Anwaltsgerichtshof Niedersachsen
Urt. v. 14.08.2017, Az.: AGH 3/17 (I 1)

Bibliographie

Gericht
AGH Niedersachsen
Datum
14.08.2017
Aktenzeichen
AGH 3/17 (I 1)
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2017, 54292
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

Tenor:

Die Berufung wird mit der Maßgabe verworfen, dass der Rechtsanwalt schuldig ist, seinen Beruf nicht gewissenhaft ausgeübt und sich innerhalb des Berufes nicht der Achtung des Vertrauens würdig erwiesen zu haben, welche die Stellung des Rechtsanwalts erfordert, indem er vorsätzlich gegen das Verbot der Umgehung des Gegenanwalts verstoßen hat.

Der Rechtsanwalt hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.

Angewendete Vorschriften: §§ 43, 113, 197 BRAO, § 12 BORA

Gründe

I.

Das Anwaltsgericht für den Bezirk der Rechtsanwaltskammer Oldenburg hat den Rechtsanwalt mit Urteil vom 19.12.2016 wegen Verstoßes gegen die gewissenhafte Ausübung seines Berufes und seines Verstoßes, sich innerhalb des Berufes nicht der Achtung und des Vertrauens würdig zu erweisen, welche die Stellung des Rechtsanwaltes erfordert, verurteilt und gegen ihn eine an die Rechtsanwaltskammer zu zahlende Geldbuße in Höhe von 2.000,00 € verhängt.

Gegen dieses Urteil hat der Rechtsanwalt form- und fristgerecht durch seinen Verteidiger am 20.12.2016 schriftlich Berufung eingelegt.

Die Berufung ist gem. § 143 BRAO zulässig, hat in der Sache aber keinen Erfolg.

II.

Der am 20.08.19... in ... geborene Rechtsanwalt bestand 1980 die zweite juristische Staatsprüfung. Er wurde erstmals beim Landgericht ... als Rechtsanwalt zugelassen. Nach einer kurzen Tätigkeit bei der Finanzverwaltung wurde er erneut als Rechtsanwalt beim Amtsgericht ... und Landgericht ... im September 1983 zur Rechtsanwaltschaft zugelassen. Seit 1984 führt er die Bezeichnung Fachanwalt für Steuerrecht. Im Jahre 2002 wurde er bei dem Oberlandesgericht in ... zugelassen. Nach Verlegung des Kanzleisitzes nach ... bzw. ... wurde er am 16.10.2002 beim Amtsgericht in ... und Landgericht in ... zur Rechtsanwaltschaft zugelassen. Seit Frühjahr 2013 hat er seinen Kanzleisitz nach ... verlegt.

Mittlerweile lebt der Rechtsanwalt in ... und beabsichtigt, seine Zulassung als Rechtsanwalt altersbedingt zurückzugeben. In diesem Zusammenhang plant der Rechtsanwalt seine Kanzleitätigkeit bis zum 31.10.2017 abzuwickeln.

Der Rechtsanwalt ist verheiratet und hat zwei erwachsene Kinder, von denen der ältere Sohn ..., sein Verteidiger, eine Rechtsanwaltskanzlei in ... führt. Nach eigenen Angaben bezieht der Rechtsanwalt eine Altersversorgung in Höhe von 430,00 €.

Durch rechtskräftiges Urteil vom 25.01.2016 wurde der Rechtsanwalt wegen bewusster Verbreitung von Unwahrheiten durch den Anwaltsgerichtshof ... zur Zahlung einer Geldbuße in Höhe von 1.000,00 € verurteilt (Nds. Anwaltsgerichtshof, AGH 11/15 (I 14).

III.

Im Jahre 2013 pachtete der Zeuge ... von dem Zeugen ... landwirtschaftliche Flächen. Auch kaufte der Zeuge ... von dem Zeugen ... einen Teil dessen Herde und Futtervorräten.

Zwischen den Pachtvertragsparteien kam es im Jahre 2014 zu Meinungsverschiedenheiten. Nach Auffassung des Zeugen ... ... waren Milchquote und Zahlungsansprüche (Ackerprämie) „mitverpachtet“ worden. Demgegenüber war der Zeuge ... als Verpächter der Auffassung, dass Milchquote und Ackerprämie von dem Zeugen ... in Geld abzugelten seien. Gleichzeitig bemühte sich der Zeuge ... um eine Neuverpachtung und beanspruchte die Milchquote für sich und wollte diese veräußern.

