Anwaltsgerichtshof Niedersachsen
Urt. v. 19.06.2017, Az.: AGH 14/16 (II)

Bibliographie

Gericht
AGH Niedersachsen
Datum
19.06.2017
Aktenzeichen
AGH 14/16 (II)
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2017, 54293
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

Tenor:

I. Die Klage wird abgewiesen.

II. Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens einschließlich der außergerichtlichen Kosten des Beigeladenen.

III. Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe von 110 % des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte oder der Beigeladene vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

IV. Der Streitwert wird auf 25.000 € festgesetzt.

Gründe

I.

Die Parteien streiten um die Zulassung des Beigeladenen zur Rechtsanwaltschaft als Rechtsanwalt (Syndikus-Rechtsanwalt) bei der Beklagten.

1. Der am 25. Februar 1984 geborene Beigeladene hat am 24. August 2015 mit der V. I. GmbH einen Arbeitsvertrag geschlossen und ist ab September 2015 in der Abteilung … (Recht und Versicherungen) angestellt. Sein Aufgabenbereich umfasst „bis auf weiteres Tätigkeiten als Sachbearbeiter Wohnungswesen, T….“ Nähere Einzelheiten zur Tätigkeit enthält der Arbeitsvertrag nicht. Unter dem 9./10. Februar 2016 unterzeichneten die Arbeitsvertragsparteien eine „Tätigkeitsbeschreibung“,  in der die Tätigkeit unter Bezugnahme auf eine „Stellen- und Funktionsbeschreibung“ konkretisiert wurde.

In der Tätigkeitsbeschreibung ist unter der Rubrik „Funktionsbezeichnung“ des Beigeladenen „Syndikusanwalt“ angegeben und der Unternehmensgegenstand wird mit  „u.a. Errichtung/Erwerb/Verwaltung von Wohnungen und Gebäuden“ umschrieben. Unter II. „fachliche Unabhängigkeit“ heißt es:

Der Beigeladene „wird bei der Gesellschaft / in der Organisationseinheit Recht und Versicherungen als Rechtsanwältin (Syndikus-Rechtsanwältin) / Rechtsanwalt (Syndikus-Rechtsanwalt) beschäftigt. Die fachliche Unabhängigkeit der Berufsausübung i.S.d. § 46 Abs. 3 BRAO ist vertraglich und tatsächlich gewährleistet. Er / sie unterliegt keinen allgemeinen oder konkreten Weisungen in fachlichen Angelegenheiten, die eine eigenständige Analyse der Rechtslage und eine einzelfallorientierte Rechtsberatung beeinträchtigen. Ihm / ihr gegenüber bestehen keine Vorgaben zur Art und Weise der Bearbeitung und Bewertung bestimmter Rechtsfragen, er / sie arbeitet fachlich eigenverantwortlich. Er / Sie ist im Rahmen der von ihm / ihr zu erbringenden Rechtsberatung und -vertretung den Pflichten des anwaltlichen Berufsrechts unterworfen.“

Für die unter III. näher aufgeführten „Merkmale der anwaltlichen Tätigkeit“ wird auf die der Tätigkeitsbeschreibung beigefügte Stellenbeschreibung vom gleichen Tag verwiesen. In dieser „Stellen- und Funktionsbeschreibung Unternehmensjustiziar/in“ heißt es u.a., dass der Beigeladene

„für eine vollumfängliche rechtliche Beratung der V. I. GmbH zuständig (ist). Die vorherrschenden Aufgabengebiete sind das Immobilien– und Mietrecht, Handels – und Gesellschaftsrecht, Wirtschaftsrecht und Baurecht. (…). Bei Bedarf wird die gerichtliche und außergerichtliche Vertretung durch den Beigeladenen übernommen. (…) Herr T. ist für die Vertragsgestaltung von Unternehmensverträgen zuständig. Dies beinhaltet die Verhandlungsführung bei den Vertragsgesprächen, die Entscheidung und die Festlegung von Vertragsinhalten sowie die Erstellung der Vertragstexte. (…)“.

Darüber hinaus obliegt dem Beigeladenen die Schulung der Mitarbeiter und Führungskräfte der V. I. GmbH auf allen rechtlichen Gebieten. Abschließend wird festgehalten, dass der Beigeladene „in der rechtlichen Bewertung der von ihm zu analysierenden und zu lösenden Sachverhalte frei und nicht weisungsgebunden“ ist. Im Übrigen wird auf Bl. 13 der Vorgangsakte der Beklagten Bezug genommen.

Am 17. September 2015 wurde dem Beigeladenen eine Handlungsvollmacht für das Aufgabengebiet „rechtliche Vertretung der V. I. GmbH mit Außenwirkung“ erteilt.

