Sozialgericht Braunschweig
Urt. v. 13.10.2014, Az.: S 64 KR 568/13

Umfang der Nacherhebung von Gesamtsozialversicherungsbeiträgen bei Beschäftigung von Leiharbeitnehmern

Bibliographie

Gericht
SG Braunschweig
Datum
13.10.2014
Aktenzeichen
S 64 KR 568/13
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2014, 29379
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:SGBRAUN:2014:1013.S64KR568.13.0A

Fundstellen

  • NZS 2015, 114
  • PStR 2015, 145

Redaktioneller Leitsatz

  1. 1.

    Ansprüche auf vorsätzlich vorenthaltene Beiträge verjähren gemäß § 5 Abs. 1 S. 2 SGB IV erst nach dreißig Jahren. Der Vorsatz muss sich dabei konkret auf die Nichtabführung von Sozialversicherungsbeiträgen beziehen und (in Bezug auf Leiharbeitnehmern) nicht (lediglich) auf das Vorenthalten des equal-pay-Lohnes. Wenn bereits der Vorsatz zum Vorenthalten des Lohns (bzw. konkret der Lohndifferenz) fehlt, kann Vorsatz hinsichtlich des Vorenthaltens der Gesamtsozialversicherungsbeitragsdifferenz nur in seltenen Fällen angenommen werden.

  2. 2.

    Wenn sich die Leiharbeitsfirma keinem equal-pay-Anspruch ihrer Leiharbeitnehmer ausgesetzt gesehen hat, kann ihr auch nicht der Vorwurf gemacht werden, bewusst die zusätzlichen Gesamtsozialversicherungsbeiträge vorenthalten zu haben. Daran könnte allenfalls dann gedacht werden, wenn die Leiharbeitsfirma gewusst hätte, dass auch in solchen Konstellationen wegen des in der Sozialversicherung geltenden Entstehungsprinzips Beiträge zu entrichten sind. Das Gericht sieht dafür nicht den geringsten Hinweis. Zwar muss allen Arbeitgebern klar sein, dass in der Sozialversicherung das Entstehungsprinzip gilt und nicht das im Steuerrecht geltende Zuflussprinzip. Es ist jedoch nahezu unbekannt und zudem heftig umstritten, dass das Entstehungsprinzip auch für die antragsabhängigen Lohnansprüche nach § 10 Abs. 4 AÜG alte Fassung dergestalt gilt, dass für das Entstehen der Sozialversicherungsansprüche auf den Zeitpunkt der lohnauslösenden Arbeit unabhängig von der späteren Geltendmachung von Lohndifferenzen durch den Arbeitnehmer abzustellen ist.

Tenor:

  1. 1.

    Der Bescheid der Beklagten vom 18.4.2013, so wie er sich nach dem Teilabhilfebescheid vom 24. September 2013 darstellt, in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 27. November 2013, so wie sich wiederum dieser nach dem angenommen Teilanerkenntnis darstellt, wird aufgehoben.

  2. 2.

    Die Beklagte wird verurteilt, einen neuen Bescheid zu erlassen für die Fälligkeitszeit ab dem 1. Januar 2008 unter Berücksichtigung der Differenz zwischen den bereits gezahlten Sozialversicherungsbeiträgen und den von der Beklagten für die gesamte Einsatzzeit geforderten Sozialversicherungsbeiträgen. 3. Die Beklagte trägt drei Viertel und die Klägerin ein Viertel der Kosten des Verfahrens. 4. Der Streitwert wird auf 243.317,85 EUR festgesetzt.

Tatbestand

Die Beteiligten streiten über die Nacherhebung von Gesamtsozialversicherungsbeiträgen nach Betriebsprüfung.

