Finanzgericht Niedersachsen
v. 03.01.1995, Az.: IV 513/90
Bibliographie
- Gericht
- FG Niedersachsen
- Datum
- 03.01.1995
- Aktenzeichen
- IV 513/90
- Entscheidungsform
- Gerichtsbescheid
- Referenz
- WKRS 1995, 34205
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:FGNI:1995:0103.IV513.90.0A
Fundstelle
- EFG 1995, 882-883 (Volltext mit amtl. LS)
In dem Rechtsstreit
hat der IV. Senat unter Mitwirkung des Vorsitzenden Richters am Finanzgericht ... und der Richter am Finanzgericht ... am 3. Januar 1995 für Recht erkannt:
Tenor:
Unter Aufhebung des Einspruchsbescheides vom 6. September 1990 und Änderung des Einkommensteuerbescheides 1988 vom 24. Februar 1993 wird die Einkommensteuer von 12. 850 DM auf 12. 216 DM herabgesetzt.
Der Beklagte hat die Kosten zu tragen.
Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe der an den Kläger zu erstattenden Kosten abwenden, wenn nicht der Kläger zuvor Sicherheit Leistet.
Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand:
Streitig ist, ob vor der erstmaligen Wohnungsnutzung entstandene (Finanzierungs-) Aufwendungen i.S.d. § 10e Abs. 6 Einkommensteuergesetz (EStG) um einen vom Arbeitgeber gemäß § 3 Nr. 68 EStG steuerfrei gewährten Zinszuschuß zu kürzen sind.
Zusammen mit seiner Ehefrau erwarb der Kläger zum 1. Januar 1989 ein Einfamilienhaus, das er ab 20. Januar 1989 selbst bewohnte. Für dieses Einfamilienhaus hatte der Kläger bereits im Jahre 1988 (vorweggenommene) Finanzierungskosten i.S.d. § 10e Abs. 6 EStG von 17.175,40 DM. Deshalb zahlte der Arbeitgeber des Klägers diesem im Jahre 1988 zusätzlich zu seinem steuerpflichtigten Arbeitslohn einen steuerfreien Zinszuschuß gemäß § 3 Nr. 68 EStG von 2.000,00 DM.
Bei der Einkommensteuerveranlagung 1988 kürzte der Beklagte die ansonsten unstreitigen Finanzierungsaufwendungen um 2.000,00 DM und zog gemäß § 10e Abs. 6 EStG nur einen Betrag von 15.176,00 DM wie Sonderausgaben ab.
Den dagegen vom Kläger eingelegten Einspruch wies der Beklagte durch Bescheid vom 6. September 1990 als unbegründet zurück.
Hiergegen richtet sich die zu entscheidende Klage.
Nach Auffassung des Klägers scheidet auch der dafür allein in Betracht kommende § 3c EStG als Rechtsgrundlage für eine Aufwendungs-Kürzung aus, weil der Zinszuschuß im Rahmen einer von der angestrebten Eigennutzung des Hauses völlig getrennt zu sehenden Leistungsbeziehung gezahlt worden ist, zwischen dem Zinszuschuß als zusätzlichem steuerfreien Arbeitslohn und den Finanzierungs-Aufwendungen also kein unmittelbarer wirtschaftlicher Zusammenhang i.S.d. § 3c EStG bestand.