Weiterhin schlossen der Beigeladene und die V. I. GmbH am 19. Februar 2016 eine „Ergänzungsvereinbarung zum Arbeitsvertrag bzgl. der Berufsausübung als Syndikusrechtsanwalt“. Als „Arbeitsvertragsergänzung“ heißt es dort:

„Herr T. ist bei der V. I. GmbH als Syndikusrechtsanwalt in der Abteilung Recht und Versicherungen i. S. d. § 46 Abs. 2 BRAO beschäftigt. Herr T. übt seine Tätigkeit fachlich unabhängig und eigenverantwortlich aus. Die fachliche Unabhängigkeit der Berufsausübung i. S. d. § 46 Abs. 3 BRAO ist vertraglich und tatsächlich gewährleistet. Er unterliegt keinen allgemeinen oder konkreten Weisungen in fachlichen Angelegenheiten, die eine eigenständige Analyse der Rechtslage und eine einzelfallbezogene Rechtsberatung ausschließen. Ihm gegenüber bestehen keinerlei Vorgaben zur Art und Weise der Bewertung bestimmter Rechtsfragen. Herr T. ist im Rahmen der von ihm für die V. I. GmbH zu erbringenden Rechtsberatung und -vertretung den Pflichten des anwaltlichen Berufsrechts unterworfen.“

2. Am 3. Februar 2016 beantragte der Beigeladene die Zulassung als Rechtsanwalt (Syndikus-Rechtsanwalt) bei der Beklagten. Im Anhörungsverfahren teilte die Klägerin unter dem 29. März 2016 mit, dass aus ihrer Sicht die Zulassungsvoraussetzungen gemäß § 46 Abs. 3 BRAO nach dem eingereichten Arbeitsvertrag nicht vorlägen. Dem ist der Beigeladene mit Schreiben vom 28. April 2014 entgegengetreten.

Mit Bescheid vom 18. Mai 2016 hat die Beklagte den Beigeladenen zur Rechtsanwaltschaft als Rechtsanwalt (Syndikus-Rechtsanwalt) gemäß § 46a BRAO für dessen „in den Arbeitsverträgen vom 24. August 2015 und vom 19. Februar 2016 bezeichnete Tätigkeit bei der V. I. GmbH“ in W. zugelassen. Die fachliche Unabhängigkeit sei vertraglich und tatsächlich gewährleistet. Dies ergebe sich insbesondere aus der Ergänzungsvereinbarung vom 19. Februar 2016. Demgegenüber komme der Bezeichnung seiner Tätigkeit als „Sachbearbeiter Wohnungswesen“ lediglich für die tarifvertragliche Eingruppierung Bedeutung zu.

Der Bescheid wurde der Klägerin am 20. Mai 2016 zugestellt. Mit der beim Niedersächsischen Anwaltsgerichtshof eingegangenen Klage vom 7. Juni 2016 sowie der ergänzenden Klagebegründung vom 8. Juli 2016 macht die Klägerin geltend, dass die Voraussetzungen nach § 46 BRAO vorliegend für den Beigeladenen nicht gegeben seien. Aus den vom Beigeladenen eingereichten Unterlagen ergäben sich die gesetzlich erforderlichen Voraussetzungen für die Tätigkeiten und Merkmale nicht. Darüber hinaus fehle es an einer anwaltlichen Prägung seiner Tätigkeit. Dies folge insbesondere aus dem im Arbeitsvertrag festgelegten Aufgabenbereich des Beigeladenen als Sachbearbeiter Wohnungswesen. Genauere Angaben zu seinem Aufgabenbereich, seinen Tätigkeiten, seiner organisatorischen Stellung und seinen Befugnissen seien im Arbeitsvertrag nicht konkretisiert. Ebenso wenig sei zu erkennen, dass seine gesamte Tätigkeit durch die anwaltliche Tätigkeit i.S.v. § 46 Abs. 3 BRAO geprägt werde. Vielmehr sei die “Stellen- und Funktionsbeschreibung so oberflächlich gehalten, dass Rückschlüsse auf die tatsächlich ausgeübten Tätigkeiten nicht möglich sind.“ Aus der Internetseite der Arbeitgeberin ergebe sich, dass diese auch einen Bereich “Personal, Organisation und

Recht“ habe. Insoweit sei nicht zu erkennen, wie die Aufgabenbereiche des Beigeladenen von diesem Bereich abzugrenzen seien. Im Übrigen nimmt der Senat auf die Ausführungen im Schriftsatz vom 8. Juli 2016 Bezug.