Der Rechtsanwalt, der den Zeugen ... zum damaligen Zeitpunkt ständig vertrat, wenn dieser eine Anzeige bekam, wurde von diesem auch zur Geltendmachung von Ansprüchen gegenüber dem Zeugen ... ... beauftragt. Mit Schreiben vom 01.11.2014 wandte sich der Rechtsanwalt an den Zeugen ... .... In diesem Schreiben heißt es:

„… Im Rahmen des abgewickelten Kaufvertrages wurden von Ihnen weitere, noch nicht als Rechnung erfasste, 30 tragende Rinder verkauft und von Ihnen auch abgeholt und zwar bis zum Sommer 2014.

Diese Rinder sind zu entgelten mit einem Betrag in Höhe von

30 x 750,00 € = 22.500,00 €.

Mit diesem Schreiben wird die Bezahlung der Tiere verlangt, fällig gestellt und gleichzeitig angemahnt.

Wir möchten Sie bitten, auf das im Briefbogen genannte Konto Zahlung zu leisten. Auf die übermittelte Geldempfangsvollmacht wird Bezug genommen.

Des Weiteren haben Sie einen Industrie-Düngerstreuer der Firma ... für 2.500,00 € erhalten und diesen Düngerstreuer bis zum jetzigen Zeitpunkt nicht bezahlt.

Ebenso erhielten Sie ein Betriebsmoped für 300,00 €.

Auch dieses ist nicht bezahlt.

Die Bezahlung dieser Gegenstände wird hiermit angemahnt.

Des Weiteren wird vorsorglich darauf hingewiesen, dass für den Fall einer von Ihnen angefragten Pachtbeendigung es in Ihrer Verpflichtung liegt, die Flächen in Ordnung zu bringen.

Der jetzige Zustand ist für unseren Mandanten nicht zu akzeptieren.

Bezüglich des hiermit gestellten Zahlungsverlangens wird darauf hingewiesen, dass die Zahlungen sofort

fällig

sind. …“

In einem weiteren Schreiben des Rechtsanwalts vom 10.11.2014 an den Zeugen ... ... heißt es wie folgt:

„… Wie unser Mandant mitteilte, kommen Sie den vertraglichen Pflichten nicht nach. Zur Kündigung des Pachtverhältnisses hätte unser Mandant die Rechtsmacht.

Es wären jedoch folgende Zahlungen zu leisten:

Die Milchquote, welche Sie auf Ihren Namen haben überschreiben lassen von über 400.000 kg ist abzugelten mit 0,10 € pro Liter.

Dieses ergibt einen Betrag in Höhe von

40.000,00 €.

Die Zahlungsansprüche für 63 Einheiten, welche Sie ebenfalls durch den Pachtvertrag auf sich übergeleitet haben, sind abzugelten, mit 150,00 € je Einheit.

Dieses ergibt einen Betrag in Höhe von

63 x 150,00 € = 9.450,00 €.

Der Rest des vertraglich festgelegten Betrages von
55.000,00 €, auf welchen Sie ab Dezember 2013 monatlich
833,00 € gezahlt haben, wäre ebenfalls sofort fällig und ist zu leisten.

Es ergibt sich insofern ein Betrag in Höhe von

55.000,00 € - 12 x 833,00 € = 45.004,00 €.

Des Weiteren haben Sie unserem Mandanten in Auftrag gegeben 63 ha Grünland abzuschleppen und zu walzen.

Für diese Tätigkeit erwartet unser Mandant ein Entgelt in Höhe von

63 x 80,00 € = 5.040,00 €.

Es ergibt sich somit eine gesamt zu zahlende Summe in Höhe von

40.000,00 €

  9.450,00 €

45.004,00 €

  5.040,00 €

  99.494,00 €.

