Verwaltungsgericht Lüneburg
Urt. v. 27.02.2018, Az.: 3 A 152/17

Bibliographie

Gericht
VG Lüneburg
Datum
27.02.2018
Aktenzeichen
3 A 152/17
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2018, 73917
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

Tenor:

Die Klage wird abgewiesen.

Der Kläger trägt die außergerichtlichen Kosten des Verfahrens. Gerichtskosten werden nicht erhoben.

Das Urteil ist wegen der Kostenentscheidung vorläufig vollstreckbar. Der Kläger kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 Prozent des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 Prozent des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

Tatbestand:

Der Kläger begehrt die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft bzw. des subsidiären Schutzes durch die Beklagte, hilfsweise das Feststellen von Abschiebungsverboten.

Der 1997 geborene Kläger ist afghanischer Staatsangehöriger, gehört der Volksgruppe der Hazara an und ist schiitischen Glaubens. Bis 2010 lebte er mit seinen Eltern in D. in der Provinz Maydan Wardak.

Der Kläger reiste im Sommer 2010 aus Afghanistan aus, lebte zusammen mit seiner Mutter einige Jahre im Iran (in Teheran), reiste Ende 2014 in das Gebiet der Bundesrepublik Deutschland ein und stellte einen Asylantrag. Bei seiner Anhörung durch das Bundesamt im September 2015 hat der Kläger im Wesentlichen vorgetragen, dass sein Vater Landwirt gewesen sei und ihr Dorf jedes Jahr von den Taliban überfallen worden sei. Bei einem dieser Überfälle sei sein Vater ermordet worden. Nach dem Tod seines Vaters sei ihr Haus zerstört und ihre Felder von den Taliban beschlagnahmt worden. Direkte Drohungen nur gegen seine Familie habe es nicht gegeben, alle Dorfbewohner seien von der Bedrohung durch die Taliban betroffen gewesen. Er selbst sei von Taliban zusammengeschlagen worden, als er auf dem Weg zu einer Hochzeit gewesen sei. Er sei Schiit und es bestehe eine Feindschaft mit den Paschtunen.

Durch Bescheid vom 27. März 2017 lehnte die Beklagte die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft (Nr. 1 des Bescheids), die Anerkennung von Asyl (Nr. 2) sowie die Zuerkennung subsidiären Schutzes (Nr. 3) ab und stellte fest, dass Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 und Abs. 7 Satz 1 AufenthG nicht vorliegen (Nr. 4), forderte den Kläger unter Androhung der Abschiebung nach Afghanistan zur Ausreise innerhalb von 30 Tagen nach Bekanntgabe des Bescheids bzw. nach dem unanfechtbaren Abschluss des Asylverfahrens auf (Nr. 5) und befristete das Einreise- und Aufenthaltsverbot gemäß § 11 Abs. 1 AufenthG auf 30 Monate ab dem Tag der Abschiebung (Nr. 6).

Gegen diesen Bescheid hat der Kläger am 5. April 2017 Klage erhoben, soweit das Bundesamt die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft, des subsidiären Schutzes und die Feststellung des Vorliegens von Abschiebungsverboten abgelehnt hat. Erstmals in der mündlichen Verhandlung hat der Kläger geltend gemacht, Christ geworden und daher bei einer Rückkehr nach Afghanistan von einer Verfolgung durch Taliban bedroht zu sein.

Der Kläger beantragt,

die Beklagte unter Aufhebung des Bescheids vom 27. März 2017 zu verpflichten, dem Kläger die Flüchtlingseigenschaft zuzuerkennen, hilfsweise zu verpflichten, dem Kläger subsidiären Schutz zuzuerkennen, hilfsweise die Beklagte zu verpflichten, festzustellen, dass Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 und Abs. 7 Satz 1 AufenthG vorliegen.

Die Beklagte hat schriftsätzlich beantragt,

die Klage abzuweisen

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und der beigezogenen Verwaltungsvorgänge der Beklagten verwiesen.

Entscheidungsgründe

Die Klage hat keinen Erfolg.

Das Gericht konnte gemäß § 102 Abs. 2 VwGO trotz Abwesenheit eines Vertreters der Beklagten in der mündlichen Verhandlung über die Klage entscheiden, weil die Beteiligten in der Ladung zum Termin auf diese Möglichkeit hingewiesen worden sind.

Die Klage zulässig, aber unbegründet. Der angefochtene Bescheid des Bundesamtes ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1, Abs. 5 Satz 1 VwGO).

Der Kläger hat nach dem für die Sach- und Rechtslage maßgeblichen Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung (§ 77 Abs. 1 Satz 1 1. Halbsatz AsylG) weder einen Anspruch auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft gemäß § 3 Abs. 1, Abs. 4 AsylG (1.) noch auf Zuerkennung des subsidiären Schutzes gemäß § 60 Abs. 2 AufenthG i. V. m.§ 4 Abs. 1 AsylG (2.). Es liegen auch Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 und Abs. 7 Satz 1 AufenthG nicht vor (3.). Die Abschiebungsandrohung und die Befristung des gesetzlichen Einreise- und Aufenthaltsverbotes sind nicht zu beanstanden (dazu 4.).

1. Gem. § 3 Abs. 4 AsylG wird einem Ausländer, der Flüchtling nach § 3 Abs. 1 AsylG ist, die Flüchtlingseigenschaft zuerkannt, es sei denn, er erfüllt die Voraussetzungen des § 60 Abs. 8 Satz 1 des Aufenthaltsgesetzes (AufenthG) oder das Bundesamt hat nach § 60 Abs. 8 Satz 3 AufenthG von der Anwendung des § 60 Abs. 1 AufenthG abgesehen. Gem. § 3 Abs. 1 AsylG ist ein Ausländer Flüchtling im Sinne des Abkommens vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (BGBl. 1953 II S. 559, 560), wenn er sich (1.) aus begründeter Furcht vor Verfolgung wegen seiner Rasse, Religion, Nationalität, politischen Überzeugung oder Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe (2.) außerhalb des Landes (Herkunftsland) befindet, (a)) dessen Staatsangehörigkeit er besitzt und dessen Schutz er nicht in Anspruch nehmen kann oder wegen dieser Furcht nicht in Anspruch nehmen will (b)) oder in dem er als Staatenloser seinen vorherigen gewöhnlichen Aufenthalt hatte und in das er nicht zurückkehren kann oder wegen dieser Furcht nicht zurückkehren will.