Der mit Beschluss vom 13. Oktober 2016 zum Verfahren Beigeladene hat zur Klage mit Schriftsatz vom 2. November 2016 und 27. Mai 2017 Stellung genommen, auf die der Senat Bezug nimmt.

Die Klägerin beantragt,

den Bescheid der Beklagten vom 18. Mai 2016 aufzuheben.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Der Beigeladene beantragt,

die Klage abzuweisen.

II.

Die Klage ist als Anfechtungsklage gemäß §§ 112c Abs. 1 BRAO, 42 Abs. 1 VWGO zulässig.

Die Klägerin ist klageberechtigt, da gemäß § 46a Abs. 2 Satz 3 BRAO auch dem Träger der Rentenversicherung gegen eine Zulassungsentscheidung nach § 46a Abs. 1 Satz 1 Rechtschutz gemäß §§ 112 a ff. BRAO eröffnet ist.

Die Klägerin ist klagebefugt, da sie die Verletzung ihrer Rechte geltend macht. Nach § 46a Abs. 2 Satz 4 BRAO ist der Träger der Rentenversicherung bei seiner Entscheidung über die Befreiung von der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung nach § 6 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGB VI an die bestandskräftige Entscheidung der Rechtsanwaltskammer über die Zulassung als Syndikusrechtsanwalt gebunden. Im angefochtenen Bescheid vom 18. Mai 2016 wurde der Beigeladene als Syndikusrechtsanwalt zur Rechtsanwaltschaft zugelassen. Die Beeinträchtigung möglicher eigener Rechte der Klägerin ergibt sich aus der gesetzlichen Drittwirkung des Zulassungsbescheides.

III.

Die Klage ist nicht begründet.

Die Klage wäre begründet, wenn der Zulassungsbescheid als drittbelastender Verwaltungsakt rechtswidrig ist und die Klägerin in ihren Rechten verletzt (§§ 112c Abs. 1 BRAO, 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).

1. Der angefochtene Zulassungsbescheid ist formell rechtmäßig. Anhaltspunkte dafür, dass der angefochtene Bescheid formell nicht rechtmäßig ergangen ist, werden von der Klägerin nicht geltend gemacht. Dass die Verfahrensrechte der Klägerin gemäß § 46a Abs. 2 BRAO vorliegend nicht gewahrt sind, ist für den Senat nicht ersichtlich, zumal die Klägerin im Zulassungsverfahren von der Beklagten gehört worden ist.

2. Der angefochtene Bescheid ist materiell rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten. Dies wäre der Fall, wenn die Voraussetzungen für die Zulassung des Beigeladenen zur Rechtsanwaltschaft als Syndikusrechtsanwalt nach § 46a Abs. 1 BRAO nicht vorliegen. Die Beklagte ist zu Recht davon ausgegangen, dass der Beigeladene einen Anspruch auf Zulassung zur Rechtsanwaltschaft als Syndikusrechtsanwalt hat, weil die Voraussetzungen des § 46a Abs. 1 BRAO gegeben sind.

a) Die Beklagte hat im angefochtenen Bescheid - und mit der Klage nicht angegriffen - festgestellt, dass die allgemeinen Zulassungsvoraussetzungen nach § 4 BRAO erfüllt sind und Zulassungsversagungsgründe nach § 7 BRAO nicht vorliegen (§ 46a Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 u. 2 BRAO).

b) Darüber hinaus muss die Tätigkeit des Beigeladenen gemäß § 46a Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 BRAO den Anforderungen des § 46 Abs. 2 - 5 BRAO entsprechen. Für die Ausübung anwaltlicher Tätigkeit i.S.v. § 46 Abs. 2 Satz 1 BRAO ist maßgeblich auf das Berufsbild des Rechtsanwalts nach §§ 1 ff. BRAO als unabhängiger Vertreter und Berater in allen Rechtsangelegenheiten abzustellen.

aa) Nach § 46 Abs. 2 Satz 1 BRAO üben Angestellte (bei einem nicht anwaltlichen Arbeitgeber) ihren Beruf als Rechtsanwalt aus, sofern sie im Rahmen ihres Arbeitsverhältnisses für ihren Arbeitgeber anwaltlich tätig sind. Wann von einer solchen anwaltlichen Tätigkeit im Rahmen eines bestehenden Arbeitsverhältnisses als Syndikusrechtsanwalt auszugehen ist, wird in § 46 Abs. 3 u. 4 BRAO (i.d.F. des Gesetzes zur Neuordnung des Rechts der Syndikusanwälte und zur Änderung der Finanzgerichtsordnung vom 21. Dezember 2015, BGBl I, S. 2517 ff.) näher geregelt. Voraussetzung ist danach eine anwaltliche Tätigkeit des Beigeladenen. Eine solche anwaltliche Tätigkeit liegt nach § 46 Abs. 3 BRAO vor, wenn das Arbeitsverhältnis durch eine fachlich unabhängig und eigenverantwortlich ausgeübte Tätigkeit, die die in Nr. 1 - 4 aufgeführten Kriterien erfüllt, geprägt ist. Schließlich darf der Beigeladene nicht an Weisungen gebunden sein, die eine eigenständige Analyse der Rechtslage und eine einzelfallorientierte Rechtsberatung ausschließen (§ 46 Abs. 4 BRAO).

