatanten Gefälle zwischen urbanen Zentren und ländlichen Gebieten Afghanistans: Außerhalb der Hauptstadt Kabul und der Provinzhauptstädte fehlt es vielerorts an grundlegender Infrastruktur für Energie, Trinkwasser und Transport (Lagebericht des Auswärtigen Amtes, Stand: September 2016, S. 21). 30 % der Bevölkerung sind auf humanitäre Hilfe angewiesen, 6,3 % sind von ernsthafter Lebensmittelunsicherheit betroffen und 9,1 % der Kinder sterben vor ihrem fünften Geburtstag (UNHCR-Richtlinien zur Feststellung des internationalen Schutzbedarfs afghanischer Asylsuchender vom 19.04.2016, S. 31; vgl. auch Lagebericht des Auswärtigen Amtes, Stand: September 2016, S. 13), wobei in letzterem eine Verbesserung zu sehen ist (Lagebericht des Auswärtigen Amtes, Stand: September 2016, S. 23). Für das Jahr 2017 wurde erwartet, dass 9,3 Millionen Afghanen von humanitärer Hilfe abhängig sein werden (Asylmagazin 3/2017, Überleben in Afghanistan?, S. 74; EASO, Country of Origin Information Report Afghanistan - Key socio-economic indicators, state protection, and mobility in Kabul City, Mazar-e Sharif, and Herat City, v. August 2017, S. 31). Nach den UN werden im Jahr 2018 3,3 Millionen Afghanen in lebensbedrohlicher Not sein und für 2,8 Millionen sollen Hilfen zur Verfügung gestellt werden (www.stuttgarter-nachrichten, UN: Mehr als drei Millionen Afghanen in lebensbedrohlicher Not, v. 04.12.2017). Das Wirtschaftswachstum betrug im Jahr 2015 0,8 %, in 2016 voraussichtlich 1,2 % und für 2017 werden im besten Fall 1,7 % erwartet (UNHCR, Anmerkung zur Situation in Afghanistan auf Anfrage des Deutschen Bundesministeriums des Innern, v. Dez. 2016, S. 5). Im Jahr 2012 hatte es noch 14,4 % betragen (Asylmagazin 3/2017, Überleben in Afghanistan?, S. 74). Die Anzahl der afghanischen Bevölkerung, der unter der Armutsgrenze lebt, damit unter 20 USD im Monat zur Verfügung hat, hat sich von 2007/2008 bis 2013/2014 von 36 % auf 39 % gesteigert; dabei beträgt der Prozentsatz im Südwesten ca. 28 % und im Nordosten bis zu 50 %, da die nicht vom Konflikt betroffenen Regionen weniger Aufmerksamkeit und Hilfen durch die Regierung erhalten (EASO, Country of Origin Information Report Afghanistan - Key socio-economic indicators, state protection, and mobility in Kabul City, Mazar-e Sharif, and Herat City, v. August 2017, S. 31 f.). Die Armut in den Städten von bis zu 29 % im Jahr 2014 beschränkt sich nicht auf die informellen Siedlungen; andere gehen davon aus, dass 78 % der Haushalte in den Städten unterhalb der Armutsgrenze leben (EASO, Country of Origin Information Report Afghanistan - Key socio-economic indicators, state protection, and mobility in Kabul City, Mazar-e Sharif, and Herat City, v. August 2017, S. 32); bereits in den Jahren 2013 und 2014 sollen 73,8 % der städtischen Bevölkerung in Slums gelebt haben (vgl. Asylmagazin 3/2017, Überleben in Afghanistan?, S. 76 f.). Geschätzt leben 26 % bis 30 % der Afghanischen Bevölkerung in Städten, davon 50 % in Kabul; eine Familie in den Großstädten besteht im Schnitt aus ca. sieben Mitgliedern (EASO, Country of Origin Information Report Afghanistan - Key socio-economic indicators, state protection, and mobility in Kabul City, Mazar-e Sharif, and Herat City, v. August 2017, S. 58). In ländlichen Regionen besteht der Vorteil, dass durch Landwirtschaft zumindest die Ernährungsmöglichkeiten besser sind (EASO, Country of Origin Information Report Afghanistan - Key socio-economic indicators, state protection, and mobility in Kabul City, Mazar-e Sharif, and Herat City, v. August 2017, S. 32). Im Jahr 2014 hatten die meisten der in Städten Lebenden Zugang zu einer Grundversorgung, wenn auch die Zuverlässigkeit und Qualität nicht immer gewährleistet war (EASO, Country of Origin Information Report Afghanistan - Key socio-economic indicators, state protection, and mobility in Kabul City, Mazar-e Sharif, and Herat City, v. August 2017, S. 33). Im Jahr 2015 hatten 29 % der städtischen Bewohner Zugang zu verbesserten sanitären Einrichtungen, 71 % zu einer verbesserten, allerdings teils auch kontaminierten, Wasserversorgung; die Stromversorgung in den Städten ist zwar hoch, aber unzuverlässig, 99 % sind im Winter zum Heizen und Kochen auf Brennstoffe angewiesen (EASO, Country of Origin Information Report Afghanistan - Key socio-economic indicators, state protection, and mobility in Kabul City, Mazar-e Sharif, and Herat City, v. August 2017, S. 33, 60). Insbesondere in Kabul ist die Wasserqualität problematisch; hierunter leiden vor allem auch die Kinder (EASO, Country of Origin Information Report Afghanistan - Key socio-economic indicators, state protection, and mobility in Kabul City, Mazar-e Sharif, and Herat City, v. August 2017, S. 60). Gerade auch in den Siedlungen der Binnenflüchtlinge ist die Wasserversorgung schwierig (EASO, Country of Origin Information Report Afghanistan - Key socio-economic indicators, state protection, and mobility in Kabul City, Mazar-e Sharif, and Herat City, v. August 2017, S. 60). Parasiten-Krankheiten und Cholera treten häufig auf (Schweizerische Eidgenossenschaft, Staatssekretariat für Migration SEM, Alltag in Kabul, Referat v. Thoma R., v. 12.04.2017, S. 7). 6 % aller Afghanen sind von ernster Lebensmittelunsicherheit betroffen, 34 % von moderater (EASO, Country of Origin Information Report Afghanistan - Key socio-economic indicators, state protection, and mobility in Kabul City, Mazar-e Sharif, and Herat City, v. August 2017, S. 42). Für Binnenflüchtlinge ist selbst die Beschaffung nur einer Mahlzeit am Tag ein Kampf (EASO, Country of Origin Information Report Afghanistan - Key socio-economic indicators, state protection, and mobility in Kabul City, Mazar-e Sharif, and Herat City, v. August 2017, S. 43).
