Anwaltsgerichtshof Niedersachsen
Urt. v. 22.05.2017, Az.: AGH 16/16 (I 9)

Bibliographie

Gericht
AGH Niedersachsen
Datum
22.05.2017
Aktenzeichen
AGH 16/16 (I 9)
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2017, 54288
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

Tenor:

1. Die Klage wird abgewiesen.

2. Die Kosten des Rechtsstreits hat der Kläger zu tragen.

3. Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Kläger darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe von 110% des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110% des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

4.   Der Streitwert wird auf 5.000 € festgesetzt.

5.   Die Berufung wird zugelassen.

Gründe

I.

Der Kläger wendet sich gegen eine missbilligende Belehrung, die ihm die Beklagte mit Bescheid vom 31. Mai 2016 erteilt hat. Darin vertritt der Vorstand der Rechtsanwaltskammer die Rechtsauffassung, dass die bestehende Bürogemeinschaft des Klägers mit dem nichtanwaltlichen Mediator und Berufsbetreuer C. B. gegen die Regelung des § 59a BRAO verstoße.

Dem liegt folgender - zwischen den Parteien unstreitiger - Sachverhalt zugrunde:

1. Der ehemalige Sozius des Klägers, Herr C. B., verzichtete mit Schreiben an die Beklagte vom 21. April 2016 mit sofortiger Wirkung gemäß § 14 Abs. 2 Nr. 4 BRAO auf die Rechte aus seiner Zulassung zur Rechtsanwaltschaft. Zugleich teilte er in dem Schreiben mit, dass er und der Kläger weiterhin an einer beruflichen Gesellschaft festhalten wollten. Herr B. werde sich in dieser Gesellschaft auf die Führung von rechtlichen Betreuungen und Mediation beschränken. Der Kläger werde in der Gesellschaft die anwaltliche Tätigkeit wie bisher ausführen. Der Kläger werde auch die bis dahin in ihrer Sozietät durch Herrn B. bearbeiteten anwaltlichen Mandate übernehmen. Zugleich bat er die Beklagte um Stellungnahme, ob der im Hinblick auf den Zulassungsverzicht umgestaltete Briefkopf mit dem Berufsrecht zu vereinbaren sei.

Die Beklagte erwiderte durch ihre Geschäftsführerin mit Schreiben vom 22. April 2016, dass der umgestaltete Briefkopf nicht verwendet werden dürfe. Da Herr B. nach dem Verzicht auf seine Zulassung lediglich Assessor sei, falle er nicht unter die in § 59a BRAO abschließend aufgezählten sozietätsfähigen Berufe. Deshalb dürfe eine einheitliche Kanzleibezeichnung nicht geführt werden. Ein gemeinsames Auftreten nach außen sowohl auf dem Briefbogen, dem Praxisschild und dem Stempel verstieße gegen § 59a BRAO.

Mit Schreiben vom 3. Mai 2016 entgegneten der Kläger und Herr B., dass sie eine berufliche Zusammenarbeit zwischen einem Betreuer/Mediator einerseits und einem Rechtsanwalt andererseits für zulässig hielten. Sie baten um Mitteilung, welche Änderungen unter Beachtung der aktuellen Rechtslage und Rechtsprechung für unbedingt erforderlich gehalten würden.

Hierauf forderte die Beklagte durch den Vorsitzenden ihrer Werbeabteilung mit Schreiben vom 4. Mai 2016 den Kläger und Herrn B. auf, folgende Änderungen unverzüglich vorzunehmen:

- Sie dürften kein gemeinsames Logo führen;

- Die Kanzleibezeichnung dürfe nicht „B. & A.“ lauten. Hier wäre möglich die Bezeichnung „Rechtsanwaltskanzlei A.“ zu führen oder „Rechtsanwalt S. A.“;

- Dies habe zur Folge, dass die E-Mail-Adresse unverzüglich geändert werden müsse sowie auch die Faxkennung „Rechtsanwälte B. & A.“,

- Ferner sei der Internetauftritt der aktuellen Situation entsprechend anzupassen;

- Der Name des ehemaligen Kollegen B. dürfe nicht in der rechten Randspalte als erstes geführt werden. Wenn die Beklagte ihnen zugestehe, ihn als Kooperationspartner zu führen, müsse Herr B. namentlich an entsprechender Stelle unter dem Steuerberater C. aufgeführt werden. Hier sei es zulässig, die Bezeichnungen Assessor, Berufsbetreuer und Mediator zu führen;

- Es dürfe nicht der „Anschein einer Scheinsozietät“ erweckt werden, wie dies bisher der Fall sei.

