Oberverwaltungsgericht Niedersachsen
Urt. v. 06.12.2000, Az.: 1 L 3256/99

Außerkrafttreten; Bauverordnung; Bebauungsplan; Bekanntmachung; Einfügen; Lärm; Polizeiverordnung; Satzung; Stellfläche; Stellplatz; Umgebung; Vorbild; Vorgartenfläche; Wohnbebauung; Zitiergebot

Bibliographie

Gericht
OVG Niedersachsen
Datum
06.12.2000
Aktenzeichen
1 L 3256/99
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2000, 41945
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

Verfahrensgang

vorgehend
VG - 17.12.1998 - AZ: 2 A 2052/97

Tatbestand:

1

Die Kläger wenden sich gegen eine Anordnung der Beklagten, Stellplätze zu beseitigen und die freigeräumte Fläche zu begrünen.

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Die Kläger sind Mitglieder der Wohnungseigentümergemeinschaft des Grundstücks "Im W. 22" (Flurstück 34/737 der Flur 11 Gemarkung W.) im Gebiet der Beklagten. Das Grundstück grenzt im Südwesten an die Straße "Im W.". Im nordöstlichen Teil ist das Grundstück mit einem dreigeschossigen Wohnhaus bebaut, das in geschlossener Bauweise mit den Wohnhäusern der Grundstücke Im W. 23 und 24 errichtet worden ist (Blockbauweise). Das Grundstück liegt - ebenso wie die nordwestlich und südöstlich anschließenden Grundstücke, die ebenfalls mit Blocks bebaut sind - im Geltungsbereich des am 20. Oktober 1961 in Kraft getretenen Bebauungsplans WI 40 (Baublock 63/3 a) der Beklagten. Dieser setzt für den Standort der jeweiligen Gebäude auf den Grundstücken durch Baugrenzen und Baulinien überbaubare Grundstücksflächen und für den straßenseitigen Grundstücksteil private Freifläche mit der Zweckbestimmung "Vorgarten" fest.

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Anlässlich eines Bauantrags zur Nutzungsänderung im Dachgeschoss des Hauses Im W. 22 stellte die Beklagte 1992 fest, dass der Voreigentümer im Jahre 1987 im straßenseitigen Grundstücksteil insgesamt acht Einstellplätze auf einer Gesamtfläche von ca. 18 m x 10 m in Höhe des auf dem Grundstück Im W. 21 errichteten Baublocks angelegt hatte.  Nach Anhörung ordnete die Beklagte mit Bescheid vom 20. Mai 1996 unter Einräumung von Ausführungsfristen und Androhung von Zwangsgeldern an, die Einstellplätze zu beseitigen und die entsiegelte Fläche zu begrünen. Zur Begründung führte die Beklagte aus, die angelegten Einstellplätze seien formell und materiell illegal. Eine 1987 erteilte Sondernutzungsgenehmigung des Tiefbauamtes gestatte lediglich die Zufahrt zum Grundstück, enthalte aber nicht die erforderliche Baugenehmigung zur Errichtung und Nutzung der Einstellplätze. Der Bebauungsplan WI 40 setze für den Bereich, in dem die Einstellplätze errichtet worden seien, "Grünfläche (Vorgarten)" fest. Da die Einstellplätze außerhalb der überbaubaren Flächen lägen und § 14 Abs. 2 NBauO vorschreibe, dass die nicht überbauten Flächen der Baugrundstücke Grünflächen sein müssten, soweit sie nicht für andere, hier aber auszuschließende zulässige Nutzungen erforderlich seien, sei auch die Begrünungsanordnung erforderlich.

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Zur Begründung ihre Widerspruchs machten die Kläger geltend, gemäß § 24 Abs. 5 Braunschweiger BauVO (BVO) vom 29. Mai 1957 seien Einstellplätze auch außerhalb  der überbaubaren Flächen zulässig. Mit Widerspruchsbescheid vom 9. Januar 1997 wies die Bezirksregierung Braunschweig den Widerspruch der Kläger als unbegründet zurück.

