Anwaltsgerichtshof Niedersachsen
Urt. v. 23.10.2017, Az.: AGH 30/16 (ll 20/22)

Bibliographie

Gericht
AGH Niedersachsen
Datum
23.10.2017
Aktenzeichen
AGH 30/16 (ll 20/22)
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2017, 54300
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

Tenor:

Die Klage wird abgewiesen.

Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens einschließlich der notwenigen Kosten des Beigeladenen.

Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aufgrund dieses Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte oder der Beigeladene vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leisten.

Streitwert: 25.000,00 EUR.

Gründe

l.

Der am ........... geborene und seit dem 20.08.2003 zur Rechtsanwaltschaft zugelassene Beigeladene hat bei der Beklagten unter dem 25.02.2016 einen Antrag auf Zulassung als Rechtsanwalt (Syndikusrechtsanwalt) gestellt (Bl. 78 ff. Personalakte).

Nach der von dem Beigeladenen vorgelegten und von seinem Arbeitgeber, der ... ... Versicherung AG, ..., mit unterzeichneten Tätigkeitsbeschreibung (Bl. 70 ff. Personalakte) obliegt dem Beigeladenen die Regulierung von Kraftfahrt-Haftpflicht-Personen-Großschäden sowie von Fahrer-Unfallschutz-Personenschäden für den Gesamtkonzern „... ...“. Allein der Fachabteilung des Beigeladenen „...“ (...) ist die Bearbeitung von sogenannten Personen-Großschäden zugewiesen, also Personenschäden, bei denen mit einem Schadensaufwand von über 25.000,00 EUR zu rechnen ist. Gemäß seiner mit der ... ... Versicherung AG unter dem 18.02.2016 getroffenen Vereinbarung zur Ergänzung zum Arbeitsvertrag vom 01.03.1993 (Bl. 62 Personalakte) arbeitet der Beigeladene im Rahmen der Berufsausführung als Syndikusrechtsanwalt fachlich unabhängig und unterliegt keinen allgemeinen oder konkreten Weisungen, die eine eigenständige Analyse der Rechtslage und eine am Einzelfall orientierte Rechtsberatung ausschließen (§ 2 Abs. 1 der Ergänzung zum Arbeitsvertrag). Daneben ist der Beigeladene nach § 3 befugt, nach außen verantwortlich aufzutreten, und für alle Schreiben und Schriftsätze, die er im Rahmen seiner Berufsausübung als Syndikusrechtsanwalt fertigt, zeichnungsberechtigt.

Die Beklagte hat den Beigeladenen mit Bescheid vom 27.07.2016 gemäß § 46a Abs. 1 S. 1 BRAO als „Rechtsanwalt (Syndikusrechtsanwalt)“ zugelassen (Bl. 10 ff. Personalakte), der der Klägerin am 28.07.2016 zugestellt worden ist (Bl. 7 f. Personalakte).

Hiergegen richtet sich die am 26.08.2016 bei Gericht eingegangene Anfechtungsklage der Klägerin, die sie wie folgt begründet:

Die Tätigkeit des Beigeladenen genüge nicht den Anforderungen des § 46 Abs. 2 bis 5 BRAO. Ob die Gesamttätigkeit eines Unternehmensjuristen durch die anwaltliche Tätigkeit im Sinne von § 46 Abs. 3 BRAO „geprägt“ werde, sei anhand der Gesamttätigkeit zu beurteilen. Danach lägen die Voraussetzungen des § 46 Abs. 3 Nr. 1 und 3 BRAO nicht vor.

