Landgericht Verden
Urt. v. 23.02.2015, Az.: 10 O 57/12
Bibliographie
- Gericht
- LG Verden
- Datum
- 23.02.2015
- Aktenzeichen
- 10 O 57/12
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 2015, 44934
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- [keine Angabe]
Tenor:
1. Die Beklagte wird verurteilt, 118.636,02 € zuzüglich Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 13. Dezember 2011 sowie weitere Rechtsverfolgungskosten in Höhe von 2.080,50 € an die Klägerin zu zahlen. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
2. Es wird festgestellt, dass die Beklagte der Klägerin zum Ersatz der Leitungsverluste verpflichtet ist, die infolge des Anschlusses der klägerischen Windenergieanlage (WEA) des Typs Enercon E-82 mit einer installierten elektrischen Leistung von 2,3 MW am Netzverknüpfungspunkt im Bereich der MS-Station ... gegenüber einem Anschluss an das Netz der Beklagten im Bereich des Standorts der WEA in der Gemarkung ... entstanden sind und noch entstehen werden.
3. Die Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens
4. Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.
5. Der Streitwert wird auf 148.876,02 € festgesetzt, wobei auf den Antrag zu 2) 30.240,00 € entfallen.
Tatbestand:
Die Klägerin verlangt von der Beklagten die Erstattung von Mehrkosten für den Anschluss einer Windenergieanlage wegen Zuweisung eines anderen Netzverknüpfungspunktes nach § 13 Abs. 2 EEG (2009), bzw. Schadensersatz aus §§ 280 BGB i.V.m. § 5 Abs. 2 EEG (2009) wegen der Zuweisung eines Netzverknüpfungspunktes, der in Widerspruch zu dem von der Klägerin ausgeübten Wahlrecht stand.
Die Klägerin betrieb seit den 1990-iger Jahren am Standort ..., Gemarkung ... eine Windenergieanlage des Typs Enercon E-40 zur Produktion von Strom aus Windenergie. Die Windenergieanlage war an das vor Ort befindliche Mittelspannungsnetz der Beklagten als zuständige Netzbetreiberin angeschlossen. Die Beklagte ist die örtliche Verteilnetzbetreiberin für die Samtgemeinde ..., Gemeinde ..., sowie für die Stadt .... Sie betreibt u.a. im Bereich des Standorts der klägerischen Windenergieanlage ein Mittelspannungsnetz. Die alte Windenergieanlage der Klägerin war an der MS-Station Windkraftanlage ... (Abbildung 1 des Gutachtens des Sachverständigen Dr. ... vom April 2014, Bl. 10) angeschlossen. Die Kabelstrecke verlief nordöstlich Richtung Wasserwerk über die MS-Station Forstweg und auf der blau eingezeichneten Strecke Richtung MS-Station Wiesengrund zur Umspannanlage .... Im Jahre 2009 plante die Klägerin ein sogenanntes Repowering, nämlich den Ersatz der Windenergieanlage durch eine größere Windenergieanlage mit höherer Nennleistung vom Typ E-Enercon E-82 mit 2,3 Megawatt Nennleistung am unmittelbar daneben liegenden Standort.
Mit Schreiben vom 3. Dezember 2009 erklärte die Beklagte auf Nachfrage der Klägerin, dass die Anlage grundsätzlich an das 10 kV Mittelspannungsnetz angeschlossen werden kann (K 3, Bl. 20 d.A.). Mit Schreiben vom 15. April 2010 erklärte die Beklagte, dass drei Varianten geprüft worden seien und sich die MS-Station ... (Variante 1) als die kostengünstigste darstelle und damit als Netzverknüpfungspunkt im Sinne von § 5 Abs. 1 EEG empfohlen werde (K 4, Bl. 21 d.A.). Mit Schreiben vom 19. Mai 2010 erklärte die Beklagte:
„Aufgrund Ihrer Auswahl weisen wir Ihnen den Anschluss in der Nähe unserer MS-Station ... als Netzverknüpfungspunkt verbindlich zu.“ (B 1, Bl. 131 d.A.).