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Am 19. Februar 1997 haben die Kläger Klage erhoben und vorgetragen: Der Bebauungsplan WI 40 der Beklagten sei im Oktober 1991 außer Kraft getreten. Seine Festsetzungen stünden den Einstellplätzen auf dem Baugrundstück deshalb nicht entgegen. Die BVO 1957 der Stadt Braunschweig, auf deren Grundlage der in Rede stehende Bebauungsplan erlassen worden sei, habe ihre Ermächtigungsgrundlage in der Verordnung über die Baugestaltung vom 10. November 1936 und im Nds. SOG. Wegen ihrer Eigenschaft als baupolizeiliche Verordnung sei die BVO gemäß § 23 Abs. 3 Nds. SOG 1951 nach 30 Jahren außer Kraft getreten. Dieses rechtliche Schicksal teile auch der Bebauungsplan. Die Stellplätze seien aber jedenfalls gemäß § 24 Abs. 5 BVO zulässig, wenn davon auszugehen wäre, dass die BVO nicht nach 30 Jahren außer Kraft getreten ist. Durch die Festsetzung "Grün" werde im vorliegenden Bebauungsplan ein nicht bebaubarer Flächenteil im Sinne dieser Vorschrift festgesetzt. Sonstige Grünflächen seien in der BVO nicht vorgesehen. Die Stellplätze auf ihrem, der Kläger, Grundstück würden auch im Sinne des § 24 Abs. 5 BVO benötigt. Denn im gesamten Stadtgebiet würden Stellplätze äußerst dringend benötigt.

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Die Kläger haben beantragt,

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den Bescheid der Beklagten vom 20. Mai 1996 und den Widerspruchsbescheid der Bezirksregierung Braunschweig vom 9. Januar 1997 aufzuheben.

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Die Beklagte hat beantragt,

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die Klage abzuweisen.

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Zur Begründung hat sie vorgetragen: Die acht auf dem Grundstück der Kläger angelegten Einstellplätzen seien wegen Verstoßes gegen die rechtswirksamen Festsetzungen des Bebauungsplanes WI 40 materiell rechtswidrig. Bereits nach den textlichen Festsetzungen liege es nahe, dass die Stellplätze ebenso wie Garagen nur innerhalb der Bauflächen errichtet werden dürften. Unabhängig davon seien die Einstellplätze aber auch nach den auch für den Bebauungsplan WI 40 geltenden und als Bebauungsplan übergeleiteten Vorschriften der BVO nicht zulässig. Denn die Vorschrift des § 24 Abs. 5 BVO sei als bauordnungsrechtliche Vorschrift gemäß § 101 Abs. 1 Nr. 41 NBauO 1973 aufgehoben worden. Eine Genehmigung unter Befreiung von den Festsetzungen des Bebauungsplanes nach § 31 Abs. 2 BauGB komme für die Einstellplätze nicht in Betracht, weil es an der erforderlichen Atypik fehle.

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Mit Urteil vom 17. Dezember 1998, auf dessen Gründe Bezug genommen wird, hat das Verwaltungsgericht die Klage abgewiesen.

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Mit Beschluss vom 17. August 1999 hat der Senat auf Antrag der Kläger die Berufung zugelassen.

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Zur Begründung ihrer Berufung tragen die Kläger u.a. vor:  Der Bebauungsplan WI 40  der Beklagten sei auf Grund der gesetzlich vorgesehenen 30-jährigen Geltungsdauer von Polizeiverordnungen außer Kraft getreten. Die Befristung erfasse sowohl die BVO 1957  als auch den Bebauungsplan, weil dieser ohne die Bestimmungen der BVO inhaltsleer sei. Die BVO sei unabhängig von ihrer Befristung  aber schon deshalb nichtig, weil sie dem Zitiergebot nicht genüge. Da die BVO eine Regelung enthalte, die der BVO zwingende Wirkung für Durchführungspläne bzw. Baunutzungspläne beilege, sei der Bebauungsplan deshalb ebenfalls nichtig. Nach der dann anzuwendenden Vorschrift des § 34 Abs. 1 BauGB fügten sich die streitigen Einstellplätze insbesondere hinsichtlich der überbaubaren Grundstücksfläche in die Eigenart der näheren Umgebung ein. Denn die überbaubare Grundstücksfläche werde bestimmt durch die vorhandenen Baublocks. Die Baukörper legten durch ihre in eine Sichtlinie gestellten Außenkanten (Gebäudeecken) die überbaubare Grundstücksfläche fest. In dieser liege die streitige Stellplatzfläche. Zulässig seien die Stellplätze aber jedenfalls auf der Grundlage des § 24 Abs. 5 BVO, der als planungsrechtliche Vorschrift weiter gelte. Diese Vorschrift stelle auf den jeweiligen aktuellen Stellplatzbedarf ab. Dieser Bedarf liege vor, weil auf Grund gewandelter Lebensumstände für jede Wohneinheit mehr als ein Stellplatz erforderlich sei.

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Die Kläger beantragen,

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das Urteil des Verwaltungsgerichts Braunschweig - 2. Kammer - vom 17. Dezember 1998 zu ändern und den Bescheid der Beklagten vom 20. Mai 1996 und den Widerspruchsbescheid der Bezirksregierung Braunschweig vom 9. Januar 1997 aufzuheben.