Darüber hinaus beklagt unser Mandant den aktuellen Flächenzustand. …“

Der Zeuge ... ... hatte den Rechtsanwalt ... aus ... mit der Wahrnehmung seiner Interessen gegenüber dem Zeugen ... beauftragt, der sich gegenüber dem Rechtsanwalt mit Schreiben vom 17.11.2014 legitimierte. In diesem Schreiben heißt es unter III.:

„Bezogen auf die Rinder ist Ihr Auftraggeber an den vertraglichen Nachtrag zum bestehenden Kaufvertrag vom 06.07. gebunden. Bekanntlich wurden die 32 Rinder im Wert von insgesamt 12.800,00 € an unseren Mandanten verkauft, wobei die Zahlung an die Bedingung des bestehenden Vertrages angeknüpft und weitergeführt werden soll. Im Klartext bedeutet dies, dass nach Ablauf des Vertrages vom 28.10.2013 die monatlichen Raten weiter gezahlt werden sollen bis zur Tilgung des Kaufpreises von
12.800,00 €. …“

Unter V. des vorbezeichneten Schreibens heißt es:

„Angesichts der noch längeren Vertragsbindung der Parteien und der bereits jetzt schon aufgetretenen Ausfall- und Demenzerscheinungen Ihres Auftraggebers ist unser Mandant durchaus bereit, den abgeschlossenen Vertrag in Gesamtheit aufzulösen und rückabzuwickeln. Das Verhalten Ihres Auftraggebers – aber auch Aussagen seiner früheren Vertragspartner und des Beratungsringes – geben unserem Mandanten Veranlassung, darüber bereits zum jetzigen Zeitpunkt ernsthaft nachzudenken. Herr ... ist zwar durchaus gewillt, den eingegangenen Pachtvertrag zu erfüllen, allerdings nicht bereit, fortlaufend Ihren Auftraggeber an die Vertragstreue und seine Pflichten erinnern zu müssen. Sollte mithin Herrn ... an der Vertragsaufhebung ebenfalls gelegen sein, so mag er uns dies innerhalb obiger Frist schriftlich mitteilen. Für eine fachgerechte Umsetzung kann selbstverständlich schnellstens Sorge getragen werden.

Zukünftig bitten wir, den Schriftverkehr ausschließlich über uns zu führen.“

Der Rechtsanwalt antwortete auf dieses Schreiben des Rechtsanwalts ... mit Schreiben vom 20.11.2014, in dem es wie folgt heißt:

„… Die Schilderung, welche von Ihnen abgegeben wird, ist unschlüssig.

Um jedoch Ihrer Partei, welche in Zahlungsschwierigkeiten zu leben scheint, Hilfestellung anbieten zu können, möchten wir Sie bitten, juristisch substantiierten Vortrag zu liefern, bevor man sich mit derartigen Dingen auseinandersetzen kann.

Ihr Mandant hat keinen Auftrag erhalten und er hat auch keine Leistung erbracht.

Da das Problem „Vertragsbeendigung“ bei uns in einer anderen Akte geführt wird, werden wir uns im Rahmen dieses Schreibens dazu nicht äußern können.“

Am 18.12.2014 wandte sich der Zeuge ... ... über die Telefonnummer des Rechtsanwalts in ... um ca. 17:15 Uhr an die Kanzlei des Rechtsanwalts. Dieses Gespräch wurde über die Rufumleitung der Kanzlei des Rechtsanwalts in ... weitergeleitet an die Kanzlei des Sohnes des Rechtsanwaltes in .... Dort nahm die Zeugin ... das Telefonat entgegen und fragte den Zeugen ... ..., worum es ginge. Dieser berichtete ihr, dass er mit dem Zeugen ... gesprochen hat und er einen gemeinsamen Termin mit dem Rechtsanwalt und dem Zeugen ... verabreden wolle. Auf Nachfrage der Zeugin ..., worum es ginge, sprach der Zeuge ... ... das Thema „Rinderpässe“ an. Der Zeuge ... ... hatte von dem Zeugen ... weitere 16 Rinder mit Rinderpässen, die als Nachweis gegenüber dem Veterinäramt notwendig sind, gekauft. Nachdem der Zeuge ... und der Zeuge ... ... in Streit über diese Rinder geraten waren, waren die beiden sich im Ergebnis einig darüber, dass der Zeuge ... ... die Rinderpässe wieder an den Zeugen ... herausgeben musste. Auf den Hinweis der Zeugin ..., der Zeuge ... ... habe selbst einen Rechtsanwalt, hat der Zeuge ... ... deutlich gemacht, dass der Rechtsanwalt ... mit dem Thema „Rinderpässe“ nicht befasst ist. Da der Rechtsanwalt in diesem Moment verhindert war, hat er den Zeugen ... ... zum Thema „Rinderpässe“ später zurückgerufen. Dabei hatte ihm der Zeuge ... bereits vorher mitgeteilt, dass der Zeuge ... ... ihn anrufen würde. Bei dem Telefonat, bei dem die Zeugin ... in der Bürotür des Rechtsanwalts gestanden hat, ist es um das Thema „Rinderpässe“ gegangen. Auch der Rechtsanwalt hat gegenüber dem Zeugen ... ... auf den Kollegen ... verwiesen, und der Zeuge ... ... hat seine bereits gegenüber der Zeugin ... getätigte Aussage, der Rechtsanwalt ... sei mit dem Thema nicht befasst, wiederholt.

