Verwaltungsgericht Lüneburg
Beschl. v. 19.02.2018, Az.: 2 B 153/17
Interimsverfahren; Lärmgutachten; TA Lärm; Windpark
Bibliographie
- Gericht
- VG Lüneburg
- Datum
- 19.02.2018
- Aktenzeichen
- 2 B 153/17
- Entscheidungsform
- Beschluss
- Referenz
- WKRS 2018, 74429
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- [keine Angabe]
Gründe
Der Antragsteller begehrt die Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung seiner Klage, die sich gegen die der Beigeladenen unter Anordnung der sofortigen Vollziehung erteilte immissionsschutzrechtliche Genehmigung für die Errichtung von acht Windenergieanlagen (WEA) richtet.
Der zulässige Antrag nach §§ 80a Abs. 1 und 3, 80 Abs. 5 i.V.m. Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 VwGO hat keinen Erfolg.
Gemäß § 80a Abs. 1 und 3, § 80 Abs. 5 VwGO kann das Gericht auf Antrag die aufschiebende Wirkung der Klage des Antragstellers vom 9. November 2017 in dem hier einschlägigen Fall des § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 VwGO gegen die immissionsschutzrechtliche Genehmigung vom 21. Dezember 2016 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 5. Oktober 2017 wiederherstellen, wenn das Interesse des Antragstellers am vorläufigen Aufschub der Vollziehbarkeit eines ihn belastenden Verwaltungsaktes gegenüber dem öffentlichen Interesse und dem privaten Interesse des Begünstigten an der sofortigen Vollziehbarkeit des Verwaltungsakts überwiegt. Ein überwiegendes Interesse des Antragstellers ist indessen zu verneinen, wenn die im Eilrechtsschutzverfahren allein gebotene, aber auch ausreichende summarische Überprüfung der Sach- und Rechtslage ergibt, dass der eingelegte Rechtsbehelf aller Voraussicht nach ohne Erfolg bleiben wird. In diesem Fall steht dem Antragsteller kein schutzwürdiges Interesse daran zu, die Vollziehung eines rechtmäßigen Bescheides bis zur Hauptsacheentscheidung über seinen unbegründeten Rechtsbehelf zu verzögern. Ergibt die summarische Überprüfung der Sach- und Rechtslage hingegen, dass die Erfolgsaussichten des Rechtsbehelfs offen sind, ist die Aufrechterhaltung der sofortigen Vollziehung gleichwohl gerechtfertigt, wenn aus der Abwägung der widerstreitenden Interessen folgt, dass das öffentliche Interesse oder das Interesse eines Begünstigten an der sofortigen Vollziehung des Verwaltungsaktes das Interesse des Antragstellers am vorläufigen Aufschub der Vollziehung überwiegt.
In Anwendung dieser Grundsätze bleibt der Antrag ohne Erfolg. Die Anordnung der sofortigen Vollziehung ist formell nicht zu beanstanden. Die vorzunehmende Interessenabwägung fällt zugunsten des privaten sowie öffentlichen Interesses an der sofortigen Vollziehung der Genehmigung aus, da die vom Antragsteller eingelegte Klage voraussichtlich ohne Erfolg bleiben wird und ein besonderes Vollzugsinteresse besteht.
Die Anordnung der sofortigen Vollziehung des Genehmigungsbescheides vom 21. Dezember 2016 durch Bescheid vom 30. Januar 2017 entspricht den formellen Anforderungen der §§ 80a Abs. 3 Satz 1 und Abs. 1 Nr. 1, 80 Abs. 3 Satz 1 VwGO. Danach ist das besondere Interesse an der sofortigen Vollziehung des Verwaltungsakts in den Fällen des § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 VwGO schriftlich zu begründen. In der Begründung für die Vollziehungsanordnung hat die Behörde schlüssig, konkret und substantiiert darzulegen, aufgrund welcher Erwägungen sie gerade im vorliegenden Einzelfall ein besonderes öffentliches - in den Fällen des § 80 a VwGO ggf. auch privates - Interesse an der sofortigen Vollziehung als gegeben ansieht und das Interesse von (potentiellen) Rechtsmittelführern am Bestehen der dem Rechtsbehelf als gesetzlicher Regelfall zukommenden aufschiebenden Wirkung ausnahmsweise zurückzutreten hat (vgl. BVerwG, Beschl. v. 31.1.2002 - 1 DB 2.02 -, juris). Ausgehend von diesen Grundsätzen ist die Anordnung der sofortigen Vollziehung nicht zu beanstanden. Der Antragsgegner hat schlüssig und nachvollziehbar und in einer insgesamt den Anforderungen des § 80 Abs. 3 VwGO entsprechenden Weise zu erkennen gegeben, aufgrund welcher konkreten Überlegungen er gerade im vorliegenden Fall ein überwiegendes privates Interesse an der sofortigen Vollziehung als gegeben ansieht, nämlich, dass der Antrag auf Anordnung der sofortigen Vollziehung hier dem öffentlichen Interesse an der Windenergie als Förderung erneuerbarer Energien sowie der Stromversorgung der Bevölkerung und dem privaten wirtschaftlichen Interesse des Genehmigungsinhabers dient. Durch eine verspätete Inbetriebnahme können aufgrund der im EEG 2017 vorgesehenen voranschreitenden Vergütungs-Degression für den Anlagenbetreiber erhebliche finanzielle Einbußen über den gesamten Betriebszeitraum von 20 Jahren entstehen. Dies überwiege die privaten Interessen Dritter.
