Landgericht Verden
Urt. v. 08.01.2016, Az.: 4 O 132/15

Bibliographie

Gericht
LG Verden
Datum
08.01.2016
Aktenzeichen
4 O 132/15
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2016, 43093
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

Tenor:

Die Klage wird abgewiesen.

Die Kläger tragen die Kosten des Rechtsstreits als Gesamtschuldner.

Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 120 % des zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand:

Die Kläger begehren Feststellung, dass ihr Darlehensvertrag wirksam widerrufen sei und  sie nur noch eine bestimmte Summe schulden.

Die Parteien schlossen am 11. September 2009 zur Finanzierung einer Immobilie einen Darlehensvertrag über 92.177,92 € € mit einem effektiven Jahreszins von 4,57 %, fest bis 2019. Ab dem 15. November 2009 leisteten die Kläger eine monatliche Rate in Höhe von 700,00 €. Dem Darlehensvertrag war die in die Klageschrift kopierte Widerrufsbelehrung beigefügt (Bl. 3. d.A.), auf die Bezug genommen wird.

Mit Schreiben vom 24.11.2014 widerriefen die Kläger den Darlehensvertrag und setzten der Beklagten (erfolglos) eine Frist zur Bestätigung der Wirksamkeit des Widerrufs bis zum 08. Dezember 2014.

Die Kläger sind der Auffassung, die Widerrufsbelehrung im Darlehensvertrag sei fehlerhaft. Insbesondere sei das in der Widerrufsbelehrung enthaltene lange weiße Feld geeignet, den Verbraucher zu irritieren im Hinblick auf eine mögliche Ergänzung. Außerdem seien die in der streitgegenständlichen Widerrufsbelehrung eingefügten Fußnotenzusätze geeignet, den Verbraucher von seinem Widerrufsrecht abzuhalten. Unklar bleibe, dass jeder Darlehensnehmer gesondert widerrufen könne. Bei der Angabe der Empfängerkanäle werde nicht hinreichend deutlich, dass es sich um eine alternative Aufzählung handele. Auch sei die Belehrung über die finanzierten Geschäfte geeignet, dem Verbraucher die Ausübung des Widerrufsrechts zu erschweren, weil darin auch unnötige Textpassagen enthalten seien über das Widerrufsrecht bei einfachen Darlehensverträgen oder auch Überlassung einer Sache.

Die Kläger errechnen nach Rückabwicklung des Darlehensvertrages einen noch an die Beklagte zu leistenden Betrag in Höhe von 53.971,31 €. Dabei hat die Klägerin ihre Ansprüche aus der Summe der Rückzahlung ihrer Zins- und Tilgungsleistung und der Erstattung hieraus gezogener Nutzung in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz verrechnet mit den Ansprüchen der Beklagten aus der Summe der Darlehensvaluta abzüglich Zins- und Tilgungsleistung und einer Verzinsung in Höhe des jeweils monatlich festgestellten marktüblichen Zinssatzes.

Die Kläger beantragen,

1. festzustellen, dass die Kläger an ihre auf den Abschluss des Verbraucherdarlehensvertrags Nr. 6375016398 vom 11.09.2009 mit einem Gesamtdarlehensbetrag von nominal 92.177,92 € gerichteten Willenserklärungen infolge wirksamen Widerrufs nicht mehr gebunden sind und in der Folge der Verbraucherdarlehensvertrag rückabzuwickeln ist;

2. weiter festzustellen, dass der Beklagten nach Rückabwicklung des Verbraucherdarlehensvertrags Nr. 6375016398 zum Zeitpunkt des 31.03.2015 keine über einen Betrag i.H.v. 53.971,31 € hinausgehenden Zahlungsansprüche gegen die Kläger zustehen und sich dieser Betrag bis zur gerichtlichen Entscheidung in einem Maß verringert, in dem die Kläger ab dem 31.03.2015 weiterhin die ursprünglich vereinbarten monatlichen Darlehensraten (Zins und Tilgung) an die Beklagte leisten werden;

3. weiterhin festzustellen, dass sich die Beklagte seit dem 05.12.2014 mit der Annahme des Leistungsangebots der Kläger zur Rückabwicklung des Verbraucherdarlehensvertrages Nr. 6375016398 in Verzug befindet;

4. die Beklagte zu verurteilen, die Rechtsschutzversicherung der Kläger, die Z. GmbH, Schadensnummer ### von vorgerichtlichen Anwaltskosten i.H.v. 3.061,16 € frei zu halten.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Die Beklagte hält die Widerrufsbelehrung für korrekt, die Ausübung des Widerrufsrechts daher für verfristet und im Übrigen für rechtsmissbräuchlich.

Die Beklagte meint, die Schadenberechnung der Kläger sei falsch. Insbesondere unterfalle -auch bei Saldierung - der von ihre zurückzuerstattende Zinsbetrag der Kapitalertragssteuer, die sie als Abgeltungssteuer an das Finanzamt abzuführen habe.

Wegen der weiteren Einzelheiten des beiderseitigen Parteivorbringens wird auf den vorgetragenen Inhalt der zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

Die Klage ist unbegründet.

Die Kläger haben keinen Anspruch auf Feststellung, dass der Darlehensvertrag wirksam widerrufen worden ist.