Mit der Neuregelung der Rechtsstellung des Syndikusrechtsanwalts in § 46a BRAO wird dieser als besondere Form der Ausübung des einheitlichen Berufs des Rechtsanwalts tätigkeitsbezogen definiert und soll von anderen juristischen Dienstleistungen im Angestelltenverhältnis wie einem Unternehmensjuristen, der nicht anwaltlich tätig ist, abgegrenzt werden. Denn die spezifische anwaltliche Tätigkeit bildet den Grund für die Befreiung von der gesetzlichen Rentenversicherungspflicht (BT-Drs. 18/5201, S. 19). Daher ist eine Abgrenzung anwaltlicher Tätigkeiten von anwaltsfremden (rein juristischen oder sonstigen) Tätigkeiten erforderlich. Nach der Gesetzesbegründung ist hierfür der Inhalt der Aufgaben maßgeblich, die dem Rechtsanwalt im Rahmen seines Anstellungsverhältnisses übertragen werden sowie die Frage, ob es sich hierbei um anwaltliche Tätigkeit handelt. Zur Abgrenzung ist auf “den Kern und den Schwerpunkt der Tätigkeit“ abzustellen. Die anwaltliche Tätigkeit muss im Rahmen des Anstellungsverhältnisses die qualitativ und quantitativ ganz eindeutig prägende Leistung des angestellten Rechtsanwalts darstellen (BT-Drs. 18/5201, S. 19). Die Aufgabenzuweisung muss durch die anwaltliche Tätigkeit “beherrscht sein und dessen eindeutigen Schwerpunkt bilden“ (BT-Drs. 18/5201, S. 29).

Vor diesem Hintergrund ist nicht jeder Volljurist in einem Anstellungsverhältnis mit einer anwaltlichen Tätigkeit betraut und daher nicht notwendig als Syndikusrechtsanwalt zuzulassen. Juristisch ausgebildete Mitarbeiter kommen für eine Zulassung als Syndikus-Rechtsanwalt nicht in Betracht, wenn sie als Sachbearbeiter weisungsgebundene Tätigkeit ausführen (BT-Drs. 18/5201, S. 27). Hiervon unabhängig ist die Frage der Arbeitnehmereigenschaft des Syndikusrechtsanwalts sowie seiner Eingliederung in eine vom Arbeitgeber vorgegebene Arbeitsorganisation bzw. -hierarchie, die mit dem Berufsbild des Rechtsanwalts nicht in Widerspruch steht (BT-Drs. 18/5201, S. 26).

bb) Der Beigeladene übt seine Tätigkeit bei der V. I. GmbH als Rechtsanwalt aus, weil er im Rahmen seines bestehenden Arbeitsverhältnisses für seinen Arbeitgeber anwaltlich tätig wird.

Nach dem Arbeitsvertrag vom 24. August 2015 ist der Beigeladene „als Sachbearbeiter Wohnungswesen, T. …“ in der Abt. … angestellt. Allein aus dem Begriff des Sachbearbeiters könnte eine weisungsabhängige Tätigkeit für den Arbeitgeber mit konkret zugewiesenen Aufgaben herzuleiten sein, die mit einer anwaltlich unabhängigen Beschäftigung nicht zu vereinbaren wäre, wie die Klägerin meint. Ob die Bezeichnung im Arbeitsvertrag als Sachbearbeiter lediglich dahin zu verstehen ist, dass hiermit eine tarifvertragliche Anstellung bezeichnet werden soll, die eine Eingruppierung und Entlohnung ermöglicht, wie der Beigeladene geltend macht, kann nach Auffassung des Senats dahingestellt bleiben (zur Anwendbarkeit eines Tarifvertrages auf die Tätigkeit eines Rechtsanwalt AGH Hamm BRAK-Mitteilungen 2017, 90 ff.). Denn sowohl in der Tätigkeitsbeschreibung als auch in der Ergänzung zum Arbeitsvertrag vom 19. Februar 2016 wird ausdrücklich hervorgehoben, dass der Beigeladene als Syndikusrechtsanwalt „seine Tätigkeit fachlich unabhängig und eigenverantwortlich“ ausübt. Eine entsprechende Öffnung des Arbeitsvertrages folgt auch aus dem Wortlaut, dass dem Beigeladenen „bis auf weiteres“ Tätigkeiten als Sachbearbeiter Wohnungswesen, T. …, zugewiesen sind.

