Landgericht Verden
Urt. v. 21.09.2015, Az.: 9 O 18/14

Bibliographie

Gericht
LG Verden
Datum
21.09.2015
Aktenzeichen
9 O 18/14
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2015, 44874
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

Tatbestand:

Der gerichtbekannt anspruchs- und klagebefugte Kläger verfolgt satzungsgemäß Wettbewerbsverstöße.

Die Beklagte ist in Niedersachsen approbierte Ärztin und Fachärztin für Hals-Nasen-Ohrenheilkunde. Sie betreibt mit dem Facharzt S. eine Gemeinschaftspraxis in N.. Die Beklagte ist Mitglied der Ärztekammer Niedersachsen. Nach der aktuellen Fassung der Berufsordnung der Ärztekammer Niedersachsen (§ 31 Abs. 2 BOÄ) dürfen Ärzte ihren Patienten nicht ohne hinreichenden Grund bestimmte Ärzte, Heil- und Hilfsmittelerbringer oder sonstige Anbieter gesundheitlicher Leistungen empfehlen oder an diese Verweisen.

Nach Darstellung des Klägers suchte am 10. Juli 2013 der Patient P. die Beklagte auf, die ihm angeblich ohne ausdrückliche Bitte um Empfehlung an den bei ihr tätigen Techniker im Hause, Herrn W. verwies, der ihn über die weiteren Möglichkeit einer Hörgeräteversorgung beraten sollte. Angeblich dieser Empfehlung folgend suchte der Patient am 19. Juli 2013 die Praxis der Beklagten auf und besprach sich mit Herrn W., der dem Patienten die besonderen Vorzüge des verkürzten Versorgungswegs schilderte und dem Patienten dann ein neueres Gerät über die Fa. A. vorschlug. Letztlich erhielt der Patient dann auch einen Kostenvoranschlag der Fa. A. vom 23. Juli 2013 (Anlage K4).

Am 5. Juli 2013 suchte der schwerhörige Patient B. die Praxis der Beklagten auf. Er wurde untersucht, ein Hörtest durch eine Mitarbeiterin durchgeführt. Er erhielt auch eine ohrenärztliche Verordnung.

Nach Darstellung des Klägers lagen in der Praxis mehrere Exemplare von „DAS N. Rätselhaft“ für Patienten aus, die mit einem Firmenstempel der N. Niederlassung der N. Hörcenter GmbH versehen waren. Ein Exemplar davon (s. Anlage K6 bzw. die Anlage zum Protokoll vom 11. Mai 2015) nahm der Patient B. nach Darstellung des Klägers danach mit.

Der Kläger sieht hinsichtlich beider Patienten wettbewerbswidriges Verhalten.

Der Kläger beantragt,

I. die Beklagte zu verurteilen, es zu unterlassen, im geschäftlichen Verkehr,

im Zusammenhang mit einer von ihr durchgeführten ärztlichen Untersuchung eines Patienten diesem ohne hinreichenden Grund bestimmte Erbringer von gesundheitlichen Leistungen von sich aus zu empfehlen, ohne vom Patienten konkret um eine solche Empfehlung gebeten zu sein,

wenn dies geschieht

wie gegenüber dem Patienten P. im Rahmen seiner Praxisbesuche am 10. Juli und 19. Juli 2013, indem durch einen Mitarbeiter die Fa. A. Hörsysteme empfohlen wurde

und/oder

wie gegenüber dem Patienten B. im Rahmen seines Praxisbesuchs am 5. Juli 2013, indem für Patienten zugängliches Werbematerial der Fa. N. Hörcenter N. auslag.

II. der Beklagten für jeden Fall der Zuwiderhandlung die Verhängung eines Ordnungsgeldes bis zu 250.000,00 €, ersatzweise Ordnungshaft bis zu 6 Monaten, im Wiederholungsfall bis zu 2 Jahren anzudrohen;

III. die Beklagte weiter zu verurteilen, an die Klägerin 219,35 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 17. Januar 2014 zu zahlen.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Die Beklagte macht geltend, dass der Patient P. zuvor von sich aus um Benennung eines geeigneten Hörgeräteakustikers gebeten habe. Bei dem Patienten B. hätten am 5. Juli 2013 weder Prospekte noch Werbematerialien von Hörgeräteakustikern ausgelegen.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird Bezug genommen auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen sowie die im Tatbestand zitierten Urkunden mit ihren Verweisungen.