Zwar beinhalte die Tätigkeit des Beigeladenen die Prüfung und Freigabe von Regulierungen und Zahlungen und damit die Bewertung von haftungs- und deckungsrechtlichen Sachlagen von Verkehrsunfallschäden, wobei es sich um anspruchsvolle juristische Fragestellungen handele. Gleichwohl liege keine anwaltliche Tätigkeit vor, da der Beigeladene in seiner Tätigkeit aufgrund der tatsächlichen Umstände nicht fachlich unabhängig und weisungsfrei im Sinne des § 46 Abs. 3 BRAO sei. Neben der vertraglichen Gewährleistung müsse die Unabhängigkeit im Rahmen der tatsächlichen Ausgestaltung der Gesamttätigkeit auch gelebt werden. Die tatsächlichen Verhältnisse folgten maßgeblich aus den Organisationsstrukturen des Arbeitgebers. Nach den Organigrammen der ... Versicherungen vom 13.06.2016 (Anlage 1/Bl. 32 f. d. A.) bestehe die Abteilung Kraftfahrt-Komplex-Schaden aus fünf Gruppen mit mehreren Fachberatern, denen jeweils eine Gruppenleiterin vorstehe. Dabei sei neben der Gruppe 01, in der der Beigeladene tätig sei, auch die Gruppe 02 ausschließlich für Kraftfahrt-Großschäden zuständig. Den Organigrammen sei ferner zu entnehmen, dass der Abteilungsleitung Kraftfahrt-Komplex-Schaden ein Grundsatzbereich mit einem Mitarbeiter zugeordnet sei. Ausweislich der hierzu vorgelegten Stellenausschreibung (Anlage 2/Bl. 34 d. A.) oblägen dem Grundsatzmitarbeiter verschiedene Aufgaben der Unternehmenssteuerung, unter anderem auch die Erstellung von Arbeitsrichtlinien insbesondere im Kraftfahrt-Schadenbereich. Bei den Arbeitsrichtlinien handele es sich nicht um Empfehlungen oder Hinweise, sondern um zu beachtende „Richtlinien“. Der Anspruch der Versicherungsnehmer auf Gleichbehandlung könne bei einer Mehrzahl von Prüfern/Entscheidern nur mittels verbindlicher Vorgaben/Arbeitsrichtlinien und eine ständige Qualitätssicherung und -steuerung realisiert werden. Dies gelte auch für Großschäden, da die Gleichförmigkeit unabhängig von den Besonderheiten des Einzelfalls hinsichtlich Haftungsumfang, etwaiger Haftungsausschlüsse und der Haftungsquoten gewahrt werden müsse.

Dass auch der Kraftfahrtgroßschadenbereich, in dem der Beigeladene tätig sei, richtliniengebunden arbeite, belege die in einem Parallelverfahren vorgelegte Tätigkeitsbeschreibung der Gruppenleiterin, in welcher ausgeführt werde, dass diese unter anderem für die Beschwerdebearbeitung der Schadensakten zuständig sei. Der Gruppenleiterin stehe also ein Prüfungs- und Korrekturrecht hinsichtlich der von ihren Mitarbeitern ins Auge gefassten Lösungen zu.

Hinzu komme, dass sich die Vergleichs- bzw. Abfindungsverhandlungen im Rahmen der Schadensregulierung stets nur innerhalb der bestehenden Versicherungsbedingungen bewegen könnten. Nur im Rahmen der Beweiswürdigung und der Einschätzung eventueller Prozessrisiken seien wirtschaftliche Verhandlungen zur vergleichsweisen Beilegung von Auseinandersetzungen denkbar. Dabei handele es sich allerdings um einen wirtschaftlichen und nicht um einen rechtlichen Spielraum. Beim Führen der genannten Vergleichsverhandlungen stehe nicht die Gestaltung von Rechtsverhältnissen im Vordergrund. Es gehe vorrangig um das Aushandeln des Umfangs der Schadensregulierung und damit um wirtschaftliche Aspekte, nicht um die Formulierung von Vergleichsvertragsregelungen unter rechtlichen Gesichtspunkten.

Die Klägerin beantragt,

den Bescheid der Beklagten vom 27.07.2016 aufzuheben.

Die Beklagte beantragt,

die Klage vom 26.08.2016 abzuweisen.

Sie meint, ihr Bescheid sei rechtmäßig und verletze die Klägerin nicht in ihren Rechten.