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Die Beklagte beantragt,

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die Berufung zurückzuweisen.

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Sie trägt vor:  Die streitigen Einstellplätze verstießen  gegen die Festsetzungen des Bebauungsplanes WI 40. Der Bebauungsplan sei nicht  durch Zeitablauf außer Kraft getreten. Denn er sei nicht als Polizeiverordnung, sondern als Satzung vom Rat der Beklagten beschlossen worden. Unter diesen Voraussetzungen könne offen bleiben, ob die BVO außer Kraft getreten sei. Selbst wenn dies aber der Fall wäre, bliebe die Gültigkeit des Bebauungsplanes davon unberührt. Wenn davon auszugehen wäre, dass die - mit Ausnahme des § 24 Abs. 5 BVO - übergeleiteten Vorschriften der §§ 17 bis 26 BVO nach 30 Jahren außer Kraft getreten seien, läge nicht ein inhaltsleerer, sondern ein einfacher Bebauungsplan im Sinne des § 30 Abs. 3 BauGB vor. Denn allein die Festsetzung der Art der baulichen Nutzung bedürfe der Ausfüllung durch die BVO. Dann richte sich die planungsrechtliche Zulässigkeit des Vorhabens insoweit nach § 34 BauGB, im Übrigen nach den getroffenen Festsetzungen. Das Vorhaben sei auch nicht nach § 24 Abs. 5 BVO zulässig. Diese Vorschrift sei als eine Regelung des Bauordnungsrechts nicht gemäß § 173 Abs. 3 BBauG übergeleitet worden. Sie sei vielmehr nach § 101 Abs. 1 Nr. 41 NBauO 1973 aufgehoben worden. § 24 Abs. 5 BVO sei als ein vom Bauherrn zu beachtendes Gebot in der Art formuliert, wie sie in bauordnungsrechtlichen Vorschriften zahlreich vorhanden sei. Die Bestimmung enthalte - ebenso wie § 14 Abs. 2 NBauO - eine Regelung über die Gestaltung von Freiflächen in der Umgebung von baulichen Anlagen, weil diese Freiflächen die ästhetische Wirkung der Bauten und des Ortsbildes stark beeinträchtigten.  Diese gestalterischen Ziele  seien Elemente des Bauordnungsrechts.  Selbst wenn es sich aber bei § 24 Abs. 5 BVO um eine planungsrechtliche Norm handeln sollte,  werde die private Freifläche jedoch nicht als Einstellfläche für Pkw benötigt. Maßgeblich sei das seinerzeitige Plankonzept, das von 810 Einstellplätzen im Straßenraum und ca. 600 Stellplätzen in sechs überdachten Anlagen ausgegangen sei. Das Plankonzept umfasse entsprechend § 9 Reichsgaragenordnung, auf den der Plan aufbaue, auch den zukünftigen Bedarf an Einstellplätzen. Diese Plankonzeption würde ausgehöhlt, wenn gemäß § 24 Abs. 5 BVO der aktuelle Bedarf an Einstellplätzen maßgeblich sei.

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Der Senat hat im Termin zur mündlichen Verhandlung die Örtlichkeiten in Augenschein genommen. Wegen des Ergebnisses der Ortsbesichtigung wird auf die Sitzungsniederschrift verwiesen.

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Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakte und die Verwaltungsvorgänge der Beklagten Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

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Die zulässige Berufung ist nicht begründet.

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Die auf § 89 Abs. 1 Satz 1 und Satz 2 Nr. 4 NBauO gestützte Anordnung, die acht Einstellplätze auf dem Grundstück der Kläger zu beseitigen, ist rechtmäßig und verletzt die Kläger nicht in ihren Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).

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Die Voraussetzungen für den Erlass der Beseitigungsanordnung lagen vor. Die in Rede stehenden Einstellplätze - bauliche Anlagen gemäß § 2 Abs. 1 Satz 1 Nr. 9 NBauO - widersprechen dem öffentlichen Baurecht.  Sie sind sowohl formell als  auch materiell illegal.

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Die gemäß §§ 68 Abs. 1, 2 Abs. 5 NBauO für eine Stellplatzfläche in einer Größe von ca. 180 qm erforderliche Baugenehmigung ist den Klägern oder ihren Rechtsvorgängern nicht erteilt worden. Insbesondere enthält die von der Beklagten durch ihr Tiefbauamt unter dem 3. Juni 1987 erteilte Genehmigung zur Herrichtung einer Einfahrt zum klägerischen Grundstück (Bl. 42 und 43 Beiakte A) nicht eine Baugenehmigung zur Errichtung und Nutzung der streitigen Einstellplätze. Weder der Wortlaut des Bescheides vom 3. Juni 1987 noch die beigefügten Skizzen der Grundrissgestaltung der Einfahrt lassen auf eine Genehmigung der Einstellplätze schließen.