Als Verfolgung im Sinne des § 3 Abs. 1 AsylG gelten gem. § 3a Abs. 1 AsylG Handlungen, die (1.) auf Grund ihrer Art oder Wiederholung so gravierend sind, dass sie eine schwerwiegende Verletzung der grundlegenden Menschenrechte darstellen, insbesondere der Rechte, von denen nach Artikel 15 Absatz 2 der Konvention vom 4. November 1950 zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (BGBl. 1952 II S. 685, 953) keine Abweichung zulässig ist, oder (2.) in einer Kumulierung unterschiedlicher Maßnahmen, einschließlich einer Verletzung der Menschenrechte, bestehen, die so gravierend ist, dass eine Person davon in ähnlicher wie der in Nr. 1 beschriebenen Weise betroffen ist.

Maßgebend für die Beantwortung der Frage, ob sich ein Ausländer aus begründeter Furcht vor Verfolgung außerhalb seines Heimatlandes befindet, ist der Prognosemaßstab der beachtlichen Wahrscheinlichkeit. Dieser setzt voraus, dass bei einer zusammenfassenden Würdigung des zur Prüfung gestellten Lebenssachverhalts die für eine Verfolgung sprechenden Umstände die dagegen sprechenden Tatsachen überwiegen. Insoweit kommt es darauf an, ob in Anbetracht aller Umstände bei einem vernünftig denkenden, besonnenen Menschen in der Lage des Betroffenen Furcht vor Verfolgung hervorgerufen werden kann (Nds. OVG, Urt. v. 19.9.2016 - 9 LB 100/15 -, juris, S. 7 f. m.w.N.; Urt. v. 21.9.2015 - 9 LB 20/14 -, juris Rn. 30 m.w.N.). Es ist Sache des Ausländers, seine Gründe für eine Verfolgung in schlüssiger Form vorzutragen und das Gericht muss die volle Überzeugung von der Wahrheit des vom Asylsuchenden behaupteten individuellen Verfolgungsschicksals erlangen (Nds. OVG, Urt. v. 19.9.2016 - 9 LB 100/15 -, juris, S. 8; vgl. auch bereits BVerwG, Urt. v. 29.11.1977 - I C 33.71 -, juris Rn. 10; Beschl. v. 16.4.1985 - 9 C 109.84 -, juris Rn. 16). Dabei greift zugunsten eines Betroffenen eine tatsächliche Vermutung, dass sich frühere Handlungen und Bedrohungen bei einer Rückkehr in das Herkunftsland wiederholen werden (Nds. OVG, Urt. v. 23.11.2015 - 9 LB 106/15 -, juris, S. 8 m.w.N.; Urt. v. 21.9.2015 - 9 LB 20/14 -, juris Rn. 30 m.w.N.), ohne dass hierdurch jedoch der Wahrscheinlichkeitsmaßstab geändert würde (BVerwG, Urt. v. 7.9.2010 - 10 C 11.09 -, juris Rn. 14 f.; Urt. v. 17.4.2010 - 10 C 5.09 -, juris Rn. 19 f., 22 f.). Diese Vermutung kann widerlegt werden, indem stichhaltige Gründe die Wiederholungsträchtigkeit des Eintritts eines solchen Schadens entkräften (BVerwG, Urt. v. 17.4.2010 - 10 C 5.09 -, juris Rn. 23).

Gemessen an diesen Maßstäben konnte der Kläger mit seinen Angaben in der mündlichen Verhandlung nicht schlüssig zur Überzeugung des Gerichts vortragen, dass die vom Kläger behauptete Furcht vor Verfolgung begründet ist und ihm bei einer Rückkehr nach Afghanistan Verfolgungshandlungen im Sinne von §§ 3, 3a AsylG drohen, die entsprechend § 3a Abs. 3 AsylG an Verfolgungsgründe nach §§ 3, 3b Abs. 1 AsylG anknüpfen.

a) Dem Kläger droht nicht mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit eine Verfolgung aufgrund der von ihm behaupteten Konversion zum Christentum.

Eine Konversion vom Islam zum Christentum vermag in Afghanistan die Gefahr einer drohenden (auch strafrechtlichen) Verfolgung bzw. einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung zu begründen, wenn ein Konvertit dort seinen christlichen Glauben offen praktiziert oder aus Angst vor Übergriffen verleugnet oder verheimlicht und dadurch in erhebliche Gewissenskonflikte gerät; diese Gefahr kann vom Staat ausgehen, von den Taliban oder von der Bevölkerung, letzteres insbesondere in Dörfern (Nds. OVG, Urt. v. 7.9.2015 - 9 LB 98/13 -, juris Rn. 32; ferner VG Lüneburg, Urt. v. 13.6.2017 – 3 A 136/16 -; vgl. auch UNHCR-Richtlinien zur Feststellung des internationalen Schutzbedarfs afghanischer Asylsuchender, v. 19.4.2016, S. 61, 62).