Der Kläger beantragt sinngemäß,
unter Aufhebung des Einspruchsbescheides vom 6. September 1990 und Änderung des Einkommensteuerbescheides 1988 vom 24. Februar 1993 weitere (vorweggenommene) Aufwendungen i.S.d. § 10e Abs. 6 EStG von 2.000,00 DM zu berücksichtigen.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Nach seiner Auffassung sind die (vorweggenommenen) Zinsaufwendungen um den steuerfreien Arbeitgeberzuschuß von 2.000,00 DM zu kürzen, weil angeblich der Gesetzgeber auch nach Inkrafttreten des § 3 Nr. 68 EStG die bis dahin praktizierte "steuerlich neutrale" Behandlung des Arbeitgeberzuschusses beibehalten wollte. Bis zum 1. Januar 1987 sei dieses Ergebnis dadurch erreicht worden, daß einerseits der Arbeitgeberzuschuß gemäß Abschnitt 50 Abs. 2 Nr. 5 Lohnsteuerrichtlinien 1984 nicht Lohnsteuerpflichtig gewesen sei und andererseits die als Werbungskosten bei den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung (v+v) abziehbaren Zinsaufwendungen gemäß Abschnitt 163 Abs. 2 Satz 4 Einkommensteuerrichtlinien 1984 um den Arbeitgeberzuschuß gekürzt wurden. Nachdem die Eigennutzung des Wohnhauses nicht mehr als Einkünfte aus V+V besteuert werden sollte, und deshalb auch die Finanzierungsaufwendungen nicht mehr als Werbungskosten steuermindernd berücksichtigt werden konnten, habe (zum Ausgleich) der Gesetzgeber den Arbeitgeberzuschuß durch § 3 Nr. 68 EStG einkommensteuerfrei gestellt. Das angeblich vom Gesetzgeber weiterhin gewollte "neutrale Ergebnis" würde aber im Kern verändert, wenn unberücksichtigt bliebe, daß sich die Finanzierungsaufwendungen zwar nicht mehr als Werbungskosten, wohl aber wie Sonderausgaben auch weiterhin steuermindernd auswirken, würden also die Finanzierungaufwendungen nicht um den Arbeitgeberzuschuß von 2.000,00 DM gekürzt, würde aus einem bislang "neutralen" Ansatz eine vom Gesetzgeber so nicht gewollte steuerliche Begünstigung. Entsprechend dem gesetzgeberischen willen müßten deshalb die (vorweggenommenen) Finanzierungsaufwendungen um den Arbeitgeberzuschuß gekürzt werden. Entsprechendes folge auch aus dem Schreiben des Bundesministers der Finanzen vom 25. Oktober 1990 IV B 3 - S 2225a - 115/90 (BStBl I 1990, 626; der Betrieb 1990, 2291, 2296), wo im Abs. 50 Satz 4 ausgeführt werde, daß "Schuldzinsen, die auf die Zeit vor der erstmaligen Nutzung der eigenen Wohnung zu eigenen Wohnzwecken entfallen, im Veranlagungszeitraum der Zahlung - ggf. nach Kürzung um Zuschüsse- wie Sonderausgaben abgezogen werden können".
Die Pflicht zur Kürzung ergebe sich schließlich auch aus dem Urteil des BFH vom 27. September 1963 VI 123/62 U, BStBl III, 536, wonach von (dort Kirchensteuer-) "Aufwendungen" nur gesprochen werden könne, wenn Ausgaben nicht im selben Veranlagungszeitraum wiedererstattet würden.
Der angefochtene Einkommensteuerbescheid vom 29. Januar 1990 wurde während des Klageverfahrens vom Beklagten durch Bescheid vom 24. Februar 1993 geändert. Der Kläger beantragte fristgerecht gemäß § 68 FGO, den Änderungsbescheid zum Gegenstand des Verfahrens zu machen.
Zum Sachverhalt wird ergänzend auf die Steuerakten (St.-Nr.: ...) und die Gerichtsakte verwiesen.
Gründe
Die Klage ist begründet.
Die vom Kläger für die Anschaffung des Einfamilienhauses in 1988 aufgewendeten (vorweggenommenen) Finanzierungskosten von 17.176,00 DM sind unstreitig dem Grunde nach gemäß § 10e Abs. 6 Satz 1 EStG wie Sonderausgaben abziehbar und entgegen der Auffassung des Beklagten (auch) nicht (nach § 3c EStG) um den gemäß § 3 Nr. 68 EStG gezahlten steuerfreien Arbeitgeberzinszuschuß von 2.000,00 DM zu kürzen.
Zum einen belegt gerade das vom Beklagten herangezogene Urteil VI 123/62 U, daß es keinen Grundsatz gibt, wonach "Aufwendungen" im Einkommensteuerrecht nur solche sind, die im Veranlagungsjahr wirklichzu einem Einkommensschwund geführt haben. Wenn nämlich zu Aufwendungen Beihilfen "von dritter Seite" geleistet werden, sollen die Aufwendungen nicht um die Beihilfen zu kürzen sein. Im hier zu entscheidenen Fall werden aber die Finanzierungskosten gerade nicht von den Finanzierungsgläubigern zurückerstattet, sondern vielmehr vom Arbeitgeber des Klägers als "Dritten" bezuschußt.
