Verwaltungsgericht Lüneburg
Urt. v. 22.11.2006, Az.: 5 A 43/06
Bibliographie
- Gericht
- VG Lüneburg
- Datum
- 22.11.2006
- Aktenzeichen
- 5 A 43/06
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 2006, 44599
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:VGLUENE:2006:1122.5A43.06.0A
Amtlicher Leitsatz
- 1.
Wenn die Ausbildungszeit eines Schornsteinfegermeisters aus Altersgründen gemäß § 27 a Abs. 2 HwO antragsgemäß um sechs Monate gekürzt worden war, ist der Rangstichtag gemäß § 11 Abs. 4 Satz 1 Nr. 1 VOSch (mittlerer Bildungsabschluss) nur insgesamt um sechs Monate und nicht um zwölf Monate zurückzuverlegen.
- 2.
Die Verkürzung der seinerzeit (hier: dreijährigen) erforderlichen Mindestgesellenzeit wegen besonders guter Leistungen gemäß § 49 Abs. 4 Satz 1 Nr. 1 HwO ist auch nach gegenwärtiger Rechtslage bei der Zurückverlegung des Rangstichtages zugunsten des betroffenen Schornsteinfegermeisters zusätzlich zu berücksichtigen.
Tatbestand:
Aus dem Entscheidungstext
Der Kläger begehrt die Abänderung seines Rangstichtages in der beim beklagten Ministerium geführten Bewerberliste für einen Schornsteinfegerkehrbezirk in Niedersachsen.
Der {E.} geborene Kläger beendete 1986 die Realschule mit einem Abschluss der Mittleren Reife. Von Oktober 1986 an leistete er den damals 15 Monate dauernden Wehrdienst und verpflichtete sich zudem freiwillig bis Ende August 1990 als Zeitsoldat bei der Bundeswehr. Vom 1. August 1990 bis zum 8. Juli 1992 absolvierte er eine Ausbildung zum Schornsteinfeger. Im Oktober 1992 wurde er im praktischen Leistungswettbewerb der Handwerksjugend Hamburg 1. Landessieger und im November 1992 1. Bundessieger im Schornsteinfegerhandwerk. Das vertraglich bis zum 31. Juli 1993 vereinbarte Berufsausbildungsverhältnis des Klägers wurde auf seinen Antrag vom 3. April 1991 von der Handwerkskammer Hamburg mit Bescheid vom 23. Juli 1991 nach § 27 a Abs. 2 HwO aus Altersgründen um sechs Monate auf den 31. Januar 1993 abgekürzt. Aufgrund guter Leistungen wurde der Kläger auf seinen Antrag vorzeitig zur Gesellenprüfung zugelassen, die er am 8. Juli 1992 mit Erfolg bestand. Seit dem 9. Juli 1992 war er als Schornsteinfegergeselle beschäftigt. Die Gesellenzeit von drei Jahren wurde aufgrund seiner guten Leistungen nach § 49 Abs. 4 Satz 1 Nr. 1 HwO um sechs Monate gekürzt. Am 24. Januar 1995 meldete er sich nach einer Gesellenzeit von zwei Jahren, sechs Monaten und 15 Tagen zur Meisterprüfung, die er am 23. September 1997 bestand. Der Bescheid, der Meisterbrief und das Meisterprüfungszeugnis wurden ihm am 8. Oktober 1997 zugestellt. Im Anschluss hieran stand er weiterhin in einem Anstellungsverhältnis als Bezirksschornsteinfegermeister.