Mit Schreiben vom 23. September 2010 forderte die Klägerin die Beklagte auf, die Windenergieanlage der Klägerin an das vor Ort befindliche Mittelspannungsnetz anzuschließen, notfalls das Netz auszubauen (K 8, Bl. 25 ff.d.A.). Mit Schreiben vom 21. Oktober 2010 lehnte die Beklagte die Anbindung der Windenergieanlage an ihr vor Ort befindliches Mittelspannungsnetz und auch an die Mittelspannungsstation Forstweg ab (Bl. 31, K 8). Mit Schreiben vom 29. Oktober 2010 nahm die Klägerin den von der Beklagten zugewiesenen Netzverknüpfungspunkt hin, behielt sich jedoch die Rückforderung der entstehenden Mehrkosten bzw. Schadensersatz vor, (Bl. 35, K 9).
Mit Schreiben vom 26. November 2010 erklärte die Beklagte, dass die Klägerin die notwendigen Kosten des Anschlusses gemäß § 13 Abs. 1 EEG tragen müsse, Bl. 37, K 10. Die Klägerin beauftragte die Firma Enercon GmbH mit der Verlegung einer neuen Kabeltrasse von der MS-Station Windkraftanlage ... bis zur MS-Station ..., dem von der Beklagten zugewiesenen Netzverknüpfungspunkt.
Seit dem 31. März 2011 ist die Windenergieanlage Typ Enercon E-82 über die Mittelspannungsstation ... an das Mittelspannungsnetz der Beklagten angeschlossen.
Die Firma Enercon berechnete der Klägerin unter dem 23. Mai 2011 110.731,97 € netto für die Parkverkabelung sowie 68.912,05 € für die Übergabestation BKS 310 (K 11, K 11 A, Bl. 42 f.d.A.). Des Weiteren zahlte die Klägerin für querende Kabel im Rahmen von Grunddienstbarkeiten 5.000,00 € an Ewald Moll, ... (K 11 B, Bl. 44 d.A.) sowie an die Stadtkasse ... 5.000,00 € (K 45 d.A.) sowie an den Verband der Teilnehmergemeinschaften über 2.492,00 € (K 46), so dass der Klägerin ein Schaden von 192.136,02 € entstanden sein soll.
Die Klägerin behauptet, sie hätte lediglich 73.500,00 € bezahlen müssen, wenn die Windenergieanlage dort angeschlossen worden wäre, wo auch vormals die vorhandene WEA-Enercon E-40 angeschlossen worden wäre, nämlich 61.900,00 € auf die Übergabestation und 11.600,00 € auf die Verkabelung, so dass ein Schaden von 118.636,02 € von der Beklagten zu zahlen sei (192.136,02 € - 73.500,00 €).
Die Klägerin behauptet, auf der etwa 1.700 m langen Leitung zwischen der Windenergieanlage und dem von der Beklagten vorgegebenen Netzverknüpfungspunkt seien erhebliche Leitungsverluste zu beklagten, die 1,8 % der jährlichen Produktionsmenge der Windenergieanlage entsprächen. Diese Leitungsverluste seien der Klägerin mit 10 Cent/kW-Stunde zu vergüten. Bei 6 Mio. kW und einer Vergütung von 10 Cent/kW-Stunde betrage der jährliche Verlust daher 10.800,00 €. Der Leitungsverlust betrage über 20 Jahre 216.000,00 €. Sie behauptet weiterhin, dass ein Anschluss an die MS-Station Forstweg Kosten in Höhe von 113.410,15 € verursachen würden sowie Leitungsverluste in Höhe von 86.112,00 € bezogen auf 12 Jahre. Schließlich behauptet sie, die Variante ..., d.h. der Anschluss an die Stelle der alten Windkraftanlage, koste lediglich 73.500,00 €.
