Sozialgericht Braunschweig
Urt. v. 09.04.2014, Az.: S 49 AS 2184/12

Kostenübernahme betreffend Fahrtkosten zur Wahrnehmung des Umgangsrechts mit inhaftiertem Sohn

Bibliographie

Gericht
SG Braunschweig
Datum
09.04.2014
Aktenzeichen
S 49 AS 2184/12
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2014, 24344
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:SGBRAUN:2014:0409.S49AS2184.12.0A

Redaktioneller Leitsatz

  1. 1.

    Im Rahmen von Leistungen nach dem SGB II können Kosten für die Wahrnehmung des Umgangsrechts mit dem inhaftierten Kind als Mehrbedarf nach § 21 Abs. 6 SGB II geltend gemacht werden.

  2. 2.

    Mit den Fahrten zum Gefängnis liegt ein besonderer, atypischer Bedarf vor, denn Kosten dieser Art sind nicht schon vom Regelbedarf abgedeckt. Zwar sind im Regelsatz Leistungen für Verkehrsdienstleistungen enthalten. Kosten aufgrund von Fahrten zum Gefängnis treten jedoch nicht typischer Weise bei SGB II-Leistungsberechtigten auf; die Kosten unterfallen daher nicht der statistischen Durchschnittsbetrachtung. Nach Auffassung der Kammer liegt es auf der Hand, dass die Eltern ihr Kind im Gefängnis besuchen müssen, um den Familienzusammenhalt aufrecht zu erhalten und für eine soziale Integration nach Ende der Haft vorzusorgen.

  3. 3.

    Es gibt im Gesetz keine Grundlage für die Rechtsauffassung, soweit der (Mehr-)Bedarf 10 % des Regelsatzes nicht übersteige, sei er nicht erheblich.

  4. 4.

    Für die Pkw-Fahrtkosten zum Gericht kann eine Kilometerpauschale vom 0,10 EUR pro Kilometer angesetzt werden.

Tenor:

  1. 1.

    Der Bescheid vom 4. Juni 2012 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 6. August 2012 wird abgeändert und der Beklagte verpflichtet, den Bescheid vom 28. November 2011 in Gestalt der Änderungsbescheide vom 1. Dezember 2011, 24. Januar 2012, 13. Februar 2012, 3. April 2012 und 10. April 2012 abzuändern und der Klägerin Fahrtkosten für die Fahrten am 22. Mai 2012, 8. Juni 2012 und 20. Juni 2012 in Höhe von insgesamt 70,80 EUR zu übernehmen.

  2. 2.

    Unter weiterer Abänderung des Bescheides vom 4. Juni 2012 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 6. August 2012, in Gestalt des Bescheids vom 21. Mai 2012 und des Bescheids vom 27. Juni 2012 wird der Beklagte verpflichtet, Fahrtkosten für die Fahrten am 4. Juli 2012, 25. Juli 2012, 8. August 2012, 22. August 2012, 7. September 2012, 28. September 2012, 12. Oktober 2012, 2. November 2012, 16. November 2012 und 1. Dezember 2012 in Höhe von 236,00 EUR zu übernehmen.

  3. 3.

    Der Beklagte trägt die notwendigen außergerichtlichen Kosten der Klägerin.

Tatbestand

Die Klägerin macht im Rahmen von Leistungen nach dem Zweiten Buch des Sozialgesetzbuchs (SGB II) Kosten für die Wahrnehmung des Umgangsrechts mit ihrem inhaftierten Sohn geltend.

Die Klägerin stand im streitgegenständlichen Zeitraum gemeinsam mit ihrem Ehemann im laufenden Bezug von Leistungen nach dem SGB II. Mit Bescheiden vom 28.11.2011, 01.12.2011, 24.01.2012, 13.02.2012, 03.04.2012 und 10.04.2012 regelte der Beklagte den Leistungszeitraum vom 01.01.2012 bis 30.06.2012 und gewährte der Klägerin, ihrem Mann und ihrem 1991 geborenen Sohn 774,91 EUR für den Monat Januar 2012 und 760,91 EUR für die Monate Februar und März 2012. Für den Monat April 2012 gewährte er bis zum 17.04.2012 354,78 EUR und ab dem 18.04.2012 der Klägerin und ihrem Ehemann 266,89 EUR. Für die Monate Mai und Juni 2012 gewährte er jeweils 615,91 EUR.