Die Klägerin übersehe, dass § 46 Abs. 3 Nr. 3 BRAO zwei Varianten aufweise. Im Übrigen unterliege der Beigeladene nach den Ausführungen auf Seite 2 der im Zulassungsverfahren abgegebenen Stellungnahme vom 17.05.2016 (Bl. 42 ff. Personalakte) keinen Arbeitsrichtlinien im Personen-Großschaden-Bereich.

Dass die Zahlungsvollmacht des Beigeladenen intern auf 15.000,00 EUR beschränkt sei (Schreiben der ... ... Versicherung AG vom 10.05.2016/Bl. 46 Personalakte), wodurch eine fachliche Kontrolle gewährleistet sei (vgl. S. 5 der Tätigkeitsbeschreibung vom 15.02.2016/Bl. 70 ff. Personalakte), führe nicht dazu, dass der Beigeladene nicht in eigener Verantwortung handele.

Gegen eine reine Sachbearbeitertätigkeit spreche die tarifliche Eingruppierung, die ein relativ hohes Maß an vorgabenfrei zu treffenden Entscheidungen hinsichtlich Ablauf und Ausführung von Tätigkeiten erfordere.

Die Personalakte des mit Beschluss vom 31.01.2017 Beigeladenen und die den Beigeladenen betreffenden Akten der Klägerin (51 230163 B 001) haben bei der Entscheidung vorgelegen und sind Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen.

ll.

1. Die Anfechtungsklage der Klägerin ist zulässig, insbesondere ist sie fristgerecht eingelegt worden (§ 74 Abs. 1 S. 2 VwGO i. V. m. § 112c Abs. 1 S. 1 BRAO). Die Klagebefugnis der Klägerin folgt aus § 46a Abs. 2 S. 3 BRAO. Der Durchführung eines Vorverfahrens vor Erhebung der Anfechtungsklage bedarf es abweichend von § 68 Abs. 1 S. 1 VwGO nicht (§ 80 Abs. 1 NJG).

Die Klage ist jedoch unbegründet.

Die Beklagte hat dem Beigeladenen zu Recht die Zulassung als Syndikusrechtsanwalt erteilt. Der Zulassungsbescheid der Beklagten vom 27.07.2016 ist formell und materiell rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten (§§ 112c Abs. 1 BRAO, 113 Abs. 1 S. 1 VwGO).

Weder bestehen Bedenken gegen die formelle Rechtmäßigkeit des Zulassungsbescheids noch werden solche seitens der Klägerin geltend gemacht. Ihre nach § 46a Abs. 2 S. 1 BRAO erforderliche Anhörung durch die Beklagte ist mit Schreiben vom 29.02.2016 erfolgt (Bl. 57 f. Personalakte).

Die materiellen Zulassungsvoraussetzungen gemäß § 46a Abs. 1 S. 1 BRAO liegen ebenfalls vor, insbesondere entspricht die Tätigkeit des Beigeladenen den Anforderungen des § 46 Abs. 2 bis 5 BRAO.

a) Aufgrund des Anstellungsvertrags vom 07.01.1993 i. V. m. dem Schreiben der ... ... AG vom 14.09.2007 (Bl. 64 f. und 63 Personalakte) ist der Beigeladene seit 01.01.2008 bei der ... ... Versicherung AG, Hannover, als Fachberater Schaden in der Abteilung Kraftfahrt-Schaden, Gruppe Großschaden beschäftigt und damit Angestellter einer anderen als der in § 46 Abs. 1 BRAO genannten Personen oder Gesellschaften (§ 46 Abs. 2 S. 1 BRAO).

b) Nach § 1 Abs. 1 der Ergänzungsvereinbarung vom 18.02.2016 (Bl. 62 Personalakte) ist der Beigeladene anwaltlich tätig und wird vorbehaltlich seiner für diese Tätigkeit erfolgten Zulassung als Rechtsanwalt (Syndikusrechtsanwalt) von seinem Arbeitgeber beschäftigt. Bei der Tätigkeit des Beigeladenen handelt es sich um eine anwaltliche Tätigkeit im Sinne von § 46 Abs. 2 S. 1 BRAO, weil das Arbeitsverhältnis von den in § 46 Abs. 3 BRAO genannten fachlich unabhängig und eigenverantwortlich auszuübenden Tätigkeiten und Merkmalen geprägt wird.

