Landgericht Verden
Urt. v. 18.03.2015, Az.: 2 S 34/13

Bibliographie

Gericht
LG Verden
Datum
18.03.2015
Aktenzeichen
2 S 34/13
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2015, 44872
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

Verfahrensgang

vorgehend
AG - 19.03.2013 - AZ: 9 C 1541/12

Tenor:

Die Berufung der Kläger gegen das am 19. März 2013 verkündete Urteil des Amtsgerichts Syke - 9 C 1541/12 - wird zurückgewiesen.

Die Kläger tragen die Kosten der Berufung jeweils zur Hälfte.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Streitwert für die Berufungsinstanz: 1.000,00 €

Gründe

Die Parteien sind Grundstücksnachbarn. Die Beklagte ist Eigentümerin des Hausgrundstücks H. 2 in B., die Kläger sind Eigentümer des Grundstücks H. 1 in B..

Das Grundstück der Kläger liegt tiefer als dasjenige der Beklagten. Hinter beiden Grundstücken grenzt eine landwirtschaftlich genutzte Fläche an, die höher liegt als die Grundstücke der Parteien. Wegen der Lage der Grundstücke wird auf die Skizze Bl. 7 und 36 d.A. Bezug genommen.

Die Beklagte hat im rückwärtigen, an das landwirtschaftliche Gelände angrenzenden Teil Rhododendronbüsche gepflanzt und eine Aufschüttung zum landwirtschaftlichen Gelände hin vorgenommen. Die Kläger haben ihrerseits ca. 2/3 der rückwärtigen Grundstücksgrenze mit einer Bodenerhöhung und Mauern aus L-Steinen versehen.

Die Kläger tragen vor, die Beklagte leite das vom landwirtschaftlichen Grundstück abfließende Niederschlagswasser durch die Aufschüttung von ihrem eigenen Grundstück längs der rückwärtigen Grenze auf das Grundstück der Klägerin ab, so dass sich bei massivem Niederschlag Wasser auf dem Grundstück der Klägerin sammeln könne.

Bereits im Jahre 2002 seien durch eindringendes Niederschlagswasser sowohl der Keller als auch die Wohnräume des Hauses der Klägerin geflutet worden.

Die Kläger haben Entfernung der Aufschüttung verlangt, hilfsweise beantragt, den Abfluss von Oberflächenwasser über das Grundstück der Beklagten zu ermöglichen.

Die Beklagten haben beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie haben vorgetragen, das Grundstück der Kläger sei durch die Aufschüttungsmaßnahme nicht beeinträchtigt, insbesondere gelange hierdurch kein Wasser auf das Grundstück der Kläger.

Das Amtsgericht hat die Klage abgewiesen und zur Begründung ausgeführt, es könne keine erhebliche Beeinträchtigung nach § 39 Nds. Nachbarrechtsgesetz festgestellt werden.

Hiergegen richtet sich die Berufung der Kläger die weiterhin daran festhalten, dass die Beeinträchtigung nicht unerheblich sei. Im Übrigen meinen die Kläger, das Gericht hätte mangels eigener Sachkunde ein Sachverständigengutachten einholen müssen.

Die Kläger beantragen,

unter Abänderung des Urteils die Beklagte zu verurteilen, die an der hinteren Grenze des Grundstücks H. 2, B. vorhandene Aufschüttung auf einer Länge von 1/3 zu entfernen;

hilfsweise den Abfluss von Oberflächenwasser über das Grundstück der Beklagten zu ermöglichen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze Bezug genommen.

Die Kammer hat gemäß Beweisbeschluss vom 11. Juli 2013 (Bl. 96 d.A.) und Ergänzungsbeweisbeschluss vom 30. Juli 2014 (Bl. 166 d.A.) Beweis erhoben. Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf das Gutachten des Sachverständigen Dr. K. vom 31. März 2014, das Ergänzungsgutachten vom 12. Dezember 2014 sowie die mündlichen Erläuterungen des Sachverständigen im Termin am 23. Juli 2014 (Bl. 157 ff.d.A.) Bezug genommen.

Die zulässige Berufung der Kläger hat in der Sache keinen Erfolg.

Zu Recht hat das Amtsgericht die Klage abgewiesen.

Ein Anspruch auf Beseitigung der Aufschüttung besteht nicht.

Ein solcher Anspruch ergibt sich vorliegend nicht aus §§ 1004 BGB i.V.m. 39 Nds. Nachbarrechtsgesetz.

Die ursprünglich die Ableitung von Regenwasser regelnde Vorschrift des § 39 Nds. Nachbarrechtsgesetz ist seit dem 1. August 2014 aufgehoben.

Ein Anspruch besteht aber auch nicht aus §§ 1004 BGB i.V.m. 37 WHG.

Danach darf der Oberlieger eines Grundstücks den natürlichen Ablauf von wild abfließendem Wasser nicht zum Nachteil eines tieferliegenden Grundstücks verstärken oder auf andere Weise verändern. Insoweit schützt die Vorschrift auch den Grundstücksnachbarn, der daraus ebenso wie aus der ursprünglichen im Nds. Nachbarrechtsgesetz geregelten Norm einen eigenen Anspruch gegen seinen Nachbarn hat (Faßbender, NVwZ 2015, 97 ff., zitiert nach juris).

Es kann dahingestellt bleiben, ob insoweit bereits § 26 des Nds. Nachbarrechtsgesetzes die möglichen Schädigungen, die bei der Erhöhung eines Grundstücks zu vermeiden sind, abschließend in der Weise regelt, dass Schädigungen durch wild abfließendes Wasser nicht darunterfallen (vgl. OLG Celle vom 26. Juni 2000 - 4 U 26/00 - zitiert nach Juris; BGH vom 21. Februar 1980 - III ZR 185/78, zitiert nach Juris; KG Berlin 25 vom 22. April 2004 - 25 U 49/04 -, zitiert nach Juris).

