Anwaltsgerichtshof Niedersachsen
Beschl. v. 07.11.2017, Az.: AGH 4/16 (I 2)

Bibliographie

Gericht
AGH Niedersachsen
Datum
07.11.2017
Aktenzeichen
AGH 4/16 (I 2)
Entscheidungsform
Beschluss
Referenz
WKRS 2017, 54294
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

Tenor:

1. Die Beschwerde des Beschwerdeführers wird zurückgewiesen.

2. Der Beschwerdeführer trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.

Gründe

I.

Der Beschwerdeführer, Herr Rechtsanwalt ... ..., hat in einem anwaltsgerichtlichen Verfahren (Anwaltsgericht für den Bezirk der Rechtsanwaltskammer ..., 1. AnwG 1/15, verbunden mit 1. AnwG 7/15) am 17.8.2015 beantragt, ihm in Hinblick auf den Ausgang des anwaltsgerichtlichen Verfahrens Akteneinsicht zu bewilligen. Mit Schreiben vom 23.11.2015 bat der Beschwerdeführer weiterhin darum, ihn über das Ergebnis der Hauptverhandlung in dem anwaltsgerichtlichen Verfahren vom 9.9.2015 zu informieren.

Der Vorsitzende der Kammer des Anwaltsgerichts wies mit Schreiben vom 9.12.2015 den Beschwerdeführer darauf hin, dass die Anwaltsgerichtsverfahren nicht öffentlich seien. Es bestünde kein Akteneinsichtsrecht, auch nicht für Anzeigenerstatter. Eine Übersendung der Akte oder die Mitteilung des Ergebnisses sei deshalb nicht möglich.

Mit Schreiben vom 10.12.2015 wies der Beschwerdeführer darauf hin, dass ihm in einem vorausgegangenen Verfahren des Anwaltsgerichts Akteneinsicht bewilligt und eine Abschrift der damaligen Entscheidung des Anwaltsgerichts ... zugänglich gemacht worden sei. Zum anderen sei er Mitglied der Rechtsanwaltskammer ..., das Argument der Nichtöffentlichkeit sei deswegen im Hinblick auf § 135 Abs. 2 BRAO nicht überzeugend. Mit Schreiben vom 12.1.2016 teilte der Vorsitzende der Kammer dem Beschwerdeführer mit, nach erneuter Überprüfung sehe sich die 1. Kammer des Anwaltsgerichts ... nicht in der Lage, Akteneinsicht in die Anwaltsgerichtsakte zu gewähren.

Dagegen legte der Beschwerdeführer mit Schreiben vom 14.1.2016 „den zulässigen Rechtsbehelf - sofortige Beschwerde, Beschwerde, Erinnerung - ein“.

Mit Beschluss vom 2.2.2016 entschied die 1. Kammer des Anwaltsgerichts ..., dem Rechtsbehelf des Beschwerdeführers, Rechtsanwalt ... ..., ..., vom 14.1.2016 nicht abzuhelfen. Akteneinsicht werde ihm nicht gewährt.

II.

Die Beschwerde ist zulässig, jedoch nicht begründet.

Gemäß § 142 BRAO ist der Anwaltsgerichtshof für die Verhandlung und Entscheidung zuständig, soweit Beschlüsse des Anwaltsgerichts mit der Beschwerde angefochten werden können. Eine Beschwerde ist gemäß § 116 Abs. 1 Satz 2 BRAO i. V. m §§ 304, 305 StPO gegen alle vom Anwaltsgericht erlassenen Beschlüsse zulässig, soweit das Gesetz sie nicht ausdrücklich einer Anfechtung entzieht und eine Beschwer vorliegt (Johnigk, in: Gaier/Wolf/Göcken, § 142 BRAO Rn. 2a). Diese Zulässigkeitsvoraussetzungen sind vorliegend zu bejahen.

Der Anwaltsgerichtshof entscheidet über die Beschwerde ohne mündliche Verhandlung, §§ 116 BRAO, 309 Abs. 1 StPO.