Der Antrag ist auch in materieller Hinsicht unbegründet. Die Interessenabwägung fällt zulasten des Antragstellers aus. Maßgebend hierfür ist, dass die Klage des Antragstellers bei der derzeitigen Sach- und Rechtslage voraussichtlich keinen Erfolg haben wird, soweit dieses im Rahmen der im vorläufigen Rechtsschutzverfahren allein möglichen summarischen Prüfung beurteilt werden kann.
Die der Beigeladenen erteilte Genehmigung vom 21. Dezember 2016 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 5. Oktober 2017 verletzt den Antragsteller aller Voraussicht nach nicht in seinen subjektiv geschützten Rechten.
Im Rahmen der vom Gericht vorzunehmenden Prüfung ist dabei zunächst zu berücksichtigen, dass die angefochtene immissionsschutzrechtliche Genehmigung aufgrund des von einem Dritten eingelegten Rechtsmittels nicht umfassend auf ihre Rechtmäßigkeit hin zu überprüfen ist, sondern lediglich daraufhin, ob eine Verletzung von drittschützenden Rechten festzustellen ist. Für den Erfolg eines durch einen Dritten eingelegten Rechtsmittels genügt also nicht eine erkannte Rechtswidrigkeit der erteilten Genehmigung, sondern es muss hinzukommen, dass die getroffene Entscheidung eine Vorschrift verletzt, die dem Dritten ein subjektiv-öffentliches Recht verleiht, also zumindest auch seinem Schutz dient (vgl. VG Neustadt a. d. Weinstr., Beschl. v. 27.1.2014 - 5 L 912/13.NW -, juris).
Die Verletzung einer den Antragsteller schützenden Vorschrift lässt sich vorliegend im Rahmen der hier gebotenen summarischen Prüfung nicht feststellen.
Es kommt hier eine mögliche Verletzung von Nachbarrechten des Antragstellers nach der drittschützenden Regelung des § 5 Abs. 1 Nr. 1 BImSchG wegen schädlicher Umwelteinwirkungen in Betracht. Nach § 5 Abs. 1 Nr. 1 BImSchG sind genehmigungsbedürftige Anlagen, zu denen WEA zählen, so zu errichten und zu betreiben, dass zur Gewährleistung eines hohen Schutzniveaus für die Umwelt insgesamt schädliche Umwelteinwirkungen und sonstige Gefahren, erhebliche Nachteile und erhebliche Belästigungen für die Allgemeinheit und die Nachbarschaft nicht hervorgerufen werden. Schädliche Umwelteinwirkungen im vorgenannten Sinne sind gemäß § 3 Abs. 1 BImSchG Immissionen, die nach Art, Ausmaß oder Dauer geeignet sind, Gefahren, erhebliche Nachteile oder erhebliche Belästigungen für die Allgemeinheit oder die Nachbarschaft herbeizuführen. Nach § 3 Abs. 2 BImSchG werden davon auch Geräusche erfasst. Unter welchen Voraussetzungen Geräuschemissionen schädlich im Sinne von § 5 Abs. 1 Nr. 1 BImSchG sind, wird durch die technische Anleitung zum Schutz gegen Lärm – TA Lärm – vom 26. August 1998 bestimmt. Ihr kommt eine im gerichtlichen Verfahren zu beachtende Bindungswirkung zu. Die in der TA-Lärm liegende normative Konkretisierung des gesetzlichen Maßstabs für die Schädlichkeit von Geräuschen ist jedenfalls insoweit abschließend als sie bestimmten Gebietsarten und Tageszeiten entsprechend ihrer Schutzbedürftigkeit bestimmte Immissionsschutzrichtwerte zugeordnet und das Verfahren der Ermittlung und Beurteilung der Geräuschemissionen vorschreibt (vgl. BVerwG, Urt. v. 17.12.2013 - 4 A 1.13 -, juris mwN.). Gemäß Nr. 3.2.1 Abs. 1 der TA-Lärm ist der Schutz vor schädlichen Umwelteinwirkungen sichergestellt, wenn die Gesamtbelastung am maßgeblichen Immissionsort die Immissionsrichtwerte nach Nr. 6 TA-Lärm nicht überschreitet. Maßstab für den Schutz des Nachbarn ist dabei nicht die rein fiktive Belastung, sondern eine realistische Lärmprognose (OVG NRW, Beschl. v. 16.5.2013 - 8 A 2894/12 -, juris).
