Oberverwaltungsgericht Niedersachsen
Beschl. v. 12.12.2000, Az.: 4 M 3844/00
Bedarf; Hilfe zum Lebensunterhalt; Hilfebedürftigkeit; Sozialhilfe
Bibliographie
- Gericht
- OVG Niedersachsen
- Datum
- 12.12.2000
- Aktenzeichen
- 4 M 3844/00
- Entscheidungsform
- Beschluss
- Referenz
- WKRS 2000, 41826
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- [keine Angabe]
Verfahrensgang
- vorgehend
- VG - AZ: 3 B 3596/00
Rechtsgrundlagen
- § 11 BSHG
- § 12 BSHG
Gründe
Die vom Senat zugelassene Beschwerde ist nicht begründet. Das Verwaltungsgericht hat den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung zu Recht abgelehnt, da die Antragsteller nicht glaubhaft gemacht haben, dass sie Anspruch auf laufende Leistungen zum Lebensunterhalt nach den §§ 11, 12 BSHG haben.
Die schon vom Verwaltungsgericht nach seinem Kenntnisstand geäußerten Zweifel an der Hilfebedürftigkeit der Antragsteller haben sich nach der vom Senat beschlossenen und vom Berichterstatter am 28. November 2000 durchgeführten Beweisaufnahme (der Vernehmung der Antragstellerin als Partei und des Herrn R. als Zeugen) noch verstärkt:
Der nach Regelsätzen bemessene Bedarf des Antragstellers (des minderjährigen Kindes der Antragstellerin) ist durch die Leistungen nach dem Unterhaltsvorschussgesetz in Höhe von 299,-- DM monatlich und einen Teil des Kindergeldes von 270,-- DM gedeckt. Das restliche Kindergeld steht der Antragstellerin als ihr Einkommen zur Verfügung.
Aufgrund des Ergebnisses der Beweisaufnahme ist der Senat ferner davon überzeugt, dass die Antragsteller Aufwendungen für Unterkunft und Heizung im Sinne der §§ 12 BSHG, 3 Abs. 1 und 2 RegelsatzVO tatsächlich nicht haben. Zwar hat die Antragstellerin im November 1998 mit dem Zeugen R. einen Mietvertrag über eine 3-Zimmer-Wohnung in dem ihm gehörenden Haus P.-Straße 314 in H. geschlossen. Darin ist ein Mietzins von 600,-- DM zuzüglich 100,-- DM Vorauszahlung auf die Betriebskosten vereinbart. Daneben ist für Heizung und Strom eine monatliche Pauschale von 200,-- DM an die Stadtwerke zu zahlen. Es ist aber anzunehmen, dass der Zeuge R. die Antragsteller tatsächlich unentgeltlich in seiner Wohnung wohnen lässt und darüber hinaus ihren durch die genannten Leistungen nicht gedeckten Bedarf deckt. Diese Annahme wird durch die folgenden tatsächlichen Umstände getragen:
Die Antragstellerin und der Zeuge R. haben in dem Termin zur Beweisaufnahme auf Fragen des Berichterstatters angegeben, sich seit etwa 4 1/2 Jahren zu kennen und miteinander ein Liebesverhältnis zu haben. Der Zeuge wohnt in dem Nachbarhaus P.-Straße 316, das ihm ebenfalls gehört. Sie treffen sich mal in der einen, mal in der anderen Wohnung. Der Zeuge ist 59 Jahre alt, von Beruf Kaufmann und lebt von den Einkünften aus seinen Häusern und anderen Immobilien in H. und Bad O.. Seine Nettoerlöse aus den Immobilien in beiden Orten hat er mit "je etwa 140.000,-- DM pro Jahr" angegeben, abzüglich Hypothekenleistungen, deren Höhe er nicht genannt hat. Die Antragstellerin ist 32 Jahre alt und seit etwa 5 Jahren geschieden. Sie stammt aus Kirgisistan und besitzt die deutsche Staatsangehörigkeit. Viele Angehörige ihrer großen Familie leben ebenfalls im Raum H.. Auch der Zeuge R. unterhält zu ihnen seit Jahren gute Kontakte. Er trifft sich mit der Antragstellerin regelmäßig im Kreise dieser Großfamilie. Der Senat schließt es unter Würdigung all dieser Umstände aus, dass der Zeuge, der in guten wirtschaftlichen Verhältnissen lebt, ernsthaft erwägt, gegenüber seiner jungen Geliebten angebliche Mietzinsforderungen - bis hin zur Erhebung einer Zahlungs- und Räumungsklage und zur Vollstreckung eines Räumungsurteils - durchzusetzen. Das hat er in der Vergangenheit nicht getan und wird er auch künftig nicht tun, jedenfalls nicht, solange das Liebesverhältnis andauert. Jede andere Würdigung der tatsächlichen Verhältnisse wäre lebensfremd. Der Senat ist deshalb davon überzeugt, dass die Schreiben vom 29. Oktober 1999 und 3. Mai 2000, mit denen der Zeuge das Mietverhältnis wegen Mietrückständen fristlos gekündigt hat, sowie seine Aussage vor dem Berichterstatter des Senats, die Zahlungen der Miete und der Mietsicherheit in Höhe von 1.800,-- DM seien bisher nur gestundet, den alleinigen Zweck haben, neben dem Wohngeld, das die Antragsgegnerin der Antragstellerin ab April 1999 in Höhe von 190,-- DM monatlich gewährt und an den Zeugen zahlt, auch (wieder) Sozialhilfe zu erlangen, obwohl er die Antragsteller tatsächlich unentgeltlich in seiner Wohnung wohnen lässt.
Aus denselben Erwägungen nimmt der Senat an, dass der Zeuge auch den sonstigen Lebensunterhalt der Antragsteller mit Geld- und/oder Sachleistungen bestreitet, soweit dieser durch die genannten Sozialleistungen, Arbeitsverdienst der Antragstellerin, den sie z. B. für ihre Tätigkeit als Hostess auf der Weltausstellung Expo 2000 für die Monate September und Oktober 2000 erzielt hat oder künftig erzielt, sowie durch Beköstigungen durch Angehörige der Großfamilie der Antragsteller nicht gedeckt ist. So ist z. B. nichts darüber vorgetragen oder sonst ersichtlich, dass die Antragstellerin in der Vergangenheit die Abschlagszahlungen gegenüber den Stadtwerken schuldig geblieben ist. Die Aussage des Zeugen, er beschränke sich darauf, dem Antragsteller morgens 2,-- DM für ein Brötchen auf den Schulweg mitzugeben und hin und wieder ein Schulbuch zu kaufen, sonstige "bare Leistungen" erbringe er an die Antragsteller nicht, ist nach allem nicht glaubhaft.