Oberlandesgericht Celle
Beschl. v. 24.01.2023, Az.: 17 WF 8/23

Verminderung einer Morgengabe aufgrund wirtschaftlicher Überforderung; Verzicht auf vereinbarte Morgengabe anlässlich islamischer Scheidung

Bibliographie

Gericht
OLG Celle
Datum
24.01.2023
Aktenzeichen
17 WF 8/23
Entscheidungsform
Beschluss
Referenz
WKRS 2023, 10549
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:OLGCE:2023:0124.17WF8.23.00

Verfahrensgang

vorgehend
AG Celle - 07.11.2022 - AZ: 23 F 23117/22

Fundstellen

  • FamRB 2023, 131-133
  • FamRZ 2023, 679
  • NZFam 2023, 506-508
  • ZAP EN-Nr. 150/2023
  • ZAP 2023, 221

Amtlicher Leitsatz

Die wirtschaftliche Überforderung des Ehemannes durch eine versprochene Morgengabe gebietet nicht deren Korrektur nach dem deutschen ordre public. Die Begründung deutschen Unterhalts- und Scheidungsstatuts während der Ehe kann eine Anpassung des Morgengabeversprechens nach § 313 BGB gebieten, soweit sich die Durchsetzung des Versprechens nach deutschem Recht richtet. Die zur islamischen Scheidung abgegebene Erklärung, auf die Morgengabe zu verzichten, lässt den Anspruch darauf erlöschen.

In der Familiensache
M. D. I., geb. I.,
Antragstellerin und Beschwerdeführerin,
Verfahrensbevollmächtigte:
Anwaltsbüro M.
gegen
A. B.,
Antragsgegner,
Verfahrensbevollmächtigte:
Anwaltsbüro K.
hat der 17. Zivilsenat - Senat für Familiensachen - des Oberlandesgerichts Celle durch den Richter am Oberlandesgericht Dr. M. als Einzelrichter am 24. Januar 2023 beschlossen:

Tenor:

Die Beschwerde der Antragstellerin gegen den Verfahrenskostenhilfe teilweise versagenden Beschluss des Amtsgerichts - Familiengericht - Celle vom 7. November 2022 wird zurückgewiesen.

Gerichtliche Kosten des Beschwerdeverfahrens trägt die Antragstellerin, außergerichtliche Kosten werden nicht erstattet.

Gründe

I.

Gegenstand des Verfahrens ist die Verpflichtung, eine bei Heirat vereinbarte Morgengabe auszuzahlen.

Die Beteiligten stammen aus Afghanistan. Sie schlossen dort am 14. Januar 2007 vor einem Geistlichen die Ehe, die gemäß Heiratsurkunde vom 3. September 2009 staatlich registriert worden ist. In dem vom Geistlichen 2007 ausgestellten Dokument ist als Mitgift eine Leistung von 300 Bahar Azadi Goldmünzen genannt, die einen Wert in Höhe von rund € 130.000,- haben.

Seit 2016 halten sich die Beteiligten, zwischen denen ein Scheidungsverfahren vor dem Amtsgericht Celle anhängig ist, dauerhaft in Deutschland auf, wo der Antragsgegner als Busfahrer tätig ist. Am 15. September 2020 trafen sich die Beteiligten - gemeinsam mit einer von der Antragstellerin mitgebrachten Zeugin - in einer Moschee in Hamburg. In einem dort errichteten, von den Beteiligten, der Zeugin und dem dortigen Mullah, Herrn H., unterzeichneten Schriftstück heißt es übersetzt:

"Da bezüglich der Ehe zwischen Herrn A. B. und Frau M. E. keine Einigung erreicht werden konnte, haben die beiden mir (A. H.) die Vollmacht erteilt, bei Verzicht auf die Mitgift, die religiöse Rede zur Legitimation der Scheidung auszusprechen. Ich habe diese Rede im Beisein von Zeugen ausgesprochen. Ich wünsche ihnen alles Gute."

Die Antragstellerin ist der Meinung, der Antragsgegner schulde ihr weiterhin die Mitgift. Mit Erklärung vom 15. September 2020 habe sie nur nach islamischem, nicht aber nach deutschem Recht auf die Morgengabe verzichtet. Dazu behauptet sie, der Mullah habe die Beteiligten darauf hingewiesen, dass der Antragsgegner sie weiterhin unterstützen müsse.