Die vom Antragsteller dagegen vorgebrachten Einwände greifen nicht durch. Von den WEA gehen keine schädlichen Umwelteinwirkungen in Gestalt von Lärmimmissionen für das Wohnhaus des Antragstellers aus, denn das Vorhaben der Beigeladenen genügt den Anforderungen der TA-Lärm. Das Grundstück des Antragstellers liegt bauplanungsrechtlich in einem allgemeinen Wohngebiet. Deshalb sind die Immissionsrichtwerte nach Nr. 3.1.6 TA-Lärm von tags 55 dB(A) und nachts (22:00 Uhr - 6:00 Uhr) von 40 dB(A) maßgeblich. Diese Immissionsrichtwerte werden in Bezug auf das Grundstück des Antragstellers ausweislich des für die Kammer überzeugenden und hier maßgeblichen schalltechnischen Gutachtens vom 26. Mai 2017 der E. -F. -G. GbR (nachfolgend: H.) und dessen Ergänzungen vom 17. November 2017 und 8. Januar 2018, erstellt von Dipl. Ing. Th. I., eingehalten.
Auch die Einwände des Antragstellers gegen das schalltechnische Gutachten der H. greifen nicht durch. Umstände, die darauf hindeuten, die H. sei nicht objektiv, liegen nicht vor. Die Tatsache, dass die Beigeladene das Gutachten eingeholt und den Gutachter ausgewählt hat, ist hierfür unzureichend. Es handelt sich bei der H. um eine i. S. der §§ 26, 29b BImSchG anerkannte, bekannt gegebene Messstelle. § 13 Abs. 2 Satz 2 Halbsatz 1 der 9. BImSchV stellt deren Gutachten einem von der Genehmigungsbehörde eingeholten Gutachten gleich. Zweifel an der Sachkompetenz oder der Vorgehensweise der für das hier interessierende Fachgebiet anerkannten Messstelle bestehen hingegen nicht. Der Mitarbeiter der H., Herr Dipl. Ing. I., hat seine Berechnungen entsprechend der durch die Rechtsprechung anerkannten Berechnungsmethode und Verfahrensweise vorgenommen. Die Objektivität und Sachkunde der Messstelle ist der Kammer aus zahlreichen anderen Verfahren bekannt. Hiergegen hat der Antragsteller auch im hiesigen Verfahren nichts eingewendet.
Der Vortrag des Antragstellers, der Gutachter habe sein Grundstück als Immissionsort nicht berücksichtigt, trifft nicht zu. Anders als die vorangegangenen schalltechnischen Prognosegutachten der J. K. L. M. mbH vom 20. Oktober 2016 und 13. Februar 2017, wurde die schalltechnische Prognoseberechnung im schalltechnischen Prognosegutachten der H. vom 26. Mai 2017 um den Immissionsort „Aufpunkt 26“ (Bl. 6 des Gutachtens) erweitert. Die nach der Berechnung des Gutachters am dem Immissionspunkt zu erwartende nächtliche Lärmbelastung beträgt 35,4 dB(A) und liegt demnach 4,6 dB(A) unter dem zulässigen Richtwert der TA-Lärm. Nach den Planunterlagen (Bl. 57 GA) sowie nach dem unbestrittenen Vorbringen des Antragsgegners befindet sich auf dem Grundstück mit dem Aufpunkt 26 das Wohnhaus des Antragstellers.
Soweit der Antragsteller gegen das Gutachten der H. einwendet, der Gutachter habe die falschen Berechnungsgrundsätze zur Erstellung seines Gutachtens angestellt, folgt die Kammer dem nicht. Der Gutachter hat seine schalltechnische Prognose auf die hier maßgebliche DIN ISO 9613-2 (sog. „Alternatives Berechnungsverfahren“) gestützt. Der Einwand des Antragstellers, die Anwendung dieser Berechnungsmethode sei nach aktuellen Erkenntnissen überholt, stattdessen hätte die Berechnung auf Grundlage des sog. „Interimsverfahrens“ erfolgen müssen, verfängt nicht.