Mit Schreiben vom 4. November 1997 beantragte er bei der Freien und Hansestadt {F.}, ihn in die Bewerberliste B zur Anstellung als Bezirksschornsteinfegermeister einzutragen. Mit Bescheid vom 26. Juni 2001 legte die Freie und Hansestadt {F.} den Rangstichtag auf den 4. November 1997 fest. Hiergegen legte der Kläger Widerspruch ein mit der Begründung, insgesamt seien bei der Berechnung des Rangstichtages weitere 24 Monate zu berücksichtigen. Mit Widerspruchsbescheid vom 5. Februar 2002 gab die Freie und Hansestadt {F.} dem Widerspruch des Klägers teilweise statt und setzte den Rangstichtag auf den 24. April 1994 fest. Daraufhin erhob der Kläger am 4. März 2002 beim Verwaltungsgericht {F.} Klage mit dem Ziel, den Rangstichtag auf den 24. April 1992 vorzuverlegen. Mit Urteil vom 26. November 2002 - 10 VG 997/2002 - (GewArch 2003, 198) verpflichtete das Verwaltungsgericht {F.} die Freie und Hansestadt {F.}, den Rangstichtag des Klägers auf den 24. April 1993 zurückzuverlegen und wies die Klage im Übrigen ab. Zur Begründung führte das Gericht an, der Kläger habe aufgrund des 15 Monate dauernden Wehrdienstes (nur) einen Anspruch um Zurückverlegung des Rangstichtages um insgesamt 18 Monate, also um weitere 12 Monate. U. a. führte das VG {F.} aus, die Versagung der weiteren Zurückverlegung des Rangstichtages um sechs Monate aufgrund der Erlangung des Realschulabschlusses sei deshalb rechtmäßig, weil die Ausbildungszeit des Klägers nach § 27 a Abs. 2 HwO bereits um sechs Monate gekürzt worden sei. Diese Verkürzung hätte er ohne den Realschulabschluss nicht erreicht, da er zu Beginn der Ausbildung dann noch nicht 21 Jahre alt gewesen wäre.
Seit dem 1. April 2005 ist der Kläger bei einem Bezirksschornsteinfegermeister im Zuständigkeitsbereich des Beklagten in Niedersachsen beschäftigt.
Mit Schreiben vom 4. Oktober 2005 beantragte der Kläger beim Beklagten, ihn in die Bewerberliste B für Schornsteinfegermeister des Listenbezirkes {G.} einzutragen. Aus Gleichstellungsgründen (Realschulabschluss) müsse er den 24. Oktober 1992 als Rangstichtag erhalten, da ihm zu Unrecht ein halbes Jahr nicht zuerkannt worden sei. Zugleich legte er die erforderlichen Unterlagen bei.
Mit Bescheid vom 30. Januar 2006 setzte der Beklagte den Rangstichtag des Klägers in der Bewerberliste B im ehemaligen Regierungsbezirk {H.} auf den 6. Oktober 1990 fest. Zur Begründung führte er an, der Rang in der Bewerberliste B richte sich gemäß § 11 VOSch nach dem Tag der Meldung zur bestandenen Meisterprüfung. Dies sei der 24. Januar 1995. Gründe für ein Hinausschieben dieses Rangstichtages seien nicht gegeben. Dieser Rangstichtag sei um insgesamt 1.571 Tage auf den 6. Oktober 1990 zurückzuverlegen. Dieser Zeitraum setze sich zusammen aus der Zeit der Ableistung des Wehrdienstes von 15 Monaten (457 Tage) nach § 11 Abs. 3 Nr. 1 VOSch sowie weiteren sechs Monaten (183 Tage) für die Erlangung des Realschulabschlusses nach § 11 Abs. 4 Nr. 1 VOSch. Grundgedanke der letzteren Vorschrift sei, dass derjenige Bewerber, der sich über den Hauptschulabschluss hinaus qualifiziert habe, dadurch keine Nachteile gegenüber denjenigen Berufskollegen erleiden solle, die unmittelbar nach Abschluss der Hauptschule bereits die Schornsteinfegerlehre begonnen habe. Aufgrund der Verkürzung der an sich dreijährigen Ausbildungszeit gemäß § 27 a Abs. 2 HwO um sechs Monate habe der Kläger die Verspätung von zwölf Monaten gegenüber den Bewerbern mit Hauptschulabschluss um sechs Monate verkürzt. Daher verblieben nur noch sechs Monate, die zu einer unmittelbaren Verspätung geführt hätten. Bei einer Zurückverlegung des Rangstichtages um die gesamte Zeit von zwölf Monaten würde eine nicht gerechtfertigte Doppelvergünstigung gegenüber einem Hauptschüler eintreten. Aufgrund der Änderung der Handwerksordnung zum 1. Januar 2004 sei die Ableistung einer mehrjährigen Berufstätigkeit zwischen Ablegen der Gesellenprüfung und der Meisterprüfung nicht mehr erforderlich. Um eine Benachteiligung der Bewerber auszuschließen, die vor der Meldung zur Meisterprüfung noch eine dreijährige Gesellenzeit hätten ableisten müssen, sei § 21 Abs. 1 VOSch mit Wirkung zum 1. Juli 2004 dahingehend geändert worden, dass der Rangstichtag von Bewerbern, die sich vor dem 1. Januar 2004 zur Meisterprüfung angemeldet hätten, um die Zeit zwischen der bestandenen Gesellenprüfung und der Anmeldung, längstens drei Jahre, zurückzuverlegen sei. Im Fall des Klägers betrage der Zeitraum zwischen der Gesellenprüfung und dem Tag der Meldung zur Meisterprüfung 931 Tage. Zurzeit nehme der Kläger in der Liste den Rang Nr. 11 ein.