Mit Schreiben vom 6. Mai 2016 bat der Kläger um Klarstellung, welche Rechtsfolgen sich aus dem vorgenannten Schreiben der Beklagten ergäben. Er bitte um Hinweis, ob es sich um einen rechtsmittelfähigen Bescheid handeln solle, und bat darum, die Sache dem Vorstand der Beklagten vorzulegen. Dieser werde ausdrücklich darum gebeten, fundiert zu den aufgeworfenen Fragen Stellung zu nehmen und eine Entscheidung in einer dem Organ würdigen Form zu erlassen. Er bitte insbesondere zu dem Umstand Stellung zu nehmen, dass das Bundesverfassungsgericht mit Beschluss vom 12. Januar 2016 § 59a BRAO für verfassungswidrig erklärt habe. Das Gericht habe ausgeführt, dass das aus § 59a BRAO resultierende Verbot des partnerschaftlichen Zusammenschlusses unverhältnismäßig sei und einen unangemessenen Eingriff in die durch Art. 12 GG geschützte Berufswahl darstelle.

Am 13. Mai 2016 übersandte der Kläger der Beklagten einen umgestalteten Briefkopf. Darin lautet der Name der Kanzlei nunmehr „Kanzlei A.“; der Kläger wird in der rechten Randspalte als erster genannt. Darunter findet sich unter der Bezeichnung „Kooperationspartner“ der Name C. B. mit den Zusätzen „Berufsbetreuer, Mediator“.

2. Hierauf erging der angefochtene Bescheid des Vorstands der Rechtsanwaltskammer vom 31. Mai 2016.

Dieser wurde im Wesentlichen damit begründet, dass der Vorstand sich an den Wortlaut des § 59a BRAO gebunden sehe und die dort getroffene Regelung, soweit die berufliche Zusammenarbeit zwischen einem Rechtsanwalt und einem Mediator zur Entscheidung stehe, für verfassungsgemäß halte. Das Verbot der beruflichen Zusammenarbeit gelte gemäß § 59a Abs. 3 BRAO auch für Bürogemeinschaften, wie sie im Fall des Klägers nunmehr nach außen dargestellt werde. Die Aufzählung sei enumerativ. Das Bundesverfassungsgericht habe keinesfalls festgestellt, dass § 59a BRAO schlechthin verfassungswidrig sei. Die zitierte Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts betreffe einen Spezialfall, der mit dem Fall des Klägers nicht vergleichbar sei. Zentrum der Entscheidung sei, dass Ärzte und Apotheker ebenso wie Rechtsanwälte gesetzlich zur Verschwiegenheit verpflichtet seien (§ 203 StGB) und den Schutz der §§ 53 und 97 StPO genössen. Diese Voraussetzungen seien im Fall des Klägers nicht gegeben. Der Beruf des Mediators finde sich in keinem der Kataloge der beiden Vorschriften. Der Vorstand sehe sehr wohl die Regelung in § 4 Mediationsgesetz, die auch einen Mediator der Verschwiegenheitspflicht unterwerfe. Hier - wie auch in dem vom Bundesverfassungsgericht entschiedenen Fall - gehe es aber nicht um eventuelle Geheimnisse, die dem Mediator in Ausübung seines Berufes zur Kenntnis kämen, sondern vielmehr um Geheimnisse, die er im Zusammenhang mit der beruflichen Tätigkeit eines Anwalts erlange. Diesbezüglich bestehe für den Mediator keine eigene berufliche Verschwiegenheitspflicht. Selbst wenn man in § 4 Mediationsgesetz eine Nähe zur Verschwiegenheitsverpflichtung von Ärzten und Apotheker sehe, so fehle es in jedem Fall am Zeugnisverweigerungsrecht, was nicht zuletzt durch § 4 Abs. 1 Nr. 2 Mediationsgesetz deutlich werde. Hiermit gehe einher, dass für den Mediator das strafprozessuale Beschlagnahmeverbot nicht gelte, da es insoweit an einer Verknüpfung zwischen § 4 Mediationsgesetz und § 97 StPO durch § 53 StPO mangele. Der Vorstand sehe daher auch unter Berücksichtigung der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts nicht, dass es verfassungsrechtlich geboten sei, im vorliegenden Fall vom Wortlaut des § 59a BRAO ausnahmsweise abzuweichen.