Damit sich ein Asylbewerber erfolgreich eine Verfolgungsgefährdung mit der Begründung berufen kann, er sei in Deutschland zu einer in seinem Herkunftsland bekämpften Religion übergetreten, muss festgestellt werden können, dass die Hinwendung zu der angenommenen Religion auf einer festen Überzeugung und einem ernst gemeinten religiösen Einstellungswandel und nicht auf Opportunitätserwägungen beruht, und dass der neue Glaube nunmehr die religiöse Identität des Schutzsuchenden prägt (vgl. OVG NRW, Beschl. v. 9.6.2017 - 13 A 1120/17.A -, juris Rn. 10; Beschl. v. 27.4.2016 - 13 A 854/16.A -, juris Rn. 8). Der Schutzsuchende muss sich aus voller innerer Überzeugung von seinem bisherigen Bekenntnis gelöst und dem anderen Glauben zugewandt haben; alleine der formale Übertritt zum Christentum durch eine Taufe genügt grundsätzlich nicht (OVG NRW, Beschl. v. 27.4.2016 - 13 A 854/16.A -, juris Rn. 10). Andererseits kann nicht verlangt werden, dass der Konvertierte so fest im Glauben steht, dass er bereit ist, in seinem Herkunftsland für den Glauben selbst schwere Menschenrechtsverletzungen hinzunehmen (OVG NRW, Beschl. v. 27.4.2016 - 13 A 854/16.A -, juris Rn. 10). Von einem Erwachsenen, der sich zum Bekenntniswechsel entschlossen hat, darf im Regelfall erwartet werden, dass er mit den wesentlichen Grundzügen seiner neuen Religion vertraut ist; welche Anforderungen im Einzelnen zu stellen sind, richtet sich vorwiegend nach seiner Persönlichkeit und seiner intellektuellen Disposition (OVG NRW, Beschl. v. 27.4.2016 - 13 A 854/16.A -, juris Rn. 10; vgl. auch BVerwG, Beschl. v. 25.8.2015 - 1 B 40/15 -, juris Rn. 14). Auch kann erwartet werden, dass er insoweit schlüssige und nachvollziehbare Angaben zu den inneren Beweggründen für die Konversion machen kann (BVerwG, Beschl. v. 25.8.2015 - 1 B 40.15 -, juris Rn. 14). Die religiöse Identität als innere Tatsache lässt sich nur aus dem Vorbringen des Asylbewerbers sowie im Wege des Rückschlusses von äußeren Anhaltspunkten auf die innere Einstellung des Betroffenen feststellen (BVerwG, Beschl. v. 25.8.2015 - 1 B 40.15 -, juris Rn. 14; Urt. v. 20.2.2013 - 10 C 23.12 -, juris Rn. 31; Bay. VGH Beschl. v. 01.12.2015 - 13a ZB 15.30224 -, juris Rn. 7; Nds. OVG, Urt. v. 7.9.2015 - 9 LB 98/13 -, juris Rn. 34; jeweils m.w.N.).

Gemessen an voranstehenden Maßstäben und tatsächlichen Umständen konnte sich das Gericht aufgrund der mündlichen Verhandlung nicht davon überzeugen, dass der Kläger bei einer Rückkehr in sein Heimatland wegen seines Religionswechsels mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit verfolgungsgefährdet wäre. Das Gericht ist vielmehr davon überzeugt, dass der Kläger bei einer Rückkehr nach Afghanistan keine religiösen Betätigungen vornehmen wird, die ihn der tatsächlichen Gefahr einer Verfolgung aussetzen würden, bzw. dass der Verzicht auf solche Handlungen keine unzulässige Einschränkung seiner religiösen Identität bedeuten würde.

Der Kläger ist am 20. November 2015 durch den E. getauft worden, nimmt ausweislich der Bescheinigung der F. A-Stadt vom 22. April 2017 regelmäßig an den Gottesdiensten der Gemeinde teil und besucht die Angebote des Asylkreises der Gemeinde. Der Kläger vermochte das Gericht indes nicht davon zu überzeugen, dass der Kläger einen seine religiöse Identität prägenden Glaubenswechsel vollzogen hat. Die Angaben des Klägers zu seiner Motivation, seinen Glauben zu wechseln, blieben oberflächlich und vage. Danach sei er zum Christentum übergetreten, weil es sich um eine „wunderschöne Religion“ handele, bei der es um das „Verzeihen“ und „Liebe“ gehe. Der Kläger vermochte dies jedoch nicht weiter zu begründen, seine Ausführungen zu dem Glaubensübertritt waren vielmehr distanziert und inhaltslos. Schlüssige und nachvollziehbare Angaben des Klägers zu seinen inneren Beweggründen für die Konversion liegen damit nicht vor. Darüber hinaus war der Kläger weder in der Lage, den von ihm gewählten Taufspruch zu erklären, noch kannte er das Vaterunser oder die 10 Gebote. Er vermochte auch nicht zu schildern, inwieweit sich das Christentum für ihn von seiner bisherigen Religion unterscheide. Wenn sich der Kläger – seinem Vorbringen folgend – seit 2015 ernsthaft mit der christlichen Lehre auseinandergesetzt haben will, wäre zu erwarten gewesen, dass er zumindest mit den wesentlichen Grundzügen seiner neuen Religion vertraut ist. Das Gericht kommt in der Gesamtschau zu dem Schluss, dass der Glaubenswechsel des Klägers maßgeblich und entscheidend asyltaktisch bedingt ist und daher weder zu erwarten ist, dass der Kläger in Afghanistan den christlichen Glauben praktizieren wird, noch dass er in innerliche Konflikte geriete, wenn er dort von religiösen Betätigungen des christlichen Glaubens absähe.

b) Das Gericht ist auch nicht davon überzeugt, dass dem Kläger aufgrund seiner Zugehörigkeit zu dem Volk der Hazara mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit Verfolgung im Sinne der §§ 3, 3a AsylG droht.

Konkrete, seine Person betreffende Umstände, die auf eine solche Gefährdung schließen ließen, hat er weder vorgetragen noch sind solche sonst ersichtlich. Der Kläger selbst hat vielmehr vorgetragen, dass seine Familie nicht gezielt verfolgt worden sei, sondern alle Dorfbewohner in seiner Heimatprovinz einer Gefährdung ausgesetzt gewesen seien. Eine gezielte Verfolgung durch die Taliban liegt auch nicht darin, dass der Kläger im Alter von 13 oder 14 Jahren auf dem Weg zu einer Hochzeit von Taliban zusammengeschlagen worden sein will.