Daraufhin hat der Kläger am 28. Februar 2006 Klage erhoben mit dem Ziel, den Rangstichtag auf einen früheren Zeitpunkt zurückzuverlegen. Zur Begründung führt er an, dies ergebe sich aus zwei Gründen: Zum einen sei die Verkürzung der Ausbildungszeit auf Grund seines Lebensalters nach § 27 a Abs. 2 HwO zu seinen Ungunsten miteinbezogen worden. Der dieser Vorschrift zugrunde liegende Aspekt der Beschleunigung der Berufskarriere werde durch die negative Berücksichtigung bei der Festsetzung des Rangstichtages gerade in sein Gegenteil verkehrt. Zum anderen sei die Verkürzung der Gesellenzeit nach § 49 Abs. 4 Satz 1 Nr. 1 HwO um sechs Monate wegen hervorragender Leistungen während der Ausbildungszeit bei der Zurückverlegung des Rangstichtages mit zu berücksichtigen. Denn ansonsten würde dieser gesetzlich gewährte Vorteil bei der Bewerbung für die Bestellung zum Bezirksschornsteinfegermeister in gleichheitswidriger Weise wieder genommen. Denn all diejenigen, die eine ungekürzte dreijährige Gesellenzeit absolviert hätten, könnten diese drei Jahre geltend machen. Damit kämen sie aber wieder auf den gleichen Rangstichtag wie er. Dies widerspreche dem gesetzgeberischen Willen. § 21 Abs. 1 Satz 2 VOSch a. F. habe die Zurückverlegung um die Verkürzungszeit vorgesehen. Dass dieser Passus in der Neufassung nicht mehr enthalten sei, könne nur auf ein Versehen des Verordnungsgebers zurückgehen, zumal ihm nicht unterstellt werden könne, er wolle sich über den in § 49 Abs. 4 Satz 1 Nr. 1 HwO zum Ausdruck kommenden gesetzgeberischen Willen hinwegsetzen. Darüber hinaus müsse eine Zurückverlegung um den Verkürzungszeitraum aus Gleichheitsgründen erfolgen. Denn denjenigen, die sich zur gleichen Zeit wie er zur Meisterprüfung angemeldet hätten und denen ebenfalls die Gesellenzeit gemäß § 49 Abs. 4 Satz 1 Nr. 1 HwO verkürzt worden sei, sei bei sofortigem Antrag auf Eintragung in die Bewerberliste entsprechend der alten Gesetzesfassung eine entsprechende Zurückverlegung gewährt worden. Dies werde ihm jetzt verwehrt, ohne dass sich die Umstände wesentlich geändert hätten.