3. Der vorstehende Bescheid wurde dem Kläger ausweislich der Postzustellungsurkunde am 1. Juni 2016 zugestellt.

4. Mit Schreiben vom 21. Juni 2016, das am selben Tag per Fax beim Niedersächsischen Anwaltsgerichtshof eingegangen ist, hat der Kläger gegen den vorstehenden Bescheid Klage erhoben.

Er macht geltend, dass die missbilligende Belehrung rechtswidrig sei, weil der zur Begründung herangezogene § 59a BRAO ihn in seinem Grundrecht auf Berufsfreiheit unzulässig einschränke und daher als verfassungswidrig einzustufen sei.

Der Kläger beruft sich auf die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 12. Januar 2016 - 1 BvL 6/13 - und meint, dass die dort aufgestellten Grundsätze für eine berufliche Zusammenarbeit von Rechtsanwälten mit Ärzten und Apothekern auch für die in seinem Fall „beabsichtigte weitere Zusammenarbeit im Rahmen einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts als eine Bürogemeinschaft“ Anwendung finden müssten. Dies gelte umso mehr, als sein

Kooperationspartner B. gleich zu beurteilen sei, wie die Mitarbeiterinnen und andere Dienstleister (EDV, Reinigung etc.), die im Büro tätig seien. Auch Herr B. habe eine entsprechende Verschwiegenheitserklärung unterzeichnet (Anlage K 7, Bl. 16 d. A.). Es leuchte nicht ein, warum zum Beispiel Reinigungspersonal nach entsprechender Belehrung und Unterschrift in einem Rechtsanwaltsbüro tätig sein dürfe, nicht jedoch ein Berufsbetreuer, der schon beruflich unter die gleiche Verschwiegenheit falle und der zudem ebenfalls die notwendige Erklärung unterschrieben habe. Unter diesem Aspekt könne es vorliegend auch nicht auf das dem Unterzeichner zusätzlich zustehende Zeugnisverweigerungsrecht ankommen. Dieses hätten auch die anderen im Büro tätigen nichtanwaltlichen Personen nicht. Vorliegend sei auch nicht der Ansatz, sich zur gemeinsamen Berufsausübung zusammenzuschließen, sondern lediglich der, ein „gemeinsames Büro und damit eine GbR“ zu betreiben und die sich so ergebenden Synergie-Effekte zu nutzen.

Da es um verfassungsrechtliche Fragen gehe, möge der Senat eine Richtervorlage beim Bundesverfassungsgericht in Erwägung ziehen.

Der Kläger beantragt,

die missbilligende Belehrung vom 31. Mai 2016 aufzuheben,

die Kosten des Verfahrens der Beklagten aufzuerlegen,

das Urteil hinsichtlich der Kosten für vorläufig vollstreckbar zu erklären.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen,

dem Kläger die gerichtlichen Kosten des Rechtsstreits aufzuerlegen.

Zur Begründung hat die Beklagte auf den angefochtenen Bescheid Bezug genommen und dessen Inhalt zum Gegenstand ihres Vortrages im Klageverfahren gemacht. Durch den klägerischen Vortrag stehe fest, dass § 59a BRAO einschlägig sei. Denn der Kläger trage vor, dass er im Rahmen einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts ein gemeinsames Büro mit dem Mediator B. betreibe. § 59a BRAO enthalte eine abschließende Aufzählung, welche durch die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts lediglich auf Ärzte und Apotheker erweitert worden sei. Eine zusätzliche Erweiterung auf Mediatoren komme auch dann nicht in Betracht, wenn der Mediator vertraglich zur Verschwiegenheit verpflichtet werde. Denn im Gegensatz zu den in § 59a BRAO Genannten ständen dem Mediator ein Aussageverweigerungsrecht und ein Beschlagnahmeverbot nicht zur Seite. Dem Kläger sei einzuräumen, dass die Rechtsprechung insofern „Gehilfen“ des Rechtsanwalts dem Rechtsanwalt gleichstelle, allerdings ohne diese „Gehilfen“ gesetzlich zur Verschwiegenheit zu verpflichten. Genau das sei der Grund, warum „Gehilfen“ des Rechtsanwalts in § 59a BRAO nicht aufgenommen seien. Dabei müsse nicht Bezug genommen werden auf Reinigungskräfte und EDV-Dienstleister. Auch ein als „Gehilfe“ am Fall tätiger Ingenieur oder Architekt falle nicht unter § 59a BRAO. Der Gesetzgeber führe nur Angehörige von Berufen auf, denen sowohl ein Aussageverweigerungsrecht und ein Beschlagnahmeverbot zur Seite ständen, die aber andererseits - sozusagen als „Kehrseite der Medaille“ - zur Verschwiegenheit verpflichtet seien. Nur wenn diese drei Merkmale zusammenkämen, sei dem Rechtsanwalt eine gemeinschaftliche Berufsausübung mit Angehörigen anderer Berufe gestattet. Unstreitig falle der Mediator nicht hierunter.