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Die Einstellplätze der Kläger widersprachen und widersprechen auch dem materiellen Baurecht.

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Maßstab für die Beurteilung der planungsrechtlichen Zulässigkeit der Einstellplätze ist entgegen der Auffassung der Beklagten § 34 Abs. 1 BauGB,  weil der Bebauungsplan WI 40 (Baublock 63/3 a)  nichtig ist und deshalb das klägerische Vorhaben nicht an dessen Festsetzungen zu messen ist.

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Zwar ist der oben genannte Bebauungsplan der Beklagten nicht etwa deshalb nicht (mehr) Maßstab der bauplanungsrechtlichen Zulässigkeit der fraglichen Einstellplätze, weil er gemäß § 23 Satz 3 Nds. SOG vom 21. März 1951 (GVBl. S. 79) 30 Jahre nach seiner Bekanntmachung außer Kraft getreten wäre. Gemäß § 23 Satz 3 Nds. SOG treten zwar (Polizei-)Verordnungen, die keine Beschränkung der Geltungsdauer enthalten, 30 Jahre nach ihrer Veröffentlichung außer Kraft. Der in Rede stehende Bebauungsplan WI 40 der Beklagten ist jedoch nicht als Polizeiverordnung erlassen worden und unterfällt damit auch nicht der Fristbestimmung des § 23 Satz 3 Nds. SOG 1951. Der Rat der Beklagten hat in seiner Sitzung vom 18. Oktober 1961 den Plan als Satzung (u.a.) auf der Grundlage des § 10 BBauG vom 23. Juni 1960 (BGBl I S. 341) beschlossen, nachdem die Beklagte das Planaufstellungsverfahren nach § 10 Abs. 1 der Neufassung des Gesetzes zur Durchführung der Ortsplanung und des Aufbaus in den Gemeinden (Aufbaugesetz) vom 17. Mai 1955 (GVBl S. 195) eingeleitet und entsprechend § 2 der Nds. VO über Bauleitpläne vom 28. Juni 1961 (GVBl S. 156) nach den Vorschriften des BBauG weitergeführt hatte.

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Damit verstieß die Beklagte auch nicht gegen das Formgebot des § 1 Abs. 1 der Verordnung über die Regelung der Bebauung vom 15. Februar 1936 (Bauregelungsverordnung, RGBl I S. 104), die auf der Grundlage des Gesetzes über einstweilige Maßnahmen zur Ordnung des deutschen Siedlungswesens vom 3. Juli 1934 (RGBl I S. 568) erlassen worden war. Nach dieser Vorschrift, die nach Art. 123, 125 GG zunächst als Bundesrecht fortgalt, zum Bundesrecht im Sinne des Art. 74 Nr. 18 GG gehörte und die keinen verfassungsrechtlichen Bedenken begegnet (vgl. dazu insgesamt Nds. OVG, Urt. v. 14.11.1997 - 6 K 6014/96 -, NdsVBl. 1998, 160 =  UPR 1998, 357 = NdsRpfl 1998, 159), konnten zur Regelung der Bebauung durch Polizeiverordnung u.a. Wohngebiete als Baugebiete ausgewiesen werden. Diese Vorschriften waren allerdings gemäß § 186 Abs. 1 Nrn. 14 u. 15 BBauG vom 23. Juni 1960 (BGBl I S. 341) zum Zeitpunkt des Ratsbeschlusses vom 18. Oktober 1961 und des Inkrafttretens der Satzung am 20. Oktober 1961 bereits aufgehoben worden, so dass die Beklagte nicht verpflichtet war, den Bebauungsplan als Polizeiverordnung zu erlassen. Zudem stand die BauregelungsVO nach ihrem § 4 Satz 2 und § 5 ohnehin unter dem Vorbehalt des weitergehenden Landesrechts. Zu diesem zählt nach der Rechtsprechung des Nds. OVG (Urt. v. 14.11.1997, aaO) namentlich in den (wie hier) Fällen der Ortsplanung das Aufbaugesetz. Dies hatte zur Folge, dass in den Gebieten, die - wie hier - zu Aufbaugebieten erklärt worden waren (§ 3 Abs. 1 Aufbaugesetz), die Durchführungspläne als Satzung,  nicht aber als Polizeiverordnungen  aufgestellt wurden.

