Finanzgericht Niedersachsen
Urt. v. 23.01.1995, Az.: VIII 323/92
Unterhalten mehrerer Gewerbebetriebe durch eine natürliche Person; Vorliegen unselbständiger Betriebsteile eines einheitlichen Gewerbebetriebes; Vorliegen mehrerer selbständiger Gewerbebetriebe; Einkommensteuerrechtlicher Begriff des Teilbetriebes; Wirtschaftliche, finanzielle und organisatorische Eigenständigkeit eines Betriebes; Getrennte Buchführung als Argument für die Eigenständigkeit eines Betriebes; Eigenständige Eintragung in das Handelsregister als Argument für die Eigenständigkeit eines Betriebes; Räumliche Entfernung zweier Betriebsstätten als Argument für die Eigenständigkeit eines Betriebes
Bibliographie
- Gericht
- FG Niedersachsen
- Datum
- 23.01.1995
- Aktenzeichen
- VIII 323/92
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 1995, 19703
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:FGNI:1995:0123.VIII323.92.0A
Rechtsgrundlagen
- § 2 GewStG
- § 2 Abs. 1 S. 2 GewStG
Fundstelle
- EFG 1995, 682-683
In dem Rechtsstreit
hat der VIII. Senat des Niedersächsischen Finanzgerichts
im Einverständnis der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung am 23. Januar 1995
durch
den Richter am Finanzgericht ... als Berichterstatter
fürRecht erkannt:
Tenor:
Die Klage wird auf Kosten des Klägers abgewiesen.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten darum, ob der Kläger Inhaber eines einheitlichen oder zweier getrennter Gewerbebetriebe ist.
Der Kläger betreibt seit 1980 als Einzelunternehmer eine Spedition in D. Im Jahre 1983 erwarb er den Güterfernverkehrsbetrieb M. im ca. 20 km entfernten N. Die Bezirksregierung erteilte ihm die erforderliche Güterfernverkehrsgenehmigung unter der Auflage, den Betrieb der Spedition weitere acht Jahre in N. aufrechtzuerhalten.
Der Kläger ließ den Betrieb unter der Bezeichnung "Firma M., Inhaber H. S." als eigenständiges Unternehmen in das Handelsregister eintragen und trat den Berufsverbänden gesondert bei. Er unterhält für beide Bereiche getrennte Buchführungen und erstellt eigenständige Bilanzen. Das Anlagevermögen der Spedition in N. besteht aus einem Fahrzeug, einem Anhänger und der Güterfernverkehrsgenehmigung.
Der Beklagte (das Finanzamt - FA -) setzte für die Streitjahre zunächst die einheitlichen Gewerbesteuermeßbeträge getrennt fest und stellte sie unter den Vorbehalt der Nachprüfung.
Das Finanzamt für Großbetriebsprüfung führte im Jahre 1989 beim Kläger eine Außenprüfung durch, die u.a. auch die Gewerbesteuerfestsetzung für die Jahre 1985 bis 1987 betraf. Dabei stellte der Prüfer fest, daß die Spedition M. keine eigene Geschäftsführung unterhalte. Die Auftragsentgegennahme, die Dispositionen und die Regelung der Fahrereinsätze werde von der Spedition S. durchgeführt. Der Betrieb in N. führe fast ausschließlich Aufträge des Hauptbetriebes in D. durch und erhalte dafür Werbe- und Abfertigungsvergütungen. Die Fahrer würden von der Spedition S. gestellt und je nach Bedarf eingesetzt.
In N. beschäftigt der Kläger eine Aushilfskraft, die den Telefondienst versieht, Post entgegennimmt und Monatszusammenstellungen über die Fahrereinsätze dort erstellt. Für betrieblich genutzte Gebäude und Einrichtungen werden Miet- oder Pachtzahlungen nicht entrichtet.
Das FA hob die Gewerbesteuermeßbetragsbescheide für den Betrieb M. daraufhin auf und rechnete dessen Besteuerungsgrundlagen dem Betrieb S. zu. Durch Bescheide vom 11.01.1990 setzte es nunmehr einheitliche Steuermeßbeträge in Höhe von 11.922 DM für 1983, 14.391 DM für 1984 sowie von 25.501 DM für 1985 fest und hob gleichzeitig den Vorbehalt der Nachprüfung auf.
Der Kläger hat gegen diese Entscheidung Einspruch eingelegt, er gründete den Rechtsbehelf im wesentlichen auf die Ansicht, er betreibe in D. und N. zwei getrennte Gewerbebetriebe. Die gewerblichen Betätigungen an beiden Orten seien nicht wirtschaftlich, finanziell oder organisatorisch miteinander verpflochten. Die Entfernung von 20 km stelle auch bei einer Spedition keine räumliche Nähe dar und sei daher kein Indiz für einen einheitlichen Betrieb. Weiter behauptete der Kläger, der Betrieb M. könne, wie vor dem Erwerb durch ihn geschehen, auch eigenständig betrieben werden. Beide Betriebe träten auch nach außen eigenständig auf.
Das FA wies die Einsprüche des Klägers mit der Begründung zurück, es sei nur ein Gewerbebetrieb gegeben. Von einem einheitlichen Betrieb sei deshalb auszugehen, weil der Kläger seine wirtschaftlichen Aktivitäten bündele, um eine größere Marktwirksamkeit zu erreichen. Weiter vertritt das FA die Auffassung, zwischen den Betrieben bestehe bei Abwägung aller Indizien eine innere Verpflichtung, die eine Eigenständigkeit des Betriebes M. ausschließe. Für eine einheitliche Beurteilung sprächen auch die gleichartige Betätigung in räumlicher Nähe und die Feststellungen des Betriebsprüfungsberichtes. Der Kläger komme mit der Fortführung des Betriebes in N. nur den Bestimmungen des Güterkraftverkehrsgesetzes nach und habe dort lediglich einen telefonischen Ansprechpartner.
Gegen diese Entscheidung wendet sich der Kläger mit seiner Klage, die er auf die bereits im Einspruchsverfahren vorgebrachten Gründe stützt. Ergänzend vertritt er die Ansicht, auf die Geschäftsführungsmaßnahmen des Klägers sei bei der Entscheidung über die Frage eines einheitlichen Betriebes nicht abzustellen, weil sie zwangsläufig aus der Unternehmeridentität folgten.
Der Kläger beantragt sinngemäß,
den Einspruchsbescheid vom 13.04.1992 und die Gewerbesteuermeßbetragsbescheide für die Jahre 1983 bis 1985 in der Fassung vom 11.01.1990 aufzuheben und den Beklagten zu verpflichten, für die Betriebe H. S. in D. und Fa. M., Inhaber H. S. in N., für die genannten Jahre getrennte Gewerbesteuermeßbeträge festzusetzen.
Das FA beantragt,
die Klage abzuweisen.
Es bezieht sich zur Begründung auf den Einspruchsbescheid vom 13.04.1992. Im übrigen stehe, so das FA, der Annahme eines einheitlichen Betriebes auch die Belegenheit in verschiedenen politischen Gemeinden nicht entgegen, weil sich die wirtschaftlichen Beziehungen über deren Grenzen hinaus erstreckten.
Die Beteiligten haben übereinstimmend auf mündliche Verhandlung verzichtet und sich mit der Entscheidung durch den Berichterstatter als Einzelrichter einverstanden erklärt.
Entscheidungsgründe
Die Klage ist nicht begründet.
Das FA hat für die Streitjahre zu Recht jeweils nur einen Gewerbesteuermeßbetragsbescheid gegen den Kläger erlassen, da dieser in D. und in N. einen einheitlichen Gewerbebetrieb unterhält.
Grundsätzlich Kann eine natürliche Person mehrere Gewerbebetriebe unterhalten. Ob bei mehrfacher gewerblicher Betätigung unselbständige Betriebsteile eines einheitlichen Gewerbebetriebes oder mehrere selbständige Gewerbebetriebe vorliegen, ergibt sich weder aus§ 2 Gewerbesteuergesetz, noch aus den über § 2 Abs. 1 Satz 2 Gewerbesteuergesetz entsprechend heranzuziehenden Vorschriften des Einkommensteuergesetzes. Zutreffend Kommt der BFH jedoch in ständiger Rechtsprechung zu dem Ergebnis, daß gleichartige und in räumlicher Nähe ausgeübte gewerbliche Tätigkeiten sowohl einkommensteuerrechtlich wie auch gewerbesteuerrechtlich einen einheitlichen Gewerbebetrieb darstellen (vgl. z.B. BFH, BStBl II 1989, 572; BFH, BStBl II 1989, 901).
Im Streitfall stellt die Spedition des Klägers in N. Kein eigenes gewerbliches Unternehmen dar, weil dieser Betriebsteil gegenüber dem Betrieb in D. nicht vollkommen eigenständig arbeitet. Ein geringerer Grad an Selbständigkeit genügt nicht zur Begründung eines eigenen Gewerbebetriebes. Dies folgt bereits aus dem Vergleich mit dem einkommensteuerrechtlichen Begriff des Teilbetriebes. Ein solcher Teilbetrieb stellt eine allein lebensfähige, organisch geschlossene betriebliche Struktur dar, die mit gewisser Selbständigkeit ausgestattet ist und bleibt dennoch Teil des Gesamtbetriebes, ist also nicht als eigenständiger Betrieb anzusehen (vgl. BFH, BStBl II 1989, 376). Die Trennung zweier Gewerbebetriebe eines Steuerpflichtigen muß demgemäß über dieses Maß noch hinausgehen.
