Finanzgericht Niedersachsen
Urt. v. 12.01.1995, Az.: V 37/94
Verpachtung eines landwirtschaftlichen Betriebes an den Ehemann; Gründung einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts zur gemeinsamen Bewirtschaftung eines landwirtschaftlichen Betriebes; Überlassung einer Milchquote; Vorsteuerabzug aus dem Bezug einer Milchquote
Bibliographie
- Gericht
- FG Niedersachsen
- Datum
- 12.01.1995
- Aktenzeichen
- V 37/94
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 1995, 30386
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:FGNI:1995:0112.V37.94.0A
Rechtsgrundlagen
- § 15 Abs. 1 UStG
- § 3 Abs. 9 UStG
Fundstelle
- EFG 1996, 781-782 (Volltext mit amtl. LS)
Verfahrensgegenstand
Einbringung von Milchquoten und Feldinventar bei Gesellschaftsgründung
Umsatzsteuer 1989
Der V. Senat des Niedersächsischen Finanzgerichts hat
nach mündlicher Verhandlung
in der Sitzung vom 12. Januar 1995,
an der mitgewirkt haben:
1. Vizepräsidentin des Finanzgerichts ...
2. Richter am Finanzgericht ...
3. Richter am Finanzgericht ...
4. ehrenamtlicher Richter ... Geschäftsführender Gesellschafter
5. ehrenamtliche Richterin ... Bibliotheks-Angestellte
für Recht erkannt:
Tenor:
Die Klage wird abgewiesen.
Die Klägerin trägt die Kosten.
Der Streitwert wird auf 35.537,- DM festgesetzt.
Tatbestand
Die Gesellschafterin der Klägerin D. S. verpachtete mit Vertrag vom 30. Juni 1982 ihren landwirtschaftlichen Betrieb an ihren Ehemann E. S. Der Pachtvertrag wurde zunächst auf die Dauer von 12 Jahren geschlossen. Mit Gesellschaftsvertrag vom 30. Juni 1989 gründeten die Eheleute D. und E. S. die Klägerin, eine Gesellschaft bürgerlichen Rechts (GbR). Zweck der Klägerin sollte die gemeinsame Bewirtschaftung des landwirtschaftlichen Betriebes sein. In § 4 des Gesellschaftsvertrages vereinbarten die Gesellschafter eine Regelung über die von ihnen zu erbringenden Einlagen. Danach sollte D. S.
- die Nutzung des Grund und Bodens und der Gebäude zu Buchwerten, wie sie laut Aufstellung zum 30. Juni 1989 festgestellt sind,
- die restlichen Aktiva und Passiva als Vermögen der Gesellschaft gleichfalls zu Buchwerten laut Aufstellung zum 30. Juni 1989,
- sowie die eigene Arbeitskraft und E. S.
- die Aktiva und Passiva als Vermögen der Gesellschaft zu Buchwerten laut Aufstellung zum 30. Juni 1989,
- die Rechte und Pflichten der bereits bestehenden Verträge und
- die eigene Arbeitskraft
einbringen.
Die in § 6 des Gesellschaftsvertrages getroffene Gewinnverteilungsabrede räumte D. S. einen Vorweggewinn von 12.000 DM für die Überlassung des Grund und Bodens ein. Im übrigen sollte das Betriebsergebnis zu 40 % D. S. und zu 60 % E. S. zustehen. An etwaigen stillen Reserven sollten die Gesellschafter im selben Verhältnis beteiligt sein. Wegen der gesellschaftsvertraglichen Vereinbarungen im übrigen wird auf den zu den Steuerakten gelangten Gesellschaftsvertrag vom 30. Juni 1989 Bezug genommen.
Unter dem 11. Juli 1989 stellte E. S. der Klägerin die Überlassung einer Milchquote mit 310.700 DM zuzüglich 24.856 DM Umsatzsteuer in Rechnung. Unter demselben Datum erteilte D. S. der Klägerin eine Rechnung unter anderem über die Lieferung von Feldinventar, in der sie Umsatzsteuer in Höhe von 10.681 DM gesondert auswies.
Mit Schriftsatz vom 2. August 1989 verzichtete die Klägerin gemäß § 24 Abs. 4 Umsatzsteuergesetz (UStG) auf die Besteuerung nach Durchschnittssätzen. Im Rahmen einer Umsatzsteuersonderprüfung für das 3. Quartal 1989 ließ der Prüfer den Vorsteuerabzug aus der Rechnung über das Feldinventar nicht zum Abzug zu. Die Klägerin verzichtete deshalb in ihrer Umsatzsteuererklärung für 1989, mit der sie Vorsteuern in Höhe von 76.708,85 DM in Anspruch nahm, auf den Vorsteuerabzug aus dem Bezug des Feldinventars. Der Beklagte folgte der Umsatzsteuererklärung nicht und ließ auch den geltend gemachten Vorsteuerabzug aus dem Bezug der Milchquote in Höhe von 24.856 DM nicht zum Abzug zu.