Das Gericht gelangt unter Berücksichtigung der vorliegenden Erkenntnismittel auch nicht zu der Überzeugung, dass Hazara einer an ihre Volks- oder Religionszugehörigkeit anknüpfende gruppengerichteten Verfolgung ausgesetzt sind (VG Lüneburg, Urt. v. 15.5.2017 – 3 A 102/16 -; so auch VGH Mannheim, Urt. v. 17.1.2018 – A 11 S 241/17 -; ferner Bay. VGH, Beschl. v. 20.1.2017 - 13a ZB 16.30996 -, juris Rn. 11 f.; Beschl. v. 4.1.2017 - 13a ZB 16.30600 -, juris Rn. 6; Beschl. v. 19.12.2016 - 13a ZB 16.30581 -, juris Rn. 4; VG Düsseldorf, Urt. v. 5.1.2017 - 18 K 2043/15.A -, juris Rn. 30 m.w.N.; VG Greifswald, Urt. v. 2.12.2016 - 3 A 1400/16 -, juris Rn. 26; VG Augsburg, Urt. v. 7.11.2016 - Au 5 K 16.31853 -, juris Rn. 33; VG Würzburg, Urt. v. 28.10.2016 - W 1 K 16.31834 -, juris Rn. 19). Die hierfür erforderliche Verfolgungsdichte ist nicht gegeben. Dies ergibt sich aus Folgendem:

Angehörige der Hazara stellen ungefähr 10 % der Bevölkerung sowie der Armee- und Polizeiangehörigen und sind vor allem in den Provinzen Bamiyan, Daikundi und Ghazni in Zentralafghanistan vertreten (Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl, Republik Österreich, Länderinformationsblatt der Staatendokumentation Afghanistan, v. 2.3.2017, Stand: 30.1.2018, S. 172 f.; vgl. auch zu weiteren Distrikten ACCORD, Anfragebeantwortung zu Afghanistan: Lage der Hazara, Zugang zu staatlichem Schutz und Hintergründe des Konflikts zwischen Kuchis und Hazara v. 2.9.2016, S. 17). In Bamiyan besteht die Bevölkerung zu 67 % aus Hazara (ACCORD, Anfragebeantwortung zu Afghanistan: Aktuelle Situation der Volksgruppe der Hazara v. 27.6.2016, S. 2). Die meisten Hazara in Kabul leben in dem überbevölkerten Gebiet Dasht-e Barchi (UNHCR-Richtlinien zur Feststellung des internationalen Schutzbedarfs afghanischer Asylsuchender v. 19.4.2016, S. 87 f. Fn. 492). Auch bei den Angehörigen der vorwiegend schiitischen (vgl. auch ACCORD, Afghanistan, Dokumentation des Expertengespräches mit Thomas R. und Michael D. v. 4.5.2016, S. 7) Gruppe der Hazara ist - wie auch sonst in Afghanistan - ethnische Zugehörigkeit und Religion oftmals untrennbar miteinander verbunden (UNHCR-Richtlinien zur Feststellung des internationalen Schutzbedarfs afghanischer Asylsuchender v. 19.4.2016, S. 59). Hazara sind tendenziell optisch als ihrer Volksgruppe zugehörig zu erkennen, auch wenn es Ausnahmen gibt (ACCORD, Afghanistan, Dokumentation des Expertengespräches mit Thomas R. und Michael D. v. 4.5.2016, S. 7).

Die auch in Afghanistan tätige Anthropologin Melissa C. K., die sich mit dem Volk der Hazara beschäftigt, teilt im August 2016 auf Anfrage von ACCORD mit, dass die Provinzen Bamiyan und Daikundi größtenteils sicher seien; gefährlich seien allerdings (etwa berufsbedingte oder medizinisch veranlasste) Reisen aus diesen Gebieten in größere Städte (ACCORD, Anfragebeantwortung zu Afghanistan: Lage der Hazara, Zugang zu staatlichem Schutz und Hintergründe des Konflikts zwischen Kuchis und Hazara v. 2.9.2016, S. 9 f.). Auch in der Provinz Wardak gebe es zwei Distrikte mit Hazara Mehrheiten, die zu großen Teilen sicher seien; in der Provinz Ghazni seien Hazara dagegen - bis auf wenige sichere Distrikte, wie etwa Jaghori - sehr gefährdet (ACCORD, Anfragebeantwortung zu Afghanistan: Lage der Hazara, Zugang zu staatlichem Schutz und Hintergründe des Konflikts zwischen Kuchis und Hazara v. 2.9.2016, S. 10). Am stärksten gefährdet seien männliche Hazara (ACCORD, Anfragebeantwortung zu Afghanistan: Lage der Hazara, Zugang zu staatlichem Schutz und Hintergründe des Konflikts zwischen Kuchis und Hazara v. 2.9.2016, S. 14). Gesellschaftliche Spannungen bestehen fort und leben lokal in unterschiedlicher Intensität wieder auf (Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl, Republik Österreich, Länderinformationsblatt der Staatendokumentation Afghanistan, v. 2.3.2017, Stand: 30.1.2018, S. 173). So kam es im Jahr 2015 zu mehreren Entführungen von Angehörigen der Hazara. Im Jahr 2016 registrierte die UNAMA einen Rückgang von Entführungen von Hazara. Im Jahr 2016 dokumentierte die UNAMA 15 Vorfälle in denen 82 Hazara entführt wurden. Im Juli 2016 sprengten sich mehrere Selbstmordattentäter bei einem großen Protest der Hazara in die Luft, dabei wurden mindestens 80 getötet und 250 verletzt; mit dem IS verbundene Gruppen bekannten sich zu dem Attentat. Die Vorfälle zum Nachteil von Hazara setzten sich auch im Jahr 2017 fort. So forderte forderte eine Sprengstoffexplosion am 1. Januar 2017 in einer schiitischen Moschee in Herat ein Todesopfer. Fünf Menschen wurden verletzt. Regierungsfeindliche Kräfte hielten am 6. Januar 2017 in der Provinz Baghlan einen Bus mit Minenarbeitern, die hauptsächlich Hazara waren, an. Sie töteten acht Passagiere und verletzten drei weitere. In Sar-e Pol wurden durch Anhänger des ISKP am 15. März 2017 drei Hazara getötet. Am 12. Mai 2017 verübte der Daesh/ISKP mittels einer ferngesteuerten Sprengvorrichtung einen Anschlag auf eine Bäckerei in einem schiitisch geprägten Stadtviertel vom Herat nahe einer religiösen Versammlung, bei dem sieben Menschen getötet und 17 verletzt wurden. Auch zu einem weiteren Anschlag auf eine schiitische Moschee in Kabul am 15. Juni 2017, bei dem fünf Zivilisten getötet und sieben weitere verletzt worden waren, bekannte sich der ISKP (UNAMA Midyear Report 2017: Afghanistan - protection of civilians in armed conflict, Juli 2017, S. 46 und 48, 49).