Der Kläger beantragt,
den Beklagten unter Abänderung seines Bescheides vom 30. Januar 2006 zu verpflichten, seinen Rangstichtag in der beim Beklagten geführten Bewerberliste für Bezirksschornsteinfegermeister (Bewerberliste B) auf den 26. Oktober 1989 zurückzuverlegen,
hilfsweise den Beklagten zu verpflichten, unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts über den Rangstichtag erneut zu entscheiden.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Zur Begründung trägt er vor, der Kläger habe keinen Anspruch auf die begehrte Zurückverlegung des Stichtages. Zur Begründung vertieft er seine Ausführungen im angefochtenen Bescheid. Im Rahmen des § 11 Abs. 4 Nr. 1 VOSch sei die Verkürzung der Ausbildungszeit gemäß § 27 a Abs. 2 HwO um sechs Monate zu berücksichtigen, sodass er wegen seines Realschulabschlusses nur einen Anspruch auf Zurückverlegung von sechs Monaten herleiten könne. Die Verkürzung der Ausbildungszeit nach § 27 a Abs. 2 HwO aus Altersgründen bedeute keine Beschleunigung der Berufskarriere. Durch die Anerkennung einer verkürzten Ausbildungszeit auf zweieinhalb Jahre habe der Kläger die durch seinen mittleren Bildungsabschluss hervorgerufene Verspätungszeit von in der Regel zwölf Monaten gegenüber einem Hauptschüler um sechs Monate verkürzt. Die Ungleichbehandlung betrage daher nur sechs Monate. Im Rahmen des bis zum 1. Januar 2001 geltenden § 21 Abs. 1 Satz 2 VOSch a. F. übersehe der Kläger, dass diese Vorschrift an die Voraussetzungen des § 21 Abs. 1 Satz 1 VOSch angeknüpft und eine Übergangsvorschrift für diejenigen Gesellen dargestellt habe, die länger als die seit dem 1. Januar 1994 geforderte dreijährige Gesellenzeit gegenüber einer vorgeschriebenen Gesellenzeit von bisher vier Jahren hinter sich gebracht hätten. Der Kläger erfülle mit einer Gesellenzeit von insgesamt zwei Jahren, sechs Monaten und 15 Tagen bis zur Meldung zur Meisterprüfung nicht die grundsätzliche Voraussetzung des § 21 Abs. 1 Satz 1 VOSch a. F., da er nicht länger als drei Jahre als Geselle tätig gewesen sei und zudem durch die Änderung der Handwerksordnung über die Mindestgesellenzeit eine vierjährige Gesellenzeit auch nicht habe ableisten müssen. Eine Ungleichbehandlung mit denjenigen Bewerbern, die noch eine vierjährige Gesellenzeit hätten nachweisen müssen, liege mangels identischen Sachverhalts daher nicht vor. Zudem sei die Übergangsregelung des § 21 Abs. 1 Satz 2 VOSch a. F. seit dem 1. Januar 2001 nicht mehr gültig. Die zum 1. Juli 2004 in Kraft getretene Fassung des § 21 Abs. 1 VOSch sei im Fall des Klägers angewandt worden.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakten und der beigezogenen Verwaltungsvorgänge des Beklagten verwiesen.
Entscheidungsgründe
Die zulässige Klage ist aus dem im Tenor ersichtlichen Umfang begründet.
Dem Kläger steht der geltend gemachte Anspruch auf eine weitere Zurückversetzung des Rangstichtages nur teilweise, und zwar im Umfang von weiteren 164 Tagen zu. Der Bescheid des Beklagten vom 30. Januar 2006 ist mithin teilweise rechtswidrig und verletzt den Kläger insoweit in seinen Rechten (§ 113 Abs. 5 VwGO).
