Landgericht Verden
Urt. v. 17.12.2015, Az.: 2 S 49/15
Bibliographie
- Gericht
- LG Verden
- Datum
- 17.12.2015
- Aktenzeichen
- 2 S 49/15
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 2015, 44927
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- [keine Angabe]
Verfahrensgang
- vorgehend
- AG - 26.03.2015 - AZ: 3 C 189/14
Tenor:
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Amtsgerichts Stolzenau vom 26. März 2015 - 3 C 189/14 - wird zurückgewiesen.
Die Klägerin trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Die Revision wird zugelassen.
Streitwert für den Berufungsrechtszug: 1.115,79 €.
Gründe
Die Klägerin beansprucht mit der vorliegenden Klage restliche Vergütung für Milchlieferungen, deren Auszahlung die Beklagte unter Hinweis auf eine von ihr verrechnete Verbandsstrafe verweigert.
Die Klägerin war Inhaberin eines landwirtschaftlichen Betriebes und Mitglied der Beklagten.
Die Klägerin kündigte diese Mitgliedschaft mit Schreiben vom 29.12.2012, nachdem sie im Juli 2013 den Betrieb im Wege der vorweg genommenen Erbfolge auf ihre Tochter übertragen hatte, die diesen ihrerseits in die M. GbR überführte.
Die Klägerin belieferte die Beklagte bis einschließlich September 2013 mit Milch, der von der Beklagten für diese Milchlieferung errechnete Gesamtbetrag in Höhe der Klageforderung nach einer Menge von 173.799 kg a 0,60 Cent ist zwischen den Parteien unstreitig.
Die Tochter der Klägerin lieferte die ab Oktober 2013 produzierte Milch an einen anderen Abnehmer.
Die Beklagte erklärte mit Schreiben vom 29.04.2014 gegenüber der Vergütungsforderung der Klägerin unter Hinweis auf § 12 h und k der Satzung die Aufrechnung mit einer Verbandsstrafe, die sie nach dem durchschnittlichen Wert der Lieferung der Klägerin der letzten 24 Monate mit 13.347,75 € festsetzte.
Wegen der Einzelheiten der Satzung der Beklagten wird auf Bl. 14 f. d. A., insbesondere Bl. 17 d. A. Bezug genommen.
Die Klägerin ist der Auffassung, die festgesetzte Vertragsstrafe sei formell unwirksam, sitten- und im Übrigen kartellrechtswidrig.
Das Amtsgericht hat die Klage abgewiesen und zur Begründung ausgeführt, die Aufrechnung mit der Verbandsstrafe habe zum Erlöschen der Vergütungsforderung geführt. Die Unwirksamkeit der Satzung insoweit sei nicht festzustellen, insbesondere sei § 12 h und k der Satzung nicht sittenwidrig, verstoße auch nicht gegen § 1 GWB.
Hiergegen richtet sich Berufung der Klägerin, die die rechtliche Würdigung der amtsgerichtlichen Entscheidung angreift und weiterhin die Auffassung vertritt, die Straf- Festsetzung sei unwirksam, die Berechnungsgrundlage fehlerhaft und die Andienungspflicht verstoße darüber hinaus gegen § 1 GWB.
Die Klägerin und Berufungsklägerin beantragt,
unter Abänderung des angefochtenen Urteils die Beklagte zu verurteilen, an sie 1.115,79 € nebst Zinsen in Höhe von 8 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.
Die Beklagte und Berufungsbeklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie wiederholt und vertieft ihr erstinstanzliches Vorbringen.
Die zulässige Berufung der Klägerin ist nicht begründet.
Die Klägerin hat keinen Anspruch auf die das verlangte restliche Entgelt für die Milchlieferungen für Juli, August und September 2013 gem. § 433 Abs.2 BGB.
Die seitens der Beklagten erklärte Aufrechnung mit der festgesetzten Verbandsstrafe in Höhe der Klageforderung greift durch.
Die Beklagte war berechtigt, gegen die Klägerin gemäß § 12 der Satzung eine Verbandsstrafe festzusetzen.
Grundsätzlich ist die Pflicht der Klägerin zur Ablieferung der in ihrer Landwirtschaft gewonnenen Milch genossenschaftsrechtlicher Art, so dass die in § 12 h, k der Satzung vorgesehene Strafe, die der Einhaltung der mitgliedschaftlichen Milchablieferungspflicht der Genossen dienen soll, keine auf Vertrag, sondern auf der Unterwerfung der Mitglieder unter die Satzung beruhende Strafe darstellt (vgl. BGH vom 19. Februar 2013 - II ZR 116/11 -; BGH vom 2.12.2002, -II ZR 1/02-, zitiert nach Juris).