Am Vormittag des 19.12.2014 suchte der Zeuge ... den Rechtsanwalt auf seinem Hof in der Nähe des Wohnorts des Zeugen ... ... auf. Der Zeuge ... bat den Rechtsanwalt, mit ihm zu dem Zeugen ... ... zu fahren. Dieser erklärte sich damit einverstanden. Auf dem Weg dorthin hat der Rechtsanwalt mit dem Zeugen ... die Erwartungshaltungen des Zeugen ... hinsichtlich des Gesprächs erörtert. Jedenfalls sollte es um die Zahlungen des Zeugen ... ... an den Zeugen ... und die mögliche Auflösung des Pachtvertrages gehen. Dass auch das Thema „Rinderpässe“ zur Sprache kommen könnte, hat der Zeuge ... erst während des späteren Gesprächs zwischen dem Rechtsanwalt, dem Zeugen ... ... und ihm erfahren. Entweder bei dem Gespräch zwischen dem Zeugen ... und dem Rechtsanwalt auf dem Weg zu dem Zeugen ... oder bei einem anderen Gespräch hatte der Rechtsanwalt geäußert, dass er sich den Zeugen ... ... persönlich „vorknöpfen“ und dafür im Guten sorgen würde, dass der Zeuge ... ... zahlt. Jedenfalls standen der Zeuge ... und der Rechtsanwalt in Freizeitkleidung am 19.12.2014 an der Haustür des Zeugen ... und klingelten. Der Zeuge ... bat die beiden Männer herein und bot ihnen etwas zu trinken an.

Gleich anfangs des Gesprächs hat der Zeuge ... „nach seinem Geld“ von etwa 100.000,00 € gefragt. Daraufhin entwickelte sich zwischen dem Rechtsanwalt, dem Zeugen ... und dem Zeugen ... ... ein streitiges Gespräch über eine mögliche Pachtaufhebung, die finanziellen Konsequenzen sowie die möglichen sonstigen Zahlungsansprüche des Zeugen ... z. B. aus „Milchquoten“ oder Rinderverkäufen, wobei der Zeuge ... ... mehr mit dem Rechtsanwalt kommuniziert hat. Dieser machte gegenüber dem Zeugen ... ... deutlich, dass es insbesondere darauf ankommt, dass er zahlen würde. Zu dem Gespräch stießen später die Zeugin ... ..., die Ehefrau des Zeugen ... ..., sowie der Zeuge ... ..., die wie der Zeuge ... ... den Rechtsanwalt auf Grund seiner Freizeitkleidung zunächst nicht als einen solchen erkannt haben. Zur Abwehr der von dem Rechtsanwalt gegenüber dem Zeugen ... ... als „fällig“ bezeichneten Forderungen des Zeugen ... zitierte dieser gegenüber dem Rechtsanwalt aus dem Pachtvertrag, den er vorher geholt hatte. Um die Zahlungsansprüche des Zeugen ... mit Nachdruck zu verfolgen, sagte der Rechtsanwalt zu dem Zeugen ... ... u. a., dass er nicht den „wilden Max machen solle“.

Gegen Ende dieses keine Stunde andauernden Gesprächs sprach die Zeugin ... ... den Rechtsanwalt darauf an, dass die mit Einschreiben und Rückschein versandten Rinderpässe nicht unter der Kanzleiadresse des Rechtsanwalts in ... zugestellt werden konnten. Nachdem im Laufe der weiteren Diskussion der Rechtsanwalt laut geworden war, hat die Zeugin ... ... ihn des Hauses verwiesen.