Sie beantragt,

den Antragsgegner zu verpflichten, ihr 300 Golmünzen der Sorte "Bahare-Azadi" zu übereignen,

für den Fall, dass der Antragstgegner die 300 Goldmünzen nach der beschlossenen Übergabeverpflichtung nicht binnen einer Frist von einem Monat ab Rechtsraft dieser Entscheidung an die Antragstellerin übereignet, ihn zu verpflichten, an die Antragstellerin € 130.020,- nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz ab Rechtshängigkeit zu zahlen,

und hat insofern Verfahrenskostenhilfe begehrt.

Der Antragsgegner beantragt,

die Anträge abzuweisen.

Er verweist auf seine beschränkten finanziellen Verhältnisse, die ihn - schon zum Zeitpunkt der Heirat - daran gehindert hätten und auch weiter daran hindern würden, die Goldmünzen zu zahlen. Das Mitgiftversprechen sei daher als überfordernde Verbindlichkeit unwirksam; zudem verweist er auf den in der Moschee erklärten Verzicht auf die Mitgift.

Mit Beschluss vom 7. November 2022 hat das Amtsgericht der Antragstellerin die nachgesuchte Verfahrenskostenhilfe mangels Erfolgsaussicht versagt, soweit ihr Antrag über die Übereignung von 17 Goldmünzen, entsprechend € 6.858,24 hinausgeht. Wesentliche Grundzüge des deutschen Rechts geböten es, dass die Morgengabe nicht den nach den finanziellen Verhältnissen der Beteiligten üblichen Betrag übersteige. Die Verpflichtung sei daher herabzusetzen. Gegen diese Entscheidung wendet sich die Antragstellerin mit ihrer Beschwerde, mit der sie weiterhin Verfahrenskostenhilfe für ihren vollständigen Antrag begehrt.

II.

Die nach den §§ 113 FamFG, 127 Abs. 2 ZPO zulässige Beschwerde ist unbegründet. Der Antrag der Antragstellerin ist jedenfalls in dem Umfang, in dem der Antragstellerin die von dieser nachgesuchte Verfahrenskostenhilfe versagt worden ist, ohne Aussicht auf Erfolg (§ 114 ZPO). Dabei mag im Ergebnis dahinstehen, ob der Umfang der vereinbarten Morgengabe ihre vollständige gerichtliche Durchsetzung hindert (dazu 1.). Denn die Antragstellerin hat am 15. September 2020 auf die vereinbarte Morgengabe verzichtet, so dass ihr Anspruch erloschen ist (dazu 2.).

1. Der Anspruch auf Übereignung der versprochenen Morgengabe richtet sich vorliegend nach deutschem, nicht aber nach afghanischem Recht. Als Funktion der im islamischen Rechtskreis üblichen Morgengabe, die ausschließlich der Ehemann an die in ihrer rechtlichen Stellung unterlegene Ehefrau zu zahlen hat, wird allgemein die Versorgung der Ehefrau nach Scheidung oder Tod des Ehemannes, sowie der Aufbau von Vermögen auf Seiten der Ehefrau angesehen (vgl. BGH FamRZ 2020, 2024 Rn. 32). Die Zusage einer Morgengabe stellt dabei weder das Versprechen einer Unterhaltsleistung dar, noch knüpft sie regelmäßig an den ehelichen Güterstand an. Es handelt sich vielmehr zumeist um eine zwischen den Ehegatten anlässlich der Heirat getroffene vermögensrechtliche Abrede eigener Art, die auf ehebezogene Übertragung des versprochenen Gegenstandes gerichtet ist und deshalb einer unbenannten Zuwendung im deutschen Recht ähnelt (BGH FamRZ 2020, 1073 Rn. 20, 29 f.).

a. Kollisionsrechtlich unterfällt die Abrede - sofern sich das anzuwendende Recht nicht nach den Art. 20, 26 der Verordnung (EU) 2016/ 1103 (EUGüVO) richtet, die aufgrund der weitgefassten Definition in Art. 1, 3 Abs. 1 lit. a EUGüVO auch für die Morgengabe gelten (etwa Majer, NZFam 2022, 58, 58 m. w. N., offen gelassen von BGH FamRZ 2020, 1073 Rn. 15), nach Art. 69 EUGüVO aber bei fehlender Rechtswahl nur auf Ehen, die ab Ende Januar 2019 eingegangen sind, Anwendung finden - dem wandelbaren allgemeinen Ehewirkungsstatut des Art. 14 EGBGB (BGH FamRZ 2010, 533 Rn. 14). Angesichts der bereits im Jahr 2007 geschlossenen Ehe der Beteiligten und ihres gewöhnlichen Aufenthalts in Deutschland führt dies nach Art. 14 Abs. 2 Nr. 1 EGBGB zur Anwendung deutschen Rechts. Die Verpflichtung zur Leistung der Brautgabe ist deshalb grundsätzlich an deutschem Sachrecht zu messen.