Mit Schreiben vom 19. September 2011 forderte die Klägerin die Beklagte auf, den Schaden in Höhe von 110.000,00 € bis zum 12. Dezember 2011 zu zahlen (K 13, Bl. 50 f.d.A.). Die Klägerin ist der Ansicht, dass der von ihr durchgeführte Netzausbau (Kabelverlegung zwischen Windenergieanlage und MS-Station ...) gemäß § 5 Abs. 4 EEG 2009 die Verpflichtung der Beklagten gewesen wäre. Sie hätte bei der Verpflichtung zum Netzanschluss die Abnahme des Stroms erst durch eine Maßnahme der Kapazitätserweiterung des Netzes nach § 9 EEG ermöglichen müssen (Bl. 14 d.A.). Die Beklagte habe im Rahmen des § 13 Abs. 2 EEG 2009 auch die entstehenden Leitungsverluste zu ersetzen. Sie ist weiterhin der Ansicht, dass ihr ein Feststellungsinteresse zustehe. Die Leitungsverluste würden dauerhaft entstehen und es sei für sie nicht feststellbar, wie die genauen Produktionsmengen der Windenergieanlage noch nicht sicher feststehen. Sie begehrt schließlich Zahlung der ihr entstandenen Rechtsanwaltskosten in Höhe von 2.180,60 €.
Die Klägerin beantragt,
1. die Beklagte zu verurteilen, 118.636,02 € zuzüglich Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 25. November 2011 sowie weitere Rechtsverfolgungskosten in Höhe von 2.180,60 € an die Klägerin zu zahlen;
2. festzustellen, dass die Beklagte der Klägerin zum Ersatz der Leitungsverluste verpflichtet ist, die infolge des Anschlusses der klägerischen Windenergieanlage (WEA) des Typs Enercon E-82 mit einer installierten elektrischen Leistung von 2,3 MW am Netzverknüpfungspunkt im Bereich der MS-Station ... gegenüber einem Anschluss an das Netz der Beklagten im Bereich des Standorts der WEA in der Gemarkung ... entstanden sind und noch entstehen werden.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie behauptet, die MS-Station ... habe sich als die kostengünstigste Station erwiesen, so dass dort der Netzverknüpfungspunkt im Sinne von § 5 Abs. 1 EEG (2009) sei. Sie ist der Ansicht, sie habe der Klägerin keinen Netzverknüpfungspunkt gemäß § 5 Abs. 3 zugewiesen. Sie habe lediglich einen Netzverknüpfungspunkt im Sinne von § 5 Abs. 1 EEG 2009 bestimmt.
Das Gericht hat Beweis erhoben gemäß Beweisbeschluss vom 6. Mai 2013 (Bl. 483 f.d.A.) sowie vom 19. Juni 2013 (Bl. 521 f.d.A.). Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf das Gutachten des Sachverständige Dr. ... ... von April 2014 sowie das Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 21. Juli 2014 (Bl. 757 ff.d.A.) Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
Die Klage ist zulässig und begründet.
I. Die Klägerin hat gegen die Beklagte einen Anspruch auf Zahlung der Anschlusskosten in Höhe von 118.636,02 € aus § 280 Abs. 1 BGB i.V.m. § 5 Abs. 2 des Gesetzes für den Vorrang Erneuerbarer Energien vom 25. Oktober 2008 (BGBl. I, S. 2074, im Folgenden: EEG) für die repowerte Windkraftanlage ....
1. Der zugewiesene Netzverknüpfungspunkt in Variante 1) ist zwar der technisch und wirtschaftlich günstigste (a). Die Klägerin hat jedoch ihr Wahlrecht gem. § 5 Abs. 2 EEG in nicht rechtsmissbräuchlicher Weise ausgeübt (b). Danach kommt es nicht mehr darauf an, ob die Beklagte als Netzbetreiberin der Klägerin als Anlagenbetreiberin einen anderen Netzverknüpfungspunkt nach § 5 Abs. 3 EEG zugewiesen hat (c).
a) Die realisierte Variante 1) ist die wirtschaftlich und technisch günstigste Anschlussstelle, obwohl sie in Luftlinie nicht die kürzeste Entfernung zum Standort der Anlage aufweist.