Die Beschwerde ist unbegründet. Dem Beschwerdeführer steht kein Akteneinsichtsrecht zu.

Der Beschwerdeführer macht gegen die in dem anwaltsgerichtlichen Verfahren beschuldigte Rechtsanwältin ... ... zivilrechtliche Ansprüche geltend. Er hat in seiner Eigenschaft als Testamentsvollstrecker über den Nachlass der am 25.3.2008 verstorbenen ... ... ... (Blatt 10) ein Teilversäumnisurteil gegen die Rechtsanwältin, gegen die sich das anwaltsgerichtliche Verfahren richtet, erwirkt. In dem Teilversäumnisurteil des Landgerichts ... vom 1.10.2013 (Az. 3 O 376/13) wurde die Rechtsanwältin verurteilt, dem Beschwerdeführer Auskunft darüber zu erteilen, welche Nachlassgegenstände und welche Gegenstände der Testamentsvollstreckung nach der Verstorbenen ... ... ... sich noch in ihrem Besitz befinden.

Auf Antrag des Beschwerdeführers setzte das Landgericht ... mit Beschluss vom 18.12.2013 gegen die Rechtsanwältin ... wegen Nichterfüllung der sich aus dem Versäumnisurteil des Landgerichts ... vom 1.10.2013 ergebenen Verpflichtung zur Auskunftserteilung gemäß § 888 ZPO ein Zwangsgeld in Höhe von 500,00 EUR fest. Zuletzt hat das Landgericht ... mit Beschluss vom 27.7.2017 (Az. 3 O 376/13) gegen die Rechtsanwältin ... ... wegen weiterer Nichterfüllung der sich aus dem Teilversäumnisurteil vom 1.10.2013 ergebenen Verpflichtung zur Auskunftserteilung ein Zwangsgeld in Höhe von 5.000,00 EUR festgesetzt.

Das anwaltsgerichtliche Verfahren vor dem Anwaltsgericht ... (1 AnwG 1/15)  hat die Nichterfüllung der Verpflichtungen der Rechtsanwältin ... ... aus dem Versäumnisurteil des Landgerichts ... vom 1.10.2013 zum Gegenstand. In der Anschuldigungsschrift der Generalstaatsanwaltschaft ... vom 22.12.2014 heißt es dazu, der Rechtsanwältin sei in berufsrechtlicher Hinsicht vorzuwerfen,

„nach ihrer anwaltsgerichtlichen Verurteilung vom 11.9.2013 gegen ihre Pflicht zur gewissenhaften Berufsausübung (§ 43 BRAO) verstoßen zu haben. Die Verletzung rein zivilrechtlicher Pflichten kann zwar regelmäßig nicht über § 43 BRAO anwaltsgerichtlich geahndet werden. Indessen kann eine Häufung zivilrechtlicher Versäumnisse in Fällen hartnäckiger Untätigkeit oder Bummelei berufsrechtliche Relevanz gewinnen (Urteil des Anwaltsgerichts ... vom 2.2.1999; Nds. Rpfl. 2000, 145 f). Ein solcher Fall liegt hier vor. Ihrer Verpflichtung aus dem Teilversäumnisurteil des Landgerichts ... vom 1.10.2013 zur Erteilung von Auskunft darüber ‚welche Nachlassgegenstände und welche Gegenstände der Testamentsvollstreckung nach der verstorbenen ... ... ... sich noch in ihrem Besitz befinden‘, gegenüber dem Testamentsvollstrecker ... ... ist sie bis heute nicht nachgekommen, obwohl sie aufgrund ihrer hartnäckigen Untätigkeit als Testamentsvollstreckerin bereits durch Urteil des Anwaltsgericht vom 11.9.2013 zu anwaltsgerichtlichen Maßnahmen verurteilt worden war.“