aa) Zur Tätigkeit des Beigeladenen gehört die Prüfung von Rechtsfragen, einschließlich der Aufklärung des Sachverhalts, sowie das Erarbeiten und Bewerten von Lösungsmöglichkeiten (§ 46 Abs. 3 Nr. 1 BRAO). Soweit die Klägerin dies im Rahmen ihrer Klagebegründung pauschal in Abrede nimmt, widerspricht sie sich selbst, weil sie an anderer Stelle ausdrücklich einräumt, dass die Tätigkeit die Bewertung von haftungs- und deckungsrechtlichen Sachlagen von Verkehrsunfallschäden umfasse und es sich hierbei um anspruchsvolle juristische Fragestellungen handele.

Unabhängig hiervon klärt der Beigeladene nach der Tätigkeitsbeschreibung vom 15.02.2016 und seinen glaubhaften Angaben im Termin zur mündlichen Verhandlung am 23.10.2017 zunächst den Unfallhergang auf, indem er etwa die staatsanwaltschaftliche Ermittlungsakte einsieht und, soweit erforderlich, externe Gutachter zur Anfertigung eines unfallanalytischen Gutachtens beauftragt. Ebenso wird der medizinische Status der Geschädigten anhand von medizinischen Gutachten geklärt. Der Aufklärung des Sachverhalts folgen die rechtliche Bewertung der Verantwortlichkeit und die Klärung etwaiger Haftungsausschlüsse oder -privilegierungen. Weiter erarbeitet der Beigeladene Lösungsmöglichkeiten und bewertet diese, insbesondere werden Vergleichs- und Klagemöglichkeiten ausgelotet, die Erfolgsaussichten von Regressprozessen ermittelt und die Erfolgsaussichten gegen den Arbeitgeber bzw. dessen Versicherte gerichteter Klagen geprüft. Auf diese Weise zeigt der Beigeladene Handlungsmöglichkeiten auf und erteilt gleichzeitig seinem Arbeitgeber Rechtsrat (§ 46 Abs. 3 Nr. 2 BRAO), indem er hierüber berät.

bb) Ebenso liegen die Voraussetzungen des § 46 Abs. 3 Nr. 3 BRAO vor. Danach muss die Tätigkeit auf die Gestaltung von Rechtsverhältnissen, insbesondere durch das selbstständige Führen von Verhandlungen, oder auf die Verwirklichung von Rechten ausgerichtet sein.

(1) Dazu ergibt sich aus der Tätigkeitsbeschreibung und den plausiblen Angaben des Beigeladenen im Verhandlungstermin, dass der Beigeladene Haftungsanerkenntnisse abgibt sowie Vereinbarungen über Haftungsquoten trifft oder Renten- und Unterhaltszahlungen sowie Haushaltsführungskosten/vermehrte Bedürfnisse vertraglich regelt. Auch werden Verhandlungen zur Teil- oder Gesamterledigung durch Abfindungsvergleiche geführt.