Hiergegen richtet sich nach erfolglosem Einspruchsverfahren die Klage, mit der die Klägerin den Vorsteuerabzug aus dem Bezug der Milchquote begehrt. Außerdem macht sie darüber hinaus nunmehr auch den Vorsteuerabzug aus dem Bezug des Feldinventars geltend.
Die Klägerin vertritt die Auffassung, sowohl das Feldinventar als auch die Milchquote seien verkehrsfähige Wirtschaftsgüter, die Gegenstand eines Leistungsaustausches sein könnten. Die Einbringung dieser Wirtschaftsgüter sei im Gesellschaftsvertrag vom 30. Juni 1989 vereinbart gewesen. Bei der Einbringung habe es sich um entgeltliche Leistungen ihrer Gesellschafter gehandelt, für die sie, die Klägerin, als Gegenleistung Gesellschaftsrechte gewährt und kurzfristige Verbindlichkeiten übernommen habe. Sowohl das Feldinventar als auch die Milchquote seien nur deshalb bilanziell nicht berücksichtigt worden, weil sie ertragsteuerlich zum Buchwert eingebracht worden seien. Da aber ertragsteuerlich auf eine Aktivierung verzichtet werden dürfe, müsse dies für die Umsatzsteuer ebenfalls gelten. Andernfalls käme es aus rein umsatzsteuerlichen Gründen zur Aufdeckung stiller Reserven.
Die Klägerin beantragt,
die Umsatzsteuer 1989 auf minus 80.754,30 DM festzusetzen.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Er ist der Ansicht, der Klägerin stehe der Vorsteuerabzug aus der Lieferung des Feldinventars und der Milchquote nicht zu. In beiden Fällen fehle es an einem entgeltlichen Leistungsaustausch, weil keine auf den Austausch von Leistungen gegen Entgelt gerichteten konkreten Leistungsbeziehungen zwischen der Klägerin und ihren Gesellschaftern bestanden hätten. Es sei unklar, welche Gesellschaftsrechte für die Einbringung des Feldinventars und der Milchquote hätten übertragen worden sein sollen. Auch seien diese Wirtschaftsgüter weder in der Bilanz der einbringenden Gesellschafter noch in der Bilanz der Klägerin ausgewiesen worden. Die allgemeine Beteiligung am Gewinn und Verlust der Gesellschaft reiche als Entgelt für die Einbringung des Feldinventars und der Milchquote nicht aus.
Im Hinblick auf das Vorbringen der Beteiligten im übrigen wird auf die Steuerakten zu Steuernummer ... sowie die Gerichtsakten Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
Die Klage ist unbegründet.
Der Klägerin steht der Vorsteuerabzug weder aus dem Bezug des Feldinventars noch aus dem der Milchquote zu. Gemäß § 15 Abs. 1 UStG kann ein Unternehmer die ihm von einem anderen Unternehmer in Rechnung gestellten Steuern für Lieferungen oder sonstige Leistungen, die für sein Unternehmen ausgeführt worden sind, als Vorsteuerbeträge abziehen. Es haben aber weder die Einbringung des Feldinventares noch die der Milchquote einen für die Berechtigung zum Vorsteuerabzug unerläßlichen Leistungsaustausch gegen Entgelt dargestellt.
Zwar hat E. S. durch die Einbringung des von ihm gepachteten Betriebes der Klägerin die Milchreferenzmenge (Milchquote) übertragen. Hierbei hat es sich um eine sonstige Leistung im Sinne des § 3 Abs. 9 UStG in Gestalt einer Rechtsübertragung gehandelt. Gemäß Artikel 7 Nr. 1 der Verordnung (EWG) Nr. 1546/88 (VO Nr. 1546/88) der Kommission vom 3. Juni 1988 wird die Milchreferenzmenge im Falle des Verkaufs, der Verpachtung oder der Vererbung des gesamten Betriebes voll auf den den Betrieb übernehmenden Erzeuger übertragen. Das gilt auch für die Einbringung eines landwirtschaftlichen Betriebes im Rahmen einer Gesellschaftsgründung, weil Artikel 7 Nr. 1 und Nr. 2 VO Nr. 1546/88 gemäß Artikel 7 Nr. 3 VO Nr. 1546/88 auf andere Übertragungsfälle entsprechend anwendbar sind. Der darin zum Ausdruck kommende Grundsatz der Betriebsakzessorietät führt dazu, daß die Übertragung des landwirtschaftlichen Betriebes auf die Klägerin auch die Übertragung der Milchquote umfaßt hat (vgl. Urteil des BFH vom 17. März 1994 V R 39/92, BStBl II 1994, 538, 541).