aa) Grundsätzlich trägt gem. § 13 Abs. 1 EEG die notwendigen Kosten des Anschlusses von Anlagen zur Erzeugung von Strom aus Erneuerbaren Energien oder aus Grubengas an den Verknüpfungspunkt nach § 5 Abs. 1 oder 2 EEG die Anlagenbetreiberin und somit die Klägerin. Die Netzbetreiberin ist nach § 5 Abs. 1 EEG verpflichtet, Anlagen zur Erzeugung von Strom aus Erneuerbaren Energien und aus Grubengas unverzüglich vorrangig an der Stelle an ihr Netz anzuschließen (Netzverknüpfungspunkt), die im Hinblick auf die Spannungsebene geeignet ist, und die in der Luftlinie kürzeste Entfernung zum Standort der Anlage aufweist, wenn nicht ein anderes Netz eine technisch und wirtschaftlich günstigeren Verknüpfungspunkt aufweist. Zur Ermittlung des richtigen Verknüpfungspunktes ist ein Kostenvergleich durchzuführen, bei dem – losgelöst von der jeweiligen Kostentragungspflicht – die Gesamtkosten miteinander zu vergleichen sind, die bei den verschiedenen Ausführungsmöglichkeiten für den Anschluss der betreffenden Anlage sowie für den Netzausbau anfallen (vgl. BGH, Urteil vom 10.10.2012 – VIII ZR 362/11, zitiert nach juris Tz. 29).
bb) Die Windkraftanlage der Klägerin ist im März 2011 an dem Netzverknüpfungspunkt Mittelspannungs-Station ... in der Nähe der Mittelspannungs-Station „...” im Mittelspannungs-Abgang „...” der Umspannanlage ... (Variante 1) angeschlossen worden.
(1) Dieser Netzverknüpfungspunkt ist im Hinblick auf die Spannungsebene zum Anschluss der Windenergieanlage geeignet.
Er befindet sich nicht in Luftlinie in der kürzesten Entfernung zum Standort der Anlage. Für die Bestimmung, welches Netz und welcher Verknüpfungspunkt bei mehreren in Betracht kommenden Möglichkeiten zu den Anlagen des Energieerzeugers die „kürzeste Entfernung“ aufweist, kommt es maßgeblich darauf an, bei welchem der möglichen Anschlüsse die geringsten Gesamtkosten für die Herstellung des Anschlusses und für die Durchführung der Stromeinspeisung zu erwarten sind. Dies hat seinen Grund darin, dass der Gesetzeber den Gesamtaufwand für die Einspeisung des aus Erneuerbaren Energien erzeugten Stroms minimieren wollte (BGH, Urteil vom 10.10.2012, aaO., Tz. 26). Zur Ermittlung des richtigen Verknüpfungspunktes ist ein Kostenvergleich durchzuführen, bei dem - losgelöst von der jeweiligen Kostentragungspflicht - die Gesamtkosten miteinander zu vergleichen sind, die bei den verschiedenen Ausführungsmöglichkeiten für den Anschluss der betreffenden Anlage sowie für den Netzausbau anfallen (BGH, Urteil vom 10.10.2012, aaO., Tz. 26; BGH, Urteil vom 18.7.2007 - VIII ZR 288/05, zit. nach juris, Tz. 25). Die Voraussetzungen dieser Ausnahme („wenn nicht”) hat gegebenenfalls der hierdurch begünstigte Netzbetreiber darzulegen und zu beweisen (vgl. BGH, Urteil vom 18.7.2007, aaO., Tz. 25).
Der Netzverknüpfungspunkt in Variante 1) ist der technisch und wirtschaftlich günstigste Verknüpfungspunkt, so dass die Beklagte der Klägerin grundsätzlich diesen Verknüpfungspunkt zuweisen durfte.
(2) Die Beklagte als Netzbetreiberin konnte beweisen, dass die Voraussetzungen dieser Ausnahme vorliegen und der zugewiesene Verknüpfungspunkt (Variante 1) der technisch und wirtschaftlich günstigere ist.
Die Kammer ist aufgrund des Gutachtens des Sachverständigen Dr. ... nach eigener kritischer Würdigung davon überzeugt, dass der realisierte Netzverknüpfungspunkt MS-Station ... (Variante 1) mit Kosten in Höhe von 217.914,65 € der technisch und wirtschaftlich günstigste Netzverknüpfungspunkt ist.