1. Nach § 5 Abs. 1 Schornsteinfegergesetz - SchfG - darf als Bezirksschornsteinfegermeister nur bestellt werden, wer in die von den zuständigen Landesbehörden geführte Bewerberliste (Rangliste) eingetragen ist. Die zeitliche Reihenfolge der Bestellung der Schornsteinfegermeister richtet sich nach dem Rang der Eintragung in die Bewerberliste (§ 6 Abs. 1 SchfG). Das Bundesministerium für Wirtschaft und Technologie hat gemäß § 6 Abs. 2 SchfG die Ermächtigung, durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates Vorschriften über die Rangberechnung zu erlassen. Der Rang wird hiernach im Regelfall von der Dauer der Eintragung bestimmt. Ausnahmen hiervon sind nur wegen des Besuchs von Aus- und Weiterbildungsstätten zum Zwecke der Fortbildung im Schornsteinfegerhandwerk oder wegen Erlangung eines qualifizierten Hauptschulabschlusses nach zehn Jahren oder mindestens eines mittleren Bildungsabschlusses oder zur Vermeidung besonderer Härten zulässig. Aufgrund dieser Verordnungsermächtigung hat das Bundesministerium für Wirtschaft und Technologie in der Verordnung über das Schornsteinfegerwesen - VOSch - vom 19. Dezember 1969 - im Folgenden: VOSch 1969 - in seiner heute geltenden Fassung vom 22. Juni 2004 - im Folgenden: VOSch 2004 - in § 11 Abs. 1 bestimmt, dass der Rang der Eintragung in der Bewerberliste sich richtet nach dem Tag der Meldung zu der Meisterprüfung, die der Bewerber bestanden hat (Rangstichtag). Als Tag der Meldung gilt der Tag, an dem das Gesuch um Zulassung zur Meisterprüfung mit allen notwendigen Nachweisen bei der zuständigen Handwerkskammer eingegangen ist. Dieser Rangstichtag ist in bestimmten Fällen nach § 11 Abs. 2 VOSch 2004 hinauszuschieben und in bestimmten Fällen zurückzuverlegen. Im vorliegenden Fall sind die drei Fälle des § 11 Abs. 3 Nr. 1 sowie des Abs. 4 Satz 1 VOSch 2004 und des § 21 Abs. 1 Satz 1 VOSch 2004 relevant.
Nach § 11 Abs. 3 Nr. 1 VOSch 2004 ist der Rangstichtag bei Bewerbern, die wegen des auf Grund der Wehrpflicht zu leistenden Wehrdienstes die Meisterprüfung verspätet abgelegt haben, um die Zeit der nachgewiesenen Verspätung zurückzuverlegen, die unmittelbar durch den in Nr. 1 genannten Grund herbeigeführt worden ist.
Nach § 11 Abs. 4 Satz 1 Nr. 1 VOSch 1969 in der bis zum September 2000 geltenden Fassung konnte die zuständige Verwaltungsbehörde des Weiteren den Rangstichtag bei Bewerbern, die wegen des Besuchs von Aus- und Weiterbildungsstätten zum Zwecke der Fortbildung in ihrem Beruf oder "wegen Erlangung der Fachschul- oder Hochschulreife oder vergleichbarer Bildungsabschlüsse" die Meisterprüfung verspätet abgelegt haben, um die Zeit der nachgewiesenen Verspätung zurückverlegen. In der Vergangenheit war es verbreitete Praxis, auch Schornsteinfegermeister mit Realschulabschluss (mittlere Reife) eine solche Ranglistenvergünstigung zu gewähren. Das Bundesverwaltungsgericht stellte mit Urteil vom 17. Dezember 1996 (- 1 C 24.95 -, GewArch 1997, 159) allerdings klar, dass der Besuch der Realschule nicht von § 11 Abs. 4 Satz 1 Nr. 1 VOSch 1969 erfasst ist. Daraufhin wurde § 11 Abs. 4 Satz 1 Nr. 1 VOSch mit Gesetz vom 15. September 2000 - im Folgenden: VOSch 2000 - dahingehend geändert, dass in den Genuss der Vergünstigung diejenigen Bewerber kommen, bei denen "wegen Erlangung eines qualifizierten Hauptschulabschlusses nach zehn Jahren oder mindestens eines mittleren Bildungsabschlusses" eine Verzögerung der Meisterprüfung eingetreten war. Nach der Übergangsvorschrift des § 21 Abs. 2 VOSch 2000 kann § 11 Abs. 4 Satz 1 Nr. 1 VOSch 2000 rückwirkend auf alle Bewerber angewandt werden, die beim In-Kraft-Treten dieser Vorschrift in der Bewerberliste nach § 6 Abs. 1 SchfG eingetragen sind.