Bereits zuvor - am 18.01.2012 - war der Sohn der Klägerin vom Amtsgericht Goslar zu einer Jugendstrafe von 2 Jahren verurteilt worden. Die Haftstrafe trat er am 18.04.2012 in der Justizvollzugsanstalt Rosdorf an. Seit dem 09.05.2012 befindet sich der Sohn der Klägerin in der Jugendanstalt Hameln. Voraussichtliches Haftende ist der 08.05.2014.

Am 21.05.2012 beantragte die Klägerin für sich und ihren Ehemann Leistungen nach dem SGB II ab dem 01.07.2012. Zugleich stellte sie einen Antrag auf Übernahme der Fahrtkosten zum Besuch ihres Sohnes in der Jugendanstalt. Sie verwies auf die Inhaftierung ihres Sohnes Mitte April 2012 und führte aus, für dessen soziale Integration nach Ende der Haft sei es notwendig, dass er zweimal im Monat Besuch von seiner Familie bekommt. Es sei ihr nicht möglich, die Kosten für die Fahrt dorthin von den laufenden Zahlungen zu übernehmen, weshalb sie einen Sonderbedarf geltend mache.

Mit Bescheiden vom 21.05.2012 und 27.06.2012 gewährte der Beklagte der Klägerin und ihrem Ehemann Leistungen für den Zeitraum vom 01.07.2012 bis 31.12.2012.

Mit weiterem Bescheid vom 04.06.2012 lehnte der Beklagte den Antrag auf Gewährung des Sonderbedarfs ab. Er führte aus, es sei der Klägerin und ihrem Ehemann zumutbar, diesen Bedarf durch geringere Ausgaben in anderen Lebensbereichen auszugleichen. Bei zwei Besuchen im Monat und der Nutzung eines Niedersachsen-Tickets mit Kosten von 25,00 EUR für zwei Personen Hin- und Rückfahrt nach Göttingen oder Hameln lägen die Gesamtkosten unter der Bagatellgrenze von 10 % des Regelbedarfs, weshalb eine Erstattung nicht möglich sei.

Hiergegen erhob die Klägerin mit Schreiben vom 11.06.2012 Widerspruch. Sie führte aus, es sei entgegen ihrer ursprünglichen Annahme ein wöchentlicher Besuch bei ihrem Sohn erlaubt. Auch ihr Ehemann solle seinen Sohn besuchen können. Es sei ihr nicht möglich, die Kosten selbst zu tragen. Zudem legte sie ein Schreiben der Jugendanstalt Hameln vom 31.05.2012 vor, wonach regelmäßige Besuche von Bezugspersonen des Sohnes wichtig seien und die Wiedereingliederung förderten.

Der Widerspruch wurde mit Widerspruchsbescheid vom 06.08.2012 zurückgewiesen. Zur Begründung führte der Beklagte aus, ein Nachweis über tatsächlich entstandene Kosten sei nicht erbracht worden. Besuche in der Jugendanstalt hätten nur am 22.05.2012 und 04.07.2012 stattgefunden, bei welchen weitere Besuchspersonen zugegen waren. Ein Niedersachsen-Ticket für 3 Personen koste 29,00 EUR. Hiervon könnten für die Klägerin 1/3, mithin 9,67 EUR berücksichtigt werden. PKW-Kosten fielen in Höhe von 11,00 EUR (187 km Fahrstrecke, 20 l Verbrauch, Kosten 1,65 EUR je Liter = 33,00 EUR) oder 18,70 EUR (0,1 EUR je Kilometer) an. Da für die Klägerin 10 % des Regelsatzes 33,70 EUR ergäben, sei es ihr zumutbar, diese Kosten aus dem Regelsatz zu bestreiten. Hinzu komme, dass im Regelsatz ein Betrag von 21,23 EUR (6,3 %) für Verkehrsdienstleistungen enthalten ist.

Am 14.08.2012 hat die Klägerin Klage erhoben.