Trotz der dargestellten Vorfälle lässt sich jedoch nicht feststellen, dass grundsätzlich die gesamte Gruppe der Hazara mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit von An- bzw. Übergriffen bedroht ist. So wird in dem Lagebericht des Auswärtigen Amtes vom 19. Oktober 2016 davon ausgegangen, dass sich die Lage der ca. 3.000.000 Hazara in Afghanistan (die 90 % der schiitischen Bevölkerung dort ausmachen) grundsätzlich verbessert hat, auch wenn sie in der öffentlichen Verwaltung weiterhin unterrepräsentiert sind, was aber auch noch eine Nachwirkung vergangener Zeiten sein könnte (S. 9). Auch die UNHCR geht in ihren Richtlinien zur Feststellung des internationalen Schutzbedarfs afghanischer Asylsuchender vom 19. April 2016 (S. 87, 59) davon aus, dass die Hazara seit dem Ende des Taliban Regimes im Jahr 2001 erhebliche politische und wirtschaftliche Fortschritte gemacht hätten, zumal die Anzahl der schiitischen Parlamentsmitglieder in etwa dem Anteil der Schiiten in der Bevölkerung entspreche. Im Oktober 2015 berichtete das US-Außenministerium, dass die Diskriminierung von Schiiten durch Sunniten deutlich abgenommen habe und aus Kabul sowie aus größeren Randgebieten keine Vorfälle mehr gemeldet worden seien, wenn es auch zu nicht offizieller Diskriminierung und schlechterer Behandlung gekommen sei (UNHCR-Richtlinien zur Feststellung des internationalen Schutzbedarfs afghanischer Asylsuchender v. 19.4.2016, S. 59 Fn. 326). In Herat seien große Teile der Bevölkerung Schiiten und sowohl schiitische als auch sunnitische Führer würden von einem weitgehend harmonischen Zusammenleben berichten (UNHCR-Richtlinien zur Feststellung des internationalen Schutzbedarfs afghanischer Asylsuchender v. 19.4.2016, S. 59 Fn. 326). Nach dem Länderinformationsblatt der Staatendokumentation Afghanistan vom 2. März 2017 mit Stand 30. Januar 2018 (S. 173) haben sich die Hazara ökonomisch und politisch durch Bildung verbessert und würden den Weg in unterschiedliche Sektoren der afghanischen Wirtschaft einschlagen, die besonders gut bezahlt würden, auch Frauen. In den Anmerkungen der UNHCR zur Situation in Afghanistan auf Anfrage des deutschen Bundesministeriums des Innern von Dezember 2016 (S. 5 f.) wird berichtet, dass Hazara-Familien aufgrund ihrer ethnischen Zugehörigkeit als Binnenflüchtlinge in der vergleichsweise ruhigen Provinz Bamiyan (vgl. auch ACCORD, Anfragebeantwortung zu Afghanistan: Lage der Hazara, Zugang zu staatlichem Schutz und Hintergründe des Konflikts zwischen Kuchis und Hazara v. 02.09.2016, S. 12 f.) aufgenommen wurden, nachdem im Herbst 2016 Dörfer von Hazara im Rahmen der Taliban-Aufstände gegen regierungsnahe Kräfte angegriffen worden sind. Daneben sei die Vertreibung auch in Richtung der Provinz Balkh und Mazar-e Scharif erfolgt. Mittlerweile kommt es aber auch zu Verhandlungen zwischen Gruppen der Hazara und Taliban, durch die bereits einige Angelegenheiten geklärt werden konnten; in Ghazni haben die Taliban und die Hazaras einen Nichtangriffspakt geschlossen, auf der Grundlage, dass den Taliban erlaubt wurde, bestimmte Straßen durch die Gebiete der Hazara zu nutzen (Norwegian Country of Origin Information Centre, Landinfo, Report Afghanistan: Hazaras and Afghan insurgent groups v. 03.10.2016, S. 18 f., vgl. auch S. 20 f.). Zum Teil arbeiten Hazara auch mit den Taliban zusammen oder sind ihnen angehörig (EASO Country of Origin Information Report: Afghanistan Recruitment by armed groups, v. Sept. 2016, S. 19).

2. Der Kläger hat auch keinen Anspruch auf Zuerkennung subsidiären Schutzes gem. § 60 Abs. 2 AufenthG i.V.m. § 4 Abs. 1 Satz 1 AsylG.

Nach § 4 Abs. 1 Satz 1 AsylG ist ein Ausländer subsidiär Schutzberechtigter, wenn er stichhaltige Gründe für die Annahme vorgebracht hat, dass ihm in seinem Herkunftsland ein ernsthafter Schaden droht. Nach § 4 Abs. 1 Satz 2 AsylG gilt als ernsthafter Schaden die Verhängung oder Vollstreckung der Todesstrafe (Nr. 1), Folter oder unmenschliche oder erniedrigende Behandlung oder Bestrafung (Nr. 2) oder eine ernsthafte individuelle Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit einer Zivilperson infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen bewaffneten Konflikts (Nr. 3).