Die Arbeitslosenquote betrug im Oktober 2015 40 % (Lagebericht des Auswärtigen Amtes, Stand: September 2016, S. 22), teilweise wird sie auf bis zu 50 % geschätzt (Nds. OVG, Urt. v. 19.09.2016 - 9 LB 100/15 -, juris). Allerdings differieren die Angaben zu Arbeitslosenzahlen sehr stark, so etwa bereits für 2014 zwischen 9,1 % und 40 % (EASO, Country of Origin Information Report Afghanistan - Key socio-economic indicators, state protection, and mobility in Kabul City, Mazar-e Sharif, and Herat City, v. August 2017, S. 21). Die Jugendarbeitslosigkeit ist in den Städten um 50 % höher als die generelle Arbeitslosigkeit (EASO, Country of Origin Information Report Afghanistan - Key socio-economic indicators, state protection, and mobility in Kabul City, Mazar-e Sharif, and Herat City, v. August 2017, S. 22). Bei 90 % der Jobs in Afghanistan handelt es sich zudem um unsichere Arbeitsplätze (EASO, Country of Origin Information Report Afghanistan - Key socio-economic indicators, state protection, and mobility in Kabul City, Mazar-e Sharif, and Herat City, v. August 2017, S. 22). 50 bis 70 % der Arbeitstätigen sind im landwirtschaftlichen Bereich tätig (EASO, Country of Origin Information Report Afghanistan - Key socio-economic indicators, state protection, and mobility in Kabul City, Mazar-e Sharif, and Herat City, v. August 2017, S. 22; International Organization for Migration (IOM), Länderinformationsblatt Afghanistan 2016, S. 2). Darüber hinaus findet eine Beschäftigung vor allem in Familien- und Kleinbetrieben (Einzelhandel) und im Bauwesen statt, gefolgt vom öffentlichen Sektor und dem industriellen (International Organization for Migration (IOM), Länderinformationsblatt Afghanistan 2016, S. 2). In Städten gibt es formelle Beschäftigung und informelle Beschäftigung von gering Qualifizierten (EASO, Country of Origin Information Report Afghanistan - Key socio-economic indicators, state protection, and mobility in Kabul City, Mazar-e Sharif, and Herat City, v. August 2017, S. 22). Der Anteil der offiziellen Beschäftigungsmöglichkeiten beträgt ca. 20 %, hauptsächlich im staatlichen Bereich (EASO, Country of Origin Information Report Afghanistan - Key socio-economic indicators, state protection, and mobility in Kabul City, Mazar-e Sharif, and Herat City, v. August 2017, S. 22). Gering Qualifizierte sind in Basaren, als Tagelöhner im Bausektor und als Saisonarbeitskräfte in der Landwirtschaft tätig (EASO, Country of Origin Information Report Afghanistan - Key socio-economic indicators, state protection, and mobility in Kabul City, Mazar-e Sharif, and Herat City, v. August 2017, S. 22). Ein Zugang zu Ausbildungsverhältnissen in Familienbetrieben wird häufig durch familiäre Beziehungen erlangt (EASO, Country of Origin Information Report Afghanistan - Key socio-economic indicators, state protection, and mobility in Kabul City, Mazar-e Sharif, and Herat City, v. August 2017, S. 22). Auch der Abzug der internationalen Streitkräfte hat sich negativ auf die Nachfrage und damit die Wirtschaft, insbesondere im Bausektor, ausgewirkt (EASO, Country of Origin Information Report Afghanistan - Key socio-economic indicators, state protection, and mobility in Kabul City, Mazar-e Sharif, and Herat City, v. August 2017, S. 22 f.; Schweizerische Flüchtlingshilfe, Afghanistan: Update, Die aktuelle Sicherheitslage v. 30.9.2016, S. 24; Lagebericht des Auswärtigen Amtes, Stand: September 2016, S. 21).
Die Quote der Analphabeten ist hoch und die Anzahl der Fachkräfte gering (Schweizerische Flüchtlingshilfe, Afghanistan: Update, Die aktuelle Sicherheitslage v. 30.9.2016, S. 24). In Kabul ist die Bildungsrate allgemein am höchsten (EASO, Country of Origin Information Report Afghanistan - Key socio-economic indicators, state protection, and mobility in Kabul City, Mazar-e Sharif, and Herat City, v. August 2017, S. 46 f.). Qualifiziertes, vor allem höherqualifiziertes, Personal wurde im Jahr 2011 noch gesucht (vgl. Dr. L, Gutachterliche Stellungnahme an das Oberverwaltungsgericht Rheinland-Pfalz v. 08.06.2011, S. 6 f.). Viele neue Stellen für gut ausgebildete Personen wurden im öffentlichen Bereich sowie im Gesundheits- und Bildungssektor geschaffen (EASO, Country of Origin Information Report Afghanistan - Key socio-economic indicators, state protection, and mobility in Kabul City, Mazar-e Sharif, and Herat City, v. August 2017, S. 23). Die Beschäftigungsaussichten, auch für gut ausgebildete junge Leute, ist trotz der tausenden verfügbaren Stellen im staatlichen Bereich, gering (EASO, Country of Origin Information Report Afghanistan - Key socio-economic indicators, state protection, and mobility in Kabul City, Mazar-e Sharif, and Herat City, v. August 2017, S. 23). Internationale Organisationen schreiben Stellen insbesondere für hoch qualifiziertes Personal aus, wobei unklar sein soll, inwieweit bei der Besetzung Weiterempfehlungen eine Rolle spielen (EASO, Country of Origin Information Report Afghanistan - Key socio-economic indicators, state protection, and mobility in Kabul City, Mazar-e Sharif, and Herat City, v. August 2017, S. 23). Nach einem Bericht aus dem Jahre 2012 gaben ca. 63 % bzw. 57.9 % der befragten Arbeitgeber an, Angestellte über Freundschaften bzw. Beziehungen zu finden; auch für Tätigkeiten in kommunalen staatlichen Stellen sind Beziehungen erforderlich (EASO, Country of Origin Information Report Afghanistan - Key socio-economic indicators, state protection, and mobility in Kabul City, Mazar-e Sharif, and Herat City, v. August 2017, S. 67). Bei einer anderen Studie aus dem Jahr 2011 gaben mehr als 50 % der Befragten an, dass sie an ihre Jobs über Beziehungen oder Empfehlungen gekommen seien; lediglich 15 % gaben an, ihre Stelle über den lokalen Arbeitsmarkt erhalten zu haben (EASO, Country of Origin Information Report Afghanistan - Key socio-economic indicators, state protection, and mobility in Kabul City, Mazar-e Sharif, and Herat City, v. August 2017, S. 67). Nach einer anderen Studie aus dem Jahr 2012 bestehen beide Wege gleichermaßen (EASO, Country of Origin Information Report Afghanistan - Key socio-economic indicators, state protection, and mobility in Kabul City, Mazar-e Sharif, and Herat City, v. August 2017, S. 67). Rückkehrer ohne soziale Beziehungen können nach einer weiteren Untersuchung aus dem Jahr 2015 keine Arbeit finden (EASO, Country of Origin Information Report Afghanistan - Key socio-economic indicators, state protection, and mobility in Kabul City, Mazar-e Sharif, and Herat City, v. August 2017, S. 68). Nach dem Analyseunternehmen Samuel Hall ist die Basis einer Anstellung Vertrauen, was zur Notwendigkeit einer Empfehlung führt; sonst bleibt die Tätigkeit als Tagelöhner; dies gilt auch für gut ausgebildete Personen und wohl auch für öffentlich ausgeschriebene Stellen internationaler Institutionen (EASO, Country of Origin Information Report Afghanistan - Key socio-economic indicators, state protection, and mobility in Kabul City, Mazar-e Sharif, and Herat City, v. August 2017, S. 68). Alleine die Volkszugehörigkeit bietet in der Regel kein ausreichendes Netzwerk, um eine Anstellung zu finden (EASO, Country of Origin Information Report Afghanistan - Key socio-economic indicators, state protection, and mobility in Kabul City, Mazar-e Sharif, and Herat City, v. August 2017, S. 68).