Als zivilrechtlicher Vertrag kann der Arbeitsvertrag von beiden Parteien einvernehmlich später geändert, ergänzt oder konkretisiert werden (vgl. Erfurter Kommentar zum Arbeitsrecht/Preis, 17. Aufl., § 611 Rn. 473 ff.). Hierzu bedarf es – entgegen der Auffassung der Klägerin in der mündlichen Verhandlung – keiner ausdrücklichen Bezugnahme auf den zuvor geschlossenen Arbeitsvertrag. Ausreichend ist insoweit, dass aus dem Regelungszusammenhang der späteren Vereinbarung der Bezug auf den Arbeitsvertrag als Grundlage der vertraglichen Beziehung zwischen den Beteiligten hinreichend deutlich zum Ausdruck kommt. Hieran kann vorliegend für die Ergänzungsvereinbarung vom 19. Februar 2016 kein Zweifel bestehen. Denn bereits nach dem Wortlaut der beiden Überschriften dieser Vereinbarung handelt es sich um eine „Ergänzungsvereinbarung zum Arbeitsvertrag“ bzw. eine „Arbeitsvertragsergänzung Syndikusrechtsanwalt“. Dass der Arbeitsvertrag vom 24. August 2015 in der Änderungsvereinbarung keine ausdrückliche Erwähnung findet, steht dem nicht entgegen, wird jedoch auch dadurch hinreichend belegt, dass auf Seiten des Arbeitgebers beide Urkunden für die Geschäftsleitung von Herr R. S. unterzeichnet wurden. Insoweit kommt es nicht darauf an, dass in der vom Beigeladenen mit Schriftsatz vom 27. Mai 2017 vorgelegten „standardisierten Tarifbeschreibung“ T. … die Entgeltstufe 14, in die der Beigeladene nach dem Arbeitsvertrag eingruppiert ist, nicht aufgeführt ist. Schließlich ist aus dem beim Senat geführten Parallelverfahren AGH 31/16 und der dort von der Klägerin mit Schriftsatz vom 16. November 2016 vorgelegten Organisationsbeschreibung bekannt, dass „die tarifvertragliche Funktionsbeschreibung sämtlicher Mitarbeiter von V., gleich in welcher Abteilung diese tätig sind, `Sachbearbeiter Wohnungswesen´“ lautet.

Als Ergänzung des Arbeitsvertrages ist dieser Bestandteil desselben und bindet beide Parteien des Arbeitsvertrages mit der Folge, dass ein arbeitsvertraglich (evtl.) ursprünglich vereinbartes Weisungsrecht nicht mehr besteht (vgl. hierzu AGH Hamm, Urteil v. 7. Oktober 2016 - 1 AGH 22/16, nach juris [Rn. 33]; AGH Hamm, Urteil v. 28. Oktober 2016 - 1 AGH 27/16, nach juris [Rn. 37]). Dies gilt in vergleichbarer Weise für die Tätigkeitsbeschreibung sowie für die „Stellen- und Funktionsbeschreibung“ vom 9./10. Februar 2016, weil diese auf der Grundlage des bestehenden Arbeitsverhältnisses eine Konkretisierung oder auch Modifizierung der ursprünglichen Regelungen enthalten. Somit kommt es auf die ursprüngliche Bezeichnung der Tätigkeit des Beigeladenen als Sachbearbeiter nicht entscheidend an. Von der vertraglichen Weisungsunabhängigkeit des Beigeladenen ist daher auszugehen, auch wenn diese erst nachträglich schriftlich festgehalten wurde.

Soweit nach dem Arbeitsvertrag die Möglichkeit einer betrieblich veranlassten Umsetzung besteht, rechtfertigt dies keine andere Beurteilung, denn der angefochtene Bescheid zur Zulassung als Syndikusrechtsanwalt ist allein auf die in den Arbeitsverträgen vom 24. August 2015 und 19. Februar 2016 bezeichneten Tätigkeiten bezogen und dadurch beschränkt. Eine dauerhafte und nicht nur vorübergehende Änderung der dem Beigeladenen zugewiesenen Aufgaben bzw. Tätigkeiten wäre daher nicht mehr von der erfolgten Zulassung und daran gekoppelten Befreiung von der Versicherungspflicht nach § 6 Abs. 1 SGB VII gedeckt.