Ein drohender ernsthafter Schaden im Sinne des § 4 Abs. 1 Satz 1 AsylG erfordert stets eine erhebliche individuelle Gefahrendichte. Diese kann nur angenommen werden, wenn dem Schutzsuchenden ein ernsthafter Schaden mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit droht (Nds. OVG, Urt. 5.12.2017 - 4 LB 50/16 -; VG Lüneburg, Urt. v. 15.5.2017 - 3 A 156/16 -, juris Rn 30). Insoweit gilt die Beweiserleichterung nach Art. 4 Abs. 4 Richtlinie 2011/95/EU. Danach ist die Tatsache, dass ein Antragsteller bereits verfolgt wurde oder einen ernsthaften Schaden erlitten hat bzw. von Verfolgung oder einem solchen Schaden unmittelbar bedroht war, ein ernsthafter Hinweis darauf, dass die Furcht des Antragstellers vor Verfolgung begründet ist bzw. dass er tatsächlich Gefahr läuft, bei Rückkehr einen ernsthaften Schaden zu erleiden, es sei denn, stichhaltige Gründe sprechen dagegen, dass der Antragsteller erneut von solcher Verfolgung oder einem solchen Schaden bedroht wird.

Anhaltspunkte dafür, dass dem Kläger die Verhängung oder Vollstreckung der Todesstrafe gemäß § 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 AsylG drohen könnte, sind weder vorgetragen noch sonst ersichtlich.

Es lässt sich auch nicht feststellen, dass dem Kläger bei einer Rückkehr nach Afghanistan mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit ein ernsthafter Schaden durch unmenschliche oder erniedrigende Behandlung durch die Taliban im Sinne von § 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 AsylG droht. Diesbezüglich wird auf die vorgehenden Ausführungen zu §§ 3, 3a AsylG verwiesen.

Auch droht dem Kläger bei einer Rückkehr in die Provinz Maidan Wardak nicht mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit eine Verletzung seiner Unversehrtheit im Rahmen eines innerstaatlichen bewaffneten Konfliktes gem. § 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 AsylG.

In der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts ist geklärt, dass und unter welchen Voraussetzungen eine ernsthafte individuelle Bedrohung im Sinne des § 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 AsylG (§ 60 Abs. 7 Satz 2 AufenthG a.F.) anzunehmen ist (vgl. BVerwG, Urt. v. 24.6.2008 - 10 C 43.07 - juris Rn. 34 ff.; v. 27.4.2010 - 10 C 4.09 - juris Rn. 32 ff.; v. 17.11.2011 - 10 C 13.10 - juris Rn. 17 ff.; v. 13.2.2014 - 10 C 6.13 - juris Rn. 24; Beschl. v. 27.6.2013 - 10 B 11.13 - juris Rn. 7). Danach genügt es nicht, dass der innerstaatliche bewaffnete Konflikt zu permanenten Gefährdungen der Bevölkerung und zu schweren Menschenrechtsverletzungen führt (BVerwG, Urt.v. 13.2.2014, a.a.O., Rn. 24). Allerdings kann sich eine von einem bewaffneten Konflikt ausgehende allgemeine Gefahr individuell verdichten und damit die Voraussetzungen des § 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 AsylG erfüllen (vgl. BVerwG, Urt. v. 24.6.2008, a.a.O., Rn. 34). Eine derartige Individualisierung kann sich bei einem hohen Niveau willkürlicher Gewalt für die Zivilbevölkerung aus gefahrerhöhenden Umständen in der Person des Betroffenen ergeben. Dazu gehören in erster Linie persönliche Umstände, die den Antragsteller von der allgemeinen, ungezielten Gewalt stärker betroffen erscheinen lassen, etwa weil er von Berufs wegen - z.B. als Arzt oder Journalist - gezwungen ist, sich nahe der Gefahrenquelle aufzuhalten. Möglich sind aber auch solche persönlichen Umstände, aufgrund derer der Antragsteller als Zivilperson zusätzlich der Gefahr gezielter Gewaltakte - etwa wegen seiner religiösen oder ethnischen Zugehörigkeit - ausgesetzt ist (BVerwG, Urt. v. 17.11.2010, a.a.O., Rn. 18 m.w.N.).

Fehlen - wie hier - individuelle gefahrerhöhende Umstände, so kann eine Individualisierung der allgemeinen Gefahr ausnahmsweise bei einer außergewöhnlichen Situation eintreten, die durch einen so hohen Gefahrengrad gekennzeichnet ist, dass praktisch jede Zivilperson allein aufgrund ihrer Anwesenheit in dem betroffenen Gebiet einer ernsthaften individuellen Bedrohung ausgesetzt wäre (BVerwG, Urt. v. 17.11.2011, a.a.O., Rn. 18 m.w.N.). Erforderlich ist insoweit ein besonders hohes Niveau willkürlicher Gewalt (BVerwG, Urt. v. 17.11.2011, a.a.O., Rn. 18 m.w.N.). Für die individuelle Betroffenheit von der Gefahr bedarf es Feststellungen zur Gefahrendichte für die Zivilbevölkerung in dem fraglichen Gebiet, die jedenfalls auch eine annäherungsweise quantitative Ermittlung der Gesamtzahl der in dem betreffenden Gebiet lebenden Zivilpersonen einerseits und der Akte willkürlicher Gewalt andererseits, die von den Konfliktparteien gegen Leib oder Leben von Zivilpersonen in diesem Gebiet verübt werden, zu umfassen hat, sowie einer wertenden Gesamtbetrachtung mit Blick auf die Anzahl der Opfer und die Schwere der Schädigungen (Todesfälle und Verletzungen) bei der Zivilbevölkerung unter Berücksichtigung der medizinischen Versorgungslage (vgl. BVerwG, Urt. v. 17.11.2011, a.a.O., Rn. 23; v. 13.2.2014, a.a.O., Rn. 24). Allerdings sieht das Bundesverwaltungsgericht jedenfalls ein Risiko von 1:800 (0,125 %), in dem betreffenden Gebiet verletzt oder getötet zu werden, als so weit von der Schwelle der beachtlichen Wahrscheinlichkeit entfernt an, dass auch eine wertende Gesamtbetrachtung am Nichtvorliegen der Voraussetzungen des § 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 AsylG (§ 60 Abs. 7 Satz 2 AufenthG a.F.) nichts zu ändern vermag (vgl. BVerwG, Urt. v. 17.11.2011, a.a.O., Rn. 23).