Afghanischem Recht unterliegt aber die ursprüngliche Vereinbarung der Morgengabe am 14. Januar 2007. Das allgemeine Ehewirkungsstatut nach Art. 14 EGBGB knüpft nicht an einen feststehenden Zeitpunkt an und ist daher im Verlaufe der Ehe wandelbar. Ist dabei ein Lebenssachverhalt vor einem Wechsel des Statuts abgeschlossen, so richtet sich seine rechtliche Bewertung nach dem ursprünglichen Ehewirkungsstatut. Dies betrifft auch die Vereinbarung einer Morgengabe in einer islamischen Rechtsordnung, deren Wirksamkeit sich nach dem ursprünglich für die Ehe gültigen Recht richtet, obwohl die daraus folgende Verpflichtung sodann von der später berufenen Rechtsordnung bestimmt wird (vgl. Loosschelders, in: Münchener Kommentar, BGB, 8. Aufl. 2020, Art. 14 EGBGB Rn. 133). Bei Vereinbarung der hier betroffenen Morgengabe hatten die Beteiligten ihren gewöhnlichen Aufenthalt in Afghanistan. Vor diesem Hintergrund findet auf den Vertragsschluss als solchen afghanisches Recht Anwendung, auch wenn - infolge des gemeinsamen Umzuges nach Deutschland - die Rechtsfolge des geschlossenen Vertrages nunmehr nach deutschem Recht zu beurteilen ist.

b. Nach dem berufenen afghanischem Sachrecht geht der Senat von einer wirksamen Vereinbarung aus. Das Brautgabeversprechen (das trotz seines kulturell-religiösen Hintergrundes und der nicht ausschließlich rechtsgeschäftlich zu verstehenden Erklärung auch nach deutschem Recht rechtlich bindend ist, vgl. BGH FamRZ 2020, 1073 Rn. 31) gehört nach afghanischem Recht zu den üblichen Voraussetzungen einer Heirat, an seiner grundsätzlichen Wirksamkeit besteht kein Zweifel. Ob afghanisches Recht die zulässige Höhe eines solchen Versprechens begrenzt, hält der Senat indessen für zweifelhaft; jedenfalls im Verfahren zur Verfahrenskostenhilfe verbietet es sich, die Vereinbarung nach afghanischem Recht von vorneherein auf einen Teil der versprochenen Leistungen zu begrenzen. Auch die Annahme, ein ausdrückliches Versprechen sei nach afghanischem Recht nur wirksam, soweit es die Höhe einer üblichen Morgengabe nicht wesentlich überschreite, ist in keiner Weise zwingend und könnte vor Einholung eines Sachverständigengutachtens oder zumindest Vorlage entsprechender afghanischer Vorschriften/ Entscheidungen einer hiesigen Entscheidung nicht zugrunde gelegt werden.

Eine Korrektur des afghanischen Rechts über den deutschen ordre public (Art. 6 EGBGB) erscheint lediglich aufgrund der Höhe der vereinbarten Morgengabe gleichfalls nicht geboten (a. A. OLG Bamberg IPRspr 2010, 190; wohl auch Majer NZFam 2022, 58, 60). Art. 6 EGBGB führt nur dort zur Anwendung deutschen Rechts, wo die Anwendung des berufenen Rechts im konkreten Fall zu Ergebnissen führt, die mit wesentlichen Grundsätzen der deutschen Rechtsordnung unvereinbar sind (vgl. statt aller: Stürner, in: BeckOGK, EGBGB, Stand 2022, Art. 6 Rn. 276).