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Der Bebauungsplan WI 40 ist jedoch deshalb nichtig, weil die dem Bebauungsplan ausfüllende BVO der Stadt Braunschweig vom 29. Mai 1957 (Amtsblatt d. Nds. Verwaltungsbezirks Braunschweig S. 35) nichtig ist. Denn die BVO genügt nicht den Anforderungen des Art.  34 Abs. 2 Satz 1 der Vorläufigen Niedersächsischen Verfassung (VNV) vom 13. April 1951, gemäß Art. 61 Abs. 2 VNV in Kraft getreten am 1. Mai 1951 (GVBl S. 103). Danach ist in der Rechtsverordnung die Rechtsgrundlage anzugeben. Diese Vorschrift, die mit der vorher in Kraft getretenen bundesrechtlichen Bestimmung des Art. 80 Abs. 1 Satz 3 GG nahezu wortgleich ist, verlangt die Nennung der konkreten einzelnen Gesetzesbestimmung, nicht aber die bloße Nennung des die Ermächtigungsnorm enthaltenen Gesetzes oder der ermächtigenden Verordnung. Dies ergibt sich bereits aus dem Wortlaut des Art. 34 VNV. Dieser spricht in seinem Absatz 1 Satz 1, der die Verordnungsermächtigung regelt, ebenso von "Gesetz" wie in seinem  Absatz 2 Satz 2, der die Möglichkeit der Weiterübertragung der Verordnungsermächtigung regelt. Im Gegensatz dazu verlangt  das Zitiergebot des Absatzes 2 Satz 1 ausdrücklich die Nennung der "Rechtsgrundlage", so dass es nicht ausreicht, lediglich "das Gesetz" zu zitieren (so zu Art. 80 Abs. 1 Satz 3 GG: Niehaus in: Bonner Kommentar zum GG, Stand 1998, Art. 80 Rdnr. 323, und schon: von Mangoldt, Das Bonner Grundgesetz, Band III, 2. Aufl. 1974, Art. 80 Anm. VII 1). Die BVO der Beklagten vom 17. Mai 1957 nennt in ihrer Präambel allerdings - mit Ausnahme des § 6 NGO vom 4.3.1955 - allein ermächtigende Gesetze bzw. Verordnungen, ohne die konkrete Rechtsgrundlage zu benennen.

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Der (nur angedeutete) Einwand der Beklagten, die Zitierung der konkreten Rechtsgrundlage habe nicht dem Stand des juristischen Verständnisses entsprochen, greift nicht durch. Denn dies ist schon mit Blick auf § 21 Nds. SOG 1951, das vor der VNV bereits am 1. April 1951 in Kraft getreten war und auf das sich die BVO auch stützt, unzutreffend. Gemäß § 21 Buchst. c 1. Halbsatz Nds. SOG 1951 müssen zwar Verordnungen im Eingang (nur) auf dieses Gesetz (Nds. SOG) Bezug nehmen, so dass insoweit die Nennung des Gesetzes über die öffentliche Sicherheit und Ordnung als solches genügt. Gemäß seinem 2. Halbsatz muss aber auf die Gesetzesbestimmung Bezug genommen werden, wenn es sich - wie hier - um eine Verordnung handelt, zu der die Verwaltungsbehörde nur auf Grund eines besonderen Bundes- oder Landesgesetzes ermächtigt ist. Daraus folgt zum  einen, dass bereits zum Zeitpunkt des Erlasses der BVO im Jahre 1957 mit Ausnahme der Polizeiverordnungen, die ausschließlich auf das Nds. SOG 1951 gestützt waren, sämtliche Polizeiverordnungen im Übrigen die einzelne Gesetzesbestimmung zu zitieren hatten. Zum zweiten folgt daraus, dass die BVO auch mit einfachem Gesetzesrecht, nämlich § 21 Buchst. c Nds. SOG 1951 nicht vereinbar ist. Denn die BVO war - wie aus der Präambel hervorgeht - nicht allein auf das Nds. SOG, sondern auch auf eine Anzahl weiterer Gesetze und Verordnungen gestützt worden.