Noch am selben Tag hat der Zeuge ... ... den Zeugen ... von dem gemeinsamen Gespräch mit dem Rechtsanwalt berichtet und ihn u. a. davon unterrichtet, dass der Rechtsanwalt ihm gegenüber geäußert hat, er solle nicht den „wilden Mann machen“.

IV.

Die vorstehenden Feststellungen beruhen auf der Einlassung des Rechtsanwalts, den Bekundungen der vernommenen Zeugen ... ..., ..., ..., ..., ... ... und ... ... sowie den verlesenen und in dem Hauptverhandlungsprotokoll festgehaltenen Schriftstücken.

V.

Für den Senat steht nach Durchführung der Hauptverhandlung fest, dass sich der Rechtsanwalt einer Pflichtverletzung nach den §§ 43, 113 Abs. 1 BRAO, 12 BORA schuldig gemacht hat.

Nach § 12 BORA darf der Rechtsanwalt nicht ohne Einwilligung des Rechtsanwalts eines anderen Beteiligten mit diesem unmittelbar Verbindung aufnehmen oder verhandeln.

Dabei gehört das Umgehungsverbot zu den wesentlichen Berufspflichten des Rechtsanwalts, wobei § 12 BORA einen doppelten Schutzweck verfolgt. Zum einen soll die gegnerische Partei, die von einem Rechtsanwalt vertreten wird, davor geschützt werden, dass sie von dem Gegenanwalt überraschend persönlich angesprochen oder in Unkenntnis der bestehenden Rechtslage ohne rechtliche Beratung durch ihren Anwalt zur Abgabe irgendwelcher, möglicherweise benachteiligender, Erklärungen veranlasst wird (AGH Dresden, Urteil vom 27.02.2015, AGH 19/13 (I), zitiert nach juris Rn. 29, Schwärzer in Feurich/Weiland, BRAO, 9. Auflage 2016, § 12 BORA, Rn. 2).

Der Mandant soll davor geschützt werden, aufgrund der direkten Ansprache durch einen gegnerischen Anwalt in eine Drucksituation zu geraten und überrumpelt zu werden (Prütting in: Henssler/Prütting, BRAO, 4. Auflage 2014, § 12 BORA, Rn. 2).

Zum anderen dient das Verbot der Umgehung des Gegenanwalts der Förderung und Funktionsfähigkeit der Rechtspflege (Schwärzer in: Feurich/Weiland a. a. O.; Prütting in: Henssler/Prütting a. a. O.). Es dient dem Schutz des anwaltlich vertretenen gegnerischen Mandanten und damit dem Gemeinwohlinteresse an der Funktionsfähigkeit einer geordneten Rechtspflege und an einem fairen Verfahren (Bundesverfassungsgericht, Beschluss vom 12.07.2001, 1 BVR 2272/00, zitiert nach juris, Rn. 11). Zudem soll nach Auffassung des 5. Zivilsenats des Bundesgerichtshofes die Rechtsprechung vor der Belastung mit Auseinandersetzungen, die ihren Grund in Einlassungen der von ihrem Rechtsanwalt nicht beratenen Partei finden, geschützt werden (BGH, Urteil vom 17.10.2003, V ZR 429/02, zitiert nach juris, Rn. 19).

§ 12 BORA verbietet zum einen dem Rechtsanwalt, mit einem anderen, anwaltlich vertretenen Beteiligten unmittelbar Verbindung aufzunehmen (§ 12 Abs. 1, 1. Alt. BORA). Darüber hinaus wird durch die 2. Alt., wonach neben der Kontaktaufnahme durch den Anwalt auch das Verhandeln mit der anderen, anwaltlich vertretenen Partei untersagt ist, auch der Fall erfasst, dass der gegnerische Mandant selber Kontakt mit dem Rechtsanwalt eines anderen aufnimmt. Zwar hat dann der Rechtsanwalt selber keinen Kontakt aufgenommen, doch auch wenn die Kontaktaufnahme von dem anderen Mandanten selbst erfolgt, ist eine Verhandlung mit dem Dritten unzulässig. Der anwaltlich vertretene Mandant kann einer solchen Verhandlung auch nicht konkludent zustimmen, indem er sich auf die Verhandlung einlässt, weil ihm aufgrund der doppelten Schutzrichtung (Funktionsfähigkeit der Rechtspflege) insoweit die Dispositionsbefugnis fehlt. Aus § 12 Abs. 1 BORA folgt, dass allein der Gegenanwalt in eine Kontaktaufnahme oder Verhandlung einwilligen kann (Prütting a.a.O., Rn. 6).