Die Wirksamkeit eines Versprechens, eine Brautgabe in einer Höhe zu zahlen, die den Ehemann finanziell überfordert, lässt derartige Ergebnisse nicht erwarten. Auch nach deutschem Recht ist ein Vertrag, der zu finanziell überfordernden Ergebnissen einer Vertragspartei führt, schon vor dem Hintergrund der Privatautonomie nicht stets nichtig. Insbesondere gewährleisten der im deutschen Recht bestehende Schutz des Schuldners in der Zwangsvollstreckung und die Möglichkeit einer Restschuldbefreiung nach der Insolvenz, dass auch bei überfordernden Verträgen nicht übermäßig in die Freiheitsrechte des Schuldners eingegriffen wird. Vor diesem Hintergrund führt die Durchsetzung eines überfordernden Morgengabeversprechens in Deutschland jedenfalls nicht zu Ergebnissen, die es gebieten würden, die Wirksamkeit nicht nach dem an sich berufenen afghanischen Recht zu beurteilen, sondern dieses durch dem deutschen Recht entnommene Grundsätze zu ersetzen (zur Anwendung des § 313 BGB, die gleichfalls unbillige Ergebnisse vermeiden kann, sogleich).

c. Die aus dem wirksamen Morgengabeversprechen folgenden Ansprüche richten sich nach deutschem Recht (s.o.). Danach kann die Änderung der Umstände, die maßgeblich für den Vertragsschluss waren, eine Anpassung des Vertrages gebieten (§ 313 BGB). Eine solche Veränderung liegt hier im Wechsel des allgemeinen Ehewirkungsstatuts: Bei Heirat galt für die Ehe afghanisches Recht, das die nacheheliche Versorgung der Frau außerhalb der Morgengabe nicht gewährleistet und im Grundsatz weder Unterhaltsansprüche noch die Teilhabe am Vermögen des Mannes vorsieht. Eben deshalb bedarf es der Morgengabe, um die Ehefrau zu versorgen, den Mann am einseitigen Ausspruch der Scheidung zu hindern und der Frau Zugang zu einem eigenen Vermögen zu verschaffen.

Nach dem Wechsel des gewöhnlichen Aufenthalts gilt nunmehr deutsches Recht, sowohl für die Scheidung (Art. 8 lit. a der Verordnung (EU) 1259/2020 - Rom III-VO) als auch für die wechselseitigen Unterhaltsansprüche der Beteiligten (Art. 15 der Verordnung (EG) 4/2009 - UnterhaltssachenVO - i. V. m. Art. 3 des Haager Protokolls v. 23. Nov. 2007 - Haager Unterhaltsprotokoll, HUP). Lediglich vermögensrechtliche Ansprüche gegen den Ehemann richten sich weiterhin nach afghanischem Recht, weil das auf den Güterstand anzuwendende Recht bei vor Januar 2019 geschlossenen Ehen weiterhin Art. 15 Abs. 1 EGBGB in seiner bis 2019 geltenden Fassung zu entnehmen ist (Art. 229 § 47 Abs. 2 EGBGB). Danach folgen die güterrechtlichen Folgen der Ehe aus der Rechtsordnung, die bei Heirat für die allgemeinen Ehewirkungen galt, hier mithin aus afghanischem Recht.

Vor diesem Hintergrund wird ein Teil des Zweckes, den die vereinbarte Morgengabe im afghanischen Recht erreichen sollte, nunmehr durch die dem deutschen Recht zu entnehmende gesetzliche Regelung erreicht. Damit ist die Grundlage für die vereinbarte Morgengabe zum Teil entfallen; ob dies eine Herabsetzung um mehr als die Hälfte der versprochenen Goldmünzen rechtfertigen kann, hält der Senat allerdings für zweifelhaft, weil der regelmäßig beabsichtigte Vermögensaufbau auf Seiten der Ehefrau (BGH FamRZ 2020, 1073 Rn. 32) durch die Anwendung deutschen (Unterhalts-) Rechts nicht gewährleistet werden kann.

2. Im Ergebnis kommt es darauf aber auch nicht an. Denn die Antragstellerin hat mit Erklärung vom 15. September 2020 auf die Zahlung der Morgengabe verzichtet, um so die islamische Scheidung zu ermöglichen. Zwar spricht die Übersetzung der Urkunde nur von einer "Mitgift"; diese Erklärung bezieht sich aber offenkundig und auch von keinem Beteiligten bestritten auf die vereinbarte Morgengabe, die in der Heiratsurkunde auch als "Mitgift" bezeichnet ist.