Ausgangspunkt der Diskussion ist, dass die normkonkretisierende Funktion der TA- Lärm, die auf dem in ihr zum Ausdruck kommenden wissenschaftlich-technischen Sachverstand beruht und zugleich der auf der Grundlage der Anhörung von Vertretern der Wissenschaft, der Betroffenen, der beteiligten Wirtschaft und der für den Immissionsschutz zuständigen obersten Landesbehörden (vgl. § 51 BImSchG) vorgenommenen Einschätzung des Vorschriftengebers Rechnung trägt, aufgrund der in ihr niedergelegten Standards hohe Anforderungen an die dafür erforderliche Tatsachengrundlage stellt. Nur gesicherte Erkenntnisfortschritte in Wissenschaft und Technik können die Regelungen der TA-Lärm obsolet werden lassen, wenn sie den ihnen zu Grunde liegenden Einschätzungen, Bewertungen und Prognosen den Boden entziehen (vgl. BVerwG, Urt. v. 21.6.2001 - 7 C 21.00 -, juris (zur TA Luft); VG Arnsberg, Urt. v. 17.10.2017 - 4 K 2130/16 -, juris). Ob die Erkenntnisse des Interimsverfahrens einen solchen „gesicherten Erkenntnisfortschritt“ darstellen, steht schon seit längerer Zeit in der wissenschaftlichen Diskussion. Bereits im Jahr 2015 Jahr hat der Normenausschuss Akustik, Lärmminderung und Schwingungstechnik (NALS) die Erkenntnisse des Interimsverfahren offiziell veröffentlicht. Seitdem hat insbesondere die Länderarbeitsgemeinschaft für Immissionsschutz (LAI) die Erkenntnisse überarbeitet und entsprechende Hinweise zum Thema Schallprognoseberechnung bei WEA erarbeitet (abrufbar unter: https://www.lai-immissionsschutz.de/documents/20171201-top09_1_anlage_lai_hinweise_wka-_stand_2016_06_30_veroeffentlicht_2_1512116255.pdf). Es handelt sich um Handlungsempfehlungen zur besseren Anpassung des Prognosemodells auf Grundlage der neusten wissenschaftlichen Erkenntnisse. Diese Hinweise hat die Bund-/Länder-Arbeitsgemeinschaft für Immissionsschutz sodann im September 2017 beschlossen und anschließend der Umweltministerkonferenz vorgelegt. Diese hat die Hinweise im November 2017 einstimmig verabschiedet (vgl. https://www.wind-energie.de/infocenter/publikationen/neue-lai-hinweise-schallimmissionsschutz-bei-windkraftanlagen-aktualisiert). Es obliegt nunmehr den Bundesländern, die Ergebnisse – etwa durch Ministerialerlasse – umzusetzen. Ob diese Entwicklung bereits zur Ablösung der normkonkretisierenden Bindungswirkung der TA-Lärm geführt hat, ist umstritten. Das Niedersächsische Oberverwaltungsgericht hat sich jüngst zu der Frage nach der Fortgeltung des „Alternativen Berechnungsverfahrens“ in seinem Beschluss vom 5. Februar 2018 (- 12 ME 2/18 -, Veröfftl. n.b.) nicht der Ansicht angeschlossen, dass die Bindungswirkung der TA Lärm als gesetzeskonkretisierende Verwaltungsvorschrift, die sich über Nr. A.2.3.4 des Anhangs zur TA Lärm auch auf die DIN ISO 9613-2 erstreckt allgemein entfallen sei und Schallprognosen für Immissionen durch hohe WEA deshalb nach dem Interimsverfahren zu erstellen seien. Vielmehr hat es im Anschluss an die obergerichtliche Rechtsprechung (vgl. OVG NRW, Beschl. v. 24.6.2015 - 8 B 1018/15 -, juris) unter Berücksichtigung der fortschreitenden Entwicklung, u. a. des Beschlusses der Bund-/Länder-Arbeitsgemeinschaft für Immissionsschutz vom September 2017 weiter offengelassen, ob (künftige) Schallimmissionsprognosen nach dem sog. Interimsverfahren zu erfolgen haben). Die Bindungswirkung entfalle nur dann, wenn die in der TA-Lärm enthaltenen Aussagen durch Erkenntnisfortschritte in Wissenschaft und Technik überholt sind und sie deshalb den gesetzlichen Anforderungen nicht mehr gerecht werden (vgl. BVerwG, Beschl. v. 31.3.1996 - 7 B 164.95 -, juris).