Auch nach § 3c EStG ist die Kürzung nicht gerechtfertigt. Nach dieser Rechtsnorm dürfen Ausgaben, soweit sie mit steuerfreien Einnahmen in unmittelbarem wirtschaftlichen Zusammenhang stehen, nicht als Betriebsausgaben oder Werbungskosten abgezogen werden. Zwar sollen die hier gemäß § 3 Nr. 68 EStG gezahlten Zinszuschüsse des Arbeitgebers des Klägers entsprechend dem Urteil des BFH vom 27. April 1993 IX R 26/92, BStBl II, 784, mit den vom Kläger geltend gemachten (vorweggenommenen) Finanzierungsaufwendungen i.S. von § 3 c EStG in einem unmittelbaren wirtschaftlichen Zusammenhang stehen. Da hier aber die Finanzierungs-Ausgaben nicht als (Betriebsausgaben oder) Werbungskosten, sondern wie Sonderausgaben abziehbar sind, fehlt es an den Voraussetzungen, um die Finanzierungs-Ausgaben gemäß § 3c EStG um den steuerfreien Arbeitgeberzinszuschuß zu kürzen. Für den Fall, daß die Zinsaufwendungen weiterhin nach § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 1 in Verbindung mit § 21 Abs. 2 Satz 1 erste Alternative und §§ 2 Abs. 21 (Große Übergangsregelung) als Werbungskosten bei den Einkünften aus V+V abgezogen werden können und nur der unmittelbare wirtschaftliche Zusammenhang zwischen den Finanzierungs-Ausgaben und dem steuerfreien Arbeitgeberzinszuschuß im Streit ist, soll es also nach Auffassung des Bundesfinanzhofs in seinem Urteil IX R 26/92 a.a.O., bei dem angeblich vom Gesetzgeber gewellten "neutralen" Ergebnis bleiben, und sollen die Zinsaufwendungen um den Arbeitgeberzuschuß zu kürzen sein. Dieses Ergebnis Läßt sich aber nicht im hier zu entscheidenden Fall halten, wo der Kläger nicht die Übergangsregelung gewählt hat und deshalb keine Werbungskosten (aus V+V) mehr abziehen kann. Hier kann dann zwar nicht mehr von einem "neutralen" Ergebnis, sondern muß erstmalig von einer wirklichen steuerlichen Begünstigung gesprochen werden. Dieses Ergebnis entspricht aber der gesetzgeberischen Absicht, weil davon auszugehen ist, daß der Gesetzgeber in Kenntnis des § 3 Nr. 68 EStG bewußt und gewollt den § 3c EStG textlich unverändert beließe als er den Abzug von Finanzierungsaufwendungen nunmehr wie Sonderausgaben gemäß § 10e Abs. 6 Satz 1 EStG gestattete. (Da es nicht Aufgabe von Richtlinien als Verwaltungsvorschriften ohne Rechtsnormcharakter ist über die Steuerfreiheit oder -pflicht von Beträgen zu befinden, sind solche Richtlinien und die Kenntnis davon für die hier notwendige Gesetzesauslegung ohne Bedeutung!)
Da seinerzeit die Frage, ob künftig Haus-Finanzierungsaufwendungen weiterhin überhaupt und wenn ja im Einkünftesystem als Werbungskosten oder wie Sonderausgaben berücksichtigt werden sollen, gerade im Zentrum der allgemeinen Diskussion stand, kann nicht davon ausgegangen werden, daß der Gesetzgeber die steuerlichen Konsequenzen nicht bedacht und deshalb irrtümlich versäumt hätte, § 3c EStG um das Wort Sonderausgaben zu ergänzen. § 3c EStG enthält also keine Lücke, die es dem Gericht gestatten würde, entgegen dem formulierten Wortlaut (und wohl auch entgegen dem nach Ansicht des BFH - vgl. Urteil vom 12. März 1993 VI R 20/92, BStBl II, 881, 882 - von § 3 Nr. 68 EStG verfolgten Begünstigungszweck) und zum Nachteil des Klägers auch wie Sonderausgaben abziebare Finanzierungsaufwendungen gemäß § 3c EStG um nach § 3 Nr. 68 steuerfreie Arbeitgeberzuschüsse zu kürzen (so im Ergebnis auch Heisel, NwB 11/1990, Fach 3, Seiten 7325, 7330 m.w.N. unter Nr. 27).
Dieses Ergebnis stimmt auch mit der allseits für richtig befundenen Auffassung überein, daß Sonderausgaben nur dann um Zuschüsse zu kürzen sind, wenn dies ausdrücklich im Gesetz geregelt ist (vgl. Urteil des BFH vom 4. März 1977 VI R 168/75, BStBl II, 503). Im Bereich der Sonderausgaben ist gemäß § 10 Abs. 2 Nr. 2 EStG nur bei Vorsorgeaufwendungen i.S. des Abs. 1 Nr. 2 u. 3 EStG eine Nichtberücksichtigung vorgesehen, sofern sie in umittelbarem wirtschaftlichen Zusammenhang mit steuerfreien Einnahmen stehen. Bei den in § 10e Abs. 6 Satz 1 EStG geregelten (vorweggenommenen) Finanzierungsaufwendungen handelt es sich aber nicht um solche Vorsorgeaufwendungen.