Der Hinweis der Klägerin, bei derartigen vertraglichen Vereinbarungen gehe es vorrangig um das Aushandeln des Umfangs der Schadensregulierung und damit um wirtschaftliche Aspekte, nicht um die Formulierung von Vertragsregelungen unter rechtlichen Gesichtspunkten, trifft weder zu, noch wäre daraus zu folgern, dass die Voraussetzungen des § 46 Abs. 3 Nr. 3 BRAO nicht erfüllt würden. Die Auffassung, Vergleichs- bzw. Abfindungsverhandlungen im Rahmen der Schadensregulierung könnten sich stets nur innerhalb der bestehenden Versicherungsbedingungen bewegen, geht schon deshalb fehl, weil der Direktanspruch des Geschädigten keine Regelung durch Versicherungsbedingungen erfährt, sondern sich nach Grund und Höhe allein nach den gesetzlichen Bestimmungen richtet. § 46 Abs. 3 Nr. 3 BRAO verlangt im Übrigen nicht, dass bei der Gestaltung von Rechtsverhältnissen, namentlich dem selbstständigen Führen von Verhandlungen, wirtschaftliche Erwägungen nicht gesprächsleitend sein dürfen. Davon abgesehen werden zivilrechtliche Streitigkeiten ganz überwiegend vor einem wirtschaftlichen Hintergrund geführt, der durch die schließlich erzielte (streitige oder konsensuale) Konfliktlösung eine an Fragen des Rechts orientierte Gestaltung erfährt. Die wirtschaftlichen und rechtlichen Aspekte eines Sachverhalts lassen sich dabei nicht voneinander trennen und sind gerade im Falle kautelarjuristischer Lösungen zivilrechtlicher Konflikte gleichermaßen zu berücksichtigen.

(2) Zudem genügt es nach § 46 Abs. 3 Nr. 3, 2. Alt. BRAO, wenn die Tätigkeit auf die Verwirklichung von Rechten ausgerichtet ist. Dies ist hier ohne weiteres der Fall, weil der Beigeladene im Falle einer nötigen Prozessführung die seinen Arbeitgeber vertretenden Rechtsanwälte aussucht, den Prozess führt und dazu das tatsächliche sowie prozessrechtliche Vorgehen in der jeweiligen Angelegenheit festlegt und vorgibt.

cc) Schließlich hat der Beigeladene nach § 3 der Ergänzungsvereinbarung zum Arbeitsvertrag (Bl. 62 Personalakte) auch die Befugnis, im Sinne von § 46 Abs. 3 Nr. 4 BRAO nach außen verantwortlich aufzutreten. Dass seine Zeichnungsbefugnis intern auf den Betrag von 15.000,00 EUR beschränkt ist (vgl. S. 5 der Tätigkeitsbeschreibung vom 15.02.2016 (Bl. 70 ff. Personalakte)), steht dem nicht entgegen. Eine im Innenverhältnis gegebenenfalls vereinbarte Beschränkung ist unerheblich (vgl. BT-Drs. 18/5201, S. 29). Nach den Angaben des Beigeladenen im Verhandlungstermin bezieht sich die Beschränkung auf den Betrag von 15.000,00 EUR ohnehin nur auf die Vornahme von Zahlungsanweisungen, wobei es sich um einen Kontrollmechanismus handelt, um einem Missbrauch der Mitarbeiter der ... ... Versicherung AG vorzubeugen. Demgemäß erstreckt sich die Prüfung durch die zuständige übergeordnete Hierarchieebene im Wesentlichen auch nur auf die Frage, ob der richtige Zahlungsempfänger angegeben ist, es sich um die zutreffende Bankverbindung und den korrekten Betrag sowie das richtige Aktenzeichen handelt und ob ein Zahlungsgrund für die Anweisung besteht.

Nach außen verfügt der Beigeladene grundsätzlich über die Vollmacht, Schäden in jeder Art und Höhe zu bearbeiten und die zugehörigen Regulierungsverhandlungen zu führen und zum Abschluss zu bringen, etwa auch im Rahmen von telefonisch getroffenen Vereinbarungen. Ausschließlich Abfindungserklärungen/Abfindungsvergleiche werden auf einem Unternehmensvordruck schriftlich abgefasst, der einen vorgedruckten „Direktionsvorbehalt“ vorsieht. Dieser Umstand ändert indes nichts daran, dass der Beigeladene über die Befugnis verfügt, im Sinne von § 46 Abs. 3 Nr. 4 BRAO nach außen verantwortlich aufzutreten. Zum einen stellt der Abschluss von Abfindungsvergleichen nur einen Ausschnitt aus der Tätigkeit des Beigeladenen dar, zum anderen sind auch solche vom Beigeladenen getroffenen Vereinbarungen ohne weiteres und unabhängig von einem Direktionsvorbehalt wirksam, wenn sie nicht unter Verwendung des Vordrucks, sondern etwa abschließend mündlich in einem Telefonat getroffen werden. Dies gilt selbst dann und entspricht insofern den für die rechtsanwaltliche Tätigkeit anerkannten Grundsätzen, wenn der Beigeladene im Innenverhältnis gehalten ist, bei Abfindungserklärungen für die Geltung des „Direktionsvorbehalts“ Sorge zu tragen. Wie ausgeführt, stehen derartige interne Beschränkungen der Annahme einer anwaltlichen Tätigkeit nicht entgegen.