Die übereinstimmende Erklärung der Beteiligten vom 15. September 2020 entspricht strukturell dem Versprechen der Morgengabe bei der Heirat. Dieses religiös und kulturell geprägte Versprechen ist Voraussetzung für die Ehe; trotz dieser kulturellen Prägung ist indessen von einer bindenden Verpflichtung auszugehen (so für das deutsche Recht BGH FamRZ 2020, 1073 Rn. 31). Der von der Antragstellerin und dem Antragsgegner vereinbarte Verzicht auf die Morgengabe wirkt spiegelbildlich: Dieser Verzicht ist (worauf auch die Antragstellerin mit Schriftsatz vom 3. Januar 2023 hinweist) die Voraussetzung für die rein religiös wirkende Scheidung. Trotz dieser religiösen Prägung des Verzichts ist dieser aber ebenso rechtlich wirksam wie das bei Heirat aus ähnlichen Motiven heraus erklärte Brautgabeversprechen. Vor diesem Hintergrund führt der erklärte Verzicht, auf den deutsches Recht Anwendung findet (s.o.) entsprechend § 397 BGB dazu, dass die Forderung der Antragstellerin erlischt. Formbedürftig ist ein Erlassvertrag regelmäßig nicht (Schlüter, in: Münchener Kommentar, BGB, 9. Aufl. 2022, § 397 Rn. 2).

Angesichts dessen greift der Einwand der Antragstellerin, sie habe "nur im islamischen Recht" auf die Morgengabe verzichtet, ihren Anspruch nach deutschem Recht aber behalten wollen, nicht durch. Die Erklärung der Antragstellerin, deren Folgen sich - allein - nach deutschem Recht richten, unterliegt der Auslegung nach § 133 BGB. Da der erklärte Verzicht offenkundig ebenso Voraussetzung für die islamische Scheidung war, wie das Versprechen Voraussetzung für die Heirat, durfte der Antragsgegner die Erklärung der Antragstellerin als tatsächlichen Verzicht auf die mit der Heirat begründete materielle Rechtsposition verstehen, um so die von ihr als offenbar wichtig empfundene islamische Scheidung zu erreichen.

Der Senat vermag auch nicht zu erkennen, dass sich die Antragstellerin bei Abgabe der Verzichtserklärung unter einem die Wirksamkeit der Erklärung berührenden Druck befand. Die Antragstellerin weist selbst darauf hin, dass die islamische Scheidung als solche die bestehende Ehe - deren Scheidung sich nach deutschem Recht als Scheidungsstatut richtet (s.o.) - vollkommen unberührt gelassen hat. Sie hätte daher ohne Weiteres auf den Ausspruch der islamischen Scheidung verzichten können, ohne dass ihr daraus rechtliche Nachteile erwachsen wären. Der mit der Unterwerfung unter die dafür geltenden Regeln verbundene Wunsch, auch einen religiösen Scheidungsausspruch zu erwirken, führt nicht dazu, dass die dafür abgegebenen Erklärungen nichtig oder anfechtbar wären.

Die fehlende staatliche Anerkennung der islamischen Scheidung, auf die die Antragstellerin hinweist (Schriftsatz vom 3. Januar 2023) nimmt den anlässlich des islamischen Rituals abgegebenen Erklärungen nicht ihre Wirksamkeit. Im Unterschied zur Scheidung bedarf es für den Verzicht auf die Morgengabe keiner staatlichen Anerkennung. Da die Antragstellerin insofern selbst nicht vorträgt, sie sei von einer in Deutschland wirksamen Privatscheidung ausgegangen, ist auch ein Irrtum der Antragstellerin, der sich auch auf den erklärten Verzicht erstrecken würde, überhaupt nicht erkennbar.

Die Erklärung des Mullahs, wonach der Antragsgegner die Antragstellerin auch nach der islamischen Scheidung finanziell unterstützen müsse, entspricht der in Deutschland geltenden Rechtslage, aufgrund derer sich die Ehegatten während ihrer staatlichen Ehe Trennungs- und danach gegebenenfalls nachehelichen Unterhalt schulden. Auswirkungen auf den hier gegenständlichen Anspruch auf Übereignung der Goldmünzen, der einen etwaigen Unterhaltsanspruch der Antragstellerin auch nicht berühren würde, hat sie - selbstverständlich - nicht. Im Ergebnis steht die Antragstellerin nach Verzicht auf die Morgengabe ebenso, wie sie im Falle einer in Deutschland geschlossenen Ehe mit Gütertrennung stünde. Einen Verstoß der Verzichtsvereinbarung gegen die guten Sitten, der den Verzicht nichtig werden ließe, vermag der Senat daher nicht zu erkennen.

Die - deklaratorische - Kostenentscheidung beruht hinsichtlich gerichtlicher Kosten auf Nr. 1912 des Kostenverzeichnisses zum FamGKG, hinsichtlich außergerichtlicher Kosten auf den §§ 113 FamFG; 127 Abs. 4 ZPO.