Die Klägerin ist ein Unternehmen der gewerblichen Arbeitnehmerüberlassung. Die zwischen ihr und ihren (Leih-)Arbeitnehmern geschlossenen Arbeitsverträge der Jahre 2005 bis 2009 verweisen auf die zwischen den Zeitarbeitgeberverbänden und der Tarifgemeinschaft christlicher Gewerkschaften für Zeitarbeit und Personalmanagement (CGZP) vereinbarten Tarifverträge mit den darin festgelegten Stundenlöhnen. Über die tarifvertraglich festgelegte Entlohnung hinaus gewährte die Klägerin ihren beschäftigten Leiharbeitnehmern weitere Vergünstigungen. Unter anderem wurde ihnen neben Fahrkostenzuschüssen auch die Fahrzeit zu den teilweise weit entfernten Ausleihbetrieben als Arbeitszeit vergütet. Auf alle ausgezahlten Vergütungsbestandteile wurden im Wesentlichen ordnungsgemäß Gesamtsozialversicherungsbeiträge abgeführt. Mit Betriebsprüfungsbescheid vom 10. Dezember 2008 hat die Beklagte dies für den Prüfzeitraum 2004 bis 2007 zuletzt festgestellt.

Seit ihrer Gründung im Dezember 2002 war allerdings die Tariffähigkeit der CGZP umstritten und damit auch die Wirksamkeit der von ihr abgeschlossenen Tarifverträge. In zahlreichen arbeitsgerichtlichen Rechtsstreiten wurde darüber gestritten. Das Ergebnis war insbesondere für die betroffenen Leiharbeitnehmer deshalb von Interesse, weil sich in § 10 Arbeitnehmerüberlassungsgesetz (AÜG) seit 2004 ein Passus befindet, wonach bei Unwirksamkeit eines Tarifvertrages (respektive eines auf diesen verweisenden Arbeitsvertrags) ein Anspruch auf gleiche Entlohnung wie im jeweiligen Einsatzunternehmen besteht (sogenanntes equal-pay-Prinzip). Die CGZP-Tariflöhne lagen fast durchgehend unter den einsatzortüblichen Löhnen.

Mit Beschluss vom 7. Dezember 2009 hatte das Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg einen Beschluss des Arbeitsgerichts Berlin vom 1. April 2009 bestätigt, wonach die CGZP nicht tariffähig sei. Auf die dagegen eingelegte Revision bestätigte auch das Bundesarbeitsgericht mit Beschluss vom 14. Oktober 2010 (1 ABR 19/12) die Tarifunfähigkeit der CGZP. Die dagegen eingelegte Verfassungsbeschwerde (1 BvR 1104/11) hat das Bundesverfassungsgericht mit Beschluss vom 10. März 2014 (!) nicht zur Entscheidung angenommen. Auch nach der Entscheidung des BAG vom 14. Dezember 2010 waren noch nicht alle Rechtsfragen im Zusammenhang mit der Tariffähigkeit der CGZP geklärt. Es wurde insbesondere weiter darüber gestritten, ob die CGZP-Tarifverträge von Anfang an oder erst ab der Entscheidung des BAG unwirksam waren und ob arbeitsvertragliche Ausschlussfristen zur Geltendmachung der "equal-pay"-Ansprüche Gültigkeit hätten. Letzteres hat das BAG mit Entscheidung vom 23. März 2011 (5 AZR 7/10) dann verneint.

Bis 28. April 2011 war der equal-pay-Anspruch in § 10 Abs. 4 AÜG als antragsabhängiger Anspruch ausgestaltet ("Der Leiharbeitnehmer kann im Falle der Unwirksamkeit der Vereinbarung mit dem Verleiher nach § 9 Nr. 2 von diesem die Gewährung der im Betrieb des Entleihers für einen vergleichbaren Arbeitnehmer des Entleihers geltenden wesentlichen Arbeitsbedingungen einschließlich des Arbeitsentgeltes verlangen"). Ab 29. April 2011 war es ein unbedingter Anspruch ("Im Falle der Unwirksamkeit der Vereinbarung zwischen Verleiher und Leiharbeitnehmer nach § 9 Nr. 2 hat der Verleiher dem Leiharbeitnehmer die im Betrieb des Entleihers für einen vergleichbaren Arbeitnehmer des Entleihers geltenden wesentlichen Arbeitsbedingungen einschließlich des Arbeitsentgelts zu gewähren").

Im Jahr 2011 begannen bei den deutschen Rentenversicherungsträgern unter Federführung der DRV Bund die Prüfungen der sozialversicherungsrechtlichen Auswirkungen der Tarifunfähigkeit der CGZP.