Das ist hier im maßgeblichen Zeitpunkt der Entscheidung über den Widerspruch am 5. Oktober 2017 (vgl. Nds. OVG, Beschl. Beschl. v. 16.11.2017 - 12 ME 132/16 - und v. 5.2.2018 - 12 ME 2/18 -) nicht der Fall gewesen. Die Umweltministerkonferenz hat erst im November 2017 – also nachdem der Widerspruchsbescheid ergangen war – das Interimsverfahren einstimmig beschlossen und die Ergebnisse veröffentlicht. Auch nach dem Beschluss sind die LAI-Hinweise jedoch weiterhin „bloß“ eine Empfehlung und entfalten keine rechtsverbindlichen Regelungen (vgl. zu alledem BWE, Neue LAI – Hinweise Schallimmissionsschutz bei Windkraftanlagen (WKA), Dez. 2017, abrufbar unter https://www.wind-energie.de/sites/default/files/download/publication/neue-lai-hinweise-schallimmissionsschutz-bei-windkraftanlagen/20171204-bwe-informationspapier-lai-hinweise-schall.pdf). Vielmehr bleibt eine rechtsverbindliche Umsetzung dieses Verfahrens den Bundesländern überlassen. Auch wenn andere Bundesländer wie Schleswig-Holstein und Sachsen-Anhalt bereits dahingehend entsprechende Verfahren (in Form von Ministerialerlassen) eingeleitet haben (vgl. http://www.schleswig-holstein.de/DE/Landesregierung/V/Presse/PI/PDF/2018/180201_PI_Schallprognosen.pdf;jsessionid=D6FDB1449E049326838125631E2D499B?__blob=publicationFile&v=3), hat Niedersachsen noch keine verbindlichen Schritte eingeleitet (vgl. LT-Drs. 17/8777, S. 2), Für das hier vorliegende Eilverfahren bedeutet dies, dass das angewandte Berechnungsmodell des Sachverständigen I. im Gutachten vom 26. Mai 2017 nicht zu beanstanden ist.
Selbst wenn man – mit dem Antragsteller – im vorliegenden Verfahren eine alternative Berechnung nach dem Interimsmodell fordert, folgt aus dieser keine unzumutbare Lärmbelastung für den Antragsteller. Diesbezüglich führt der Gutachter I. in seiner ergänzenden Stellungnahme vom 8. Januar 2018 aus, dass bei Anwendung des Interimsverfahrens allenfalls eine Zusatzbelastung von 1,5 dB(A) anzunehmen sei. Damit errechne sich für das Wohnhaus des Antragstellers eine Gesamtbelastung durch Lärmimmissionen von 36,6 dB(A), statt der bisher angenommenen 35,4 dB(A). Es ist nicht ersichtlich und auch nicht geltend gemacht, dass diese Ausführungen unzutreffend sind.
Auch der Vorwurf des Antragstellers, die Schallimmissionsprognose enthalte eine Unterbewertung gerade im tieffrequenten Bereich, weil sie vorhandene tieffrequente Geräusche ebenso wie Infraschall aus der Berechnung ausklammere, vermag dem Antrag nicht zum Erfolg zu verhelfen. Das Gericht schließt sich der unter anderem vom Niedersächsischen Oberverwaltungsgericht vertretenen Auffassung an, wonach keine Notwendigkeit besteht, in eine Lärmprognose generell einen Impuls- und Tonzuschlag einzustellen, sofern für den in Rede stehenden Anlagentyp nach den Herstellerangaben ein Impuls- und Tonhaltigkeitszuschlag von 0 dB vorliegt und auch anderweitig keine Erkenntnisse über eine generelle Impulshaftigkeit des betreffenden Typs bestehen (vgl. Nds. OVG, Beschl. v. 12.7.2013 - 12 LA 174/12 -, juris). So verhält es sich hier. Ausweislich der Herstellerangaben liegt bei dem hier zu betrachtenden Anlagentyp GE 2.75-120 weder Impuls- noch Tonhaltigkeit vor (vgl. Bl. 241 GA). Zudem wird im schalltechnischen Prognosegutachten der H. eine frequenzselektive Betrachtung vorgenommen, mit welcher etwaige tieffrequente Auffälligkeiten ausreichend berücksichtigt werden. Dies bestätigt der Sachverständige in seiner Ergänzung vom 17. November 2017. Zudem ist bei den Entfernungen des Wohnhauses des Antragstellers zu den genehmigten Windenergieanlagen von nahezu 1400 m bzw. darüber hinaus, ohnehin davon auszugehen, dass der – möglicherweise – von den Windenergieanlagen ausgehende Infraschall keine erheblichen gesundheitlichen Beeinträchtigungen beim