Eine solche Sanktion beruht auf der genossenschaftlichen Autonomie und ist nach herrschender Meinung anders als eine Vertragsstrafe hinzunehmen, wenn sie nicht für unwirksam erklärt wird.
Dies kann aus formellen Gründen, wegen Gesetzes- oder Sittenwidrigkeit, grober Unbilligkeit oder fehlerhafter Tatsachenfeststellung geschehen.
Diese Voraussetzungen liegen hier jedoch nicht vor.
Einen Verstoß gegen § 138 BGB vermag das Gericht nicht zu erkennen. Insoweit wird auf die zutreffenden Begründungen des amtsgerichtlichen Urteils verwiesen. Angesichts der Interessen beider Parteien an einer verlässlichen und dauerhaften Sicherstellung der Lieferverpflichtung und insbesondere der existenzsichernden Einnahmen der Milcherzeuger, der eine dauerhafte Abnahmepflicht der Beklagten gegenübersteht, erscheint auch eine langfristige Bindung nicht unangemessen.
Dementsprechend bestimmt § 12 h.) der Satzung, dass die Verpflichtung zur Lieferung der nicht im Eigenverbrauch benötigten Milch solange besteht, wie die Mitgliedschaft dauert und auf dem landwirtschaftlichen Betrieb Milch erzeugt wird.
Es begegnet deshalb keinen grundsätzlichen Bedenken, wenn die Einstellung der Milchlieferung bei gewillkürter rechtsgeschäftlicher Übertragung des landwirtschaftlichen Betriebes zugunsten auch aller weiteren Genossen an Sanktionen geknüpft ist. Diese Regelung soll gerade die Einhaltung der o.g. Lieferverpflichtung (trotz fortlaufender im Betrieb produzierter Milch) sicherstellen und verhindern, dass diese durch Übertragung des Betriebes während der Dauer der Mitgliedschaft unterlaufen werden kann.
Entgegen der Auffassung der Klägerin verstößt die hier sanktionierte Andienungspflicht nicht gegen § 1 GWB. Ein Verstoß gegen § 1 GWB ist schon in Ansehung des § 28 GWB nicht feststellbar. Die Ausnahmeregelung des § 28 GWB für den Bereich der Landwirtschaft, die ausdrücklich an den Erzeugerbetrieb anknüpft, gilt auch für die hier mit der Klägerin getroffenen Vereinbarungen. Diese war Inhaberin eines Erzeugerbetriebes im Sinne des § 28 Abs. 1 GWB, hieran ändert der Umstand, dass die Klägerin die Milchablieferung gegenüber der Beklagten eingestellt hatte, nichts, zumal auch nach der Regelung des § 12 h.) der Satzung die Klägerin in diesem Fall ausdrücklich weiterhin Erzeugerin blieb, weil die im Betrieb des Dritten gewonnene Milch zwischen der Genossenschaft und dem Mitglied als die „im Betrieb des Milchlieferanten“ gewonnene Milch gilt.
Die Höhe der Verbandsstrafe, die die Beklagte nach dem durchschnittlichen Produktionswert des klägerischen Betriebes für die Dauer der letzten 24 Monate berechnet hat, entspricht der Satzungsregelung des § 12 k. Die von der Klägerin vorgenommene Auslegung kann unter Berücksichtigung der beiderseitigen Interessen vernünftigerweise nicht in Betracht gezogen werden. Dass die Beklagte als Berechnungsgrundlage etwaige von dem Erwerber produzierte Milchmengen, zu deren Umfang Feststellungen zu treffen der Beklagten kaum möglich sein dürften, zugrunde hat legen wollen, kann nicht ernsthaft angenommen werden.
Ob die satzungsmäßig festgesetzte Maximalhöhe der Verbandsstrafe, die mehr als das 4-fache der vereinbarten Vergütung (0,6 Cent pro kg) ausmacht, einer Überprüfung standhält, hat die Kammer nicht zu entscheiden, da jedenfalls auch bei angemessener Herabsetzung und Anpassung der Höhe der Verbandsstrafe für die Dauer der Nichtlieferung bis zum Ende der Mitgliedschaft (31.12.2014) die Höhe der Klageforderung allemal erreicht ist.
Die nach Schluss der mündlichen Verhandlung eingereichten Schriftsätze waren, soweit sie neues Vorbringen enthielten, nicht mehr zu berücksichtigen (§ 296 a ZPO). Gründe für die Wiedereröffnung der mündlichen Verhandlung lagen nicht vor (§ 156 ZPO).
Danach war die Berufung der Klägerin mit der Kostenfolge des § 97 Abs. 1 ZPO zurückzuweisen.
Die Nebenentscheidungen folgen aus §§ 708 Ziffer 11, 713, 543 Abs.2 ZPO.