dd) Endlich ist auch von einer fachlich unabhängig und eigenverantwortlich auszuübenden Tätigkeit auszugehen.

(1) Daran fehlt es, wenn sich der Angestellte an Weisungen zu halten hat, die eine eigenständige Analyse der Rechtsfrage und eine am Einzelfall orientierte Rechtsberatung ausschließen (§ 46 Abs. 4 S. 1 BRAO). Gerade das wird aber von § 2 Abs. 1 der Ergänzungsvereinbarung zum Arbeitsvertrag vom 18.02.2016 (Bl. 62 Personalakte) verhindert. Danach wird dem Beigeladenen die fachliche Unabhängigkeit zugestanden und ausdrücklich festgelegt, dass er keinen allgemeinen oder konkreten Weisungen unterliegt, die eine eigenständige Analyse der Rechtslage oder einzelfallorientierte Rechtsberatung ausschließen.

Dass gemäß § 2 Abs. 2 der Ergänzungsvereinbarung das Direktionsrecht des Arbeitgebers hiervon unberührt bleibt, ist wiederum unschädlich. Entscheidend ist, dass der Syndikusrechtsanwalt fachlich weisungsfrei und in eigener Verantwortung handelt und im Rahmen der Rechtsberatung und Rechtsvertretung in erster Linie den Pflichten der BRAO unterworfen ist und die arbeitsrechtlichen Weisungsbefugnisse des Arbeitgebers dahinter zurückstehen. Den Ausschluss jeglichen Weisungsrechts meint § 46 Abs. 4 S. 1 BRAO dagegen nicht (vgl. BT-Drs. 18/5201, S. 28).

(2) In diesem Zusammenhang ist zwar zutreffend, dass die fachliche Unabhängigkeit der Berufsausübung des Syndikusrechtsanwalts nicht nur vertraglich, sondern daneben auch tatsächlich zu gewährleisten ist (§ 46 Abs. 4 S. 2 BRAO). Entgegen der Auffassung der Klägerin bestehen jedoch auch hiergegen im Ergebnis keine durchgreifenden Bedenken.

(a) Die Klägerin weist darauf hin, dass nach dem Organigramm des Arbeitsgebers des Beigeladenen der Abteilungsleitung ein Grundsatzbereich zugeordnet sei und der Grundsatzmitarbeiter auch Arbeitsrichtlinien zu erstellen habe. Grundsätzlich liegt eine unabhängige Tätigkeit nicht vor, wenn Vorgaben zur Art und Weise der Bearbeitung und Bewertung bestimmter Rechtsfragen bestehen, wie dies beispielsweise bei einem richtliniengebundenen Schadenssachbearbeiter eines Versicherers der Fall ist (so ausdrücklich BT-Drs. 18/5201, S. 29). Allerdings ist zu berücksichtigen, dass der Beigeladene nicht in einer gewöhnlichen Fachabteilung für Kfz-Haftpflicht-Sachschäden beschäftigt ist, sondern in der Fachabteilung für Personen-Großschäden arbeitet. Dafür, dass der Arbeitgeber des Beigeladenen diesen Bereich ebenfalls durch Arbeitsrichtlinien steuert, ist nichts ersichtlich und lässt sich auch nichts aus der von der Klägerin vorgelegten Stellenausschreibung für einen Grundsatzmitarbeiter entnehmen (Anlage 2/Bl. 34 d. A.), die sich auch nicht an Juristen, sondern Betriebswirte richtet.