Gemäß § 21 Abs. 1 Satz 1 VOSch 2004 ist der Rangstichtag von Bewerbern, die sich vor dem 1. Januar 2004 zur Meisterprüfung angemeldet haben, zudem um die Zeit zwischen der bestandenen Gesellenprüfung und der Anmeldung, längstens drei Jahre, zurückzuverlegen.
2. Hiernach ist der Rangstichtag des Klägers wie folgt zu berechnen:
Maßgeblich ist die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt des Antrages des Klägers gegenüber dem Beklagten im Oktober 2005. Der Antrag des Klägers gegenüber dem Beklagten ist als Neuantrag zu werten. Daher hat der Beklagte als für die Führung der nunmehr maßgeblichen Bewerberliste zuständige Behörde unabhängig von der früheren Berechnung durch die Freie und Hansestadt {F.} den Rangstichtag neu zu berechnen. Der infolge eines freiwilligen Listenwechsels gestellte Antrag eines Schornsteinfegermeisters auf Eintragung in die Bewerberliste für die Bestellung zum Schornsteinfegermeister ist grundsätzlich wie ein Neuantrag zu behandeln, soweit - wie hier - für den Listenwechsel keine besonderen Vorschriften bestehen (Nds. OVG, Urt. v. 15.9.2005 - 8 LB 118/03 -, juris).
Auszugehen ist von § 11 Abs. 1 VOSch 1969 in der bis zum Erlass der 4. Änderungsverordnung vom 16. Mai 1997 geltenden Fassung der 3. Änderungsverordnung vom 28. September 1988 - im Folgenden: VOSch 1988 -. Nach Art. 2 Satz 2 der 4. Änderungsverordnung vom 16. Mai 1997 - im Folgenden: VOSch 1997 - findet § 11 Abs. 1 VOSch in seiner bisherigen, d. h. bis zum Mai 1997 geltenden Fassung der VOSch 1988, nämlich unverändert Anwendung auf Bewerber, die sich - wie der Kläger - vor In-Kraft-Treten der 4. Änderungsverordnung am 24. Mai 1997 zur Meisterprüfung angemeldet haben. Nach § 11 Abs. 1 Satz 1 VOSch 1988 - im Übrigen aber auch nach der zurzeit geltenden Fassung des § 11 Abs. 1 Satz 1 VOSch 2004 - richtet sich der Tag der Eintragung in die Bewerberliste nach dem Tag der Meldung zu der Meisterprüfung, die der Bewerber bestanden hat (Rangstichtag). Als Tag der Meldung gilt grundsätzlich der Tag, an dem das Gesuch um Zulassung zur Meisterprüfung mit allen notwendigen Nachweisen bei der zuständigen Handwerkskammer eingegangen ist (Satz 2). Dies ist hier unstreitig der 24. Januar 1995. Dieser Tag ist mithin als Ausgangspunkt für die Festsetzung des Rangstichtags des Klägers anzunehmen.
Dieser Rangstichtag ist gemäß § 11 Abs. 2 VOSch 2004 nicht zu Lasten des Klägers hinauszuschieben, d. h. auf einen späteren Zeitpunkt zu verlegen. Dieser Ansicht ist auch der Beklagte.
Der so ermittelte Rangstichtag des 24. Januar 1995 ist in dreifacher Weise zu Gunsten des Klägers zurückzuverlegen mit der Folge, dass dem Kläger ein Anspruch in einem Gesamtumfang von 1.735 Tagen (457 plus 183 plus 1.095 Tage) zusteht:
Und zwar zum einen nach § 11 Abs. 3 Nr. 1 VOSch 2004 wegen der Ableistung des seinerzeit 15-monatigen Wehrdienstes (1. Oktober 1986 bis 31. Dezember 1987) um 457 Tage. Dies ist unstreitig.