Zur Begründung führte sie aus, sie könne die Fahrten nur mit dem PKW durchführen, weil ihr Ehemann krankheitsbedingt aufgrund von Angstzuständen nicht mit dem Bus oder Bahn fahren könne. Bei vier Fahrten im Monat, einer Fahrstrecke nach Hameln von ca. 220 km (hin und zurück), einem Verbrauch von 22 Litern und bei dem vom Beklagten angenommenen Preis von 1,65 EUR je Liter habe sie monatliche Kosten von 145,20 EUR. Bei 2 Fahrten im Monat, einem Verbrauch von 8 l auf 100 km und einem Durchschnittspreis des Benzins von 1,60 EUR entstünden Kosten in Höhe von monatlich 53,76 EUR. Beim Ansatz von 0,10 EUR je gefahrenem Kilometer habe sie monatliche Kosten von 44,00 EUR, die sie ebenfalls nicht tragen könne. Den Verkehrsanteil im Regelsatz benötige sie z.B. für Fahrten zum Jobcenter.

Die Klägerin stellt keinen Antrag.

Die Klägerin beantragt sinngemäß,

  1. 1.

    den Bescheid vom 04.06.2012 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 06.08.2012 abzuändern und den Beklagten zu verpflichten, den Bescheid vom 28.11.2011 in Gestalt der Änderungsbescheide vom 01.12.2011, 24.01.2012, 13.02.2012, 03.04.2012 und 10.04.2012 abzuändern und der Klägerin Fahrtkosten für die Fahrten am 22.05.2012, 08.06.2012, 20.06.2012 in Höhe von insgesamt 70,80 EUR zu übernehmen sowie

  2. 2.

    unter weiterer Änderung des Bescheids vom 04.06.2012 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 06.08.2012, in Gestalt des Bescheids vom 21.05.2012 und des Bescheids vom 27.06.2012 die Beklagte zu verpflichten, Fahrtkosten für die Fahrten am 04.07.2012, 25.07.2012, 08.08.2012, 22.08.2012, 07.09.2012, 28.09.2012, 12.10.2012, 02.11.2011, 16.11.2012 und 01.12.2012 in Höhe von 236,00 EUR zu übernehmen.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Er verweist auf seine Ausführungen im Verwaltungsverfahren und führt ergänzend aus, dass der Ehemann nach den dem Beklagten vorliegenden Unterlagen noch 3-6 Stunden leichte Tätigkeiten ausführen könne, weshalb nicht nachzuvollziehen sei, dass dieser weder Bus noch Bahn nutzen können soll. Auch bei Berücksichtigung von 2 Fahrten im Monat und der Nutzung eines PKW lägen die Voraussetzungen für die Anerkennung eines unabweisbaren Bedarfs im Sinne von § 21 Abs. 6 SGB II nicht vor, weil der Bedarf keine 10 % des Regelbedarfs erreicht und deshalb aus dem Regelbedarf gedeckt werden könne.

Das Gericht hat sich mit Schreiben vom 24.01.2013, 21.03.2013 und 23.05.2013 an die Jugendanstalt (JA) Hameln gewendet. Die JA teilte in ihren Schreiben vom 03.04.2013 und 05.06.2013 mit, dass die Klägerin und ihr Ehemann in der Zeit vom 22.05.2012 bis 01.06.2013 an insgesamt 20 Tagen ihren Sohn besuchten (am 22.05.2012, 08.06.2012, 20.06.2012, 04.07.2012, 25.07.2012, 08.08.2012, 22.08.2012, 07.09.2012, 28.09.2012, 12.10.2012, 02.11.2011, 16.11.2012, 01.12.2012, 04.01.2013, 18.01.2013, 01.02.2013, 15.02.2013, 02.03.2013, 16.03.2013 und 01.06.2013). Dabei waren sie an 10 Tagen in Begleitung Dritter.

Das Gericht hat außerdem einen Befundbericht bei Herrn DrF., dem Hausarzt des Ehemanns der Klägerin, eingeholt. Dieser teilt in seinem Bericht vom 12.08.2013 u.a. mit, dass bei dem Ehemann u.a. eine Angststörung mit Klaustrophobie und Agoraphobie vorläge, weshalb er nicht in der Lage sei, öffentliche Verkehrsmittel zu benutzen. Dr. G. hat außerdem u.a. Berichte der Privat-Nerven-Klinik Dr. H. vom 02.08.2011, 20.08.2012, 02.10.2012, 27.03.2013 und Berichte von Frau I., Fachärztin für Psychiatrie vom 03.12.2012, 24.01.2013 und 22.04.2013 vorgelegt. In ihrem Bericht vom 03.12.2012 teilt diese mit, dass der Ehemann der Klägerin beim Benutzen öffentlicher Verkehrsmittel agoraphobische Ängste (Angst an bestimmten Orten) habe.