Der Sachverständige Dr. ... führt in seinem Gutachten auf Basis der ausgewiesenen Gesamtkosten aus, dass es sich bei Variante 1, also dem aktuellen Netzverknüpfungspunkt Mittelstation ..., im Rahmen der drei zu prüfenden Varianten um die gesamtwirtschaftlich günstigste Variante und demnach gemäß den Vorgaben des EEG um den zu realisierenden Netzanschlusspunkt handelt.
Die für den Anschluss der Windkraftanlage an diesen Netzknoten erforderliche Kabelstrecke nahm der Sachverständige nach den Angaben der Klägerin mit 1.717 m an. Für den Anschluss an das 10 kV Netz berücksichtigte er ein Mittelspannungskabel vom Typ NA2XS(F)2Y mit einem Querschnitt von 150 mm² (RM, 25 Adern). Die Kosten für den Netzanschluss des realisierten Netzverknüpfungspunktes bezifferte der Sachverständige danach mit 217.914,65 € (Elektr. Infrastruktur für den Netzanschluss, Übergabestation, Grunddienstbarkeiten und Aufwuchsentschädigung, Barwert über 20 Jahre der Betriebskosten). Kosten für den Netzausbau fielen nicht an. Der Sachverständige setzte in dieser Variante in einer Referenzberechnung die Verlustleistung mit Null an.
In der Variante 2 nahm der Sachverständige einen Anschluss der Windkraftanlage die Mittelspannungsstation „Forstweg” im Mittelspannungsabgang „Wiesengrund” der Umspannanlage ... an. Für den Anschluss der Windkraftanlage an diesen Netzknoten ist ebenfalls ein Mittelspannungskabel (10 kV) vom Typ NA2XS(F)2F mit einem Querschnitt von 150 mm² (RM, 25 Adern) mit einer Länge von 924 m entlang der bestehenden Flurgrenzen erforderlich.
Die Kosten für den Netzanschluss hat der Sachverständige im Verhältnis zu den tatsächlich entstandenen Kosten mit 153.367,70 € angesetzt (elektr. Infrastruktur für den Netzanschluss, Übergabestation, Grunddienstbarkeiten und Aufwuchsentschädigung, Barwert über 20 Jahre der Betriebskosten). Die erforderlichen Kosten für einen Netzausbau sind mit 144.583,82 € angenommen, so dass er Gesamtkosten in Höhe von 300.258,57 € errechnet hat.
Die Differenzverlustkosten berechnete der Sachverständige gegenüber der Referenzanlage Variante 1 mit einer geringfügig höheren Differenzverlustleistung von 0,31 kW (gerechnet auf 20 Jahre).
In der Variante 3 nahm der Sachverständige an, dass die Windkraftanlage unmittelbar an die bestehende Mittelspannungsstation „Windkraftanlage ...” im Mittelspannungsabgang „Wiesengrund” der Umspannanlage ... in unmittelbarer Nähe des Standortes der Windkraftanlage selbst angeschlossen wird. Es ist mit einem erhöhten Aufwand für Netzverstärkungsmaßnahmen zur qualitativen Verbesserung des Netzanschlusspunktes in unmittelbarer Nähe zum Standort der Erzeugungseinheit zu rechnen. Insgesamt müssten 4.203 m verstärkt und damit ausgebaut werden (vgl. K 34).
Der Sachverständige hielt es zwar für ausgeschlossen, dass diese Möglichkeit einen gesamtwirtschaftlich günstigeren Netzanschlusspunkt darstellt und berechnete die Kosten nicht.
Die Kammer kann sich der Argumentation des Sachverständigen, es handele sich bei der Verstärkung des Netzanschlusspunktes um einen weiteren Netzanschluss nicht anschließen. Die Kammer vertritt die Ansicht, dass es sich bei der Optimierung, Verstärkung oder den Ausbau des Netzes um Netzausbaukosten handelt, §§ 5 Abs. 4, 9 EEG (vgl. Beschluss der Kammer vom 13.10.2014, Bl. 813 ff. d.A.).