Im Sommer 2011 nahm die Beklagte telefonisch mit der Klägerin Kontakt auf, schrieb diese am 26. September 2011 an und vereinbarte ein Gespräch. Dieses fand sodann am 24. November 2011 im Beisein des Steuerberaters der Klägerin in deren Räumen statt und dauerte circa vier Stunden. Die Mitarbeiter der Beklagten wiesen dabei darauf hin, dass wegen des in der Sozialversicherung geltenden Entstehungsprinzips (anders als im steuerrechtlichen Zuflussprinzip) die Möglichkeit bestünde, dass auf die Lohndifferenzen Gesamtsozialversicherungsbeiträge nachgefordert würden. Dazu merkte die Klägerin an, zu einer solchen Nachzahlung könne es nicht kommen, weil das BAG eine Rückwirkung nicht festgestellt habe. Die Beteiligten einigten sich sodann darauf, dass in der zweiten Jahreshälfte 2012 eine Betriebsprüfung durch die Beklagte bei der Klägerin durchgeführt werden solle.

Anfang 2012 fand bei der Klägerin durch das Finanzamt Braunschweig eine Lohnsteueraußenprüfung statt. Den Prüfbericht vom 20. März 2012 mit dem Prüfzeitraum 1. Januar 2009 bis 31. Dezember 2011 wertete die Beklagte in beitragsrechtlicher Hinsicht aus. Es ergaben sich dabei keine Beitragsnachforderungen zur Sozialversicherung.

Am 23. Mai 2012 entschied das BAG (1 AZB 58/11), dass die Tarifunfähigkeit der CGZP von Anfang an bestanden habe.

Am 5. November 2012 begann die Beklagte mit der angekündigten Betriebsprüfung bei der Klägerin. Diese dauerte mit Unterbrechungen bis zum 17. April 2013.

Im Rahmen der Betriebsprüfung versuchte die Beklagte zusammen mit der Klägerin, die jeweiligen equal-pay-Entgelte zu ermitteln. Die Ermittlungen der Klägerin bei ihrem Kunden gestalteten sich schwierig. Aus den unterschiedlichen Gründen wollten und konnten die ausleihenden Unternehmen keine Auskünfte erteilen. Mit Schreiben vom 23. November 2012 teilte die Klägerin der Beklagten daraufhin Folgendes mit:

"1. Eine exakte Berechnung der Vergleichsentgelte (für jeden Arbeitnehmer, für jeden Verleihvorgang und jeden Zeitpunkt) ist nicht möglich.

2. Die Ermittlung der Vergleichsentgelte bei unseren Kunden hat für 2008 ein durchschnittlicher Wert von EUR 10,33 brutto ergeben.

3. Das von uns im fraglichen Zeitraum gezahlte sozialversicherungspflichtige Entgelt betrug (zum Teil) weniger als 10,33 EUR brutto/Std.

4. In den "Entgeltvergleich" sind jedoch nicht nur die sozialversicherungspflichtigen Entgeltkomponenten, sondern alle Entgeltkomponenten (auch die nicht sozialversicherungspflichtigen) einzubeziehen. Nur ein umfassender Vergleich aller Entgeltkomponenten wird dem Ziel des AÜG bzw. dem Gebot des equal pay und equal treatment gerecht. Es ist der weite Entgeltbegriff der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts zugrunde zu legen. Entscheidend ist, was beim Leiharbeitnehmer "ankommt", unabhängig von der Bezeichnung der Entgeldkomponenten und unabhängig von deren sozialversicherungsrechtlicher und lohnsteuerrechtlicher Behandlung.