Entsprechendes gilt für das Feldinventar, dessen Übertragung zivilrechtlich eine Aneignungsgestattung im Sinne des § 956 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) und damit ebenfalls eine Rechtsübertragung darstellt. Dabei mag es dahingestellt bleiben, ob diese sonstige Leistung von D. S. gemäß § 956 Abs. 1 BGB durch die Übertragung des Grund und Bodens zur Nutzung oder durch E. S. gemäß § 956 Abs. 2 BGB durch die Übertragung des ihm verpachteten landwirtschaftlichen Betriebes und des damit verbundenen Rechtes zur Fruchtziehung erbracht worden ist.
Sowohl im Hinblick auf die Milchquote als auch bezüglich des Feldinventares fehlt es an dem für die Berechtigung zum Vorsteuerabzug unentbehrlichen Entgelt. Ein entgeltlicher Leistungsaustausch zwischen einer Gesellschaft und ihren Gesellschaftern setzt die Vereinbarung und Leistung eines Sonderentgeltes voraus (Urteil des BFH vom 17. März 1994 V R 39/92, BStBl II 1994, 538, 540 m.w.N.). Im Gesellschaftsvertrag vom 30. Juni 1989 sind keine Vereinbarungen über ein Entgelt für die Einbringung des Feldinventars und der Milchquote getroffen worden. Der Gesellschaftsvertrag erwähnt das Feldinventar und die Milchquote vielmehr überhaupt nicht. Die mit der Betriebsübertragung rechtlich einhergehende Einbringung dieser Wirtschaftsgüter ist deshalb durch die in § 6 des Gesellschaftsvertrages geregelte allgemeine Beteiligung am Gewinn und Verlust abgegolten. Einen Vorabgewinn für die Überlassung des Feldinventars und der Milchquote, der als Sonderentgelt in Frage kommen könnte, sieht die Gewinnverteilungsvereinbarung gerade nicht vor.
Es ist auch tatsächlich kein Sonderentgelt durch die Klägerin erbracht worden. Insbesondere hat sie ihren Gesellschaftern keine Gesellschaftsrechte als Sonderentgelt übertragen. Es gibt keine gesellschaftsvertragliche Regelung über die Einräumung bestimmter Gesellschaftsrechte für das Feldinventar und die Milchquote. Die allgemeine Beteiligung am Gewinn und Verlust stellt kein Sonderentgelt dar (vgl. Urteil des Finanzgerichts Baden-Württemberg, Außensenate Stuttgart, vom 1. September 1993 12 K 72/92, EFG 1994, 499 [FG Niedersachsen 04.08.1993 - VI 505/85]). Auch der Hinweis der Klägerin auf eine Einbringung zu Buchwerten geht ins Leere. Der Gesellschaftsvertrag vom 30. Juni 1989 sieht eine Einbringung des Feldinventars und der Milchquote zu Buchwerten nicht vor. Diese Wirtschaftsgüter haben auch weder Eingang in die Bilanz der Klägerin noch in die Kapitalkonten ihrer Gesellschafter gefunden. Es kommt nicht darauf an, ob es der Klägerin und ihren Gesellschaftern ertragsteuerlich freigestanden hat, diese Wirtschaftsgüter bilanziell zu berücksichtigen. Entscheidend ist, daß sich auch aus der bilanziellen Behandlung keine Anhaltspunkte dafür ergeben, daß die Klägerin ihren Gesellschaftern Rechte übertragen hat, die als Sonderentgelt in Betracht zu ziehen sein könnten.
Auch der Hinweis auf etwaige Liquidationsansprüche der Gesellschafter im Falle der Auflösung der Klägerin gibt keinen Anhaltspunkt für die Leistung eines Sonderentgeltes. Es ist fraglich, ob den Gesellschaftern der Klägerin für die Einbringung des Feldinventares und der Milchquote im Falle der Liquidation überhaupt besondere Ansprüche zustehen würden, weil bei der Gründung der Klägerin keine gesonderten Vereinbarungen über diese Wirtschaftsgüter getroffen worden sind. Die Frage kann aber dahingestellt bleiben, weil jedenfalls die nur möglicherweise in der Zukunft liegende Entstehung eines Liquidationsanspruches kein Sonderentgelt ist.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 135 Abs. 1 Finanzgerichtsordnung (FGO).
Streitwertbeschluss:
Der Streitwert wird auf 35.537,- DM festgesetzt.
Die Streitwertfestsetzung ergibt sich aus §§ 13 Abs. 2, 25 Abs. 2 Gerichtskostengesetz (GKG).