Antragsteller hervorruft. Bei Abständen von über 500 m darf davon ausgegangen werden, dass die WEA nur einen Bruchteil des in der Umgebung messbaren Infraschalls erzeugen (vgl. VG Schleswig-Holstein, Urt. v. 22.9.2016 - 6 A 146/15 -; OVG Schleswig, Urt. vom 31.7.2015 - 1 MB 14/15 -; VGH München, Beschl. v. 8.6.2015 - 22 CS 15.656 -, alle juris). Auch aus dem Windenergieerlass des Ministeriums für Umwelt, Energie und Klimaschutz vom 24. Februar 2016 (Nds. MBl. Nr. 7/2016, Seite 190, Ziffer 3.4.1.7) ergibt sich, dass für Schallwellen im Infraschallbereich durch Messungen an verschiedenen Anlagentypen nachgewiesen wurde, dass dieser Schall in den – für den Lärmschutz im hörbaren Bereich – notwendigen Abständen unterhalb der Wahrnehmungsschwelle liegt. Etwas anderes ergibt sich insoweit auch nicht aus dem pauschalen Verweis des Antragstellers auf die Rechtsprechung des OLG München vom 25. Juli 2012 (- 27 U 3421/11 und 27 U 50/12 - Veröfl. n.b.). Denn es ist weder geltend gemacht noch ersichtlich, dass sich die Entscheidung des Gerichts auf den gleichen Anlagentyp GE 2.75-120 bezog, noch, dass der dortige Anlagentyp hinsichtlich der Maße sowie der Leistung überhaupt mit dem Vorliegenden (Nabenhöhe 139 m, Rotordurchmesser 120 m) vergleichbar war oder dass konkrete Feststellungen dazu getroffen wurden, ob die angenommene Impulshaltigkeit „typbedingt“ ist. Eine irgendwie geartete Bindungswirkung für das vorliegendes Verfahren entfaltet die Entscheidung nicht.
Soweit der Antragsteller in dem Zusammenhang unter Berufung auf Ziffer 7.3 TA-Lärm die Auffassung vertritt, es hätte im Rahmen der vorgenommenen Schallprognose eine Bewertung nach dB(C) anstelle von dB(A) erfolgen müssen, dringt er hiermit nicht durch. Der Sachverständige I. hat in seinen ergänzenden Stellungnahmen vom 17. November 2017 und vom 8. Januar 2018 angeführt, dass eine C-Bewertung im vorliegenden Fall, wenn also keine tieffrequenten Anteile vorlägen, keinen Sinn mache, weil diese Bewertung gerade bei Geräuschen mit hoher Energie im tieffrequenten Bereich (z.B. Truppenübungsplatz) Anwendung finde. Rechnerisch würde sich unter Zugrundelegung der Ansicht des Antragstellers sogar eine um 1,5 dB(A) geringere Immissionsbelastung errechnen als bei einer A-bewerteten Berechnung. Das vom Antragsteller vorgelegte abweichende Berechnungsergebnis (Bl. 296 ff. GA, Bl. 302 GA) kann das sachkundige Vorbringen des Dipl. Ing. I. nach der hier allein vorzunehmenden summarischen Prüfung nicht erschüttern. Ob diese Berechnung überhaupt die Einholung eines Sachverständigengutachtens im Hauptsacheverfahren erforderlich macht, bedarf im vorliegenden Eilverfahren keiner abschließenden Beurteilung.
In diesem Zusammenhang sind schließlich noch die Hinweise zum Immissionsschutz unter Nr. 8 (vgl. Bl. 30 GA) der immissionsschutzrechtlichen Genehmigung von Bedeutung. Sie stellen sicher, dass die aus TA-Lärm abgeleiteten maßgeblichen Immissionsrichtwerte – für den Antragsteller hier 55 dB(A) tags und 40 dB(A) nachts – durch den Betrieb der Windenergieanlagen nicht überschritten werden und hierfür die Anlagen 3, 5 und 8 während der Nachtzeit (22:00 bis 6:00 Uhr) im schallreduzierten Betrieb laufen müssen. Ebenso, dass von den Anlagengeräuschen keine Ton- und Impulshaftigkeit ausgeht. Im begründeten Fällen kann die Genehmigungsbehörde auf Kosten des Anlagenbetreibers die Überprüfung der Immissionsrichtwerte durch eine nach § 29b BImschG zugelassene Messstelle veranlassen. Sollte es entgegen der Prognosewerte – egal ob nach dem Alternativen- oder Interimsverfahren – im Realbetrieb zu höheren Lärmbelastungen kommen oder tieffrequente Geräusche auftreten, so werden die WEA abweichend von der Genehmigung betrieben, was wiederum ein behördliches Einschreiten nach sich ziehen kann.