Dabei kommt es in Anbetracht der in §§ 5 Abs. 4, 9 EEG enthaltene Optimierungs- und Verstärkungs- und Ausbaupflicht des Netzbetreibers nicht darauf an, dass dieser Verknüpfungspunkt im Hinblick auf die Netzleistung technisch den Strom aus den von der Klägerin geplanten Windenergieanlagen nicht ohne weiteres aufnehmen konnte. Ausreichend ist vielmehr, dass die Abnahme des Stroms - wie hier - durch Optimierung, Verstärkung oder Ausbau des Netzes ermöglicht werden kann, wenn dies wirtschaftlich zumutbar ist. Wirtschaftlich zumutbar soll der Ausbau sein, wenn die Kosten hierfür 25 % der Kosten der Errichtung der Stromerzeugungsanlage nicht überschreiten (vgl. BGH, Urteil vom 18.7.2007 - VII ZR 288/05, zit. nach juris, Tz. 26 zur Rechtslage des EEG 2004; BT-Drs. 15/2864, S. 34). Durch den Ausbau soll die insoweit nicht vorhandene Eignung hergestellt werden. Der Ausbau dient mit anderen Worten der qualitativen Verbesserung (Verstärkung) des Netzes, um dieses aufnahmefähig zu machen. Das kann auch durch Errichtung einer Parallelleitung zu einer bereits bestehenden Leitung geschehen (BGH, Urteil vom 7.2.2007 - VIII ZR 225/05, zitiert nach juris, Tz. 17).
Die bis März 2011 von den Parteien genutzten Leitungen stehen dabei unbestritten im Eigentum der Beklagten als Netzbetreiberin.
Nach überschlägiger Berechnung durch die Kammer würden in Fortführung der Beträge aus Variante 1 und 2 für den Netzausbau von 4.203 m insgesamt schon 268.181,70 € anfallen.
Kosten für den Netzausbau | Betrag |
---|---|
Kabel mit einer Länge von 4.203 m (20 € / m) | 86.060,00 € |
Kabelverlegung mit Länge 4.203 m (20 € / m) | 86.060,00 € |
Barwert Betriebskosten (gerechnet auf 20 Jahre), 13,42% | 23.098,50 € |
Übergabestation + Anschlusskabel | 73.500,00 € |
SUMME Netzausbaukosten Variante 3 | 268.181,70 € |
Eine exaktere Berechnung würde nur zu einer Erhöhung der oben dargestellten Kosten im Hinblick auf die Positionen Netzanschlusskosten und Differenzverlustleistung führen. Daher schließt sich die Kammer i.E. der Auffassung des Sachverständigen an, dass die Variante 1 im Rahmen der zu prüfenden Varianten um die gesamtwirtschaftlich günstigste Variante handeln und demnach gem. den Vorgaben des EEG der zu realisierende Netzanschlusspunkt ist.
Beide Parteien erklärten übereinstimmend, dass zusätzlich zu den Kabel-, Kabelverlegekosten und den Betriebskosten die Kosten für die Übergabestation und das Anschlusskabel in Höhe von unstreitig 73.500,00 € anfallen würden.
Der Netzausbau wäre daher wirtschaftlich zumutbar gewesen, weil die Kosten hierfür 25 % der Kosten der Errichtung der Stromerzeugungsanlage in Höhe von 3.455.000,00 € nicht überstiegen hätten.
Durch die Differenzverlustleistung soll nach der Einschätzung des Sachverständigen jedoch kein nennenswert höherer finanzieller Aufwand entstehen.
b) Der Klägerin hätte jedoch das Recht zugestanden, „einen anderen Verknüpfungspunkt dieses oder eines anderen im Hinblick auf die Spannungsebene geeigneten Netzes zu wählen“. Das Wahlrecht der Anlagenbetreiberin gem. § 5 Abs. 2 EEG wird nach der Gesetzesbegründung allein durch die Geeignetheit des Netzes mit Blick auf die Spannungsebene eingeschränkt werden. Deren Ausübung darf lediglich nicht rechtsmissbräuchlich sein (vgl. BGH, Urt. v. 10.10.2012 - VIII ZR 3762/11, zitiert nach juris, Tz. 47). Das Wahlrecht des Anlagenbetreibers erstreckt sich auch auf den nächstgelegenen Verknüpfungspunkt, sofern dieser nicht bereits nach § 5 Abs. 1 S. 1 EEG geschuldet ist. Sie hatte ihr Wahlrecht mit Schreiben vom 23.9.2010 ausgeübt (K 7, Bl. 25 ff. Anlagenband I).