Wegen der weiteren Einzelheiten und des Vorbringens der Beteiligten im Übrigen wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und die Verwaltungsakte der Beklagten (4 Bände) Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

Da die - nicht anwaltlich vertretene - Klägerin ihren Antrag am 21.05.2012 stellte, war der Antrag nach Auffassung der Kammer zum Einen als Antrag nach § 44 SGB X auf Überprüfung der bestandskräftigen Bescheide des seinerzeit laufenden Bewilligungszeitraums (01.01.2012 bis 30.06.2012) aufzufassen. Insoweit hat die Klägerin eine kombinierte Anfechtungs- und Verpflichtungsklage erhoben (§§ 54 Abs. 1, 56 SGG), die zulässig und begründet ist.

Zum Anderen war der Antrag als ergänzender Antrag zum Weiterbewilligungsantrag vom 21.05.2012 für den Folgezeitraum vom 01.07.2012 bis 31.12.2012 anzusehen. Insoweit hat die Klägerin eine kombinierte Anfechtungs- und Leistungsklage (§ 54 Abs. 1, 4, 56 SGG), die ebenfalls zulässig begründet ist.

Der Bescheid vom 04.06.2012 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 06.08.2012 ist rechtswidrig und verletzt insoweit die Klägerin in eigenen Rechten.

Da die Klägerin hier einen Mehrbedarf nach § 21 Abs. 6 SGB II geltend machte und ein solcher keinen eigenständigen, von den Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts abtrennbaren Streitgegenstand darstellt (BSG, Urteil vom 06.04.2011, Az.: B 4 AS 3/10 R), ist ein Mehrbedarf Teil des laufenden SGB II- Leistungsanspruchs. Der Kammer war es daher verwehrt, generell über die Frage der Übernahme der Fahrtkosten der Klägerin für die Zeit der Inhaftierung ihres Sohnes (bis zum 08.05.2014) zu entscheiden. Sie konnte vielmehr aus den erläuterten Gründen lediglich für den Zeitraum vom 18.04.2012 (Tag der Inhaftierung) bis zum 31.12.2012 entscheiden. In dieser Zeit fuhren die Klägerin und ihr Ehemann insgesamt 13mal zu ihrem Sohn (am 22.05.2012, 08.06.2012, 20.06.2012, 04.07.2012, 25.07.2012, 08.08.2012, 22.08.2012, 07.09.2012, 28.09.2012, 12.10.2012, 02.11.2011, 16.11.2012 und am 01.12.2012). Hinsichtlich der Fahrten nach dem 31.12.2012 mag die Klägerin erwägen, beim Beklagten einen Antrag nach § 44 SGB X auf Überprüfung der erlassenen Bewilligungsbescheide zu stellen.

Der Anspruch der Klägerin auf Übernahme ihrer Fahrtkosten ergibt sich aus § 21 Abs. 6 SGB II. Danach wird bei Leistungsberechtigten ein Mehrbedarf anerkannt, soweit im Einzelfall ein unabweisbarer, laufender, nicht nur einmaliger besonderer Bedarf besteht. Der Mehrbedarf ist unabweisbar, wenn er insbesondere nicht durch die Zuwendungen Dritter sowie unter Berücksichtigung von Einsparmöglichkeiten der Leistungsberechtigten gedeckt ist und seiner Höhe nach erheblich von einem durchschnittlichen Bedarf abweicht.

Diese Voraussetzungen sind hier erfüllt.

Mit den Fahrten zum Gefängnis liegt hier ein besonderer, atypischer Bedarf vor, denn Kosten dieser Art sind nicht schon vom Regelbedarf abgedeckt. Zwar sind im Regelsatz Leistungen für Verkehrsdienstleistungen enthalten. Kosten aufgrund von Fahrten zum Gefängnis treten jedoch nicht typischer Weise bei SGB II-Leistungsberechtigten auf; die Kosten unterfallen daher nicht der statistischen Durchschnittsbetrachtung. Nach Auffassung der Kammer lag hier auf der Hand, dass die Klägerin und ihr Ehemann als Eltern ihren Sohn im Gefängnis besuchen mussten, um den Familienzusammenhalt aufrecht zu erhalten und für eine soziale Integration nach Ende der Haft vorzusorgen. Die Klägerin konnte hier auch den Bedarf hinsichtlich des Erfordernisses der Nutzung ihres PKW darlegen. Nachweislich leidet der Ehemann der Klägerin unter einer phobischen Störung, die es ihm verwehrt, öffentliche Verkehrsmittel zu nutzen. Da die Klägerin gemeinsam mit ihrem Ehemann regelmäßig 2 Fahrten pro Monat durchführte, handelt es sich auch um einen laufenden Bedarf im Sinne des § 21 Abs. 6 SGB II.