Soweit in den Schlussbestimmungen des Arbeitsvertrages auf die „jeweils für den Betrieb oder Betriebsteil des Arbeitgebers fachlich/betrieblich anzuwendenden Tarifverträge in der jeweils gültigen Fassung“ zur weiteren Konkretisierung der arbeitsvertraglichen Pflichten Bezug genommen wird, kann der Senat nicht feststellen, dass hierdurch die fachliche Unabhängigkeit und Weisungsfreiheit betroffen wäre.

c) Ob der Beigeladene seine aus dem Arbeitsverhältnis folgenden Aufgaben als anwaltliche Tätigkeit ausübt, ist nach der gesetzlichen Regelung anhand der Voraussetzungen des § 46 Abs. 3 Nr. 1 - 4 BRAO, die kumulativ vorliegen müssen, zu bestimmen. Mit diesen Kriterien hat der Gesetzgeber die von der gesetzlichen Rentenversicherung und den Versorgungswerken entwickelte sog. „4-Kriterien-Theorie“, die auch von der früheren Rechtsprechung zugrunde gelegt worden war, übernommen (vgl. BT-Drs. 18/5201, S. 16).

aa) Die Voraussetzungen des § 46 Abs. 3 Nr. 1 und 2 BRAO sind vorliegend formal erfüllt.

Nach § 46 Abs. 3 Nr. 1 BRAO setzt die anwaltliche Tätigkeit die Prüfung von Rechtsfragen einschließlich der Aufklärung des Sachverhalts sowie das Erarbeiten und Bewerten von Lösungsmöglichkeiten voraus, für die eine Bindung an Vorgaben des Arbeitgebers nicht bestehen darf. Auf der Grundlage dieser Tätigkeit soll weiterhin nach § 46 Abs. 3 Nr. 2 BRAO dem Arbeitgeber unabhängiger Rechtsrat erteilt werden.

Aus dem Arbeitsvertrag vom 24. August 2015 ergibt sich nicht, welche Tätigkeit dem Beigeladenen in welcher Art der Ausübung konkret zugewiesen ist. Die von beiden Arbeitsvertragspartnern unterschriebene „Tätigkeitsbeschreibung“ weist aus, dass der Beigeladene fachlich unabhängig tätig wird und keinen „allgemeinen oder konkreten Weisungen in fachlichen Angelegenheiten unterliegt, die eine eigenständige Analyse der Rechtslage oder einzelfallorientierte Rechtsberatung beeinträchtigen“. Darüber hinaus wird hinsichtlich der einzelnen Merkmale des § 46 Abs. 3 BRAO auf die weitere „Stellen- und Funktionsbeschreibung“ vom 10. Februar 2016 Bezug genommen. Darin wird im ersten Punkt festgehalten, dass dem Beigeladenen „eine vollumfängliche rechtliche Beratung der V. I. GmbH“ zugewiesen ist, wobei der Aufgabenschwerpunkt im Immobilien- und Mietrecht, dem Handels-  und Gesellschaftsrecht, dem Wirtschaftsrecht und Baurecht liegt. Auch wenn bei den Aufgabenstellungen die Unternehmensziele und -strategien zu beachten sind, hat der Beigeladene nach der vorgenannten Beschreibung die Tätigkeit selbstständig und abschließend zu analysieren, zu bewerten und Lösungen zuzuführen.

Soweit die Klägerin die anwaltliche Tätigkeit des Beigeladenen im Hinblick darauf, dass bei der V. I. GmbH nach deren Organisationsstruktur eine Abteilung „Personal, Organisation und Recht“ bestehe und der Beigeladene der Unterabteilung „Recht und Versicherungen“ zugeordnet sei, in Zweifel zieht, lassen sich hieraus keine Rückschlüsse auf die überwiegende Tätigkeit des Beigeladenen herleiten. Unabhängig davon, dass die Organisationsstruktur nicht der Beurteilung des Senats unterliegt, hat der Beigeladene im Schriftsatz vom 27. Mai 2017 die Differenzierung hinreichend erläutert.

Darüber hinaus hat der Beigeladene in diesem Schriftsatz sowie persönlich in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat anschaulich und nachvollziehbar dargestellt, dass er im Rahmen projektbezogener Tätigkeiten (z.B. „S. S. G.“ oder „P. B.“) sowohl rechtlich beratend als auch vertragsgestaltend tätig ist. Insoweit ist er bei dem Erwerb von Grundstücken, deren eventueller Weiterveräußerung, der Ausarbeitung, der Verhandlung und Freigabe eines städtebaulichen Vertrages mit der Stadt W. sowie eines Erschließungsvertrages beratend tätig. Gegenstand des „P. B.“ ist die Errichtung eigener Mietshäuser, wobei der Beigeladene an der Realisierung einerseits sowie der Vertragsgestaltung andererseits maßgeblich beteiligt ist. Hierbei unterliegen die vertraglichen Regelungen, Gewährleistungsfragen, Vertragsfristen sowie die Leistungsbeschreibung seiner Prüfung. Dies gilt in gleicher Weise bei der Veräußerung an Investoren.