Eine rechtsmissbräuchliche Ausübung des Wahlrechts wird erst dann angenommen, wenn die hierdurch dem Netzbetreiber entstehenden Kosten nicht nur unerheblich über den Kosten eines Anschlusses an dem gesamtwirtschaftlich günstigsten Verknüpfungspunkt liegen. Der BGH hat in seiner Entscheidung offengelassen, wann erhebliche Mehrkosten vorliegen und das Wahlrecht nach § 5 Abs. 2 EEG rechtsmissbräuchlich sein soll. Jedenfalls liegt dann Rechtsmissbräuchlichkeit vor, wenn Mehrkosten von knapp 60 % entstünden (BGH, Urteil vom 10.10.2012, aaO., Tz. 59).
Anhaltspunkte für einen Rechtsmissbrauch durch die Klägerin hat die Kammer danach nicht. Die Ausübung des Wahlrechts der Klägerin nach § 5 Abs. 2 EEG im Hinblick auf die von ihr favorisierte Variante 3 mit Gesamtkosten in einer Höhe von überschlägig von der Kammer errechneten 268.181,70 € ist nicht rechtsmissbräuchlich. Insoweit entstehen im Hinblick auf den als gesetzlichen Verknüpfungspunkt im Sinne von § 5 Abs. 1 EEG anzunehmende Variante 1 mit Gesamtkosten in Höhe von 217.914,65 € Mehrkosten von knapp 23,06 %.
Gesamtwirtschaftliche Argumente der Beklagten, dass die Mehrkosten für einen Netzausbau durch die Allgemeinheit der Stromkunden getragen werden müssen und dies nicht gerechtfertigt sei, sind durch die Kostentragungspflicht des Netzausbaus und durch die Förderung der Einspeiser erneuerbarer Energien im EEG (2009) klar geregelt worden.
c) Die Netzbetreiberin trägt die Mehrkosten des Anschlusses, wenn sie der Anlagenbetreiberin nach § 5 Abs. 3 EEG einen anderen Verknüpfungspunkt zuweist.
Ob die Beklagte der Klägerin mit ihrem Schreiben vom 19. Mai 2010 (Bl. 131 d.A.) einen anderen Netzverknüpfungspunkt i.S.v. § 5 Abs. 3 S. 1 EEG zugewiesen hat mit der Folge, dass sie die Kosten zu tragen hat, kommt es demnach nicht mehr an.
d) Höhe
Die Beklagte ist damit zum Ersatz der Mehrkosten, die der Klägerin entstanden sind, gegenüber der von ihr favorisierten Anschlussvariante verpflichtet.
Den Schaden für die Klägerin schätzt die Kammer gem. § 287 Abs. 2 ZPO auf 118.636,02 €.
Die Gesamtkosten des realisierten Anschlusses betragen für die Klägerin 192.136,02 €. Diese setzen sich aus Kosten in Höhe von 110.731,97 € für die Firma Enercon GmbH zur Herstellung der elektrischen Infrastruktur zusammen (Rechnung vom 23.5.2011, K 11, Bl. 42 Anlagenband I). Die Übergabestation kostete 68.912,05 € netto (Rechnung vom 23.5.2011, K 11 a, Bl. 43 Anlagenband I). Schließlich zahlte die Klägerin Aufwuchsentschädigungen für zu querenden Grundstücke und Grunddienstbarkeiten insgesamt in Höhe von 12.492,00 € (K 11 c, Bl. 47 Anlagenband I, Kontoauszüge K 11 b, Bl. 44 f. Anlagenband I).