In der Zentralregion Afghanistans, die neben Kabul (Einwohnerzahl ca. 4,5 Millionen, jeweils nach dem Länderinformationsblatt der Staatendokumentation Afghanistan, Republik Österreich Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl, vom 2.3.2017, aktualisiert am 30.1.2018, S. 56, 89, 102, 109, 111, 125) die Provinzen Parwan (Einwohnerzahl ca. 675.000), Kapisa (Einwohnerzahl ca. 448.000), Logar (Einwohnerzahl ca. 398.000), Panjshir (Einwohnerzahl ca. 156.000) und (Maidan) Wardak (Einwohnerzahl ca. 606.000) umfasst (vgl. UNAMA, Afghanistan Annual Report on Protection of Civilians in Armed Conflict: 2017, v. Febr. 2018, S. 2; Länderinformationsblatt der Staatendokumentation Afghanistan, Republik Österreich Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl, vom 21.1.2016, aktualisiert am 19.12.2016, S. 61; Schweizerische Flüchtlingshilfe, Afghanistan: Update, Die aktuelle Sicherheitslage v. 30.9.2016, S. 12) und in der insgesamt ca. 6,7 Millionen Einwohner leben, wurden im ersten Halbjahr 2017 von der UNAMA 1.254 verletzte oder getötete Zivilpersonen gezählt gegenüber 1.116 im gleichen Vorjahreszeitraum (UNAMA, Afghanistan Midyear Report on Protection of Civilians in Armed Conflict: 2017, v. Juli 2017, S. 10). In der Provinz Maidan Wardak sank die Anzahl der im ersten Halbjahr 2017 von der UNAMA registrierten verletzten und getöteten Zivilpersonen gegenüber dem Vorjahr um 22 % auf 43 (20 Tote und 23 Verletzte). Selbst bei einer Verdreifachung der Opferzahlen besteht in dieser Provinz damit rechnerisch eine Wahrscheinlichkeit von etwa 1 : 2350 verletzt oder getötet zu werden. Danach ist es für eine Zivilperson dort nicht beachtlich wahrscheinlich, aufgrund eines sicherheitsrelevanten Vorfalls verletzt oder getötet zu werden.

3. Der Kläger hat auch keinen Anspruch auf Feststellung von Abschiebungsverboten nach § 60 Abs. 5 AufenthG oder § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG.

Ein Abschiebungsverbot aufgrund einer mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit drohenden unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung (§ 60 Abs. 5 AufenthG i.V.m. Art. 3 EMRK) infolge der allgemeinen Situation der Gewalt im Herkunftsland kommt unter Berücksichtigung der Rechtsprechung zu Art. 3 EMRK nur in Fällen ganz extremer allgemeiner Gewalt in Betracht, wenn eine tatsächliche Gefahr einer Fehlbehandlung infolge des bloßen Umstands der Anwesenheit im Zielstaat besteht (vgl. Nds. OVG, Urt. v. 19.9.2016 - 9 LB 100/15 -, juris Rn 56 m.w.N.; Beschl. v. 26.8.2016 - 9 ME 146/16 -, n.v.). Nach der Rechtsprechung des EGMR ist die allgemeine Lage in Afghanistan nicht als so ernst anzusehen, dass eine Abschiebung dorthin ohne Weiteres eine Verletzung von Art. 3 EMRK darstellt (vgl. etwa EGMR, Urt. v. 12.1.2016 - 13442/08 (A.G.R./Niederlande), NVwZ 2017 293 [295]; vgl. auch Nds. OVG, Urt. v. 19.9.2016 - 9 LB 100/15 -, juris Rn 57 f.).

Es ergeben sich aus den aktuellen Erkenntnismitteln keine ausreichenden Anhaltspunkte dafür, dass sich die Gefahrenlage im Jahr 2017 und bis zum Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung in einer für ein Abschiebungsverbot relevanten Weise verändert hätte. So entspricht die Gefahrendichte in der Heimatprovinz des Klägers – wie bereits ausgeführt – aktuell nicht der Gefahrendichte, wie sie im Rahmen eines innerstaatlichen bewaffneten Konflikts zur Gewährung subsidiären Schutzes (§ 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 AsylG) erforderlich wäre. Gleiches gilt für die Provinz Kabul (vgl. OVG Lüneburg, Beschl. v. 4.1.2018 - 4 LA 160/17 -). Bei dem Kläger liegen auch keine persönlichen gefahrerhöhenden Umstände vor, die zu einer erheblichen individuellen Gefährdung führen würden. Es droht ihm in größeren Städten auch kein besonders hohes Niveau willkürlicher Gewalt, da nicht davon auszugehen ist, dass er als Angehöriger der Hazara einer besonderen Gefährdungslage unterliegt.

Auch die allgemeine humanitäre Lage in Afghanistan begründet kein Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 5 AufenthG i.V.m. Art. 3 EMRK.