Seine Tätigkeit im gewerblichen Bereich der V. I. GmbH hat der Beigeladene im vorgenannten Schriftsatz dahingehend umschrieben, dass er für das Auffinden geeigneter Flächen und die Umsetzbarkeit der jeweiligen Aufgaben zuständig sei. Bei sämtlichen Bauprojekten erfülle die Abteilung des Beigeladenen eine umfassende Beratungsfunktion in allen Projektphasen. Dies beginne nach dem Auffinden geeigneter Flächen mit dem Abschluss der Bau- bzw. Planerverträge und deren Realisierung. Gegenstand seiner beratenden Tätigkeit sei in diesem Zusammenhang die Prüfung und Abwehr von Behinderungsanzeigen, Erstellung und Prüfung von Mängelanzeigen, Prüfungen im Bereich der Abnahme sowie die Inanspruchnahme von Sicherungsrechten (Gewährleistungs- oder Vertragserfüllungsbürgschaften). Darüber hinaus werden die Projektleiter im Rahmen der Bauverträge z.B. bei der Prüfung von Kündigungen, der Klärung von Schlussrechnungen im Rahmen von Abgeltungs- bzw. Schlussvereinbarungen unterstützt. Einbezogen ist der Beigeladene u.a. auch in die Prüfung von Sponsoringverträgen, Kostenübernahmeerklärungen, Veranstaltungsverträgen, Dienstleistungsverträgen usw.

bb) Die weiteren Voraussetzungen von § 46 Abs. 3 Nr. 3 und 4 BRAO sind ebenfalls als vertraglich vereinbart anzusehen.

Danach muss die Tätigkeit auf die Gestaltung von Rechtsverhältnissen, insbesondere durch das selbstständige Führen von Verhandlungen, oder auf die Verwirklichung von Rechten gerichtet sein. Außenkontakte und die Wahrnehmung von außergerichtlichen Terminen mit externen Dritten kommen in Betracht, wobei insoweit eine umfassende Vollmacht bestehen muss, ohne dass eine Rücksprache für verbindliche Vereinbarungen mit Vorgesetzten zu treffen ist (BT-Drs. 18/5201, S.29).

Aus der „Stellen- und Funktionsbeschreibung“ ist ersichtlich, dass der Beigeladene bei Bedarf die gerichtliche und außergerichtliche Vertretung seines Arbeitgebers übernehmen kann, wobei der Beigeladene die Gesellschaft in außergerichtlichen Verfahren, Verhandlungen und Vertragsgesprächen selbst und eigenverantwortlich vertritt. Hierzu wurde dem Beigeladenen die zu den Akten gereichte Handlungsvollmacht vom 17. September 2015 erteilt, wonach dem Beigeladenen für seinen Aufgabenbereich Handlungsvollmacht – nach seinen Angaben in der mündlichen Verhandlung in einem finanziellen Rahmen von bis zu 500.000 € – erteilt wurde, die die rechtliche Vertretung der V. I. GmbH mit Außenwirkung umfasst. In welcher Weise der Beigeladene die gerichtliche Vertretung seines Arbeitgebers in Verfahren ohne Anwaltszwang bisher wahrgenommen hatte, lässt sich den Schriftsatz vom 27. Mai 2017 nicht konkret entnehmen. Jedoch folgt aus den vorgenannten Regelungen eine entsprechende Kompetenz des Beigeladenen, die sich auch in der Unterstützung von Rechtsanwälten in Verfahren mit Anwaltszwang realisieren kann.

Weiterhin ist in der „Stellen- und Funktionsbeschreibung“ festgehalten, dass der Beigeladene für die Vertragsgestaltung von Unternehmensverträgen zuständig ist, wobei ihm die Verhandlungsführung bei den Vertragsgesprächen, die Entscheidung und die Festlegung der Vertragsinhalte, die Erstellung der Vertragstexte als auch die interne Organisation und Gewährleistung des Vertragsdurchlaufs im Unternehmen mit der ihm obliegenden Letztentscheidungskompetenz zugewiesen ist.