Darüber hinaus hat der Beigeladene in der im Zulassungsverfahren abgegebenen und von seinem Arbeitgeber mitgezeichneten Stellungnahme vom 17.05.2016 (Bl. 42 ff. Personalakte) nachvollziehbar ausgeführt, dass es gerade im Personengroßschadenbereich wegen der Individualität der Verletzungen und der erheblichen Schadensdimensionen nicht möglich sei, derartige Schäden standardisiert nach Arbeitsrichtlinien oder Tabellen zu bearbeiten. Auch im Verhandlungstermin hat der Beigeladene noch einmal deutlich gemacht, bei der Bearbeitung der ihm zugewiesenen Schadensfälle nicht an irgendwelche Vorgaben oder Arbeitsrichtlinien gebunden zu sein.

Diese Angaben sind glaubhaft. Da es sich bei der Abwicklung von Großschäden, anders als bei den anderen Schadensbereichen, um kein Massengeschäft handelt, der Beigeladene etwa im Jahre 2015 nur 52 Schadensfälle zu bearbeiten hatte, dürfte für eine Steuerung der Bearbeitung solcher Fälle bereits kein praktisches Bedürfnis bestehen. Die von Arbeitsrichtlinien stets stillschweigend vorausgesetzte Möglichkeit zur standardisierten Bearbeitung ist zudem nur bei kleineren Sachschäden gegeben, während bei Schadensfällen, wie sie der Beigeladene zu bearbeiten hat, kaum vorstellbar erscheint, wie allgemeine Vorgaben an dieser Stelle greifen sollten. Zu Recht hat der Beigeladene in der genannten Stellungnahme darauf hingewiesen, dass etwa bei einem Kind mit einem Hirnschaden geklärt werden müsse, welchen Beruf es fiktiv in der Zukunft ergriffen hätte, welches Einkommen es hätte erzielen können und welche Gehaltssteigerungsraten zu Grunde zu legen sind. Weitere zu klärende Fragen sind, welcher Pflege- und Betreuungsmehraufwand und welche Lebenserwartung für die Berechnung einer Rentenzahlung monatlich zu Grunde zu legen sind. Alle diese Fragen lassen sich nur individuell betrachten und nicht schematisch beantworten. Gleiches gilt für das weitere von dem Beigeladenen angeführte Beispiel eines Unterhaltsschadens, bei dem unter anderem das Familieneinkommen und der Umfang der Beteiligung des Verstorbenen am Unterhalt zu berücksichtigen sind.

(b) Ebenso wenig steht die von der Klägerin angesprochene Beschwerdebearbeitung der dem Beigeladenen bei der ... ... Versicherung AG übergeordneten Gruppenleiterin einer fachlich unabhängigen Tätigkeit entgegen. Die Unabhängigkeit des Beigeladenen wird nicht dadurch in Frage gestellt, dass sich sein Arbeitgeber im Einzelfall möglicherweise nicht an die von ihm ausgesprochene Empfehlung hält. Ausreichend ist, dass er überhaupt eine eigenständige Analyse der Rechtslage und eine daran anknüpfende einzelfallorientierte Rechtsberatung vornimmt. Sollte also etwa ein Versicherungsnehmer mit den Entscheidungen des Beigeladenen nicht einverstanden sein und sich hiergegen bei der ... ... Versicherung AG beschweren, ändert es nichts am Vorliegen der Voraussetzungen des § 46 Abs. 4 BRAO, wenn der Arbeitgeber des Beigeladenen in Person der Gruppenleiterin der Beschwerde ganz oder teilweise aus wirtschaftlichen Erwägungen, Kulanz oder aufgrund anderer Rechtsauffassung stattgibt.