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Die Nichtigkeit der BVO 1957 hat auch die Nichtigkeit des Bebauungsplanes WI 40 der Beklagten zur Folge. Die Regelungen der BVO 1957 und die Festsetzungen des o. g. Bebauungsplanes stehen in einem solchen engen Regelungszusammenhang, dass die Festsetzungen des Bebauungsplanes ohne die Regelungen der BVO keinen Sinn ergeben (vgl. dazu auch Urt. d. Sen. v. 12.4.2000 - 1 K 5694/98 -, Nds. Rpfl. 2000, 301). Die BVO 1957, die sich durch ihren § 6 Abs. 1 den Charakter zwingenden Rechts beilegt und also auch für die Bebauungspläne unmittelbar gilt, die nicht gemäß § 6 Abs. 2 BVO wegen abweichender Festsetzungen Vorrang vor den Vorschriften der BVO genießen, trifft hinsichtlich sämtlicher bauplanungsrechtlicher Parameter in ihrem Abschnitt  IV Regelungen, die die Festsetzungen des in Rede stehenden Bebauungsplanes erst ausfüllen. Dies betrifft vor allem die Festsetzungen der Gebietsart (Wohngebiet a, § 20 BVO) und der danach zulässigen Vorhaben (§ 21 Abs. 1 Buchst. a bis c BVO), der Flächenregeln (§ 24 Abs. 1 Buchst. a  1. Alternative, Buchst. b 2. Alternative, Abs. 2 bis 4 und 6 BVO), der Geschossregeln (§ 25 BVO) und der Bebauungsregeln (§ 26 BVO). Dass dieser enge Zusammenhang zwischen den Festsetzungen des Bebauungsplanes und den Bestimmungen der BVO besteht, hat auch die Beklagte erkannt. Denn sie hat in den Erläuterungen zum Bebauungsplan ausdrücklich unter Punkt II angegeben, dass der Bebauungsplan hinsichtlich der Vorschriften des § 19 von der BVO abweiche. Im Inhaltsverzeichnis hat sie darüber hinaus unter Punkt II "Abweichungen von den rechtsgültigen Vorschriften" § 23 Abs. 3 BVO, die Abweichungen von den Regelungen der Ausnutzungsziffern, genannt. Infolge der Nichtigkeit der BVO ist der Bebauungsplan inhaltsleer und damit nichtig, weil es keine wirksamen Bestimmungen gibt, die die Festsetzungen des Bebauungsplanes ausfüllen könnten.  Die dagegen von der Beklagten angedeutete Auffassung, ihr Rat habe durch seinen Satzungsbeschluss den Inhalt der - nichtigen - BVO aufgenommen und ihm gleichsam eine eigene, nämlich satzungsrechtliche Rechtsgrundlage der Gemeinde gegeben, die nicht von der Wirksamkeit der BVO abhängt, ist unrichtig. Damit verkennt die Beklagte dreierlei. Es liegt einerseits nicht in der Kompetenz einer plangebenden Gemeinde, sich durch eine eigene Willensentscheidung eine Rechtsgrundlage als Satzung zu schaffen, deren Gegenstände nach den zugrundeliegenden Ermächtigungsgrundlagen allein als Polizeiverordnung zu regeln sind. Andererseits wird ein - wie dargelegt -  nichtiges Gesetz nicht dadurch wirksam,  dass ein satzungsgebendes Organ dessen Inhalt in seinen Willen aufnimmt. Die Wirksamkeit einer gesetzlichen Bestimmung richtet sich nur nach den verfahrensrechtlichen Regelungen des Erlasses und ihrer materiell-rechtlichen Vereinbarkeit mit höherrangigem Recht. Letztlich ist die Überlegung der Beklagten aber auch reine Fiktion. Denn der Aufnahme des Inhalts der BVO in den Willen des satzungsgebenden Organs bedurfte es nicht, weil sich die BVO selbst bereits durch ihren § 6 Abs. 1 zwingende Wirkung beigelegt hatte.

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Der in Rede stehende Bebauungsplan WI 40 ist auch nicht deshalb wirksam, weil die später am 1. August 1962 in Kraft getretenen Vorschriften der BauNVO 1962 angewendet werden können. Dies hat die BauNVO 1962 durch ihren § 25 ausgeschlossen. Bei gemäß § 173 Abs. 3 BBauG  übergeleiteten  Bebauungsplänen gilt gemäß § 173 Abs. 5 BBauG zunächst, dass bis zum Inkrafttreten der in § 2 Abs. 10 BBauG  bezeichneten Rechtsverordnung die entsprechenden landesrechtlichen Vorschriften, hier also die BVO, weiterhin angewendet werden. Die am 1. August 1962 in Kraft getretene, auf § 2 Abs. 10 BBauG 1960 gestützte BauNVO 1962 sieht in ihrem § 25 ausdrücklich vor, (nur) die bisherigen Vorschriften, die der BauNVO entsprechen, auf die Bauleitpläne anzuwenden, die bei dem Inkrafttreten der BauNVO bereits ausgelegt sind. Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts gilt dies (selbstverständlich) auch für die Bauleitpläne, die nach dem Inkrafttreten des BBauG (am 29.6.1961), jedoch vor Inkrafttreten der BauNVO am 1. August 1962 bereits erlassen worden sind (Urt. v. 27.1.1967 - IV 12.65 -, BRS 18 Nr. 84; Urt. v. 6.10.1967 - IV C 96.65 -, BRS 18 Nr. 11), wie dies hier der Fall ist.