Ein genügendes Maß an Eigenständigkeit ist nur dann gegeben, wenn die unternehmerischen Aktivitäten nicht wirtschaftlich, finanziell oder organisatorisch innerlich zusammenhängen, die Betriebe also nebeneinander am Wirtschaftsleben teilnehmen, wobei die Verbindung im wesentlichen nur in der Person des Gewerbetreibenden besteht (BFH, BStBl II 1989, 901).
Für einen einheitlichen Gewerbebetrieb des Klägers spricht im Streitfall zunächst die Gleichartigkeit der Tätigkeit als Spediteur. Weiterhin läßt vor allem das Fehlen einer eigenen Geschäftsführung in N. auf einen organisatorischen Zusammenhang schließen. Nach den unwidersprochen gebliebenen Feststellungen der Betriebsprüfung werden die betrieblichen Aktivitäten weitgehend von D. aus gesteuert. Insbesondere werden die Aufträge vom Hauptbetrieb entgegengenommen, von wo auch die Fahrer jeweils nach Bedarf gestellt werden. Diese Verflechtungen beruhen nicht nur auf der Personenidentität des Firmeninhabers, da für die Spedition in N. tatsächlich keine wesentlichen, vom Hauptbetrieb unabhängigen Dispositionen getroffen werden und diese auch nicht über die zur Durchführung erforderlichen Arbeitskräfte verfügt. Eine starke wirtschaftliche Verbindung resultiert daraus, daß die Spedition M. im wesentlichen nur Aufträge aus D. ausführt und daher faktisch vom Hauptbetrieb des Klägers abhängig ist. Die von ihm in N. beschäftigte Aushilfskraft übt nur Tätigkeiten aus, die nicht über Hilfsdienste hinausgehen und für einen unabhängigen Gewerbebetrieb eine völlig ungenügende Betriebsverwaltung darstellen. Berücksichtigt werden muß auch, daß der Kläger aufgrund einer behördlichen Auflage bei der Erteilung der Güterfernverkehrsgenehmigung gehalten war, die betriebliche Struktur in N. beizubehalten und von einer räumlichen Eingliederung in D. zunächst abzusehen, obwohl im Zweigbetrieb in N. nur ein Fahrzeug vorhanden ist.
Demgegenüber sind die vom Kläger angeführten Indizien für einen völlig eigenständigen Betrieb in N. von untergeordneter Bedeutung. Die getrennte Buchführung spricht zwar grundsätzlich für getrennte Betriebe, fällt aber im Streitfall nicht entscheidend ins Gewicht, weil aufgrund der genannten Tatsachen eine tatsächliche wirtschaftliche und organisatorische Verflechtung zurÜberzeugung des Gerichts feststeht. Zudem spiegelt auch die Buchführung die wirtschaftliche Verbindung mit dem Hauptbetrieb wider, da sich im Einlagevermögen nur ein LKW, ein Anhänger und die Fernverkehrsgenehmigung befinden, während weitere für den Betrieb der Spedition notwendige Wirtschaftsgüter, wie etwa eine Büroeinrichtung, nicht bilanziert und im übrigen auch nicht gegen Entgelt angemietet wurden.
Die eigenständige Eintragung ins Handelsregister und der doppelte Beitritt zu den Berufsverbänden hat im wesentlichen formelle Bedeutung. Der Rückschluß auf eine völlige organisatorische Trennung der Betriebsteile ist nur berechtigt, wenn nicht, wie vorliegend, bereits andere Anzeichen für eine erhebliche Verflechtung bestehen.
Schließlich kann auch die räumliche Entfernung der Speditionen nicht zu einer anderen Beurteilung führen. Es kann hier dahinstehen, ob eine Strecke von ca. 20 km und die Gemeindegrenze zwischen beiden beim Betrieb einer Spedition allein schon für das Vorliegen zweier Betriebe sprechen. Die räumliche Nähe ist Indiz für eine Vermischung der Geschäftskreise, vor allem für eineÜberschneidung des angesprochenen Kundenkreises, die auf eine wirtschaftliche Verbindung schließen läßt. Im vorliegenden Fall steht aber fest, daß die Geschäftskreise der Spedition M. nicht wesentlich über diejenigen des Hauptbetriebes hinausgehen, weil die Aufträge überwiegend von dort vermittelt werden.
Nach alldem war die Klage abzuweisen.
Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 135 Abs. 1 FGO.