Jedenfalls aber setzt ein Beseitigungsanspruch voraus, dass die Aufschüttung der Beklagten zu einer Ableitung von Niederschlagswasser auf das Grundstück der Kläger führt.

Ein solcher Zusammenhang ist nach dem Gutachten des Gutachters Dr. K. vom 31. März 2014 nicht bewiesen. Dort führt der Sachverständige aus, dass die Aufschüttung im hinteren (südöstlichen) Bereich des Grundstücks H. 2 keinen ersichtlichen Einfluss auf die Regenwassermenge habe, die auf das benachbarte Grundstück H. 1 abfließen könne. Zwar könne es bei Starkregenereignissen zu ziemlich hohen Regenwasserabflüssen vom südlich gelegenen Acker in Richtung auf das Grundstück H. 1 kommen, weil Anteile des Regenwassers nach eventuellen Starkregenereignissen durch einen ca. 12 m breiten „Korridor“ auf das Grundstück H. 1 gelangen könnten. Dies sei jedoch völlig unabhängig von den Aufschüttungen an der Südostgrenze des Grundstücks H. 2.

Zwar gelangt der Sachverständige in seinem Ergänzungsgutachten zu dem Ergebnis, dass es bei einem Starkregenereignis temporär zu einem Aufstau von Niederschlagswasser innerhalb einer Senke im Bereich der Ackerfläche südlich der Grundstücke H. 2, H. 3, H. 4 und H. 5 kommen könne und auch zu einem Überlaufen des Wassers aus dieser Senke in westliche Richtung. Dies setze jedoch voraus, dass sich dort mindestens 197 m³ Wasser gesammelt habe. Die Menge des sich dort stauenden Wassers sei abhängig vom sogenannten Abflussbeiwert (Faktor für die Möglichkeit der Versickerung von Wasser im Boden).  Bei einem Abflussbeiwert von 0,4, wie er im Allgemeinen für diesen Bereich angenommen werden könne, werde der kritische Wert von 197m³ nicht einmal bei einem Starkregenereignis, das statistisch alle zehn Jahre wiederkehrt, erreicht. Er könne aber je nach dem Zustand der Ackerfläche und der Witterungslage auch Abflussbeiwerte bis zu 0,8 nicht ausschließen. Lege man der Berechnung einen Abflussbeiwert von 0,8 zugrunde, würde bei einem Starkregenereignis, das statistisch alle 5 Jahre wiederkehrt und einer Starkregendauer von 30 Minuten der kritische Wert von 197 m³ erreicht werden.

Die Unsicherheit über die Frage, ob Niederschlagswasser auf das Grundstück der Kläger abgeleitet wird, gehen zu Lasten der Kläger, die insoweit beweisbelastet sind. Wenn der kritische Wert von 197m³ nicht einmal bei einem Starkregenereignis, das statistisch alle zehn Jahre wiederkehrt, erreicht wird, kann nicht sicher festgestellt werden, dass durch die von der Beklagten veranlasste Aufschüttung Wasser auf das Grundstück der Kläger abgeleitet wird. Es besteht lediglich eine gewisse, wenn auch geringe Gefährdung. Ob einmal weniger Wasser, als bei einem  Abflussbeiwert von 0,4 angenommen, versickern wird, was sich gefahrerhöhend auswirken würde, ist nicht festgestellt, sondern nach den Ausführungen des Sachverständigen nur nicht auszuschließen, was zu Lasten der Kläger geht.

Unter Berücksichtigung dessen, dass Niederschlagswasser völlig unabhängig von der Aufschüttung auf das Grundstück der Kläger gelangt, wie im Gutachten vom 31.03.2014 dargelegt und unter weiterer Berücksichtigung, dass die Gefahr eines Ablaufs von Niederschlagswasser auf das Grundstück nach einem Aufstauen im Hinblick auf die statistische Erwartung gering ist, ist jedenfalls auch nur von einer unwesentlichen Beeinträchtigung im Sinne des § 906 BGB auszugehen, welche die Kläger hinzunehmen haben.

Nach § 906 Abs. 1 BGB muss der Eigentümer eine von dem Nachbargrundstück ausgehende Immissionseinwirkung dulden, wenn sie die Benutzung seines Grundstücks nur unwesentlich beeinträchtigt und im Übrigen nicht durch wirtschaftlich zumutbaren Maßnahmen verhindert werden kann.

Ein Anspruch auf Beseitigung der Aufschüttung folgt auch nicht aus § 242 BGB.           Dies gilt schon deshalb, weil die Kläger den möglichen Zulauf von Niederschlagswasser auf ihr Grundstück mit geringem Aufwand verhindern könnten. Sie haben bereits ca. 2/3 der rückwärtigen Grundstücksgrenze, angrenzend an das Ackergelände mit einer Bodenerhöhung und einer Mauer aus L-Steinen versehen. Diese Erhöhung ließe sich über die gesamte Grundstücksgrenze zum landwirtschaftlichen Gelände hin erweitern.

Nach alledem haben die Kläger gegen die Beklagten weder einen Beseitigungsanspruch noch den hilfsweise geltend gemachten Anspruch auf Ermöglichung des Abflusses von Oberflächenwasser über das Grundstück der Beklagten.

Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 97, 100 Abs. 1 ZPO.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 708 Nr. 10, 711, 713 ZPO, 26 Nr. 8 EGZPO.

Die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision gemäß § 543 Abs. 2 ZPO liegen nicht vor.