5. Wir haben unseren Mitarbeitern im Prüfzeitraum neben dem sozialversicherungspflichtigen Entgelt insbesondere folgende weitere Leistungen gewährt:

  • vermögenswirksame Leistungen
  • übertarifliche Zahlungen
  • steuerpflichtige und steuerfreie Verpflegungsmehraufwendungen
  • steuerpflichtige und steuerfreie Auslösung
  • pauschalversteuerte / steuerpflichtige / steuerfreie Fahrtkosten
  • bezahlte Reisezeiten zu den Einsatzorten
  • Entgeltumwandlung in die betriebliche Altersversorgung
  • Beihilfen zur Hochzeit und für die Kinderbetreuung
  • Prämien aufgrund Betriebszugehörigkeit
  • Urlaubsgelder und Urlaubsbeihilfen
  • Weihnachtsgelder

Fazit: Die vorstehenden Entgeltkomponenten sind im Rahmen des Entgeltvergleichs mit einzubeziehen. Damit standen den Arbeitnehmern (zum Teil) höhere Brutto-Entgelte und in jedem Fall höhere Netto-Entgelte zur Verfügung als vergleichbaren Arbeitnehmern beim Entleiher.

Vorsorglich erheben wird hiermit die Einrede der Verjährung."

Die Beteiligten einigten sich daraufhin auf ein Vergleichsentgelt von 10,33 EUR brutto pro Stunde für das Jahr 2008 mit Zu- und Abschlägen für die Vor- und Folgejahre (von 9,73 EUR 2005 bis 10,54 EUR 2009).

Auf der Basis dieser Stundenlöhne errechnete die Beklagte für jeden einzelnen Arbeitnehmer der Klägerin für die jeweils konkrete Arbeitszeit beim ausleihenden Unternehmen die Lohndifferenz und die sich daraus ergebenden Sozialversicherungsbeiträge. Mit Anhörungsschreiben vom 12. Februar 2013 kündigte sie bei der Klägerin an, Gesamtsozialversicherungsbeiträge in Höhe von 255.077,94 EUR (inklusive Säumniszuschläge) nachträglich festzusetzen.

Am 13. März 2013 entschied das BAG in mehreren Rechtsstreiten über die Höhe der jeweils konkreten equal-pay-Ansprüche von Leiharbeitnehmern gegen ihre Arbeitgeber (Arbeitnehmerüberlassungsbetriebe).

Mit Schreiben vom 14. März 2013 nahm die Klägerin zur Anhörung der Beklagten Stellung: Die betroffenen Arbeitnehmer hätten ihre equal-pay-Ansprüche nicht geltend gemacht. Wegen den in den Arbeitsverträgen verankerten Ausschlussfristen sei dies auch nicht mehr möglich. Die Einforderung der Gesamtsozialversicherungsbeiträge durch die Beklagte sei wegen des allgemeinen Vertrauensschutzes nicht mehr möglich. Im Übrigen gelte die vierjährige Verjährung, weil Gesamtsozialversicherungsbeiträge keinesfalls vorsätzlich vorenthalten worden seien. Somit seien alle Ansprüche mit Fälligkeit vor dem 1. Januar 2008 verjährt. Im Übrigen seien die Detailberechnungen fehlerhaft, die zahlreichen bereits mit Schreiben vom 23. November 2012 genannten Entgeltkomponenten seien nicht berücksichtigt. Falls dennoch Gesamtsozialversicherungsbeiträge nachzuzahlen seien, habe dies die Klägerin jedenfalls nicht erkennen können. Die Nichtabführung der Beiträge sei somit unverschuldet. Säumniszuschläge könnten deshalb nicht erhoben werden

Mit Bescheid vom 18. April 2013 folgte die Beklagte im Wesentlichen ihrer Ankündigung im Anhörungsschreiben. Für den Prüfzeitraum vom 1. Dezember 2005 bis 31. Dezember 2011 forderte sie von der Klägerin insgesamt 249.313,19 EUR. Darin waren 37.695,00 EUR Säumniszuschläge nach § 24 Abs. 1 SGB IV enthalten. Bis Ende 2009 habe die Klägerin wegen der für ungültig erklärten CGZP-Tarifverträge, auf die in den Arbeitsverträgen Bezug genommen war, zu niedrige Löhne gezahlt und vorsätzlich die höheren Sozialversicherungsbeiträge nicht abgeführt.

Mit dem dagegen erhobenen Widerspruch vom 13. Mai 2013 ergänzt die Klägerin ihr bisheriges Vorbringen durch den Hinweis, Säumniszuschläge seien schon deshalb nicht zu erheben, weil sie bisher immer ordnungsgemäß mitgewirkt habe.