Eine pauschale Beurteilung der Lebensbedingungen für Rückkehrer nach Afghanistan ist nicht möglich. Vielmehr kommt es auf die konkrete Situation des Betroffenen an, etwa auch auf seine Bildung, Berufserfahrung, Beziehungen oder familiären Rückhalt. Neben Armut gibt es in Afghanistan auch Wohlstand und Reichtum, wenn auch weit weniger verbreitet; die Schere in der Gesellschaft ist insoweit weiter aufgegangen, auch wenn sich zwischenzeitlich eine Art Mittelschicht gebildet hat (vgl. Schweizerische Eidgenossenschaft, Staatssekretariat für Migration SEM, Alltag in Kabul, Referat v. Thomas R., v. 12.4.2017, S. 7). Zum Teil haben sich die Lebensbedingungen auch verbessert und Rückkehrer erhalten Unterstützung. Das Gericht geht daher davon aus, dass für die Personengruppe der jungen, alleinstehenden und arbeitsfähigen männlichen afghanischen Staatsangehörigen bei einer Rückkehr in die Hauptstadt Kabul trotz der schwierigen humanitären Situation in aller Regel eine extreme Gefahrensituation im Sinne des § 60 Abs. 5 oder 7 Satz 1 AufenthG in verfassungskonformer Auslegung selbst dann nicht mit hoher Wahrscheinlichkeit droht, wenn der Rückkehrer beruflich nicht besonders qualifiziert ist und weder über nennenswertes Vermögen noch über Rückhalt und Unterstützung durch Familie oder Bekannte verfügt (so auch Nds. OVG, Urt. v. 19.9.2016 – 9 LB 100/15, -, juris und jüngst Beschl. v. 4.1.2018 – 9 LA 160/17). Der Kläger gehört zu der Personengruppe der jungen, alleinstehenden und arbeitsfähigen männlichen afghanischen Staatsangehörigen. Der Kläger beherrscht eine der Landessprachen. Er hat zudem über mehrere Jahre im Iran für sich und seine Mutter den Lebensunterhalt verdient und als Bauarbeiter berufliche Erfahrungen gesammelt. Dass der Kläger über mehrere Jahre im Exil im Iran gelebt hat, steht seiner Wiedereingliederung in Afghanistan nicht entgegen. Nach einer Studie der UNHCR zur Situation von Rückkehrern aus dem Iran und Pakistan im Jahr 2015, von denen viele noch nie in Afghanistan gelebt hatten, berichteten 97 Prozent der Befragten bei einem Interview, ein bis drei Monate nach der Rückkehr, durch die lokale Gemeinschaft gut aufgenommen worden zu sein (UNHCR, Voluntary Repatriation to Afghanistan 2015, April 2016, S. 1 und 6). Für das Jahr 2016 gaben dies 93 % der Befragten an und 75 % sprachen davon, dass eine Rückkehr die richtige Entscheidung gewesen sei (UNHCR, Tough choices for Afghan refugees returning home after years in exile, 03.02.2017). Die Befragten nahmen die Suche nach einer Unterkunft zwar als problematisch wahr, doch lebten sechs bis acht Monate nach der Rückkehr ca. 90 Prozent in Häusern, auch wenn sie sich diese teilweise mit anderen Haushalten teilen mussten; nur sieben Prozent der Befragten mussten in einer vorübergehenden Unterkunft wie einem Zelt oder einem öffentlichen Gebäude unterkommen (UNHCR, Voluntary Repatriation to Afghanistan 2015, April 2016, S. 8). Das Einkommensniveau der Befragten war zwar niedrig, die Erwerbsquote jedoch sogar leicht besser als der nationale Durchschnitt; 63 % der Befragten gaben an, mehr als 50 Afghani am Tag zu erhalten, 37 % weniger (UNHCR, Voluntary Repatriation 2015, April 2016, S. 11). So kehrten im Jahr 2016 auch 3.159 meist junge afghanische Männer freiwillig aus Deutschland nach Afghanistan zurück; die meisten freiwilligen Rückkehrer hatten das Ziel Herat, gefolgt von Kabul (AAN, Voluntary and Forced Returns to Afghanistan in 2016/17: Trends, statistics and experiences, S. 2).

Auch droht dem Kläger bei einer Rückkehr nach Afghanistan keine erhebliche konkrete Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit gem. § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG im Sinne einer einzelfallbezogenen, individuell bestimmten Gefährdungssituation, die ein Abschiebungsverbot begründen würde.

Das Gericht ist nicht davon überzeugt, dass für den Kläger in Afghanistan aufgrund der dortigen Lebensbedingungen eine erhebliche konkrete Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit im Sinne des § 60 Abs. 7 AufenthG alsbald nach seiner Rückkehr besteht. Eine Rückkehr ist ihm auch im Hinblick auf § 60 Abs. 7 AufenthG zumutbar, da er – wie bereits ausgeführt - bei allen - auch existenzbedrohenden - Schwierigkeiten nicht chancenlos ist, sondern die Möglichkeit hat, Einfluss auf sein Schicksal zu nehmen und er nicht ohne jeden Ausweg in eine Situation gebracht wird, in der er so gut wie keine Überlebensmöglichkeit hat. Bei 3.000 in den Jahren 2001 bis 2011 für ein Jahr beobachteten Rückkehrerfällen sind keine Todesfälle aufgrund von Hunger oder Unterernährung bekannt geworden (vgl. Dr. L, Gutachterliche Stellungnahme an das Oberverwaltungsgericht Rheinland-Pfalz v. 8.6.2011, S. 11). Auch neueren Erkenntnismitteln sind Hinweise auf signifikant hohe Todesfälle wegen Hunger und Unterernährung nicht zu entnehmen.

4. Nach alledem ist auch die Ausreiseaufforderung und Abschiebungsandrohung nicht zu beanstanden, insbesondere entspricht sie den Anforderungen des § 34 AsylG.

Ermessensfehler (vgl. zum eingeräumten Ermessen BVerwG, Urt. v. 22.2.2017 - 1 C 27/16 -, juris Rn. 18 ff.; VG Lüneburg, Urt. v. 12.7.2016 - 5 A 63/16 -, juris Rn. 30; so im Ergebnis auch VG München, Urt. v. 16.3.2017 - M 17 K 16.34860 -, juris Rn. 54) bei der Befristung des gesetzlichen Einreise- und Aufenthaltsverbotes gem. § 11 Abs. 1, Abs. 2, Abs. 3 AufenthG durch das Bundesamt sind weder vorgetragen noch sonst ersichtlich.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO und § 83 b AsylG. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 167 VwGO i.V.m. § 708 Nr. 11 ZPO.