Zum anderen nach § 11 Abs. 4 Satz 1 Nr. 1 Alt. 2 VOSch 2004 i. V. m. § 21 Abs. 2 VOSch 2004 wegen des Realschulabschlusses des Klägers. Dem Grunde nach ist auch dies unstreitig. Entgegen der Ansicht des Klägers steht ihm im Ergebnis insoweit nur ein Anspruch auf Gewährung eines halbjährigen Zeitraumes, mithin 183 Tagen, zu. Dem Beklagten als zuständiger Behörde steht hierbei ein Ermessensspielraum zu. Der Kläger hat wegen des Besuchs der Realschule zum Zweck der Erlangung der Mittleren Reife, eines mittleren Bildungsabschlusses, die Meisterprüfung verspätet abgelegt. Hinsichtlich der Verspätung ist auf den Vergleich mit Hauptschülern abzustellen, die nach neun Jahren einen Abschluss erlangt haben. Im Vergleich dazu war für die Erlangung der Mittleren Reife eine zusätzliche Zeit von zwölf Monaten (365 Tage) erforderlich, um die die Meisterprüfung verspätet abgelegt worden ist. Die Kammer folgt aber der Ansicht des Verwaltungsgerichts {F.} (Urteil v. 26.11.2002, a.a.O.), dass der Kläger gleichwohl nur einen Anspruch auf eine Zurückverlegung des Stichtages um sechs Monate (183 Tage) und nicht um zwölf Monate (365 Tage) hat. Denn die Ausbildungszeit des Klägers ist im Hinblick auf sein Lebensalter gemäß § 27 a Abs. 2 HwO um sechs Monate gekürzt worden. Diese Verkürzung hätte der Kläger ohne den Realschulabschluss nicht erhalten, weil er zu Beginn der Ausbildung dann noch nicht 21 Jahre alt gewesen wäre. Auf den Umstand, dass der Kläger als Zeitsoldat bei der Bundeswehr gedient hat, kommt es in diesem Zusammenhang nicht. Dieser Umstand beruht auf seiner freiwilligen Lebensplanung und ist bei der Berechnung des Rangstichtages unerheblich. Folglich sind nur noch sechs der zwölf Monate, die der Kläger für den Realschulabschluss zusätzlich benötigt hatte, für die Verspätung seiner Meisterprüfung unmittelbar ursächlich. Diese sechs Monate hat der Beklagte dem Kläger - wie allen anderen Bewerbern in vergleichbarer Lage - zugebilligt. Dieses Ergebnis entspricht auch dem Willen des Verordnungsgebers. Die in § 11 Abs. 4 VOSch enthaltenen Regelungen stellen Ausnahmebestimmungen dar und sind daher eng auszulegen (Musielak/Schira/Manke, Schornsteinfegergesetz, Kommentar, 6. Aufl. 2003, § 6 Rdnr. 19 m. w. N.).
Und schließlich hat der Kläger einen Anspruch auf Zurückverlegung des Rangstichtages nach § 21 Abs. 1 Satz 1 VOSch 2004 im Umfang von nicht nur 931 Tagen, sondern im Umfang von insgesamt drei Jahren, d. h. 1.095 Tagen. Dies ergibt eine Differenz von 164 Tagen zugunsten des Klägers. Nach dieser Bestimmung ist der Rangstichtag von Bewerbern, die sich - wie der Kläger - vor dem 1. Januar 2004 zur Meisterprüfung angemeldet haben, um die Zeit zwischen der bestandenen Gesellenprüfung und der Anmeldung, längstens drei Jahre, zurückzuverlegen. Dem strengen Wortlaut der Vorschrift nach hat der Kläger zwar keinen Anspruch auf eine Zurückverlegung von insgesamt drei Jahren. Denn der Zeitraum zwischen der bestandenen Gesellenprüfung und der Anmeldung zur Meisterprüfung beträgt nur 931 Tage (8.7.1992 bis 24.1.1995). Dieser streng am Wortlaut haftenden Auslegung des Beklagten ist aber nicht zu folgen. Zwar konnte der Kläger sich durch die verkürzte Gesellenzeit schon ein halbes Jahr eher zur Meisterprüfung melden und daher auch schon eher einen Antrag auf Eintragung in die Bewerberliste stellen. Dieser vom Beklagten hergestellte Zusammenhang zwischen