Diese Kosten wären nicht entstanden, wenn die Klägerin den Anschluss an Variante 3 hätte realisieren können.
Durch den Anschluss an den Netzverknüpfungspunkt WKA ... (Variante 3) wären Kosten in Höhe von insgesamt 73.500,00 € angefallen. Diese setzen sich zusammen aus den Kosten für die Übergabestation in Höhe von 61.900 € und die entsprechende Verkabelung in Höhe von 11.600 € (vgl. Schreiben der Enercon vom 14.11.2011, K 12, Bl. 48 Anlagenband I).
Die Klägerin hat die Kosten, die sie gezahlt hat, durch Rechnungen und Kontoauszüge belegt. Die Kosten durch einen fiktiven Anschluss an die WKA ... (Variante 3) hat sie durch die Angaben der Firma Enercon angegeben.
Die Kosten des Netzausbaus gem. §§ 9, 5 EEG, die die Kammer weiterberechnet hat, die der Beklagten durch den Anschluss an den Netzverknüpfungspunkt WKA ... (Variante 3) entstanden wären, fallen gem. § 5 Abs. 4 EEG in den Verantwortungsbereich der Beklagten als Netzbetreiberin.
e) Der Zinsanspruch folgt aus §§ 286 Abs. 2 Nr. 1, 288 Abs. 1 S. 2 BGB seit dem 13. Dezember 2011. Die Klägerin hat die Beklagte mit Schreiben vom 25. November 2011 zur Zahlung von Schadensersatz in dieser Höhe aufgefordert und eine Frist zur Zahlung bzw. Erklärung bis zum 12. Dezember 2011 gesetzt. Im Übrigen war die Klage abzuweisen.
2. Die Klägerin hat gegen die Beklagte einen Anspruch auf Feststellung der Höhe der Leitungsverluste als unmittelbare Schadensfolge durch den Anschluss der Windkraftanlage an den aktuellen Netzverknüpfungspunkt durch die Beklagte aus § 280 Abs. 1 BGB i.V.m. § 5 EEG.
Die Beklagte hatte die Verpflichtung, der Klägerin den Netzverknüpfungspunkt ... (Variante 3) nach deren Wahlrecht aus § 5 Abs. 2 EEG anzuschließen. Sie hat ihre Pflicht verletzt, indem sie ihr den Netzverknüpfungspunkt ... (Variante 1) zugewiesen hat. Die durch die längere Strecke des Anschlusses der Anlage an den Netzverknüpfungspunkt Variante 1 entstehenden Leitungsverluste sind auf die Laufzeit der Anlage ebenfalls auszugleichen. Da die genaue Bezifferung von den Produktionsmengen abhängt, kann die Klägerin die Höhe zumindest für die Zukunft noch nicht genau beziffern, § 256 ZPO.
3. Die Klägerin hat gegen die Beklagte einen Anspruch auf die angefallenen, nicht anrechenbaren Rechtsanwaltsgebühren aus §§ 280 Abs. 1, 286 Abs. 1 BGB nach einem berechtigten Streitwert von 148.876,02 € in Höhe von 2.080,50 €. Im Übrigen war die Klage abzuweisen.
II. Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1 S. 1 ZPO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit hat ihre Rechtsgrundlage in § 709 S. 1 und 2 ZPO. Die Festsetzung des Streitwertes folgt. §§ 3, 9 ZPO. Von dem gem. § 9 ZPO errechneten 3,5 fachen Streitwert des voraussichtlichen Verlustes im Hinblick auf den Antrag zu 2) war ein Abschlag von 20 % wegen des Feststellungsantrages gegenüber dem Wert einer entsprechenden Leistungsklage vorzunehmen (vgl. Zöller-Herget, ZPO, 30. Auflage 2014, § 3 Rdn. 16 „Feststellungsklage“).
Die nicht nachgelassenen Schriftsätze der Beklagten vom 14.1.2015 und vom 28.1.2015 und der Klägerin vom 19.1.2015 gaben der Kammer nach pflichtgemäßen Ermessen keinen Anlass, die mündliche Verhandlung wiederzueröffnen.