Das anwaltsgerichtliche Verfahren gegen die Rechtsanwältin ... wurde eingeleitet durch Verfügung der Generalstaatsanwaltschaft ... (Az. 200 EV 162/14) vom 12.9.2014. Auf eine von dem Beschwerdeführer erstattete Strafanzeige hatte die Staatsanwaltschaft ... unter dem Aktenzeichen 410 Js 2211/14 ein Ermittlungsverfahren gegen die Rechtsanwältin wegen des Verdachts der Untreue eingeleitet, das durch Verfügung vom 10.7.2014 gemäß § 170 Abs. 2 Satz 1 StPO eingestellt wurde (Blatt 19). Die Generalstaatsanwaltschaft ... nahm sodann Ermittlungen auf, ob die Rechtsanwältin aufgrund ihrer Untätigkeit gegen ihre Pflicht zur gewissenhaften Berufsausübung verstoßen hat.

Der Beschwerdeführer wurde in der Hauptverhandlung des Anwaltsgerichts Oldenburg gegen Frau Rechtsanwältin ... ... als Zeuge vernommen.

Nach § 117b BRAO ist ein Rechtsanwalt, der einer Verletzung seiner Pflichten beschuldigt wird, befugt, die dem Anwaltsgericht vorliegenden Akten einzusehen. Diese Befugnis steht dem Beschwerdeführer als Drittem jedoch nicht zu. Er ist in dem anwaltsgerichtlichen Verfahren nicht Beteiligter und besitzt nach der gesetzlichen Konzeption keine Verfahrensrechte (vgl. zum Beschwerdeführer im berufsrechtlichen Beschwerdeverfahren: BGH AnwZ (Brfg) 44/15 v. 22.9.2015, Rn. 12).

Nach § 116 Abs. 1 Satz 2 BRAO i. V. m. § 475 Abs. 2 StPO können Privatpersonen und sonstige Stellen mit Hilfe eines Rechtsanwalts Akteneinsicht erhalten, soweit ein berechtigtes Interesse dargelegt wird und die Erteilung von Auskünften nicht ausreichen würde (Johnigk, in: Gaier/Wolf/Göcken, Anwaltliches Berufsrecht, § 117b BRAO Rn. 12). Ein solches berechtigtes Interesse an der Akteneinsicht hat der Beschwerdeführer jedoch nicht substantiiert dargelegt. Die Darlegung des berechtigten Interesses im Sinne des § 475 Abs. 1 Satz 1 StPO setzt voraus, dass die Tatsachen schlüssig vorgetragen, aus denen sich der Grund und der Umfang der benötigten Auskünfte ergeben (Schmitt, in: Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, § 475 Rn. 2). Der Beschwerdeführer verfügt über ein rechtskräftiges Versäumnisurteil (Teilversäumnisurteil) des Landgerichts ... vom 1.10.2013 (Az. 3 O 376/13), aus dem er die Vollstreckung gegen die Beklagte betreibt. Sein Akteneinsichtsgesuch vom 17.8.2015 und auch seine Beschwerde vom 14.1.2016 enthalten keine Darlegungen dazu, welche Informationen aus dem anwaltsgerichtlichen Verfahren er darüber hinaus benötigt, um die zivilrechtlichen Ansprüchen zu verfolgen bzw. aus dem rechtskräftigen Urteil zu vollstrecken. In dem Akteneinsichtsgesuch des Beschwerdeführers vom 17.8.2015 heißt es insoweit lediglich, der Beschwerdeführer sähe sich veranlasst, darauf hinzuweisen, dass hinsichtlich der titulierten Verpflichtungen der Rechtsanwältin ... ... aus dem Verfahren bei dem Landgericht ... zur Geschäftsnummer 8 O 376/13 der Zwangsgeldbeschluss des Landgerichts ... vom 17.3.2015 offen stünde, welchen er der Generalstaatsanwaltschaft ... bereits zur Geschäftsnummer 200 EV 162/14 übermittelt habe. Frau Rechtsanwältin ... trage das Zwangsgeld gegenüber der mit der Sache in der Zwangsvollstreckung befassten zuständigen Gerichtsvollzieherin in Raten ab.

Die schlüssige Darlegung eines berechtigten Interesses an der Akteneinsicht kann darin nicht gesehen werden.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 197 Abs. 2 BRAO.