der Regelung des § 49 Abs. 4 Satz 1 Nr. 1 HwO auf der einen und §§ 11 Abs. 4, 21 Abs. 1 VOSch 2004 auf der anderen Seite besteht in dieser Weise aber nicht. Die Verkürzung der Zeit der seinerzeit notwendigen dreijährigen Gesellenzeit nach der Handwerksordnung beruhte auf besonderen Leistungen des Klägers, die in keinem inneren Zusammenhang mit §§ 11 Abs. 4, 21 Abs. 1 VOSch 2004 stehen. Die Abkürzung der Gesellenzeit war nicht an eine besondere schulische Qualifikation gebunden (vgl. hierzu Musielak/Schira/Manke, a. a. O., § 6 Rdnr. 19 a. E.). Dass diese Sichtweise auch der Vorstellung des Verordnungsgebers entspricht, zeigt § 21 Abs. 1 Satz 2 VOSch 1997. Hiernach war bei Bewerbern, deren Gesellentätigkeit nach § 49 Abs. 4 Satz 1 Nr. 1 HwO verkürzt wurde, der Rangstichtag zusätzlich um die Zeit der Verkürzung zurückzuverlegen. Diese Übergangsbestimmung knüpfte zwar an Satz 1 dieser Vorschrift an. Es ist jedoch nicht ersichtlich, dass sich nach Abschaffung einer Mindestgesellenzeit deshalb zukünftig die Rangstichtagsfestsetzung für den bisher durch § 21 Abs. 1 Satz 2 VOSch 1997 begünstigten Personenkreis verschlechtern sollte.
Allein ein solches Normverständnis entspricht auch der Systematik der VOSch, nach der Übergangsregelungen für die Rangstichtagsfestsetzung grundsätzlich zeitlich unbegrenzt fortgelten (vgl. hierzu Nds. OVG, Urt. v. 15.9.2005 - 8 LB 118/03 -). Ein anderes Verständnis dieser Regelung hätte zudem zur Folge, dass diejenigen Bewerber, die die seinerzeit vorgeschriebene dreijährige Gesellenzeit absolviert haben, in den Genuss einer Zurückverlegung des Rangstichtages um insgesamt drei Jahre kommen, während diejenigen, die - wie der Kläger - aufgrund ihrer guten Leistungen eine kürzere Gesellenzeit hinter sich gebracht haben, eine demgegenüber geringere Zurückverlegung erreichen können. Der erste Personenkreis würde sich hinsichtlich des Rangstichtages besser stehen als der zweite, ohne dass hierfür Gründe ersichtlich sind. Dieses Ergebnis entspricht mithin nicht dem Willen des Normgebers und verfehlt den Zweck der Regelung.
Hieraus folgt aber nicht ein weitergehender Anspruch des Klägers, den Rangstichtag zusätzlich um die Zeit der Verkürzung von insgesamt einem halben Jahr zurückzuverlegen. § 21 VOSch 1997 ist durch die hier maßgebliche Vorschrift des § 21 Abs. 1 VOSch 2004 geändert worden. Nach den Vorstellungen des Verordnungsgebers soll es auch in den Fällen, in denen die Gesellenzeit nach § 49 Abs. 4 Satz 1 Nr. 1 HwO verkürzt worden ist, bei einer Zurückverlegung von höchstens drei Jahren bleiben. Hierin liegt kein Verstoß gegen höherrangiges Recht.
Dementsprechend steht dem Kläger (nur) ein Anspruch auf die Zurückverlegung seines Rangstichtags um weitere 164 Tage zu. Als Rangstichtag ist mithin der 26. April 1990 festzusetzen. Im Übrigen war die Klage daher abzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 155 Abs. 1 Satz 1 VwGO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 167 VwGO i.V.m. § 708 Nr. 11 ZPO.
Die Kammer lässt die Berufung nach §§ 124 a Abs. 1 Satz 1, 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO zu. Die Frage, ob bei Bewerbern, deren Gesellentätigkeit nach § 49 Abs. 4 Satz 1 Nr. 1 HwO verkürzt wurde, der Rangstichtag auch nach gegenwärtiger Rechtslage zusätzlich um die Zeit dieser Verkürzung, längstens um drei Jahre, zurückzuverlegen ist, ist von grundsätzlicher Bedeutung.