Das durchschnittliche Monatseinkommen beträgt in Afghanistan 80 bis 120 USD (International Organization for Migration (IOM), Länderinformationsblatt Afghanistan 2016, S. 2), bei monatlichen Kosten (Miete, Lebenshaltung) von ca. 950 bis 1.350 USD bzw. ca. 230 bis 390 USD (SFH, Afghanistan: Psychiatrische und psychotherapeutische Behandlung, v. 05.04.2017, S. 11 unter Verweis auf die sich widersprechenden Angaben des Bundesamtes) bzw. bis zu 500 USD, mit allein mindestens 40 USD für Elektrizität und Wasser (EASO, Country of Origin Information Report Afghanistan - Key socio-economic indicators, state protection, and mobility in Kabul City, Mazar-e Sharif, and Herat City, v. August 2017, S. 61). Ein einfacher Polizist erhielt im Jahr 2014 70 USD im Monat, mit einer Hilfstätigkeit auf dem Markt verdient man zwischen 60 Cent und 1,80 Euro am Tag (AI, Anfragebeantwortung v. 08.01.2018, S. 27. Das Mindestmonatsgehalt eines Regierungsangestellten beträgt etwa 103 USD, das eines nicht festangestellten Arbeiters im privaten Sektor 95 USD; 36 % der Bevölkerung sollen unter 20 USD im Monat erhalten (EASO, Country of Origin Information Report Afghanistan - Key socio-economic indicators, state protection, and mobility in Kabul City, Mazar-e Sharif, and Herat City, v. August 2017, S. 23 f.). Die Mittelschicht, die sich auch Eigentumswohnungen leisten kann, sind die, die mit ausländischen Firmen oder Militärs im Geschäft sind, gefolgt von denen, die für internationale Organisationen arbeiten; ihr Kapital steckt jedoch oft vollständig in ihrer Immobilie (Schweizerische Eidgenossenschaft, Staatssekretariat für Migration SEM, Alltag in Kabul, Referat v. Thomas R., v. 12.04.2017, S. 7). Eine steigende Zahl von Personen ist aber auch aufgrund ihrer Arbeitslosigkeit und eines fehlenden sozialen Netzwerks an den Rand gedrängt und flüchtet sich in die Kriminalität (EASO, Country of Origin Information Report Afghanistan - Key socio-economic indicators, state protection, and mobility in Kabul City, Mazar-e Sharif, and Herat City, v. August 2017, S. 23). Eine staatliche finanzielle Unterstützung findet bei Arbeitslosigkeit nicht statt; freie Stellen können auch über das Internet recherchiert werden (International Organization for Migration (IOM), Länderinformationsblatt Afghanistan 2016, S. 2).
Die humanitäre Situation ist weiterhin als schwierig anzusehen, insbesondere stellt neben der Versorgung von hunderttausenden Rückkehrern und Binnenvertriebenen vor allem die chronische Unterversorgung in Konfliktgebieten das Land vor große Herausforderungen (Lagebericht des Auswärtigen Amtes, Stand: November 2015, S. 6). Die Anzahl der konflikt-induzierten Binnenflüchtlinge betrug im Jahr 2016 zwischen 1,1 und 1,2 Millionen (Lagebericht des Auswärtigen Amtes, Stand: September 2016, S. 21). Die Zahl der Binnenflüchtlinge ging im Jahr 2017 gegenüber dem Vergleichszeitraum im Vorjahr um 36 % zurück (www.handelszeitung.ch, Dreimal so viele Luftangriffe in Afghanistan, v. 29.05.2017); bis Anfang Juli 2017 waren in Afghanistan 150.000 Menschen aus ihren Heimatorten geflohen (www.dw.com, Immer mehr Binnenflüchtlinge in Afghanistan, v. 11.07.2017), bis zum 22. August 2017 mehr als 210.000 (www.spiegel.de, Mehr als 200.000 Kriegsvertriebene in Afghanistan, v. 29.08.2017). Zu Beginn des Jahres 2017 hatte die UN noch mit mehr als 450.000 Vertriebenen für 2017 gerechnet, gegenüber mehr als 660.000 im Jahr 2016 (www.spiegel.de, Mehr als 200.000 Kriegsvertriebene in Afghanistan, v. 29.08.2017). Für das Jahr 2017 erwartete die internationale humanitäre Gemeinschaft 450.000 neu in die Flucht getriebene Menschen im afghanischen Inland und die UNHCR 650.000 Rückkehrer aus den umliegenden Ländern (UNHCR, Anmerkung zur Situation in Afghanistan auf Anfrage des Deutschen Bundesministeriums des Innern, v. Dez. 2016, S. 4). Im November 2017 befanden sich 350.000 Afghanen innerhalb ihres Landes auf der Flucht (www.spiegel.de, Knapp 350.000 Menschen in Afghanistan auf der Flucht, v. 21.11.2017), im gesamten Jahr 2017 ca. 445.000 (www.salzburg24.at, Knapp 450.000 Kriegsvertriebene in Afghanistan im Jahr 2017, v. 02.01.2017). Viele Binnenvertriebene haben familiäre Verbindungen nach Kabul (UNHCR, Anmerkung zur Situation in Afghanistan auf Anfrage des Deutschen Bundesministeriums des Innern, v. Dez. 2016, S. 7). Einige Untersuchungen gehen davon aus, dass Rückkehrer aufgrund ihrer in der Migration erworbenen Fähigkeiten besseren Zugang zu höherqualifizierten Tätigkeiten und ein höheres Einkommen erhalten würden; nach anderen Stellungnahmen spielen diese Fähigkeiten in Afghanistan keine Rolle (EASO, Country of Origin Information Report Afghanistan - Key socio-economic indicators, state protection, and mobility in Kabul City, Mazar-e Sharif, and Herat City, v. August 2017, S. 24).
Viele von den Rückkehrer zieht es nach Kabul, wo die Einwohnerzahl zwischen den Jahren 2005 und 2015 um 10 % gestiegen ist (Schweizerische Flüchtlingshilfe, Afghanistan: Update, Die aktuelle Sicherheitslage v. 30.9.2016, S. 27, 28; Asylmagazin 3/2017, Überleben in Afghanistan?, S. 75 f.: Anstieg von 500.000 im Jahr 2001 auf fünf bis sieben Millionen). Die Aufnahmekapazität Kabuls ist aufgrund begrenzter Möglichkeiten der Existenzsicherung, Marktliquidität, der fehlenden Verfügbarkeit angemessener Unterbringungsmöglichkeiten sowie des mangelnden Zugangs zu grundlegenden Versorgungsleistungen, insbesondere im Gesundheits- und Bildungswesen, sowie im Dienstleistungsbereich äußerst eingeschränkt (UNHCR, Anmerkung zur Situation in Afghanistan auf Anfrage des Deutschen Bundesministeriums des Innern, v. Dez. 2016, S. 7). Die Bevölkerung in Kabul machte im Jahr 2015 41 % der städtischen Bevölkerung in Afghanistan aus (EASO, Country of Origin Information Report Afghanistan - Key socio-economic indicators, state protection, and mobility in Kabul City, Mazar-e Sharif, and Herat City, v. August 2017, S. 28). In Kabul lebten nach dem Analyseunternehmen Samuel Hall mit Stand März 2017 75 % der Bevölkerung in irregulären Siedlungen; in Kabuls irregulären Siedlungen sind die Zustände am schlechtesten (EASO, Country of Origin Information Report Afghanistan - Key socio-economic indicators, state protection, and mobility in Kabul City, Mazar-e Sharif, and Herat City, v. August 2017, S. 17, 61 f.). Um Kabul herum sind 50 solcher Camps, die ca. 40.000 Menschen beherbergen; dort herrschen Slum-ähnliche Bedingungen (EASO, Country of Origin Information Report Afghanistan - Key socio-economic indicators, state protection, and mobility in Kabul City, Mazar-e Sharif, and Herat City, v. August 2017, S. 62; Schweizerische Eidgenossenschaft, Staatssekretariat für Migration SEM, Alltag in Kabul, Referat v. Thoma R., v. 12.04.2017, S. 7). Die dortigen Behausungen bieten keinen zureichenden Schutz gegen die Kälte und Nässe in den Wintermonaten, sind überfüllt und bieten keine Privatsphäre; der Zugang zu einer Grundversorgung ist stark eingeschränkt (EASO, Country of Origin Information Report Afghanistan - Key socio-economic indicators, state protection, and mobility in Kabul City, Mazar-e Sharif, and Herat City, v. August 2017, S. 62). In Kabul ist Wohnraum zwar vorhanden, aber teuer (EASO, Country of Origin Information Report Afghanistan - Key socio-economic indicators, state protection, and mobility in Kabul City, Mazar-e Sharif, and Herat City, v. August 2017, S. 61). Über Wohneigentum in Kabul verfügen nur die Reichsten der Bevölkerung mit 5 % bis 10 %, eine Wohnung kostet um die 60.000 USD (EASO, Country of Origin Information Report Afghanistan - Key socio-economic indicators, state protection, and mobility in Kabul City, Mazar-e Sharif, and Herat City, v. August 2017, S. 62). Im Jahr 2013 verfügten 95 % der Haushalte in Kabul über Strom, 87 % über einen Fernseher, 97 % über ein Mobiltelefon, 50 % über bessere sanitäre Einrichtungen, 43 % über einen Kühlschrank, 33 % über einen Computer, 26 % über ein Auto und 10 % hatten Zugang zum Internet; aufgrund der Binnenflüchtlinge und Rückkehrer dürften sich diese Prozentzahlen zwischenzeitlich nach unten verändert haben (EASO, Country of Origin Information Report Afghanistan - Key socio-economic indicators, state protection, and mobility in Kabul City, Mazar-e Sharif, and Herat City, v. August 2017, S. 62). In der Provinz Kabul bestehen ca. 79 % der Beschäftigungsmöglichkeiten in der Landwirtschaft, ca. 6 % in der Industrie und 15 % im Dienstleistungsbereich (EASO, Country of Origin Information Report Afghanistan - Key socio-economic indicators, state protection, and mobility in Kabul City, Mazar-e Sharif, and Herat City, v. August 2017, S. 28). Die wirtschaftliche Situation in Kabul hat sich seit der zweiten Hälfte des Jahres 2015 immer weiter verschlechtert, auch mehr als im nationalen Durchschnitt, so insbesondere auch die Arbeitsmarktsituation (EASO, Country of Origin Information Report Afghanistan - Key socio-economic indicators, state protection, and mobility in Kabul City, Mazar-e Sharif, and Herat City, v. August 2017, S. 28). Zuverlässige Daten zur berufstätigen Bevölkerung in Kabul gibt es - nach dem „Afghanistan Rights Monitor“ - nicht (EASO, Country of Origin Information Report Afghanistan - Key socio-economic indicators, state protection, and mobility in Kabul City, Mazar-e Sharif, and Herat City, v. August 2017, S. 28). Aufgrund des vielen Militärs in Kabul und der dort angesiedelten Verwaltung gibt es Arbeitsstellen auch in diesen Bereichen (Home Office, Security und humanitarian situation, August 2017, S. 32). Staatliche Institutionen boten im Jahr 2016 nur noch wenige Stellen für qualifizierte Absolventen der Universitäten (EASO, Country of Origin Information Report Afghanistan - Key socio-economic indicators, state protection, and mobility in Kabul City, Mazar-e Sharif, and Herat City, v. August 2017, S. 28). Vetternwirtschaft und Korruption erschweren zusätzlich den Zugang zu Beschäftigungsmöglichkeiten; ohne Beziehungen ist es schwer, eine Arbeit bei staatlichen Stellen oder NGOs zu erhalten (EASO, Country of Origin Information Report Afghanistan - Key socio-economic indicators, state protection, and mobility in Kabul City, Mazar-e Sharif, and Herat City, v. August 2017, S. 28). Viele Rückkehrer und Binnenflüchtlinge enden zunächst in Kabul in überfüllten und unterversorgten informellen Siedlungen, mit besonders schlimmen Zuständen im Winter (EASO, Country of Origin Information Report Afghanistan - Key socio-economic indicators, state protection, and mobility in Kabul City, Mazar-e Sharif, and Herat City, v. August 2017, S. 41). Die Mehrheit von denen, die es erreichen, sich lokal zu integrieren, schaffte es im Jahr 2015 innerhalb von drei Jahren den Lebensstandard der ansässigen Bevölkerung zu erlangen (EASO, Country of Origin Information Report Afghanistan - Key socio-economic indicators, state protection, and mobility in Kabul City, Mazar-e Sharif, and Herat City, v. August 2017, S. 41).
Die meisten Familien werden in Afghanistan durch ein Oberhaupt ernährt, das informelle, zeitweise und körperliche Arbeit, beispielsweise als Träger auf einem Markt oder Helfer auf dem Bau, ausübt; in etlichen Fällen müssen auch Kinder zum Familieneinkommen beitragen (EASO, Country of Origin Information Report Afghanistan - Key socio-economic indicators, state protection, and mobility in Kabul City, Mazar-e Sharif, and Herat City, v. August 2017, S. 24). Die vielen Binnenflüchtlinge haben hier den Wettbewerb untereinander erhöht (EASO, Country of Origin Information Report Afghanistan - Key socio-economic indicators, state protection, and mobility in Kabul City, Mazar-e Sharif, and Herat City, v. August 2017, S. 24). Das Verelendungsrisiko einzelner Bevölkerungsgruppen in Afghanistan weicht stark voneinander ab, für alleinstehende Personen bewegte es sich bis zum Jahr 2007 lediglich im Bereich zwischen 10 und 15 %; das Armutsrisiko stieg bei einer Haushaltsgröße von drei Personen (11 %) bis zu einer Haushaltsgröße von neun Personen (über 40 %) kontinuierlich und lag bei einer Haushaltsgröße von 15 Personen sogar bei über 45 % (OVG NRW, Urt. v. 27.01.2015 - 13 A 1201/12.A -, juris Rn. 48). Aufgrund des Überangebots an Arbeitskräften in den Städten sinken auch die Gehälter (EASO, Country of Origin Information Report Afghanistan - Key socio-economic indicators, state protection, and mobility in Kabul City, Mazar-e Sharif, and Herat City, v. August 2017, S. 24).
Danach ist eine pauschale Beurteilung der Lebensbedingungen auch für Rückkehrer nicht möglich. Vielmehr kommt es auf die konkrete Situation des Betroffenen an, etwa auch auf seine persönlichen Eigenschaften, Bildung, Berufserfahrung, Beziehungen oder familiären Rückhalt. Neben Armut gibt es in Afghanistan auch Wohlstand und Reichtum, wenn auch weit weniger verbreitet; die Schere in der Gesellschaft ist insoweit weiter aufgegangen, auch wenn sich zwischenzeitlich eine Art Mittelschicht gebildet hat (vgl. Schweizerische Eidgenossenschaft, Staatssekretariat für Migration SEM, Alltag in Kabul, Referat v. Thomas R., v. 12.04.2017, S. 7). Zum Teil haben sich die Lebensbedingungen auch verbessert und Rückkehrer erhalten Unterstützung.
Staatliche Maßnahmen zur Integration oder Neuansiedlung haben bereits positive Ergebnisse gezeigt, sind allerdings auch weiter erforderlich (UNHCR, Anmerkung zur Situation in Afghanistan auf Anfrage des Deutschen Bundesministeriums des Innern, v. Dez. 2016, S. 8). Afghanistan befindet sich in einem langwierigen Wiederaufbauprozess (Lagebericht des Auswärtigen Amtes, Stand: September 2016, S. 4). Die internationale Gemeinschaft unterstützt die afghanische Regierung maßgeblich dabei, die Lebensbedingungen der Bevölkerung zu verbessern (Lagebericht des Auswärtigen Amtes, Stand: September 2016, S. 22). Mehr als 95 % des afghanischen Budgets stammten auch im Jahre 2016 von der internationalen Staatengemeinschaft (Schweizerische Flüchtlingshilfe, Afghanistan: Update, Die aktuelle Sicherheitslage v. 30.9.2016, S. 2). Für die Jahre 2017 bis 2021 versprachen mehr als 70 Länder insgesamt 13,6 Milliarden Euro finanzielle Unterstützung (Amnesty Report 2017 Afghanistan, S. 1). Nachdem im Jahr 2011 nur 7,5 % der Bevölkerung über eine adäquate Wasserversorgung verfügten, haben im Jahr 2016 46 % Zugang zu Trinkwasser (Schweizerische Flüchtlingshilfe, Afghanistan: Update, Die aktuelle Sicherheitslage v. 30.9.2016, S. 25; vgl. auch UNHCR-Richtlinien zur Feststellung des internationalen Schutzbedarfs afghanischer Asylsuchender vom 19.04.2016, S. 31). Die Deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (GIZ) hat seit 2002 in Afghanistan über 700 Trinkwassersysteme gebaut (www.giz.de, Afghanistan: Unter einem Dach, v. 04.04.2017). China unterstützt Afghanistan seit Oktober 2017 mit Getreidelieferungen (german.cri.cn, Afghanistan: China liefert Getreidenothilfe, v. 30.10.2017). Auch Indien engagiert sich im Handel mit Afghanistan (deutsch.rt.com, Indien verschafft sich unter Umgehung Pakistans Zugang zu Afghanistan - auch Iran profitiert, v. 06.11.2017).