Einige der Einwendungen der Klägerin berücksichtigte die Beklagte und erließ am 24. September 2013 einen Teilabhilfebescheid, mit dem die Gesamtforderung auf 243.317,85 EUR reduziert wurde.

Mit Widerspruchsbescheid vom 27. November 2013 wies sie im Übrigen den Widerspruch zurück.

Dagegen hat die Klägerin am 1. Dezember 2013 Klage erhoben. Sie hat dabei ihr bisheriges Vorbringen vertieft und ergänzt. Der Betriebsprüfungsbescheid der Beklagten vom 10. Dezember 2008, mit dem für den Prüfzeitraum 2004 bis 2007 die nunmehr geltend gemachten Beanstandungen nicht festgestellt worden waren, hindere an der Neubescheidung für diesen Zeitraum. Es gelte die vierjährige Verjährungsfrist, weil Vorsatz aus verschiedenen Gründen ausgeschlossen sei. Zum einen handele es sich bei der Klägerin um ein kleines Unternehmen mit nur zwei Geschäftsführern, zum anderen sei bis heute nicht geklärt, ob der von der Beklagten geltend gemachte Anspruch tatsächlich bestehe. Zudem habe sich die Klägerin auch auf das öffentliche Tarifvertragsverzeichnis verlassen dürfen, in dem die CGZP-Tarifverträge noch mindestens bis 2011 als gültige Tarifverträge verzeichnet gewesen seien. Auch müsse sich die Beklagte festhalten lassen an ihrer Zusage, auf Säumniszuschläge zu verzichten, wenn die betroffenen Unternehmen bei der Ermittlung der equal-pay-Lohndifferenzen ordnungsgemäß mitgewirkt hätten.

Im Termin zur mündlichen Verhandlung am 13. Oktober 2014 hat die Beklagte ein Teilanerkenntnis dergestalt abgegeben, dass auf die Säumniszuschläge verzichtet wird. Die Klägerin hat dieses Teilanerkenntnis angenommen.

Die Klägerin beantragt,

den Bescheid der Beklagten vom 18. April 2013, so wie er sich nach dem Teilabhilfebescheid vom 24. September 2013 darstellt, in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 27. November 2013, so wie sich wiederum dieser nach dem angenommen Teilanerkenntnis darstellt, aufzuheben.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie hält die Nachforderung der Gesamtsozialversicherungsbeiträge für rechtmäßig und verweist auf ihr bisheriges Vorbringen, insbesondere auf den Widerspruchsbescheid.

Wegen der näheren Einzelheiten des Sachverhalts und des weiteren Vorbringen der Beteiligten wird auf die Verwaltungsakten der Beklagten, sowie auf die Gerichtsakten, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung waren, verwiesen.

Entscheidungsgründe

Die form- und fristgerecht erhobene Klage ist zulässig und im Sinne des Tenors auch begründet.

Der Bescheid der Beklagten vom 18. April 2013, so wie er sich nach dem Teilabhilfebescheid vom 24. September 2013 und dem angenommenen Teilanerkenntnis darstellt, ist teilweise rechtswidrig und verletzt die Klägerin dadurch in ihren Rechten. Der Bescheid war insgesamt aufzuheben und die Beklagte zur Neubescheidung zur verurteilen, weil eine konkrete Neuberechnung im Rahmen des gerichtlichen Verfahrens nicht möglich ist. Die Situation ist insoweit vergleichbar mit einem Rentenrechtsstreit, wo regelmäßig im Falle des Obsiegens eines Versicherten nur eine Verurteilung dem Grunde nach in Betracht kommt.