II.

Die Klage ist zulässig, insbesondere fristgerecht eingelegt worden. Sie ist aber nicht begründet.

Die missbilligende Belehrung der Beklagten ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten (§§ 112c Abs. 1 BRAO, 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).

Die Beklagte war aus Rechtsgründen daran gehindert, den Kläger anders zu belehren, als dass die von ihm geplante berufliche Zusammenarbeit in Form einer Bürogemeinschaft mit einem nichtanwaltlichen Mediator und Berufsbetreuer gegen § 59a Abs. 1 Satz 1, Abs. 3 BRAO verstößt.

1. Nach § 59a Abs. 1 Satz 1 BRAO in der aktuellen, seit dem 18. Dezember 2007 geltenden Fassung dürfen sich Rechtsanwälte mit Mitgliedern einer Rechtsanwaltskammer und der Patentanwaltskammer, mit Steuerberatern, Steuerbevollmächtigten, Wirtschaftsprüfern und vereidigten Buchprüfern zur gemeinschaftlichen Berufsausübung im Rahmen der eigenen beruflichen Befugnisse verbinden. Dies gilt gemäß Abs. 3 der Vorschrift für Bürogemeinschaften entsprechend. Nichtanwaltliche Mediatoren und Berufsbetreuer fallen eindeutig nicht unter diese abschließende Aufzählung (vgl. Niedersächsischer AGH, Beschluss vom 17. September 2002 - AGH 6/02, BRAK-Mitt 2002, 282).

2. Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 12. Januar 2016 – 1 BvL 6/13 – (BGBl. I 2016, 244).

Zwar hat das Bundesverfassungsgericht - auf Vorlage des Bundesgerichtshofs gemäß Art. 100 Abs. 1 GG - entschieden, dass § 59a Abs. 1 Satz 1 BRAO mit Art. 12 Abs. 1 GG unvereinbar und nichtig ist, soweit Rechtsanwälten untersagt wird, sich mit Ärzten und Apothekern zur Ausübung ihrer Berufe zu einer Partnerschaftsgesellschaft zusammenzuschließen. Ein solcher Fall liegt hier aber nicht vor.

Die Beschränkung der vom Bundesgerichtshof allgemein formulierten Vorlagefrage und des Tenors durch das Bundesverfassungsgericht führt dazu, dass Angehörige anderer Berufe aus der Entscheidung unmittelbar keine Vorteile ziehen und sich insoweit nicht auf die Bindungswirkung des § 31 BVerfGG berufen können (vgl. Henssler/Deckenbrock, AnwBl 2016, 211, 212; Kilian/Glindemann, BRAK-Mitt 2016, 102, 104). Gleiches gilt für Rechtsanwälte, die sich mit einem Arzt oder Apotheker in einer anderen Rechtsform als der Partnerschaftsgesellschaft zur gemeinschaftlichen Berufsausübung zusammenschließen möchten. Will etwa ein Rechtsanwalt mit einem Arzt in einer GmbH zusammenarbeiten, müsste der Antrag auf Zulassung von der Rechtsanwaltskammer ebenfalls abschlägig beschieden werden. Denn den Rechtsanwaltskammern und den ordentlichen Gerichten steht keine eigene Verwerfungskompetenz von förmlichen Gesetzen zu. Insbesondere hinsichtlich der Vorschriften der BRAO als eindeutig nachkonstitutionellem Gesetzesrecht ist die Verwerfung nach Art. 100 Abs. 1 GG beim Bundesverfassungsgericht monopolisiert (ebenda).