Die medizinische Versorgung hat sich seit 2005 erheblich verbessert, was auch zu einem deutlichen Anstieg der Lebenserwartung geführt hat (Lagebericht des Auswärtigen Amtes, Stand: November 2015, S. 24, 25). Diese wurde im Jahr 2015 auf 53 Jahre bei Frauen und 50 Jahre bei Männern geschätzt (www.liportal.de, Afghanistan, Gesellschaft, Stand: Juli 2017). Dennoch besteht landesweit eine unzureichende Verfügbarkeit von Medikamenten, Ausstattung und Fachpersonal (vgl. auch Bay. VGH, Urt. v. 17.03.2016 - 13a B 16.30007 -, juris Rn. 18), wobei die Situation in den Nord- und Zentralprovinzen um ein Vielfaches besser ist als in den Süd- und Ostprovinzen (Lagebericht des Auswärtigen Amtes, Stand: September 2016, S. 23).
Rückkehrer aus Deutschland, deren Flüge grundsätzlich von einem Arzt begleitet werden (www.sozialticker.com, 700 Euro pro Person für tolle Maßnahmen in Afghanistan, v. 05.05.2017) werden in Kabul vom afghanischen Flüchtlingsministerium, von Mitarbeitern der Internationalen Organisation für Migration, von der gemeinnützigen humanitären Organisation für psychosoziale Betreuung und der Bundespolizei vor Ort in Empfang genommen und versorgt (Schreiben des Bundesministeriums des Innern v. 09.01.2017 an die Innenminister und -senatoren der Länder, S. 4). Das IOM sorgt auch für die Anwesenheit eines Arztes (AAN, Voluntary and Forced Returns to Afghanistan in 2016/17: Trends, statistics and experi-ences, S. 5). Das Rückkehrförderprogramm REAG/GARP sieht neben der Übernahme der Rückreisekosten eine Reisebeihilfe von 200 Euro und zusätzlich Startgeld in Höhe von 500 Euro je Person über zwölf Jahren vor (BT-Drs. 18/10336, 18. Wahlperiode 16.11.2016, Frage Nr. 34; Runderlass des Ministeriums für Inneres und Sport v. 21.06.2016, Nds. MBl. 2016 Nr. 26, S. 699, geändert durch Verwaltungsvorschrift v. 17.07.2017, Nds. MBl. Nr. 30, S. 990, Ziff. 2.2, 3.1.1). Für eine Überbrückungszeit von zwei Monaten können auch Kosten für Medikamente übernommen werden, die lebensnotwendig sind oder der Vermeidung einer schwerwiegenden Erkrankung dienen (Runderlass des Ministeriums für Inneres und Sport v. 21.06.2016, Nds. MBl. 2016 Nr. 26, S. 699, geändert durch Verwaltungsvorschrift v. 17.07.2017, Nds. MBl. Nr. 30, S. 990, Ziff. 2.1.3). Das Rückkehr- und Integrationsprojekt ERIN gewährt einen Service bei der Ankunft, Beratung und Begleitung zu behördlichen, medizinischen und caritativen Einrichtungen sowie berufliche Qualifizierungsmaßnahmen, Hilfe bei der Arbeitsplatzsuche sowie Unterstützung bei der Existenzgründung (BT-Drs. 18/10336, 18. Wahlperiode 16.11.2016, Frage Nr. 34). Im Falle der freiwilligen Rückkehr ist eine Integrationshilfe von bis zu 2.000 Euro vorgesehen, bei einer Rückführung bis zu 700 Euro (BT-Drs. 18/10336, 18. Wahlperiode 16.11.2016, Frage Nr. 34). Weiter ist auch geplant, den Rückkehrern Anschlussflüge zum gewünschten Zielort innerhalb Afghanistans anzubieten und ein Informationsbüro als Beratungsstelle einzurichten (Schreiben des Bundesministeriums des Innern v. 09.01.2017 an die Innenminister und -senatoren der Länder, S. 4). Rückkehrer können bis zu zwei Wochen im IOM Empfangszentrum in Jangalak untergebracht werden (International Organization for Migration (IOM), Länderinformationsblatt Afghanistan 2016, S. 2), was bei Bedarf auch angenommen wird (AAN, Voluntary and Forced Returns to Afghanistan in 2016/17: Trends, statistics and experiences, S. 5). Auch Flüchtlingsorganisationen bieten Unterkunft für die ersten Tage bzw. Wochen nach einer Rückkehr (SZ, Zurück auf Null, v. 08.04.2017). Die meisten Rückkehrer begeben sich jedoch direkt zu ihren Familien und Gemeinschaften zurück (AAN, Voluntary and Forced Returns to Afghanistan in 2016/17: Trends, statistics and experiences, S. 9). Die von der deutschen Regierung unterstützte Organisation IPSO bietet in Kabul psychosoziale Hilfe an, nimmt die Rückkehrer am Flughafen in Empfang und geht auch in die Gästehäuser, in denen die Abgeschobenen erst einmal unterkommen; für schwere Fälle ist die Organisation allerdings nicht ausgerüstet (www.focus.de, Schicksal von Arasch und Badam, v. 17.03.2017).
Nach der gutachterlichen Stellungnahme von Frau Dr. L. an das Oberverwaltungsgericht Rheinland-Pfalz vom 8. Juni 2011 sei es ein übliches Verfahren, durch Beschluss des Familienclans das stärkste Mitglied ins Ausland zu senden, um die wirtschaftliche Situation der Familie zu unterstützen (S. 3; vgl. auch Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl, Dossier der Staatendokumentation, AfPak, Grundlagen der Stammes- & Clanstruktur, 2016, S. 76). Rückkehrer würden auch in der Regel nicht verstoßen und selbst bei entfernten Verwandtschaftsverhältnissen zumindest zeitweise aufgenommen (Dr. L, Gutachterliche Stellungnahme an das Oberverwaltungsgericht Rheinland-Pfalz v. 08.06.2011, S. 13; a.A. AI, Anfragebeantwortung v. 08.01.2018, S. 14). Auch würden diejenigen, denen es gelungen sei, bis nach Europa zu kommen, zum mobileren Teil der Bevölkerung gehören, die es erfahrungsgemäß bei einer Rückkehr schaffen würden, ihre Beziehungen so zu gestalten, dass sie ihr Leben sichern können würden (Dr. L, Gutachterliche Stellungnahme an das Oberverwaltungsgericht Rheinland-Pfalz v. 08.06.2011, S. 12). Insoweit würden ohnehin soziale Kompetenzen, wie Durchsetzungs- und Kommunikationsfähigkeit mehr zählen als eine Ausbildung, so etwa für den Start eines Kleinhandels, den Rückkehrer auch eher eröffnen, als sich der Konkurrenz um Aushilfsjobs zu stellen (Dr. L, Gutachterliche Stellungnahme an das Oberverwaltungsgericht Rheinland-Pfalz v. 08.06.2011, S. 12, 9). Für diejenigen, denen etwas Geld zur Verfügung steht und die entsprechende Fähigkeiten mitbringen, bestand auch im Jahr 2017 die Möglichkeit, ein Geschäft zu eröffnen, so etwa einen Verkaufsladen oder einen Autohandel (EASO, Country of Origin Information Report Afghanistan - Key socio-economic indicators, state protection, and mobility in Kabul City, Mazar-e Sharif, and Herat City, v. August 2017, S. 23). Für Aushilfsjobs bzw. Tagelöhnerjobs ist die körperliche Konstitution maßgeblich, bei handwerklichen Tätigkeiten das Vorhandensein von eigenem Werkzeug und bei längerfristigen Arbeitsverhältnissen eine Vermittlung über einen Stammes- oder Clanzugehörigen (Dr. L, Gutachterliche Stellungnahme an das Oberverwaltungsgericht Rheinland-Pfalz v. 08.06.2011, S. 11; vgl. auch Asylmagazin 3/2017, Überleben in Afghanistan?, S. 76).