Die Beklagte hat keinen Anspruch gegenüber der Klägerin auf Zahlung von Gesamtsozialversicherungsbeiträgen für Fälligkeitszeiträume vor dem 1. Januar 2008 (Lohnzahlung ab 1. Dezember 2007). Diese Ansprüche sind, auch wenn sie ursprünglich bestanden haben sollten, verjährt. Nach § 25 Abs. 1 Satz 1 SGB IV verjähren Ansprüche auf Beiträge in vier Jahren nach Ablauf des Kalenderjahres, in dem sie fällig geworden sind. Zwar verjähren Ansprüche auf vorsätzlich vorenthaltene Beiträge gemäß § 5 Abs. 1 Satz 2 SGB IV erst nach dreißig Jahren. Ein solcher Fall liegt hier aber nicht vor.

Da die Verjährung für die Dauer des Klageverfahrens sowie für die Dauer des vorangegangenen Verwaltungsverfahren, welches mit dem ersten Tag der Betriebsprüfung (5. November 2012) beginnt, gehemmt ist, errechnet sich die vierjährige Verjährungsfrist ausgehend vom 4. November 2012 auf den 1. Januar 2008.

Die 30-jährige Verjährungszeit könnte nur relevant sein, wenn die Klägerin bereits vor dem 1. Januar 2008 Gesamtsozialversicherungsbeiträge vorsätzlich vorenthalten hätte. Das ist nicht der Fall. Vorsatz ist das Wissen und Wollen des Erfolgs im Bewusstsein der Rechtswidrigkeit. Dabei ist wie im Strafrecht der bedingte Vorsatz ausreichend. Bedingt vorsätzlich handelt, wer einen rechtswidrigen Erfolg für möglich hält und ihn billigend in Kauf nimmt. Dagegen handelt lediglich bewusst fahrlässig, wer zwar den rechtswidrigen Erfolg für möglich hält, aber darauf vertraut, dass dieser nicht eintritt.

Der Vorsatz muss sich dabei konkret auf die Nichtabführung von Sozialversicherungsbeiträgen beziehen und nicht (lediglich) auf das Vorenthalten des equal-pay-Lohnes. Wenn aber bereits der Vorsatz zum Vorenthalten des Lohns (bzw. konkret der Lohndifferenz) fehlt, kann Vorsatz hinsichtlich des Vorenthaltens der Gesamtsozialversicherungsbeitragsdifferenz nur in seltenen Fällen, die hier aber nicht vorliegen, angenommen werden (siehe dazu unten). Das Gericht glaubt, ohne dies allerdings nachgeprüft zu haben, den Angaben der Klägerin, wonach keiner ihrer Arbeitnehmer equal-pay-Lohnansprüche geltend gemacht hat. Nach der bis zum 28. April 2011 geltenden Regelung in § 10 Abs. 4 AÖG war der Anspruch aber von einem solchen Antrag abhängig. Zumindest für den Zeitraum bis zum 28. April 2011 hat die Klägerin somit ihren Leiharbeitnehmern den equal-pay-Anspruch nicht vorsätzlich vorenthalten. Er ist bereits gar nicht entstanden. Wie sich die Rechtslage ab 29. April 2011 darstellt, ist hier unerheblich, weil nur die Zeit bis Ende 2009 im Streit ist.

Da sich die Klägerin keinem equal-pay-Anspruch ihrer Leiharbeitnehmer ausgesetzt gesehen hat, kann ihr auch nicht der Vorwurf gemacht werden, bewusst die zusätzlichen Gesamtsozialversicherungsbeiträge vorenthalten zu haben. Daran könnte allenfalls dann gedacht werden, wenn die Klägerin gewusst hätte, dass auch in solchen Konstellationen wegen des in der Sozialversicherung geltenden Entstehungsprinzips Beiträge zu entrichten sind. Das Gericht sieht dafür, insbesondere für die Zeit vor dem 1. Januar 2008 (auf die es hier ausschließlich ankommen, siehe oben) nicht den geringsten Hinweis. Zwar muss allen Arbeitgebern klar sein, dass in der Sozialversicherung das Entstehungsprinzip gilt und nicht das im Steuerrecht geltende Zuflussprinzip. Es ist jedoch nahezu unbekannt und zudem heftig umstritten, dass das Entstehungsprinzip auch für die antragsabhängigen Lohnansprüche nach § 10 Abs. 4 AÜG alte Fassung dergestalt gilt, dass für das Entstehen der Sozialversicherungsansprüche auf den Zeitpunkt der lohnauslösenden Arbeit unabhängig von der späteren Geltendmachung von Lohndifferenzen durch den Arbeitnehmer abzustellen ist.