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Dem Bebauungsplan WI 40 kann auch nicht deswegen Gültigkeit beigemessen werden, weil die bundesrechtlichen Vorschriften der am  1. August 1962 in Kraft getretenen BauNVO 1962 (nur) zur Auslegung herangezogen werden könnten. Zwar hat das Bundesverwaltungsgericht schon in seiner Entscheidung vom 4. Dezember 1968 (- IV B 167.68 -, Buchholz 406.11 § 173 BBauG Nr. 6) dargelegt, dass in Fällen, in denen gültige Begriffsdefinitionen und Auslegungsnormen des Landesrechts zur Bestimmung einzelner Begriffe in einem übergeleiteten Bebauungsplan nicht zur Verfügung stehen, es nicht ausgeschlossen sei, zur Auslegung lückenhaften Ortsrechts die Rechtsgedanken der BauNVO heranzuziehen und als Auslegungshilfe fruchtbar zu machen. Seine Auffassung hat das Bundesverwaltungsgericht aber ersichtlich und ausdrücklich auf die Auslegung einzelner Begriffe im Rahmen lückenhaften Ortsrechts beschränkt. Damit ist der hier gegebene Fall nicht umfasst, dass (nahezu) sämtliche Festsetzungen eines Bebauungsplanes, die der Ausfüllung und nicht nur der Auslegung durch landesrechtliche Bestimmungen bedürfen, wegen deren Nichtigkeit inhaltsleer sind.

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Unter diesen Umständen bleibt auch kein Raum für die Annahme, der Bebauungsplan sei nur teilnichtig, wie dies die Beklagte meint. Denn der Umfang der infolge der Nichtigkeit der BVO ebenfalls nichtigen Festsetzung des Bebauungsplanes, insbesondere die Nichtigkeit der Festsetzung der Gebietsart, führen zu einem Planungstorso, der keine selbständige Bedeutung mehr hat, d.h. keine geordnete städtebauliche Entwicklung des  Planbereichs mehr gewährleistet (vgl. BVerwG, Beschl. v. 18.7.1989 - 4 N 3/87 -, NVwZ 1990, 157, 158; Beschl. v. 8.8.1989 - 4 NB 2/89 -, NVwZ 1990, 159, 160; Beschl. v. 4.6.1991 - 4 NB 35/89 -, NVwZ 1992, 373; Beschl. v. 20.8.1991 - 4 NB 3/91 -, NVwZ 1992, 567; Beschl. v. 29.3.1993 - 4 NB 10/91 -, NVwZ 1994, 271; Beschl. v. 6.4.1993 - 4 NB 43/92 -, NVwZ 1994, 272; Beschl. v. 4.1.1994 - 4 NB 30/93 -, NVwZ 1994, 684, 685).

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Nach Maßgabe des somit anzuwendenden § 34 Abs. 1 BauGB ist das Vorhaben der Kläger materiell baurechtswidrig. Denn es fügt sich nicht in die Eigenart der näheren Umgebung ein, weil es - ohne jegliches Vorbild - außerhalb der überbaubaren Grundstücksfläche liegt. Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts macht § 34 Abs. 1 BauGB mit dem Kriterium der "Grundstücksfläche, die überbaut werden soll" die Zulässigkeit des Vorhabens davon abhängig, dass sich dieses insoweit in jeder Hinsicht, d.h. auch mit seiner konkreten Grundfläche und seiner räumlichen Lage, in die Eigenart der näheren Umgebung einfügt (vgl. BVerwG, Beschl. v. 17.9.1985 - 4 B 167.85 -, Buchholz 406.11 § 34 BBauG Nr. 107; Beschl. v. 15.4.1987 - 4 B 60/87 -, NVwZ 1987, 1080). Es geht also - mit anderen Worten - um den Standort des Vorhabens (vgl. Lemmel in: Festschrift für Schlichter, 1995, S. 368; Schmaltz in: Schrödter, BauGB, 6. Aufl. 1998, § 34 Rdnr. 38), der im vorliegenden Fall nicht innerhalb der überbaubaren Grundstücksfläche liegt. Nach dem Ergebnis der vom Senat durchgeführten Ortsbesichtigung ist nämlich die nähere Umgebung - die Grundstücke und ihre Bebauung "Im W." 16 bis 24 nordöstlich der Straße "Im W." - durch eine Blockbauweise geprägt. Diese Bauweise wird auf den Grundstücken "Im W." 16 bis 18, 19 bis 21 und 22 bis 24 durch jeweils etwa 60 m lange, dreigeschossige und zur Straße etwas schräg gestellte Baukörper gebildet. Diese Baublöcke prägen nach dem Eindruck der Ortsbesichtigung nicht etwa - wie aber die Kläger meinen - durch ihre Gebäudeecken einen Bauteppich aus, dessen südwestliche und nordöstliche Grenze jeweils parallel zur Straße "Im W." bzw. zum Flurstück 20/7 verlaufen. Vielmehr ergibt sich wegen der erheblichen Länge und Höhe der Baublocks der Eindruck einer massiven und jeweils riegelartigen Bebauung, die die überbaubare Grundstücksfläche auf den Grundstücken auf die Fläche, die von den Baublocks eingenommen wird, beschränkt. Es ergibt sich nach dem vom Senat bei der Ortsbesichtigung gewonnenen Eindruck eine durch die Baukörper selbst gleichsam "gezackt" ausgebildete Baugrenze. Dieser Eindruck des Verlaufs der Baugrenze wird dadurch verstärkt, dass die Baugrundstücke im Übrigen von jeglicher Bebauung freigehalten und insoweit ausschließlich begrünt sind.