Nach einer Studie der UNHCR zur Situation von Rückkehrern aus dem Iran und Pakistan im Jahr 2015, von denen viele noch nie in Afghanistan gelebt hatten, berichteten 97 Prozent der Befragten bei einem Interview, ein bis drei Monate nach der Rückkehr, durch die lokale Gemeinschaft gut aufgenommen worden zu sein (UNHCR, Voluntary Repatriation to Afghanistan 2015, April 2016, S. 1 und 6). Für das Jahr 2016 gaben dies 93 % der Befragten an und 75 % sprachen davon, dass eine Rückkehr die richtige Entscheidung gewesen sei (UNHCR, Tough choices for Afghan refugees returning home after years in exile, 03.02.2017). Die Befragten nahmen die Suche nach einer Unterkunft zwar als problematisch wahr, doch lebten sechs bis acht Monate nach der Rückkehr ca. 90 Prozent in Häusern, auch wenn sie sich diese teilweise mit anderen Haushalten teilen mussten; nur sieben Prozent der Befragten mussten in einer vorübergehenden Unterkunft wie einem Zelt oder einem öffentlichen Gebäude unterkommen (UNHCR, Voluntary Repatriation to Afghanistan 2015, April 2016, S. 8). Das Einkommensniveau der Befragten war zwar niedrig, die Erwerbsquote jedoch sogar leicht besser als der nationale Durchschnitt; 63 % der Befragten gaben an, mehr als 50 Afghani am Tag zu erhalten, 37 % weniger (UNHCR, Voluntary Repatriation 2015, April 2016, S. 11). So kehrten im Jahr 2016 auch 3.159 meist junge afghanische Männer freiwillig aus Deutschland nach Afghanistan zurück; die meisten freiwilligen Rückkehrer hatten das Ziel Herat, gefolgt von Kabul (AAN, Voluntary and Forced Returns to Afghanistan in 2016/17: Trends, statistics and experiences, S. 2).
Die Deutsche Presseagentur hat drei der von Deutschland seit Dezember 2016 nach Afghanistan abgeschobenen jungen Männer ein Jahr lang begleitet; einer der Rückkehrer hat in Kabul bei einer internationalen Organisation Arbeit gefunden, ein anderer ist bei einem Freund seiner Familie außerhalb Kabuls untergekommen und versuche erst gar nicht Arbeit zu finden, weil er niemanden in Kabul kennen würde, der Dritte habe sich Werkstätten in Kabul für einen Ausbildungsplatz angeschaut, sie seien aber zu dreckig gewesen und die Meister nicht intelligent genug, er beabsichtige seine Verlobte in Deutschland zu heiraten (www.bayerische-staatszeitung.de, Die Abgeschobenen - Drei Leben in Afghanistan, v. 21.12.2017). Amnesty International berichtet dagegen von einem jungen Mann, der nach seiner Abschiebung nach Afghanistan weder in Kabul noch in Dschalalabad trotz Gelegenheitsjobs ein Obdach fand; ein anderer junger Mann soll keine Arbeit gefunden haben (AI, Anfragebeantwortung v. 08.01.2018, S. 20). Afghanischen Stellen werden die Namen der Abgeschobenen mitgeteilt, nicht jedoch, ob sie in Deutschland straffällig geworden sind (AAN, Voluntary and Forced Returns to Afghanistan in 2016/17: Trends, statistics and experiences, S. 4). Drei von Amnesty International beschriebene Fälle von nach Afghanistan zurückkehrenden Familien berichten von einer Tötung von Familienmitglieder nach ihrer Rückkehr, nicht jedoch von Problemen bei der Versorgung; hingegen gaben zurückgekehrte alleinstehende junge Männer durchweg an, keine Arbeit und Unterkunft zu finden (Amnesty International, Zurück in die Gefahr, 2017).
Unter Berücksichtigung der vorgenannten Erkenntnisse hat das Gericht keine durchgreifenden Zweifel daran, dass der Kläger als ein arbeitsfähiger junger Mann bei einer Rückkehr in sein Heimatland Afghanistan in der Lage wäre, in Kabul seinen Lebensunterhalt insoweit zu verdienen, dass von ihm vernünftigerweise erwartet werden kann, sich dort aufzuhalten (vgl. Nds. OVG, Urt. v. 19.09.2016 - 9 LB 100/15 -, juris; OVG NRW, Beschl. v. 08.06.2016 - 13 A 1222/16.A -, juris Rn. 10; VG Augsburg, Urt. v. 15.01.2018 - Au 5 K 17.31921 -, juris Rn.39; Urt. v. 08.01.2018 - Au 5 K 17.32590 -, juris Rn. 33; a.A. VG C-Stadt, Gerichtsbescheid v. 10.01.2017 - 10 A 6516/16 -, juris Rn. 38; vgl. zu der humanitären Lage in Kabul auch VGH BaWü, Urt. v. 17.01.2018 - A 11 S 241/17 -, juris Rn. 470; Nds. OVG, Beschl. v. 04.01.2018 - 9 LA 160/17 -, juris Rn. 28; VGH BaWÜ, Urt. v. 09.11.2017 - A 11 S 789/17 -, juris Rn. 235 ff.). Auch die UNHCR geht in ihren Richtlinien zur Feststellung des internationalen Schutzbedarfs afghanischer Asylsuchender vom 19. April 2016 davon aus, dass alleinstehende leistungsfähige Männer und verheiratete Paare im berufsfähigen Alter auch ohne Unterstützung von Familie und Gemeinschaft unter bestimmten Umständen in urbanen und semi-urbanen Umgebungen, die die notwendige Infrastruktur sowie Erwerbsmöglichkeiten zur Sicherung der Grundversorgung bieten und die unter staatlicher Kontrolle stehen, leben können (S. 99). Der Kläger hat die Schule bis zur neunten Klasse besucht, er ist weitestgehend gesund, gehört als Tadschike der zweitgrößten Volksgruppe in Afghanistan an (vgl. Lagebericht des Auswärtigen Amtes, Stand: September 2016, S. 9), ist sunnitischer Religionszugehörigkeit, spricht mit Dari eine der offiziellen Landessprachen (vgl. Lagebericht des Auswärtigen Amtes, Stand: September 2016, S. 9) und hat bereits mehrere Jahre in der Landwirtschaft gearbeitet. Die im Jahr 2016 diagnostizierten Rückenprobleme des Klägers stehen dem - bereits nach seinen eigenen Angaben in der mündlichen Verhandlung, nach denen er auch wieder Fußball spielen könne - nicht entgegen. Der Kläger hat in der mündlichen Verhandlung zwar angegeben, dass er in Afghanistan keine Verwandten mehr habe. Das Gericht ist jedoch nicht davon überzeugt, dass diese Behauptung zutreffend ist. Seine Angaben waren insoweit widersprüchlich und nicht schlüssig. In der Anhörung durch einen Mitarbeiter des Bundesamtes hatte der Kläger noch angegeben, keine Verwandte mehr in Afghanistan zu haben, alle seien verstorben. Dies ist jedenfalls insoweit fraglich, als es nach seinen Angaben in der mündlichen Verhandlung mindestens noch Kinder einer Tante gibt. Soweit der Kläger diesbezüglich ausführte, ihren Aufenthaltsort nicht zu kennen, sind seine Angaben nicht glaubhaft. Er erwähnte die Kinder seiner Tante erst auf ausdrückliche Nachfrage durch das Gericht. Weshalb er nicht wisse, wo die Kinder seiner Tante, die im gleichen Dorf wie der Kläger und seine Familie gewohnt hatte, sind, vermochte er nicht nachvollziehbar zu erklären. Die Antworten des Klägers auf die entsprechenden Nachfragen des Gerichts, dass sie nur wenig Kontakt gehabt hätten, weil es familiäre Probleme gegeben habe, die er nicht kenne, weil er noch jung gewesen sei, wirkten als Ausflüchte, wie auch bereits seine immer wieder erneut angepassten Antworten in der Anhörung durch einen Mitarbeiter des Bundesamtes. Dort war etwa zunächst von einer Gruppe die Rede, die Geld gefordert hätte, das sein Vater auch immer bezahlt habe. Erst als dem Kläger vorgehalten wurde, dass sich seine Entführung dann nicht erschließen würde, behauptete er, dass es mehrere Gruppen gewesen seien und sein Vater an eine von ihnen nicht gezahlt habe. Auch dies stellt aus Sicht des Gerichts ein an ein Nachfragen angepasstes Äußerungsverhalten des Klägers dar, das Zweifel an der Glaubhaftigkeit seiner Angaben begründet. Bei seinen Antworten zu weiteren Verwandten in Afghanistan wirkte der Kläger insgesamt sehr bemüht, sich als in Afghanistan auf sich allein gestellt darzustellen. Auch den Verbleib etwaiger Verwandter aus Masar-e Scharif vermochte der Kläger in der mündlichen Verhandlung nicht überzeugend darzustellen. Aber auch zunächst ohne familiäre oder sonstige Beziehungen geht das Gericht nach alledem davon aus, dass der Kläger in Kabul, unterstützt durch die Rückkehrerhilfen, jedenfalls als Tagelöhner in ausreichendem Maße seinen Lebensunterhalt sichern können wird, bis er sich gegebenenfalls auch wieder ein soziales Netzwerk aufgebaut hat.