3. Die in der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts angestellten Erwägungen können auch nicht etwa über eine verfassungskonforme Auslegung von § 59a BRAO Berücksichtigung finden. Denn eine verfassungs- oder europarechtskonforme erlaubniserweiternde beziehungsweise verbotseinschränkende Auslegung ist ausgeschlossen, weil angesichts des klaren Wortlauts, der Entstehungsgeschichte und des gesetzgeberischen Willens die Grenzen der Auslegung überschritten würden, wollte man die abschließende Regelung des § 59a Abs. 1 BRAO anders auslegen (so BGH, Beschluss vom 16. Mai 2013 - II ZB 7/11 -, BRAK-Mitt 2013, 187; zustimmend BVerfG a. a. O.). Eine erweiternde Auslegung zur Herstellung der Verfassungskonformität ist nicht zulässig. Gleiches gilt für eine eventuell vorzunehmende richtlinienkonforme Auslegung, die ihre Grenzen an dem nach innerstaatlicher Rechtstradition methodisch Erlaubten findet.

4. Eine Vorlage beim Bundesverfassungsgericht gemäß Art. 100 Abs. 1 GG ist hier nicht veranlasst; denn der Ausschluss einer beruflichen Zusammenarbeit von Rechtsanwälten mit nichtanwaltlichen Mediatoren und Berufsbetreuern verletzt den Kläger nicht in seinen Grundrechten.

a) Das Bundesverfassungsgericht hat ausgeführt, dass der Gesetzgeber mit dem Eingriff in die freie Berufsausübung durch Begrenzung der sozietätsfähigen Berufe einen legitimen Zweck verfolgt. Denn die Vorschrift soll die Beachtung der wesentlichen anwaltlichen Grundpflichten aus § 43a BRAO sichern und damit zu einer funktionsfähigen Rechtspflege beitragen. Damit ist neben der Pflicht zur Verschwiegenheit, die durch die Strafbewehrung von Verstößen sowie durch Aussage- und Zeugnisverweigerungsrechte und Beschlagnahmeverbote flankiert wird, das ebenso in Teilen strafbewehrte Verbot angesprochen, widerstreitende Interessen zu vertreten (§ 43a Abs. 4 BRAO), sowie ferner die Pflicht, keine die berufliche Unabhängigkeit gefährdenden Bindungen einzugehen (§ 43a Abs. 1 BRAO).

Die Verpflichtung der Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälte zur Verschwiegenheit zählt nach § 43a Abs. 2 BRAO zu den ihren Beruf prägenden Pflichten (vgl. Begründung zum Gesetzentwurf der Bundesregierung zur Neuordnung des Berufsrechts der Rechtsanwälte und Patentanwälte, BT-Drucks 12/4993, S. 27). Diese Pflicht ist Grundlage des notwendigen Vertrauensverhältnisses zum Mandanten und bezieht sich auf alles, was in Ausübung des Anwaltsberufs bekanntgeworden ist (§ 43a Abs. 2 Satz 2 BRAO). Die Einhaltung der anwaltlichen Pflicht zur Verschwiegenheit ist nach Maßgabe des § 203 Abs. 1 Nr. 3 StGB strafbewehrt.

Die vom Bundesverfassungsgericht festgestellte teilweise Verfassungswidrigkeit ergibt sich nun daraus, dass zum Schutz der anwaltlichen Verschwiegenheit vor einer Offenbarung von Kenntnissen an außenstehende Dritte ein Sozietätsverbot für eine Partnerschaft zwischen Anwälten und Ärzten oder Apothekern zumindest in weiten Bereichen nicht erforderlich sind, weil aufgrund der für sie maßgeblichen Regelungen auch Ärzte und Apotheker gleich den Rechtsanwälten zur beruflichen Verschwiegenheit verpflichtet sind und auch die unbefugte Offenbarung eines fremden Geheimnisses gemäß dem Katalog des § 203 Abs. 1 StGB nicht nur für die unter Nr. 3 genannten Rechtsanwälte, sondern in gleicher Weise nach Nr. 1 für Ärzte und Apotheker strafbar ist.