Auch wenn die Klägerin diese Rechtsauslegung nicht kennen musste, folgt das Gericht der diesbezüglichen Rechtsprechung. Nach der Rechtsprechung des BSG (vgl. Urteil vom 14.7.204, B 12 KR 7/04 R) entsteht der Anspruch nach dem Entstehungsprinzip unabhängig davon, ob der Arbeitnehmer das Arbeitsentgelt verlangt hat oder es rechtlich noch oder nicht mehrverlangen könnte. Von der Fortgeltung dieser Rechtsprechung geht das Gericht aus, auch wenn das BSG seinerzeit nicht über Lohnansprüche zu befinden hatte, die erst mit Geltendmachung entstehen.

Auf die Frage, ab wann die Klägerin von der Tarifunfähigkeit der CGZP ausgehen musste, kommt es deshalb nicht an. Von der Tarifunfähigkeit der CGZP seit Gründung geht nach der mittlerweile nicht mehr ernsthaft in Frage gestellten arbeitsgerichtlichen Rechtsprechung auch das erkennende Gericht aus. Auf eine ausführliche Begründung kann verzichtet werden, weil erkennbar auch die Klägerin dies nicht mehr bestreitet.

Daraus ergibt sich der von der Beklagten geltend gemachte Beitragsanspruch für die Zeit ab Fälligkeit 1. Januar 2008 dem Grunde nach.

Es handelt sich dabei nicht um den equal-pay-Anspruch aus § 10 Abs. 4 Arbeitnehmerüberlassungsgesetz, also auf Zahlung des Lohns entsprechend den im Betrieb des Entleihers für einen vergleichbaren Arbeitnehmer geltenden Arbeitsbedingungen. Vielmehr handelt es sich um eine daraus abgeleitete Verpflichtung zur Zahlung von Gesamtsozialversicherungsbeiträgen in der Höhe, die für den konkreten Leiharbeitnehmer angefallen wären, wenn er Arbeitnehmer im Entleiherbetrieb gewesen wäre. Es verbietet sich deshalb die von der Beklagten angestellte Berechnung nur auf der Grundlage der Differenz der Stundenlöhne für die geleistete Arbeit im Entleiherbetrieb. Abzustellen ist auf den Gesamtzeitraum der Arbeitnehmerüberlassung. Dieser Zeitraum ist taggenau zu bestimmen. Es kommt nicht auf die Stunde des Beginns und des Endes der Arbeit im Entleiherbetrieb an. Für diesen Zeitraum sind die fiktiven equal-pay-Ansprüche der jeweiligen Leiharbeitnehmer nach den mittlerweile konkretisierten Vorgaben des Bundesarbeitsgerichts zu ermitteln. Wegen der faktischen Unmöglichkeit, einen vergleichbaren Arbeitnehmer zu finden und dessen Stundenlohn konkret zu benennen, ist es der Beklagten nicht verwehrt, auf eine Schätzung zurückzugreifen. Diese Schätzung muss in sich stimmig sein, was insbesondere dann der Fall ist, wenn sie wie hier mit der Klägerin abgestimmt ist. Die im Bescheid angegebenen Vergleichsentgelte dürfen deshalb zugrunde gelegt werden.

Aus dem so ermittelten equal-pay-Lohn sind die sich daraus ergebenden Gesamtsozialversicherungsbeiträge zu berechnen. Diese sind den von der Klägerin für den betreffenden Arbeitnehmer im konkreten Zeitraum bereits gezahlten Gesamtsozialversicherungsbeiträge gegenüber zu stellen. Nur die daraus sich ergebenden Differenzbeträge können nachgefordert werden.

Säumniszuschläge fallen wegen des Anerkenntnisses der Beklagten nicht an.

Die Kostenentscheidung ergibt sich aus der geschätzten verbleibenden Beitragsforderung im Verhältnis zur ursprünglichen Forderung. Der Streitwert bestimmt sich nach der Beitragsforderung im Widerspruchsbescheid.