b) Der Kläger hat auch keinen Anspruch auf Anerkennung als subsidiär Schutzberechtigter infolge einer ernsthaften individuellen Bedrohung seines Lebens oder seiner Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konflikts (§ 4 Abs. 1 Satz 1, Satz 2 Nr. 3 AsylG). Für eine solche Annahme müssen stichhaltige Gründe vorliegen (Nds. OVG, Urt. v. 19.09.2016 - 9 LB 100/15 -, juris; Beschl. v. 26.08.2016 - 9 ME 146/16 -, n.v.). Bezugspunkt für die Gefahrenprognose ist der tatsächliche Zielort des Betroffenen bei einer Rückkehr, damit in der Regel seine Herkunftsregion, in die er typischerweise zurückkehren wird (vgl. BVerwG, Urt. v. 31.01.2013 - 10 C 15/12 -, juris Rn. 13, 16; Urt. v. 17.11.2011 - 10 C 13/10 -, juris Rn.16). Nicht maßgeblich ist insoweit, für welche Region sich ein unbeteiligter Betrachter vernünftigerweise entscheiden würde, und auch nicht, in welche Region der betroffene Ausländer aus seinem subjektiven Blickwinkel strebt (BVerwG, Urt. v. 31.01.2013 - 10 C 15/12 -, juris Rn. 14).
Vorliegend kann dahinstehen, ob in der Heimatprovinz des Klägers ein innerstaatlicher bewaffneter Konflikt im Sinne des § 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 AsylG herrscht, weil jedenfalls nicht mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit sein Leben oder seine Unversehrtheit in der Provinz Balch oder in Kabul - als inländische Fluchtalternative - (vgl. hierzu bereits oben) infolge willkürlicher Gewalt bedroht sind. Auch in der Provinz Balch geht nicht für eine Vielzahl von Zivilpersonen eine allgemeine Gefahr aus, die sich in der Person des Klägers so verdichtet, dass sie für diesen eine erhebliche individuelle Gefahr (vgl. BVerwG, Urt. v. 17.11.2011 - 10 C 13/10 -, juris Rn. 17) bzw. Bedrohung im Sinne des § 4 Abs. 1 Satz 1, Satz 2 Nr. 3 AsylG darstellt.
Eine derartige Individualisierung kann sich bei einem hohen Niveau willkürlicher Gewalt für die Zivilbevölkerung aus gefahrerhöhenden Umständen in der Person des Betroffenen ergeben, wie etwa einer berufsbedingten Nähe zu einer Gefahrenquelle oder einer bestimmten religiösen Zugehörigkeit (BVerwG, Urt. v. 17.11.2011 - 10 C 13/10 -, juris Rn. 18; Nds. OVG, Urt. v. 19.09.2016 - 9 LB 100/15 -, juris). Wenn solche individuellen gefahrerhöhenden Umstände fehlen, kann eine entsprechende Individualisierung ausnahmsweise auch bei einer außergewöhnlichen Situation eintreten, die durch einen so hohen Gefahrengrad gekennzeichnet ist, dass praktisch jede Zivilperson allein aufgrund ihrer Anwesenheit in dem betroffenen Gebiet einer ernsthaften individuellen Bedrohung ausgesetzt wäre (BVerwG, Urt. v. 17.11.2011 - 10 C 13/10 -, juris Rn. 19 m.w.N.; OVG NRW, Beschl. v. 13.11.2017 - 13 A 2578/17.A -, juris Rn. 10; Beschl. v. 10.10.2017 - 13 A 2235/17.A -, juris Rn. 9; Beschl. v. 09.03.2017 - 13 A 2575/16.A -, juris Rn. 13; Nds. OVG Urt. v. 19.09.2016 - 9 LB 100/15 -, juris; Beschl. v. 26.08.2016 - 9 ME 146/16 -, n.v.; Beschl. v. 14.04.2016 - 9 LA 57/16 -, n.v.; Beschl. v. 28.09.2015 - 9 LA 247/14 -, n.v.). Dies setzt aber ein besonders hohes Niveau willkürlicher Gewalt voraus (BVerwG, Urt. v. 17.11.2011 - 10 C 13/10 -, juris Rn. 19; Nds. OVG, Urt. v. 19.09.2016 - 9 LB 100/15 -, juris; Beschl. v. 14.04.2016 - 9 LA 57/16 -, n.v.; Beschl. v. 28.09.2015 - 9 LA 247/14 -, n.v.). Permanente Gefährdungen der Bevölkerung und schwere Menschenrechtsverletzungen im Rahmen eines innerstaatlichen Konflikts reichen für sich allein nicht aus (BVerwG, Urt. v. 13.02.2014 - 10 C 6/13 -, juris Rn. 24; Nds. OVG, Urt. v. 19.09.2016 - 9 LB 100/15 -, juris; Beschl. v. 28.09.2015 - 9 LA 247/14 -, n.v.). Dies gilt auch bei heftigen Auseinandersetzungen zwischen der afghanischen Armee und aufständischen Gruppen, die auch die Zivilbevölkerung durch Massenentführungen, Vertreibungen, Kämpfe in bewohnten Gebieten oder Angriffe auf Dörfer im Mitleidenschaft ziehen (Nds. OVG, Beschl. v. 14.04.2016 - 9 LA 57/16 -, n.v.). Für die Bestimmung der Gefahrendichte hat eine quantitative Ermittlung der Verletzten und getöteten Zivilpersonen im Verhältnis zur Einwohnerzahl (Gewaltniveau) und daneben auch eine wertende Gesamtbetrachtung jedenfalls auch im Hinblick auf die medizinische Versorgungslage zu erfolgen (BVerwG, Urt. v. 17.11.2011 - 10 C 13/10 -, juris Rn. 23; Nds. OVG, Urt. v. 19.09.2016 - 9 LB 100/15 -, juris; Beschl. v. 26.08.2016 - 9 ME 146/16 -, n.v.; Beschl. v. 28.09.2015 - 9 LA 247/14 -, n.v.; vgl. auch OVG NRW, Beschl. v. 10.10.2017 - 13 A 2233/17.A -, juris Rn. 23). Das Risiko einer Zivilperson von 1:800 (bezogen auf ein Jahr) verletzt oder getötet zu werden ist dabei weit von der Schwelle der beachtlichen Wahrscheinlichkeit eines ihr drohenden Schadens entfernt (BVerwG, Urt. v. 17.11.2011 - 10 C 13/10 -, juris Rn. 23; vgl. auch Nds. OVG, Urt. v. 19.09.2016 - 9 LB 100/15 -, juris; Beschl. v. 28.09.2015 - 9 LA 247/14 -, n.v. nach VG Bayreuth, Urt. v. 26.07.2017 - B 6 K 17.30520 -, juris Rn. 63 stellt auch eine Wahrscheinlichkeit von 1/572 noch keine relevante Gefahrerhöhung dar). In diesem Fall vermag sich auch eine wertende Gesamtbetrachtung regelmäßig im Ergebnis nicht auszuwirken (Bay. VGH, Beschl. v. 17.01.2017 - 13a ZB 16.30182 -, juris Rn. 7 m.w.N.).