Gleiches gilt für die Sicherung der anwaltlichen Zeugnisverweigerungsrechte; auch hier ist ein Verbot einer Partnerschaft von Rechtsanwälten mit Ärzten und Apothekern ebenfalls weitgehend nicht erforderlich, weil nach den einschlägigen Bestimmungen auch Ärzte und Apotheker ein eigenes Recht zur Zeugnisverweigerung beanspruchen können. Auch die Sicherung der strafprozessualen Beschlagnahmeverbote, die ebenfalls dem Schutz der Vertrauensbeziehung zwischen Mandant und Rechtsanwalt dient (vgl. BVerfGE 113, 29 [BVerfG 12.04.2005 - 2 BvR 1027/02] <54 f.>), macht ein Verbot der Partnerschaft mit Ärzten und Apothekern nicht erforderlich. Der Schutz dieser Berufsgruppen vor einer Beschlagnahme bleibt nicht hinter dem Schutz zurück, den Rechtsanwälte beanspruchen können. Vielmehr knüpft § 97 StPO die Untersagung der Beschlagnahme an das Zeugnisverweigerungsrecht nach § 53 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 bis 3b StPO und ist daher sowohl auf Rechtsanwälte als auch auf Ärzte und Apotheker anwendbar.

b) Diese zentrale Ausrichtung der Begründung hat zur Folge, dass die Entscheidung selbst mittelbar eine Öffnung des Kreises der sozietätsfähigen Personen für weitere Berufe nur dann erzwingt, wenn sie einer strafrechtlich und -prozessual abgesicherten Verschwiegenheitspflicht unterliegen, also einer der sowohl in § 203 Abs. 1 StGB als auch in § 53 Abs. 1 Satz 1 StPO genannten Berufsgruppen angehören (vgl. Henssler/Deckenbrock, a. a. O., 213; Kilian/Glindemann, a. a. O.).

Dies ist bei Mediatoren und Berufsbetreuern nicht der Fall. Mediatoren unterliegen zwar der Verschwiegenheitspflicht nach § 4 MediationsG, sind aber - ebenso wie Berufsbetreuer - nicht in § 203 Abs. 1 StGB und § 53 Abs. 1 Satz 1 StPO genannt. Dennoch wird die Ansicht vertreten, dass bei nichtanwaltlichen Mediatoren ein vergleichbares Schutzniveau bezüglich der anwaltlichen Grundpflichten vorliege (so Prütting, EWiR 2016, 195, 196). Mangels Begründung überzeugt dies aber nicht. Auch Vereinbarungen über eine Verschwiegenheitspflicht begründen kein gleichwertiges Schutzniveau (a. A. Kleine-Cosack, AnwBl 2016, 311, 314); denn es fehlt insoweit an der strafrechtlichen und strafprozessualen Absicherung.

c) Schließlich begründen auch die Gehilfenregelungen in § 203 Abs. 3 Satz 2 StGB und § 53a StPO kein vergleichbares Schutzniveau. Nach diesen Regelungen stehen den im Katalog des § 203 Abs. 1 StGB Genannten „ihre berufsmäßig tätigen Gehilfen“ und denen des § 53 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 bis 4 StPO „ihre Gehilfen“ gleich.

aa) Das Bundesverfassungsgericht (a. a. O.) hat als Hilfserwägung ausgeführt, dass „im Übrigen“ auch ein Zeugnisverweigerungsrecht des nichtanwaltlichen Partners - ungeachtet seines eigenen Berufes - aufgrund des § 53a StPO möglich sei. Danach können neben den in § 53 StPO genannten Berufsgeheimnisträgern auch deren Gehilfen das Zeugnis verweigern. Sei die zivilprozessuale Regelung des § 383 ZPO maßgeblich, so schließe das Zeugnisverweigerungsrecht die Mitarbeiter der genannten Berufsträger ebenfalls ein (vgl. RGZ 54, 360 <361>). Bei Anwendung namentlich des § 53a StPO sehe die - auch hier maßgebliche - fachgerichtliche Rechtsprechung als Gehilfen alle Personen an, die eine in unmittelbarem Zusammenhang mit der Berufsausübung des Geheimnisträgers stehende Tätigkeit ausübten (vgl. Senge, in: Karlsruher Kommentar zur Strafprozessordnung, 7. Aufl. 2013, § 53a Rn. 2); ein soziales Abhängigkeitsverhältnis sei für die Gehilfenstellung nicht erforderlich (vgl. Huber, in: BeckOK StPO, Stand: 1. September 2015, § 53a Rn. 2). Über die Regelungen in den §§ 53, 53a StPO könnten mithin alle Gesellschafter einer interprofessionellen Partnerschaft wie der anwaltliche Berufsträger umfassend zur Zeugnisverweigerung berechtigt sein. Gegenstände im Gewahrsam der Kanzlei des anwaltlichen Partners seien nach § 97 StPO auch dann vor einem staatlichen Zugriff geschützt, wenn der nichtanwaltliche Sozius an ihnen unmittelbaren Besitz habe, zum Beispiel an dessen Arbeitsplatz.