Der Rechtsanwalt hat danach gegen seine Pflichten aus § 43 BRAO, § 12 BORA verstoßen.

Es ist zunächst unerheblich, ob die Initiative zu dem Gespräch am 19.12.2014 von dem Zeugen ... ausging. Ebenso ist unerheblich, ob der Zeuge ... damit einverstanden war, das Gespräch mit dem Rechtsanwalt als Vertreter des Zeugen ... zu führen. Auch wenn die Initiative zu dem Gespräch durch den Zeugen ... ausging, hätte der Rechtsanwalt unter Verstoß gegen § 12 Abs. 1 2. Alt. BORA mit dem Zeugen ..., also der gegnerischen Partei, verhandelt.

Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme steht fest, dass maßgeblich der Rechtsanwalt das Gespräch mit dem Zeugen ... am 19.12.2014 geführt hat.

Die Einlassung des Rechtsanwalts, er habe auf dem Weg zu dem Zeugen ... ... geglaubt, es ginge nur um die in dem Telefonat am 18.12.2014 angesprochenen „Rinderpässe“, die der Zeuge ... ... ihm aushändigen wollte, ist widerlegt.

Wie der Zeuge ... glaubhaft bekundet hat, haben der Zeuge ... und der Rechtsanwalt auf dem Weg zu dem Zeugen ... ... über die Erwartungshaltungen des Zeugen ... hinsichtlich des Gesprächs gesprochen. Man war sich darüber einig, dass die Zahlungsansprüche des Zeugen ... sowie die mögliche Auflösung des Pachtvertrages zur Sprache kommen sollten. Der Zeuge ... wusste nach eigener Aussage zu diesem Zeitpunkt noch nichts davon, dass auch die Thematik der „Rinderpässe“ Gegenstand des Gespräches sein würde.

Auch die weitere Einlassung des Rechtsanwalts, er habe sich lediglich passiv an dem Gespräch am 19.12.2014 beteiligt, dem Zeugen ... hier und da einen Rat gegeben und nicht mit dem Zeugen ... ... verhandelt, ist widerlegt.

Wie der Zeuge ... ... und der Zeuge ... übereinstimmend und glaubhaft bekundet haben, hat der Zeuge ... gleich zu Anfang des Gesprächs auf seine Zahlungsansprüche in Höhe von ca. 100.000,00 € hingewiesen. Beide Zeugen geben an, dass die mögliche Pachtaufhebung und die finanziellen Folgen, die möglichen sonstigen Zahlungsansprüche des Zeugen ... z. B. aus „Milchquoten“ oder Rinderverkäufen sowie die „Rinderpässe“ Inhalt des Gespräches waren. Sowohl der Zeuge ... ... als auch die Zeugin ... ... haben bekundet, dass der Schwerpunkt der Kommunikation zwischen dem Zeugen ... ... und dem Rechtsanwalt stattgefunden hat, der Rechtsanwalt ihm gegenüber von einer fälligen Forderung des Zeugen ... gesprochen und ihm geraten hat, nicht den „wilden Max“ zu machen, was er als Bedrohung empfunden hat. Wegen der Forderungen des Rechtsanwalts, die er für seinen Mandanten gestellt hat, hat nach Bekunden des Zeugen ... ... dieser dem Rechtsanwalt gegenüber aus dem Pachtvertrag zitiert.

Vor diesem Hintergrund ist der Senat davon überzeugt, dass der Rechtsanwalt versucht hat, massiv auf den Zeugen ... ... einzuwirken.

Das Gespräch am 19.12.2014 bezog sich auch auf einen rechtlichen Sachverhalt, für den der Zeuge ... ... den Zeugen ... bereits mandatiert hatte. Dies war dem Rechtsanwalt auch bekannt.