Die Kammer hat Beweis erhoben. Wegen des Themas wird Bezug genommen auf den Beschluss vom 24. November 2014, wegen des Ergebnisses auf die Niederschrift vom 11. Mai 2015. Der Kläger hat das weitere Beweisangebot Zeuge P. zurückgezogen, der Zeuge ist deshalb nicht mehr vernommen worden.

Entscheidungsgründe

Die zulässige Klage hat hinsichtlich eines geltend gemachten Unterlassungsanspruchs Erfolg.

1. Der Kläger kann nach §§ 8 Abs. 2, 4 Nr. 11 UWG wegen der § 31 Abs. 2 BOÄ widersprechenden Empfehlung eines Leistungserbringers mittels ausgelegten Werbematerials in dem zugesprochenen Umfang Unterlassung verlangen.

Nach dem dazu vom Zeugen B. Ausgesagten hat die Kammer keinen Zweifel, dass der Zeuge -gerade als hierzu beauftragter Testpatient- die im Termin im Original präsentierte Unterlage, nämlich „DAS N. Rätselheft“ für Patienten mit dem Stempel vom Hörcenter N., aus dem Wartezimmer der Beklagten, wo es ausgelegen hat, mitgenommen hat. Der Zeuge hat dies glaubhaft nach Vorhalt der Unterlage ausgesagt. Nach dem Eindruck der Kammer ist dieser Zeuge auch weder verwirrt noch sonst eingeschränkt. Die Unterlage betrifft auch mit N. schließlich den Ort, an dem die Beklagte ihre Praxis betreibt. Es ist auch die zeitlich passende Ausgabe 2013 des Rätselhefts. Das von den anderen Zeugen, die auch ausgesagt haben, dass sie das Rätselheft nicht kennen, beschriebene Durchsehen der in der Praxis ausgelegten Zeitschriften mit der Aussortierung und Vernichtung nicht akzeptierten Schriftmaterials, hat danach offensichtlich nicht funktioniert, wenn man davon ausgeht, dass es eine entsprechende, auf Anweisungen beruhende Praxis mit einer entsprechenden Sensibilisierung der Mitarbeiterinnen gegeben hat.

Die auch der Beklagten zuzuordnende, mittels Werbematerials zu Gunsten eines bestimmten Hörgeräteakustikers erfolgte Empfehlung ist wettbewerbswidrig und zu unterlassen.

2. Wegen des weiteren Patienten P. kann der Kläger keine Unterlassung verlangen. Wettbewerbswidrig wegen einer nach § 31 Abs. 2 BOÄ unzulässigen Empfehlung eines bestimmten Anbieters wäre das Verhalten der Beklagten, unabhängig davon, ob sie an ihren Techniker mit dessen Empfehlung für ein Produkt der Fa. A. oder ob sie direkt einen - auch verkürzten - Versorgungsweg über die Fa. A. empfohlen hätte, allenfalls dann, wenn der Zeuge P. nicht selbst und von sich aus um die Empfehlung der Beklagten gebeten hätte. Davon geht die Kammer aber nach der hierzu durchgeführten Beweisaufnahme aus. Dass keine Bitte um Empfehlung gegeben, kann der Kläger nicht beweisen. Auf den hierfür maßgeblichen Zeugen hat der Kläger wegen dessen Gesundheitszustand verzichtet.

3. Wegen der geltend gemachten vorgerichtlichen Kosten ist die Klage abzuweisen, weil wegen eines Falls die Abmahnung jedenfalls nicht berechtigt gewesen ist.

II.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 92 Abs. 1 ZPO. Der Kläger ist jedenfalls hinsichtlich eines verfolgten Anspruchs unterlegen. Schon aus der Formulierung der Anträge mit und/oder ergibt sich, dass er zwei selbständige Unterlassungsansprüche mit unterschiedlichen Verletzungshandlungen verfolgt hat und dass es sich nicht um einen einheitlichen Anspruch oder Streitgegenstand handelt, der nur auf unterschiedliche Verletzungshandlungen gestützt wird. Dementsprechend ist der Streitwert auch wie beantragt auf 25.000,00 € (2x12.500,00 €) festgesetzt worden. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht insbesondere auch wegen der Kosten auf § 709 ZPO