Bei dem Kläger liegen keine solchen persönlichen gefahrerhöhenden Umstände vor, die zu einer erheblichen individuellen Gefährdung führen würden und in der Provinz Balch ist auch nicht praktisch jede Zivilperson einer ernsthaften individuellen Bedrohung ausgesetzt.
In der nördlichen Region Afghanistans, zu der neben Balch (Einwohnerzahl: ca. 1.335.626; jeweils nach dem Länderinformationsblatt der Staatendokumentation Afghanistan, Republik Österreich Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl, vom 02.03.2017, aktualisiert am 30.01.2018), Faryab (Einwohnerzahl: ca. 1.015.335), Sar-i Pul (Einwohnerzahl: ca. 569.043), Jawzjan (auch als Dschuzdschan bezeichnet, Einwohnerzahl: ca. 549.900) und Samangan (Einwohnerzahl: ca. 394.487) zählen (UNAMA, Afghanistan Annual Report on Protection of Civilians in Armed Conflict: 2017, v. Febr. 2018; UNHCR, Anfragebeantwortung vom 12.05.2016, S. 8) wurden im Jahr 2017 von der UNAMA 1.032 (2016: 1.362) verletzte oder getötete Zivilpersonen gezählt (Afghanistan Annual Report on Protection of Civilians in Armed Conflict: 2017, v. Febr. 2018, S. 7). Im Hinblick auf die Einwohnerzahl von ca. 3,85 Millionen ergibt sich daraus ein Verhältnis von 1 : 3.730. Bei einer Verdreifachung der Anzahl der von der UNAMA registrierten verletzten und getöteten Zivilpersonen aufgrund einer hohen Dunkelziffer (vgl. hierzu Nds. OVG, Urt. v. 07.09.2015 - 9 LB 98/13 -, juris Rn. 65) ergibt sich eine Wahrscheinlichkeit von 1 : 1.243.
Anhaltspunkte dafür, dass innerhalb der Region gerade in der Provinz Balch oder dem Herkunftsdistrikt des Klägers ein unverhältnismäßig hoher Anteil an verletzten oder getöteten Zivilpersonen zu verzeichnen wäre, aus dem eine besonders hohe Gefährdung von Zivilpersonen im Sinne einer beachtlichen Wahrscheinlichkeit resultieren könnte, sind nicht gegeben. Bislang galt Balch als eine der friedlichsten und sichersten Orte Afghanistans, wenngleich bewaffnete Aufständische versuchen, die Region zu destabilisieren und es daher zu Zusammenstößen kommt (vgl. Länderinformationsblatt der Staatendokumentation Afghanistan, Republik Österreich Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl, vom 02.03.2017, aktualisiert am 11.05.2017, S. 38, aktualisiert am 30.01.2018, S. 36, 65, 69, 110). Im Jahr 2017 hat die UNAMA in der Provinz Balch 129 verletzte und getötete Zivilpersonen registriert, was einen Rückgang gegenüber dem Vorjahr von 68 % bedeutet (Afghanistan Annual Report on Protection of Civilians in Armed Conflict: 2017, v. Febr. 2018, Annex III). Bei einer Verdreifachung dieser Zahl ergibt sich für eine Zivilperson in der Provinz Balch eine Wahrscheinlichkeit verletzt oder getötet zu werden von 1 : 3.451. Allerdings wurde der dortige tadschikisch-stämmige Gouverneur und ehemalige Warlord Atta Mohammad Noor, der in der Provinz bislang effektiv für Sicherheit sorgte (Länderinformationsblatt der Staatendokumentation Afghanistan, Republik Österreich Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl, v. 02.03.2017, aktualisiert am 11.05.2017, S. 38), abgelöst (Länderinformationsblatt der Staatendokumentation Afghanistan, Republik Österreich Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl, v. 02.03.2017, aktualisiert am 30.01.2018, S. 16 f.). Eine hieraus resultierende relevante Verschlechterung der dortigen Sicherheitslage, wo sich auch ein Stützpunkt der Bundeswehr befindet (Länderinformationsblatt der Staatendokumentation Afghanistan, Republik Österreich Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl, v. 02.03.2017, aktualisiert am 30.01.2018, S. 17), wurde bislang nicht bekannt.
Nach und trotz alledem ist es angesichts der Bevölkerungszahl auf der einen und den Verletzten und getöteten Zivilpersonen auf der anderen Seite für eine Zivilperson in Balch nicht beachtlich wahrscheinlich, aufgrund eines sicherheitsrelevanten Vorfalls verletzt oder getötet zu werden (vgl. auch Bay. VGH, Beschl. v. 21.08.2017 - 13a ZB 17.30529 -, juris Rn. 12 f.; Beschl. v. 04.04.2017 - 13a ZB 17.30231 -, juris Rn. 10; VG Würzburg, Urt. v. 23.08.2017 - W 1 K 16.31894 -, juris Rn. 44 (Balch und Samangan); VG Lüneburg, Urt. v. 15.05.2017 - 3 A 156/16 -, juris Rn. 37 ff.; VG Karlsruhe, Urt. v. 06.04.2017 - A 2 K 2941/16 -, juris Rn. 44; VG Würzburg, Urt. v. 17.03.2017 - W 1 K 16.30736 -, juris Rn. 43).
3. Der Kläger hat auch keinen Anspruch auf Feststellung von Abschiebungsverboten nach § 60 Abs. 5 AufenthG oder § 60 Abs. 7 AufenthG. Weder die - bereits dargestellte - Sicherheitslage noch die - ebenfalls bereits ausgeführte - allgemeine humanitäre Lage in Afghanistan stehen einer Abschiebung des Klägers nach dorthin entgegen.
Das Gericht ist unter Berücksichtigung der bisherigen Ausführungen nicht davon überzeugt, dass der Kläger bei einer Abschiebung nach Afghanistan mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit tatsächlich Gefahr liefe, dort einer § 60 Abs. 5 i.V.m. Art. 3 EMRK widersprechenden Behandlung ausgesetzt zu werden oder ihm in Afghanistan aufgrund der dortigen Lebensbedingungen eine erhebliche konkrete Gefahr für Leib - im Sinne von schwersten Gesundheitsbeeinträchtigungen -, Leben oder Freiheit im Sinne des § 60 Abs. 7 AufenthG alsbald nach seiner Rückkehr droht.
4. Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 154 Abs. 1, 155 Abs. 2 VwGO. Gerichtskosten werden nicht erhoben (§ 83 b AsylG). Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.