Das Umgehungsverbot des § 12 BORA erstreckt sich zwar nur auf das Rechtsverhältnis der Parteien, mit dem die Rechtsanwälte befasst sind. Vertritt ein Rechtsanwalt eine Partei in einer anderen Angelegenheit, in der diese nicht anwaltlich vertreten ist, darf der Rechtsanwalt unmittelbar mit ihr in Verbindung treten und auch mit ihr verhandeln (Hartung in: Hartung/Scharmer, BORA/FAO, 6. Auflage 2016, § 12 BORA, Rn. 14).

Rechtsanwalt ... war von seinem Mandanten, dem Zeugen ..., auch hinsichtlich der Gegenstände mandatiert, die Gegenstand des Gesprächs am 19.12.2014 waren.

Bereits in dem Schreiben des Rechtsanwalts ... vom 17.11.2014 ist die einvernehmliche Auflösung und Rückabwicklung des Pachtvertrages angesprochen worden. Es war dem Rechtsanwalt somit bekannt, dass Rechtsanwalt ... offensichtlich mit der Vertragsaufhebung mandatiert war. Dies belegt auch die Tatsache, dass der Rechtsanwalt mit Schreiben vom 20.11.2014 an den Rechtsanwalt ... antwortete, das Problem „Vertragsbeendigung“ wird bei ihm in einer anderen Akte geführt.

Außerdem hatte der Rechtsanwalt in seinem Schreiben vom 10.11.2014 ausgeführt, dass sein Mandant ... einen Anspruch in Höhe von 40.000,00 € zur Abgeltung der Milchquote und 9.450,00 € zur Abgeltung der Zahlungsansprüche und unter Berücksichtigung weiterer Zahlungsansprüche einen Anspruch in Höhe von insgesamt ca. 100.000,00 € beanspruchen kann.

Konsequenzen der möglichen Vertragsbeendigung waren aber auch Regelungen über die Milchquote und die Frage, ob weitere Zahlungsansprüche bestanden. Auch dies war ein Teil der Beendigung des Pachtvertrages. Insoweit wusste der Rechtsanwalt aufgrund des ersten Schreibens des Rechtsanwaltes ... vom 17.11.2014 aber positiv, dass dieser auch insoweit bevollmächtigt war.

Der Rechtsanwalt hat auch mit dem Zeugen ... ... im Sinne des § 12 BORA verhandelt. Dabei kommt es nicht darauf an, ob irgendwelche Vergleichssummen oder sonstiges im Raum gestanden haben. Ein Verhandeln im Sinne des § 12 BORA liegt vor, wenn der Rechtsanwalt mit der Gegenseite über etwas spricht oder diskutiert.

VI.

Gegen den Rechtsanwalt war wegen des Verstoßes gegen die §§ 43 BRAO, 12 BORA die anwaltsgerichtliche Maßnahme einer Geldbuße in Höhe von 2.000,00 € zu verhängen (§ 113 Abs. 1 i.V.m. § 114 Abs. 1 Nr. 3 BRAO).

Dabei war zum einen zu berücksichtigen, dass der Rechtsanwalt bereits berufsrechtlich in Erscheinung getreten ist. Zum anderen kann nicht außer Acht gelassen werden, dass der Rechtsanwalt nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme vehement auf den Zeugen ... ... eingewirkt hat. Dabei ist nicht nur die Äußerung, der Zeuge ... ... solle „nicht den wilden Max“ machen, sondern auch die Tatsache zu berücksichtigen, dass es sich bei dem Gespräch am 19.12.2014 und dem Verhalten des Rechtsanwalts nicht nur um ein in sachlicher Weise geführtes Gespräch mit der Gegenpartei handelte. Der Senat ist der Überzeugung, dass der Rechtsanwalt mit deutlichen Worten versucht hat, auf den Zeugen ... ... einzuwirken, um damit Einfluss auf die Verhandlungen der Parteien zu nehmen. Der Rechtsanwalt wusste, dass der Zeuge ... anwaltlich vertreten war. Es war seine Absicht, diese Situation auszunutzen.

Nach alledem ist eine Geldbuße in Höhe von 2.000,00 € erforderlich, aber auch angemessen.

Die Kostenentscheidung ergeht gemäß §§ 116, 198 Abs. 1 BRAO.