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Unter Zugrundelegung dieses vorhandenen baulichen Bestandes überschreiten die streitigen Einstellplätze den vorgegebenen Rahmen hinsichtlich der überbaubaren Grundstücksfläche und führen in ihrer Umgebung zu bewältigungsbedürftigen Spannungen (vgl. BVerwG, Urt. v. 26.5.1978 - 4 C 9.77 -, BVerwGE 55, 369 = BRS 33 Nr. 36). Sie stellen nämlich erstmalig in der näheren Umgebung auf einem Baugrundstück selbst auf durchweg durchgrünter Vorgartenfläche eine Pkw-Stellfläche von  erheblicher Größe (ca. 180 qm) zur Verfügung, ohne dass dies durch irgendeine Besonderheit begründet wäre, in der sich das Grundstück der Kläger von den anderen Grundstücken, die sich nordwestlich und südöstlich anschließen, unterscheidet. Die Stellfläche ist an dieser Stelle in der näheren Umgebung als Fremdkörper (vgl. auch BVerwG, Urt. v. 4.7.1980 - 4 C 99/70 -, BauR 1980, 543 = BRS 36 Nr. 158 zu einer Garage in einem einer Bebauung vorgelagerten freien Geländestreifen; siehe auch BVerwG, Urt. v. 4.5.1979 - 4 C 23.76 -, BRS 35 Nr. 40). Die Einstellplätze auf dem Grundstück der Kläger haben auch Vorbildcharakter für andere Grundstücke, die ebenfalls im Vorgartenbereich mit Einstellplätzen bebaut werden könnten, wie die Ortsbesichtigung ebenfalls ergeben hat. Die Vorbildwirkung der Einstellplätze auf bisher freigehaltenen Grün- und Vorgartenflächen bringt die oben genannte städtebauliche Situation in Bewegung, die erst einer planerischen Bewältigung bedarf. Denn die Einstellplätze bringen den vom ruhenden Verkehr ausgehenden Lärm, der bisher auf den öffentlichen Verkehrsraum beschränkt war, an die von der Straße abgesetzte Wohnbebauung heran. Sie setzen - wie die Ortsbesichtigung ergeben hat - insbesondere nach Süden ausgerichtete Wohnräume und nach Osten gelegene Balkone der angrenzenden Wohnbebauung dem Einfluss des Zu- und Abfahrtverkehrs der Einstellplätze aus.

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Die angefochtene Verfügung der Beklagten vom 20. Mai 1996 ist auch im Übrigen nicht zu beanstanden. Die Anordnung, die freigelegten Flächen zu begründen, rechtfertigt sich aus § 89 Abs. 1 Satz 1 iVm § 14 Abs. 2 NBauO. Nach der letztgenannten Vorschriften müssen die nicht überbauten Flächen der Baugrundstücke Grünflächen sein, soweit sie nicht für eine andere zulässige Nutzung erforderlich sind. Diese Voraussetzungen sind erfüllt, wie die Beklagte zu Recht erkannt hat. Denn die von den Klägern für zwar erforderlich gehaltenen Einstellplätze sind - wie dargelegt - auf dem klägerischen Grundstück an ihrem gewählten Standort aus bauplanungsrechtlichen Gründen nicht zulässig.

Sonstiger Langtext

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B e s c h l u s s

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Der Wert des Streitgegenstandes wird auf 40.000,-- DM festgesetzt.