Der Antragsteller kann auch nicht mit Hinweis auf einen entsprechenden Vortrag zu den „Gesundheitsgefahren durch Lärm und Vibration am Arbeitsplatz“ mit Erfolg einwenden, dass eine Gesundheitsgefährdung in Form von Schlafstörungen bereits bei 30 dB(A) anzunehmen sei. Dem steht die allein maßgebende TA-Lärm entgegen. Nach Nr. 6.1 e) TA-Lärm sind im hier vorliegenden Gebiet – allgemeines Wohngebiet – die Werte von 55 dB(A) tags und 40 dB(A) nachts einzuhalten. Nach Nr. 2.3 der TA-Lärm ist dabei der maßgebliche Immissionsort der nach Nummer A.1.3 des Anhangs zu ermittelnde Ort im Einwirkungsbereich der Anlage, an dem eine Überschreitung der Immissionsrichtwerte am ehesten zu erwarten ist. Nach Nr. A 1.3. der Anlage zur Ermittlung der Geräuschimmissionen nach TA-Lärm sollen die Richtwerte nach Nr. 2.3 TA-Lärm bei bebauten Flächen 0,5m außerhalb vor der Mitte des geöffneten Fensters des vom Geräusch am stärksten betroffenen schutzwürdigen Raumes nach DIN 4109 liegen. Es handelt sich hierbei folglich um Außenwerte. Der Antragsteller bezieht sich unter Berufung auf den Vortrag demgegenüber auf Innenraumpegel. Aufgrund der Verbindlichkeit der TA-Lärm sieht die Kammer hier im pauschalen Vorbringen des Antragstellers keinen Anhalt, von der TA-Lärm-Bewertung abzuweichen. Im Rahmen der durch BMH durchgeführten Schallimmissionsprognose war entsprechend den Vorgaben der TA-Lärm der Außenpegel an der am meisten betroffenen Außenfassade des Wohnhauses des Antragstellers berücksichtigt worden und kam rechnerisch nicht zu einer Richtwertüberschreitung.
Die Schallimmissionsprognose erweist sich gegenüber dem Antragsteller nicht wegen mangelnder Berücksichtigung von Vorbelastungen als unrichtig.
Zunächst ist nicht ersichtlich, dass relevante Vorbelastungen bei der Berechnung der zu erwartenden Immissionen am Wohnhaus des Antragstellers ausgeklammert wurden. Insbesondere wurde die Spedition „N.“ (postalische Adresse: O. P. 20, A-Stadt), die sich in nördlicher Richtung gegenüber dem Wohnhaus des Antragstellers befindet, in die Berechnung der Gesamtbelastung für sein Wohnhaus eingestellt. Zwar war diese Spedition in dem zuvor beigebrachten schalltechnischen Prognosegutachten der J. K. L. M. mbH vom 20. Oktober 2016 und 13. Februar 2017 nicht berücksichtigt worden, im hier für die Kammer maßgeblichen Gutachten der Q. ist die Spedition in die Berechnung eingestellt worden und hat nach den überzeugenden Darstellungen des Gutachters nicht zu einer Überschreitung der Immissionswerte von 40 dB(A) geführt. Vielmehr ergibt sich am Wohnhaus des Antragstellers eine nächtliche Immissionsbelastung von 35,4 dB(A).