Hieraus wird zum Teil gefolgert, dass von den Gehilfenregelungen im Ergebnis alle Personen umfasst seien, mit denen sich ein Rechtsanwalt beruflich zusammen schließe, unabhängig von einer etwaigen originären Berufsverschwiegenheit; die Verschwiegenheit stelle daher kein Kriterium mehr da, dass die sozietätsfähigen Berufe sinnvoll eingrenzen könne (so Römermann, NJW 2016, 682, 685).

bb) Dem folgt der Senat indes nicht. Denn dabei wird ein Verständnis des Gehilfenbegriffs zu Grunde gelegt, das kaum als gesichert zu bezeichnen ist (vgl. Kilian/Glindemann a. a. O., 105) und wesentliche Umstände außer Acht lässt. Problematisch ist vor allem die - vom Bundesverfassungsgericht nicht angesprochene - strafbegründende Einbeziehung von Mitgesellschaftern des Rechtsanwalts als „berufsmäßig tätige Gehilfen“ nach § 203 Abs. 3 Satz 2 StGB, die dem verfassungsrechtlichen Bestimmtheitsgebot (Art. 103 Abs. 2 GG) gerecht werden müsste. Insoweit bestehen erhebliche Zweifel, ob der mögliche Wortsinn des „Gehilfen“ auch jede Form der gleichgeordneten Zusammenarbeit innerhalb eines Teams, also nicht bloß die Unterstützung einer fremden Tätigkeit, erfasst (Kilian/Glindemann a. a. O. Fn. 31).

Im strafrechtlichen Schrifttum ist es nämlich absolut herrschende Meinung, dass „Gehilfe“ nur die Person ist, die einen der genannten Schweigepflichtigen in dessen beruflicher Tätigkeit unterstützt, und dass es an einer derartigen Hilfsfunktion fehlt, wenn die Berufsausübenden gleichgeordnet sind und ein Aufgabengebiet eigenständig zu bewältigen haben - wie etwa ein Sozius oder ein angestellter Rechtsanwalt (vgl. Schünemann, in: Leipziger Kommentar, StGB 12. Aufl. § 203 Rn. 78; Fischer, StGB 64. Aufl. § 203 Rn. 21a; Kargl, in: Kindhäuser/Neumann/Paeffgen, StGB 4. Aufl. § 203 Rn. 38; Lenckner/Eisele, in: Schönke/Schröder, StGB 28. Aufl. § 203 Rn. 64; jew. m. w. N.). Teamarbeit bewirkt nicht deshalb Gehilfeneigenschaft, weil bei ihr jeder „Gehilfe“ des anderen ist (Schünemann a. a. O. Rn. 81; Kargl a. a. O.).

Vor diesem Hintergrund muss davon ausgegangen werden, dass auch nach der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts die Einbeziehung des im Rahmen einer Bürogemeinschaft gleichgeordneten und völlig eigenständige Aufgabenbereiche bearbeitenden Mediators und Berufsbetreuers aus dem Kreis der „Gehilfen“ des Rechtsanwalts im Sinne des § 203 Abs. 3 Satz 2 StGB ausscheidet. Damit fehlt es aber an einem gleichwertigen Schutzniveau der Verschwiegenheitspflicht.

III.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 112 c Abs. 1 S. 1 BRAO i. V. m. § 154 Abs. 1 VwGO.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf den §§ 112 c Abs. 1 BRAO, 167 VwGO, 708 Nr. 11, 711 ZPO.

Der Streitwert war gem. § 194 Abs. 1 BRAO i. V. m. § 52 Abs. 2 GKG mangels anderer Anhaltspunkte auf den Auffangwert von 5.000 € festzusetzen.

Die Zulassung der Berufung beruht auf §§ 112 c Abs. 1, 112 e BRAO, 124a VwGO, da die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat.