Finanzgericht Niedersachsen
Urt. v. 10.01.1995, Az.: I 21/89
Bibliographie
- Gericht
- FG Niedersachsen
- Datum
- 10.01.1995
- Aktenzeichen
- I 21/89
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 1995, 34206
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:FGNI:1995:0110.I21.89.0A
Fundstelle
- EFG 1995, 604 (Volltext mit amtl. LS)
In dem Rechtsstreit
wegen Einheitsbewertung und Grundsteuermeßbetrags auf den 1. Januar 1984
hat der I. Senat des Niedersächsischen Finanzgerichts nach mündlicher Verhandlung in der Sitzung vom 10. Januar 1995, an der mitgewirkt haben:
Vorsitzender Richter am Finanzgericht .
Richter am Finanzgericht .
Richter am Finanzgericht .
ehrenamtliche Richterin .
ehrenamtlicher Richter .
für Recht erkannt:
Tenor:
Die Klage wird auf Kosten der Klägerin abgewiesen.
Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand:
Die Parteien streiten über die Frage, ob ein Fahrstuhl in einem Seniorenheim eine Betriebsvorrichtung oder Teil des Gebäudes ist.
Die Klägerin (Kl'in) erwarb im Jahre 1979 ein seinerzeit mit einem Hotel bebautes Grundstück in ., das sie anschließend zu einem Seniorenheim umbaute. Im Jahre 1983 erweiterte sie das Altenwohnheim um einen Anbau und richtete darin u. a. einen Fahrstuhl ein. Der Fahrstuhl führt vom Keller zum Obergeschoß und hat drei Haltestellen. Er hat eine Tragkraft von 600 kg und eine Nutzfläche von 2,80 × 1,60 m. Im Anschluß an die Erweiterung führte das Finanzamt (FA) eine Wertfortschreibung auf den 1. Januar 1984 durch und stellte für das Grundstück einen im Sachwertverfahren ermittelten Wert von 219. 500 DM fest. In diesem Wert ist ein Zuschlag wegen des Fahrstuhls in Höhe von 42. 500 DM enthalten. Der Einspruch gegen diesen Bescheid sowie gegen den entsprechenden Grundsteuermeßbetragsbescheid hatte teilweise Erfolg. Im Einspruchsbescheid vom 13. Dezember 1988 legte das FA für den Anbau eine andere Gebäudeklasse zugrunde und ermäßigte den Fahrstuhlzuschlag auf 24. 150 DM. Dadurch verminderte sich der Einheitswert auf 187. 600 DM. Der Grundsteuermeßbetrag wurde in diesem Umfang ebenfalls herabgesetzt.
Mit ihrer gegen beide Bescheide erhobene Klage wendet sich die Kl'in gegen die Berücksichtigung des Fahrstuhls im Gebäudewert des Einheitswertes. Sie ist der Ansicht, daß der Fahrstuhl eine Betriebsvorrichtung sei und deshalb im Einheitswert des Grundstücks nicht zu erfassen sei. Zu den Betriebsvorrichtungen gehörten nicht nur Maschinen und maschinelle Vorrichtungen, sondern alle Wirtschaftsgüter, mit denen ein Gewerbe unmittelbar betrieben werde. Nach der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) rechneten zu den Betriebsvorrichtungen alle Gegenstände, die in einer besonderen unmittelbaren Beziehung zu dem auf dem Grundstück ausgeübten Gewerbebetrieb stehen. Im Streitfall liege eine derartige besondere Beziehung zwischen dem Fahrstuhl und dem Betrieb des Altenwohn- und Pflegeheimes vor. So werde der Fahrstuhl zunächst als Lastenfahrstuhl genutzt. Mit ihm werde das Mobiliar ein- und ausziehender Bewohner transportiert, pflegebedürftige oder gebrechliche Personen würden darin in liegendem Zustand, z. B. auf Tragen, befördert, der Essenstransport werde dadurch erleichtert und schließlich könne der Fahrstuhl sogar Särge aufnehmen. Daneben diene der Fahrstuhl jedoch auch dem Personenverkehr, wenngleich seine Größe für diesen Zweck nicht ausgelegt sei, weil das Gebäude im Obergeschoß nur acht Zimmer auf weise. Auf die Unterscheidung zwischen einem Lastenfahrstuhl und einem Personenfahrstuhl komme es im Streitfall nicht an. Da auch Heimbewohner den Fahrstuhl nutzten, bestehe selbst beim Personentransport eine unmittelbare Beziehung zum Betrieb des Gewerbes.
Die Kl'in beantragt,
unter Änderung des Einheitswertbescheides -; Wertfortschreibung auf den 1. Januar 1984 -; und des Grundsteuermeßbescheides auf den 1. Januar 1984 -; beide i. d. F. der Einspruchsbescheide vom 13. Dezember 1988 -; den Einheitswert für das Geschäftsgrundstück Mühlenstraße 5 in Visselhövede auf 168. 200 DM und den Grundsteuermeßbetrag auf 588,70 DM herabzusetzen.
Der Beklagte (Bekl.) beantragt,
die Klage abzuweisen.
Er ist der Auffassung, daß der Fahrstuhl Bestandteil des Gebäudes und deshalb im Einheitswert des Grundstücks zu erfassen sei. In die Betriebsvorrichtungen sei er nicht einzubeziehen, weil er nicht in einer so engen Beziehung zum Betrieb des Alten- und Pflegeheimes stehe, daß es unmittelbar damit betrieben werde. Die Tatsache allein, daß die Anlage für den Gewerbebetrieb notwendig sei, mache sie noch nicht zu einer Betriebs Vorrichtung. Nach der Rechtsprechung des BFH seien typische Lastenaufzüge in gewerblich genutzten Gebäuden Betriebsvorrichtungen. Zu den typischen Lastenaufzügen gehörten z. B. Küchenaufzüge in Hotels und Aktenaufzüge in Büro- und Verwaltungsgebäuden. Auch Lastenaufzüge in Kauf- und Warenhäusern seien Betriebsvorrichtungen. Dagegen seien Personenaufzüge in Warenhäusern nach der Rechtsprechung keine Betriebsvorrichtungen. Im Streitfall liege ein typischer Lastenfahrstuhl in diesem Sinne nicht vor. So habe die Kl'in ausweislich der Bauunterlagen nur den Einbau eines Personenaufzugs beantragt. Obwohl darin auch der Transport von Lasten möglich sei, sei Personen die Benutzung ebenfalls gestattet. Für die Beurteilung des Streitfalles komme es deshalb darauf an, welche Nutzung überwiege. Es sei dies die Personenbeförderung, die täglich anfalle. Demgegenüber trete der Lastentransport in den Hintergrund. Zu- und Abgänge von Altenheimbewohnern seien nicht alltäglich zu verzeichnen. Die Nutzung durch die Heimbewohner begründe keine besondere und unmittelbare Beziehung zum Gewerbebetrieb.
Wegen des Vortrags der Parteien im übrigen wird auf den Inhalt ihrer Schriftsätze im Klage- sowie im Vorverfahren verwiesen.
Gründe
I.
Die Klage hat keinen Erfolg.
Das Betriebsgrundstück der Kl'in ist gem. § 99 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 3 Bewertungsgesetz (BewG) wie Grundvermögen zu bewerten. Zum Grundvermögen gehören nach § 68 Abs. 1 Nr. 1 BewG u. a. der Grund und Boden, die Gebäude und die sonstigen Bestandteile. Nach § 68 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 BewG sind in das Grundvermögen nicht einzubeziehen Maschinen und sonstige Vorrichtungen aller Art. die zu einer Betriebsanlage gehören (Betriebsvorrichtung), und zwar auch dann, wenn sie wesentliche Bestandteile sind.