Entsprechendes gilt für den sogenannten „Direktionsvorbehalt“ bei Abfindungsvereinbarungen. Auch hierdurch wird weder eine eigenständige Analyse der Rechtslage noch eine am Einzelfall orientierte Rechtsberatung durch den Beigeladenen ausgeschlossen. Vielmehr entspricht es dem Berufsbild des Rechtsanwalts, dass dieser intern an Weisungen seines Auftraggebers gemäß § 665, 675 BGB gebunden ist (vgl. z. B. BGH, Urt. v. 13.03.1997 - lX ZR 81/96, NJW 1997, 2168 (2169)) und je nach Absprache die Zustimmung seines Mandanten zur Umsetzung von ihm empfohlener Konfliktlösungen einzuholen hat. Darüber hinaus hat der Beigeladene im Termin plausibel und nachvollziehbar erläutert, dass in der Praxis von dem „Direktionsvorbehalt“ praktisch kein Gebrauch gemacht wird, im Gegenteil der Grundsatz gilt, dass das Haus mitträgt, was von ihm verhandelt wird.

ee) Abschließend ist auch eine Prägung des Arbeitsverhältnisses des Beigeladenen durch die vorstehend beschriebenen Tätigkeiten und Merkmale im Sinne von § 46 Abs. 3 BRAO anzunehmen. Nach der gesetzlichen Regelung ist erforderlich, dass das Anstellungsverhältnis durch die genannten Merkmale und Tätigkeiten beherrscht wird. Der ganz eindeutige Schwerpunkt der im Rahmen des Anstellungsverhältnisses ausgeübten Tätigkeiten und der bestehenden vertraglichen Leistungspflicht muss im anwaltlichen Bereich liegen. Umgekehrt wird eine anwaltliche Tätigkeit nicht bereits dadurch ausgeschlossen, dass im Rahmen des Anstellungsverhältnisses in geringem Umfang andere Aufgaben wahrgenommen werden (vgl. BT-Drs. 18/5201, S. 29).

Der Beigeladene hat hierzu im Verhandlungstermin nachvollziehbar und plausibel erläutert, mit der Bearbeitung der Großschäden nahezu ausgelastet zu sein und lediglich daneben noch zum Jahresende eine notwendige Überprüfung der Jahresendreserven des Unternehmens vorzunehmen sowie sich darum zu kümmern, dass bei Zahlungen von Schmerzensgeldrenten aus den allgemeinen Rückstellungen eine Art „Sonderfonds“ gebildet wird. Soweit es sich dabei nicht um juristische, sondern betriebswirtschaftliche Tätigkeiten handelt, sind sie von untergeordneter Bedeutung.

2. Die Kostenentscheidung folgt aus § 112c Abs. 1 S. 1 BRAO i. V. m. §§ 154 Abs. 1, 161 Abs. 1, 162 Abs. 2 u. 3 VwGO. Eine Belastung der Klägerin mit den Kosten des Beigeladenen entspricht hier der Billigkeit, weil der Beigeladene mit seinem Vortrag das Verfahren wesentlich gefördert hat. Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit ergibt sich aus den §§ 112c Abs. 1 S. 1 BRAO i. V. m. § 167 Abs. 1 S. 1 u. Abs. 2 VwGO sowie §§ 708 Nr. 11, 709 S. 2, 711 ZPO.

3. Der Streitwert ist gemäß §§ 194 Abs. 1 BRAO, 52 Abs. 1 GKG i. V. m. § 194 Abs. 2 BRAO analog festgesetzt worden, wobei der Senat einen unter dem Wert gemäß § 194 Abs. 2 S. 1 BRAO liegenden Streitwert festgesetzt hat, weil es sich bei der Zulassung als Syndikusrechtsanwalt um eine Zweitzulassung des Beigeladenen handelt.

4. Gründe zur Zulassung der Berufung gemäß §§ 112c Abs. 1 S. 1, 112e BRAO i. V. m. §§ 124 Abs. 2 Nr. 3 u. 4, 124a Abs. 1 S. 1 VwGO liegen nicht vor. Weder hat die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung, noch liegt ein Fall der Divergenz vor.