Der Widerruf der Kläger gemäß § 495 BGB ist verfristet. Gemäß § 355 Abs. 1 BGB a. F. beträgt die Widerrufsfrist für einen Verbraucher zwei Wochen, gerechnet vom Erhalt der Widerrufsbelehrung und der Vertragsurkunde im Jahr 2009. Der erst im Jahr 2014 erklärte Widerruf ist damit verspätet.

Die Widerrufsbelehrung zum Darlehensvertrag vom 11. September 2009 ist fehlerfrei und hat deshalb die Widerrufsfrist von zwei Wochen in Gang gesetzt.

Nach § 355 BGB a. F. (in der Fassung vom 2. Dezember 2004, gültig bis zum 10. Juni 2010) beginnt die Frist mit dem Zeitpunkt, zu dem dem Verbraucher eine deutlich gestaltete Belehrung über sein Widerrufsrecht, die ihm entsprechend den Erfordernissen des eingesetzten Kommunikationsmittels seine Rechte deutlich macht, in Textform mitgeteilt worden ist, die auch Name und Anschrift desjenigen, gegenüber dem der Widerruf zu erklären ist, und einen Hinweis auf den Fristbeginn und die Regelung des Abs. 1 S. 2 enthält. Nach § 355 Abs. 2 S. 3 beginnt die Frist allerdings nicht zu laufen, bevor dem Verbraucher auch eine Vertragsurkunde, der schriftliche Antrag des Verbrauchers oder eine Abschrift der Vertragsurkunde oder des Antrags zur Verfügung gestellt werden, wenn der Vertrag - wie hier - schriftlich abzuschließen ist. Alle diese Voraussetzungen erfüllt die vorliegende Widerrufsbelehrung. Im Einzelnen:

Das vorhandene lange weiße Feld schränkt die Deutlichkeit der Widerrufsbelehrung nicht ein. Insoweit hat die Kammer keinen Zweifel daran, dass der durchschnittliche Verbraucher angesichts der davor formulierten eindeutigen „zwei Wochen“ keine in irgendeiner Weise fehlerhafte Vorstellung von der Dauer der Widerrufsfrist bekommt.

Die Verwendung einer Fußnote in der Überschrift Widerrufserklärung beeinträchtigt bei dem durchschnittlichen Verbraucher das Verständnis von seinem Widerrufsrecht nicht. Die Fußnote 1 verweist unten auf den Hinweis „nicht für Fernabsatzgeschäfte“. Angesichts des Umstandes, dass hier der Darlehensvertrag mit der vor Ort sitzenden Beklagten abgeschlossen worden ist, ist der Hinweis auf die Nichtgeltung der Widerrufsbelehrung für Fernabsatzgeschäfte so fernliegend, dass der durchschnittliche Verbraucher hierdurch nicht in Zweifel geraten kann, ob ihm das Widerrufsrecht zusteht oder nicht. Außerdem kann der durchschnittliche Verbraucher ersehen, dass dieser Text nicht für ihn bestimmt ist, weil der Fußnotentext unterhalb des durch einen Rahmen begrenzten Belehrungstextes erläutert wird, zumal es auch nicht der Verbraucher ist, der das konkret betroffene Geschäft bei der Fußnote 2 einfügt, sondern der die Verträge vorbereitende Sachbearbeiter.

Die Widerrufsbelehrung ist nicht fehlerhaft, weil die gewählten Formulierungen bei mehreren Darlehensnehmern nicht deutlich erkennen lassen, dass jedem einzelnen Darlehensnehmer ein Widerrufsrecht zustehe. Die gewählte direkte Ansprache („Sie“) richtet sich an jeden Darlehensnehmer. Die Darlehensnehmer werden nicht als Einheit angesprochen. Die Formulierung legt nicht nahe, dass beide Darlehensnehmer den Widerruf nur zusammen ausüben können (so auch OLG Hamm, Urt. v. 21.10.2015, Az. 31 U 56/15).

Unproblematisch ist die beanstandete Darstellung der Empfängerkanäle. Auch hier ist gar nicht ersichtlich, dass ein durchschnittlicher Darlehensverbraucher auf die Idee kommen könnte, alle drei genannten Widerrufsempfängerkanäle ausschöpfen zu müssen, um seinen Widerruf wirksam ausüben zu können.

Schließlich hält die Kammer auch die Darstellung der Rechtsfolgen bei finanzierten Geschäften nicht für irreführend. Vielmehr setzt die hier verwendete Darstellung der Folgen bei finanzierten Geschäften den Verbraucher in die Lage, ohne größere Schwierigkeiten selbst zu überprüfen, ob die Voraussetzungen für ein finanziertes Geschäft vorliegen. Zwar ist der Klägerin zuzugeben, dass dieser Teil der Widerrufsbelehrung, der ja gar nicht einschlägig ist, einen Großteil der Gesamtwiderrufsbelehrung ausmacht. Dies ist jedoch deshalb unschädlich, weil der Verbraucher bei der Lektüre unschwer erkennen kann, ob dieser Fall für ihn eingreift oder nicht. Insofern ist die Verwendung unschädlich (so auch OLG Celle, Beschl. v. 28.10.2015, Az. 3 U 157/15).

Ist aber den Anforderungen des § 355 BGB a. F. Genüge getan, kommt es nicht mehr darauf an, ob die Widerrufsbelehrung auch dem Muster aus der Anlage 2 zu § 14 Abs. 1 und 3 der BGB-Infoverordnung entspricht.

Der Schriftsatz vom 22.12.2015 enthält keinen relevanten neuen Tatsachenvortrag.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 ZPO; die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus § 709 ZPO.