Soweit der Antragsteller geltend macht, dass auch die Spedition „R.“ in die Prüfung der Vorbelastung hätte eingestellt werden müssen und zu einer unzumutbaren Lärmbeeinträchtigung in Kumulation mit den WEA führe, folgt die Kammer dem nicht. Zunächst ist klarzustellen, dass die Spedition R. sich nicht in den vom Antragsteller in den Planunterlagen eingezeichneten als „Gewerbegebiet“ bezeichneten Bereich befindet (Bl. 57 GA). Denn in dem eingekreisten Bereich ist keine Spedition, sondern „S. ´s T.“ ansässig, in der sich neben dem Mühlenbetrieb ein Café befindet. Mühle und Café sind ausweislich der Homepage bereits um 18:00 Uhr geschlossen. Auch im Hinblick auf einen etwaigen Abfahrtsverkehr geht hiervon offensichtlich keine nächtliche Vorbelastung für das Wohnhaus des Antragstellers aus. Die Spedition R. (postalische Adresse: U. 2-6, A-Stadt) liegt vielmehr ausweislich des Lageplans in 1,4 km Entfernung zu dem Wohnhaus des Antragstellers. Welche relevante Vorbelastung bei dieser Entfernung am Wohnhaus des Antragstellers ankommen soll, ist für die Kammer nicht ersichtlich und auch nicht hinreichend substantiiert vom Antragsteller geltend gemacht. Auch aus der ergänzenden Stellungnahme des Gutachters vom 17. November 2017 ergibt sich diese nicht. Denn die von ihm dort durchgeführte Berechnung gelangt zu dem Ergebnis, dass das Wohnhaus des Antragstellers nicht mehr in den Einwirkungsbereich der Spedition R. fällt. Danach gehe von dem Gebiet, in dem sich die Spedition R. befinde, eine Gesamtschallleistung (nachts) von 102,5 dB(A) (50+ 52,5) aus. Abstandsbedingt (1,4 km) errechne sich für das Wohnhaus des Antragstellers eine geometrische Pegelabnahme von 71 dB(A). Die Bodendämpfung liege dabei bei mehr als 5 dB(A), woraus sich eine Vorbelastung am Wohnhaus des Antragstellers von weniger als 30 dB(A) ergebe. Daraus zieht der Gutachter den Schluss, dass das Wohnhaus des Antragstellers nicht mehr im Einwirkungsbereich der Spedition liegt. Dies ist für das Gericht nachvollziehbar und entspricht den Vorgaben der TA-Lärm. Nach Nr. 2.2a TA-Lärm beschränkt sich der Einwirkungsbereich einer Anlage auf die Flächen, in denen die von der Anlage ausgehenden Geräusche einen Beurteilungspegel verursachen, der weniger als 10 dB(A) unter dem für diese Fläche maßgebenden Immissionsrichtwert liegt. Ausgehend von einem hier im allgemeinen Wohngebiet einzuhaltenden Immissionsrichtwert von 40 dB(A) nachts, ist die Spedition R. mit unter 30 dB(A) auszuklammern und stellt keine relevante Vorbelastung dar.
Auch die pauschale Beanstandung des Antragstellers, dass ein Ansatz anderer Emmissionsquellen – namentlich Eisenbahntrasse, Ackerbau, Autobahn – bei der Berechnung der Lärmvorbelastung unterblieben sei, greift nicht durch. Nach Nr. 1 TA-Lärm bezieht sich der Anwendungsbereich der TA-Lärm nur auf Anlagen, die als genehmigungsbedürftige oder nicht genehmigungsbedürfte Anlagen – vorbehaltlich der dort weiter angeführten Ausnahmen – den Anforderungen des zweiten Teils des BImSchG unterliegen. Eine Abweichung von dieser sektoralen Lärmbeurteilung kommt nur dann in Betracht, wenn aufgrund einer Summationswirkung verschiedener Lärmquellen nicht hinnehmbare und verfassungswidrige Zustände erfolgen (vgl. BVerwG, Urt. v. 16.3.2006 - 4 A 1075/04 -, juris). Solche sind vorliegend weder geltend gemacht, noch ersichtlich. Dies passt auch zu den Ausführungen des Sachverständigen in seiner ergänzenden Stellungnahme vom 8. Januar 2018. Weitere Vorbelastungen hat dieser auch nach Durchführung einer Ortsbesichtigung nicht festgestellt.
Vor diesem Hintergrund fällt auch die – bei der Anordnung der sofortigen Vollziehung nach § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4, Abs. 3 VwGO erforderliche gesonderte – Interessenabwägung zum Nachteil des Antragstellers aus. Leitend dafür ist, dass die Genehmigung, wie sich aus den vorstehenden Ausführungen ergibt, mit überwiegender Wahrscheinlichkeit nicht gegen Nachbarrechte des Antragstellers verstößt. Des Weiteren gibt den Ausschlag, dass auch im Übrigen die privaten wirtschaftlichen Interessen an der Ausnutzung der Genehmigung das Aussetzungsinteresse des Antragstellers überwiegen. Die Beigeladene hat ein nachvollziehbares wirtschaftliches Interesse an der möglichst sofortigen Ausnutzbarkeit der Genehmigung. Neben der Erwägung, dass Einnahmen (etwa in Form der Einspeisevergütung) naturgemäß nur im laufenden Betrieb zu erzielen sind, kommt im Hinblick auf die finanzielle Förderung der Windenergie hinzu, dass diese degressiv ausgestaltet ist und somit eine spätere Inbetriebnahme zu einem geringeren Erlös führt.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO. Die Festsetzung des Streitwerts beruht auf §§ 53 Abs. 2, 52 Abs. 1 und 2 GKG.