Der Bedarf war des Weiteren auch unabweisbar. Der Mehrbedarf ist unabweisbar, wenn er insbesondere nicht durch die Zuwendungen Dritter sowie unter Berücksichtigung von Einsparmöglichkeiten der Leistungsberechtigten gedeckt ist und seiner Höhe nach erheblich von einem durchschnittlichen Bedarf abweicht. Zuwendungen Dritter sind der Kammer nicht bekannt und wurden auch vom Beklagten nicht behauptet. Soweit sich der Beklagte in diesem Zusammenhang auf die eigenen Richtlinien bezieht und meint, soweit der Bedarf 10 % des Regelsatzes nicht übersteigt, sei er nicht erheblich in diesem Sinne, findet sich hierfür im Gesetz keine Grundlage. Soweit ersichtlich, wird diese Auffassung auch in der Literatur einhellig abgelehnt (vgl. Knickrehm/Halm in: Eicher, Kommentar zum SGB II, 3. Aufl., § 21 Rn. 70 und Behrend in: jurisPK-SGB II, 3. Aufl., § 21 Rn. 86). Da zudem auch das Bundessozialgericht in einer Entscheidung aus dem Jahr 2010 zu § 73 SGB XII erklärte, bei einer Regelleistung von 345 EUR sei ein monatlicher Bedarf von 20,45 EUR (also ca. 6 %) kein Bagatellbetrag (Urteil vom 19.08.2010, Az.: B 14 AS 13/10 R), folgte auch die Kammer der Auffassung des Beklagten nicht.

Hinsichtlich der Höhe des bestehenden Anspruchs folgt die Kammer allerdings der Auffassung des Beklagten, dass hier eine Kilometerpauschale vom 0,10 EUR pro Kilometer angesetzt werden kann (so auch in einem vergleichbaren Fall: LSG Niedersachsen-Bremen, Beschluss vom 06.09.2012, Az.: L 11 AS 242/12 B ER und § 3 Abs. 7 der ALG II- Verordnung für private Fahrten eines betrieblich genutzten PKW). Tatsächliche höhere Kosten hatte die Klägerin auch nicht nachgewiesen. Bei einer einfachen Fahrstrecke von Vienenburg bis Hameln von 118 km ergeben sich danach für die Hin- und Rückfahrt Fahrtkosten in Höhe von jeweils 23,60 EUR (118 x 2 = 236 km pro Fahrt x 0,10 EUR). Für die Fahrten vom 22.05.2012, 08.06.2012, 20.06.2012, deren Kosten die Klägerin im Rahmen ihres Antrags nach § 44 SGB X geltend machte, ergeben sich so Gesamtkosten in Höhe von 70,80 EUR (23,60 EUR x 3). Für die weiteren Fahrten vom 04.07.2012, 25.07.2012, 08.08.2012, 22.08.2012, 07.09.2012, 28.09.2012, 12.10.2012, 02.11.2011, 16.11.2012 und 01.12.2012, die die Klägerin als Ergänzung zu ihrem Weiterbewilligungsantrag geltend machte, ergeben sich hieraus 236,00 EUR (23,60 EUR x 10).

Entgegen der Auffassung des Beklagten kann die Klägerin hier auch die gesamten Fahrtkosten als eigenen Anspruch geltend machen, weil der geltend gemachte Mehrbedarf - anders als etwa die Kosten der Unterkunft - nicht nach dem Kopfteilprinzip aufzuteilen ist. Ohnehin waren die Fahrtkosten allein bei der Klägerin als Fahrerin entstanden.

Aus der Rechtswidrigkeit des streitgegenständlichen Bescheids ergibt sich auch die Verletzung der Klägerin in eigenen Rechten, § 54 Abs. 2 S. 1 SGG.

Nach alledem war der Klage zu entsprechen.

Die Kostenentscheidung ergeht nach § 193 SGG.

Die Berufung bedarf hier der Zulassung, weil der Wert des Beschwerdegegenstandes 750,00 EUR nicht erreicht, § 144 Abs. 1 Nr. 1 SGG. Gründe für die Zulassung sind nicht ersichtlich.