Nach ständiger Rechtsprechung des BFH gehören zu einer Betriebsanlage und somit zu einer Betriebs Vorrichtung nur solche Gegenstände, durch die das Gewerbe unmittelbar betrieben wird (vgl. BFH-Urteile vom 14. August 1958 III 382/57 U, BFHE 67, 325, BStBl III 1958, 400; vom 5. März 1971 III R 90/69, BFHE 102, 107, BStBl II 1971, 455 [BFH 05.03.1971 - III R 90/69]; vom 2. Juni 1971 III R 18/70, BFHE 102, 560, BStBl II 1971, 673 [BFH 02.06.1971 - III R 18/70]; vom 10. Oktober 1990 II R 171/87, BFHE 162, 367, BStBl II 1991, 59, [BFH 10.10.1990 - II R 171/87] und vom 11. Dezember 1991 II R 14/89, BFHE 166, 176, BStBl II 1992, 278 [BFH 11.12.1991 - II R 14/89]). Es genügt nicht, daß die Anlage zu einem gewerblichen Betrieb gehört oder daß sie für die Ausübung des konkret im Gebäude ausgeübten Gewerbebetriebes nützlich, notwendig oder sogar vorgeschrieben ist. Erforderlich ist vielmehr, daß die Anlage in einer besonderen Beziehung zum gegenwärtig im Gebäude ausgeübten Betrieb steht, d. h., ihr in bezug auf die Ausübung des Gewerbebetriebes eine ähnliche Funktion wie einer Maschine zukommt (vgl. BFH-Urteile vom 15. Februar 1980 III R 105/78, BFHE 130, 224, BStBl II 1980, 409 [BFH 15.02.1980 - III R 105/78]; vom 11. Dezember 1987 III R 191/85, BFHE 151, 573, BStBl II 1988, 300 [BFH 11.12.1987 - III R 191/85]). Einen solchen unmittelbaren und besonderen Zusammenhang hat der BFH z. B. zwischen einem Schwimmbecken und einem Hallenbadbetrieb anerkannt (vgl. BFH-Urteil vom 16. Oktober 1980 V R 51/76, BFHE 132, 119, 123, BStBl II 1981, 228 [BFH 16.10.1980 - V R 51/76]), nicht jedoch zwischen einem Schwimmbecken und einem Hotelbetrieb (BFH, BFHE 166, 176, [BFH 11.12.1991 - II R 14/89] BStBl II 1992, 278 [BFH 11.12.1991 - II R 14/89]). Ein typischer Lastenfahrstuhl in einem gewerblichen Gebäude ist als Betriebs Vorrichtung eingestuft worden (BFH-Urteil vom 7. Oktober 1977 III R 48/76, BFHE 124, 77, BStBl II 1978, 186 [BFH 07.10.1977 - III R 48/76]), nicht aber ein Personenfahrstuhl in einem Warenhaus, weil der Verkauf von Waren nicht mittels Personenaufzügen betrieben wird (BFH, BFHE 102, 107, BStBl II 1971, 455 [BFH 05.03.1971 - III R 90/69]). Diesen Grundsätzen schließt sich der Senat an.
Im Streitfall ist der Fahrstuhl Bestandteil des Gebäudes. Dieser Erkenntnis liegt die Überzeugung zugrunde, daß der Aufzug überwiegend -; wie der Bekl. vorgetragen und die Kl'in nicht widersprochen hat -; von den Heimbewohnern genutzt wird, um ins Erd- oder Obergeschoß des Hauses zu gelangen. Damit ist der Fahrstuhl für den Betrieb der Kl'in nützlich und für den Fall sogar notwendig, daß gehbehinderte Personen in dem Heim wohnen. Nach Tragkraft und Ausmaß können in ihm Lasten und Personen stehend, sitzend und liegend befördert werden. Das allein reicht für die Annahme einer Betriebs Vorrichtung jedoch nicht aus. Erforderlich ist ein betriebsspezifischer Zusammenhang zwischen dem Fahrstuhl und dem Altenheimbetrieb. Dieser Zusammenhang liegt nicht vor. Das Altenheim wird nicht mittels des Fahrstuhls betrieben, der Aufzug ist kein Spezifikum eines Altenheims. Einem Seniorenheim ohne Fahrstuhl ermangelt es an nichts Eigentümlichem. So hat die Kl'in das Heim zunächst für etwa drei Jahre lang ohne Aufzug betreiben können. Der Fahrstuhl würde auch nicht nutzlos werden, wenn in dem Haus ein anderes Gewerbe -; z. B. wieder ein Hotel -; betrieben würde. Er gehört daher zum Haus und nicht zum Heimbetrieb.
II.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 Finanzgerichtsordnung (FGO). Der Senat hat die Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung zugelassen (§ 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO). Soweit ersichtlich, liegt Rechtsprechung des BFH zu der Frage, ob ein Fahrstuhl in einem Altenheim eine Betriebsvorrichtung ist, noch nicht vor.