Schließlich sind in der „Stellen- und Funktionsbeschreibung“ als weitere Aufgaben die Schulung der Mitarbeiter und Führungskräfte der V. I. GmbH auf allen rechtlichen Gebieten festgehalten. In einem gesonderten Regelungspunkt wird hervorgehoben, dass der Beigeladene „in der rechtlichen Bewertung der von ihm zu analysierenden und zu lösenden Sachverhalte frei und nicht weisungsgebunden handelt.“

Der Beigeladene hat seine Tätigkeit in seiner Stellungnahme vom 28. April 2016 zur Anhörung der Deutschen Rentenversicherung im Zulassungsverfahren dahingehend beschrieben, dass die anwaltliche Tätigkeit dominiert, weil dessen Hauptaufgabe in der rechtlichen Beratung hinsichtlich unterschiedlichster Bauprojekte bestehe. Wie die Ausführungen im Schriftsatz vom 27. Mai 2017 ergeben, ist der Beigeladene nicht primär in die Konzeption entsprechender Bauprojekte sondern vorrangig in die vertragliche Gestaltung bereits in Planung befindlicher Vorhaben einbezogen. In diesem Schriftsatz sowie in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat hat der Beigeladene veranschaulicht, dass er – z.B. in dem „P. B.“ – bei der Realisierung sowie bei der Vertragsgestaltung tätig ist. Hierzu zählt auch „die Erstellung, Verhandlung, Prüfung und Freigabe von Generalplanerverträgen und im weiteren Verlauf des Projektes Generalunternehmer/Generalübernehmerverträgen“. Auch bei der Veräußerung von B. an Investoren ist der Beigeladene bei der Vertragsauslegung und Durchführung als Ansprechperson einbezogen, beispielsweise für „die Eintragung von Rückauflassungsvormerkungen oder anderer Sicherungsrechte“.

Den Umfang der anwaltlich ausgerichteten Tätigkeit umschreibt der Beigeladene als Tagesgeschäft mit einem Anteil von mindestens 80 % seiner Arbeitszeit, so dass sein Arbeitsverhältnis hiervon maßgeblich geprägt ist. Die restliche Tätigkeit ist vorwiegend von der Bearbeitung von Schadensereignissen bestimmt.

d) Schließlich ist die fachlich unabhängige Tätigkeit des Syndikus-Rechtsanwalts nach § 46 Abs. 4 BRAO dadurch gekennzeichnet, dass er seine Tätigkeit ausübt, ohne an Weisungen gebunden zu sein, die eine eigenständige Analyse der Rechtslage und eine einzelfallorientierte Rechtsberatung ausschließen. Nach Satz 2 dieser Vorschrift ist die fachliche Unabhängigkeit der Berufsausübung des Syndikusrechtsanwalts vertraglich und tatsächlich zu gewährleisten.

Das in einem Arbeitsvertrag bestehende Weisungsrecht eines Arbeitgebers kann der fachlich unabhängigen Ausübung anwaltlicher Tätigkeit entgegenstehen. Daher wird in § 46 Abs. 4 BRAO nochmals die Weisungsunabhängigkeit des Syndikusrechtsanwalts in der Weise hervorgehoben, dass diese arbeitsvertraglich gesichert sein muss (BT-Drs. 18/5201, S.29). Ein unabhängiges Tätigwerden liegt nach der Gesetzesbegründung nicht vor, wenn Vorgaben „zur Art und Weise der Bearbeitung und Bewertung bestimmter Rechtsfragen bestehen, wie dies beispielsweise bei einem richtliniengebundenen Schadenssachbearbeiter einer Versicherung der Fall“ ist. Gleichwohl steht nicht jegliches Weisungsrecht des Arbeitgebers der Tätigkeit eines Syndikusrechtsanwalts entgegen.

Auch wenn der Arbeitsvertrag vom 24. August 2015 keine konkrete Regelung zur fachlichen Unabhängigkeit des Beigeladenen enthält, ergibt sich diese aus der einbezogenen „Tätigkeitsbeschreibung“ vom 9./10. Februar 2016, nach der die „fachliche Unabhängigkeit der Berufsausbildung vertraglich und tatsächlich gewährleistet“ und zugleich bescheinigt wird, dass Vorgaben „zur Art und Weise der Bearbeitung und Bewertung bestimmter Rechtsfragen“ nicht gemacht werden. Darüber hinaus enthält die „Stellen- und Funktionsbeschreibung“ vom 10. Februar 2016 – wie dargestellt – konkrete Regelungen, aus denen sich ergibt, dass der Beigeladene nicht an Weisungen gebunden ist.

e) Es ist hingegen nicht ausreichend, dass nach den vorgelegten Unterlagen die fachliche Unabhängigkeit und Eigenverantwortlichkeit des Beigeladenen arbeitsvertraglich vereinbart ist. Vielmehr muss sie nach der gesetzlichen Regelung darüber hinaus auch „tatsächlich“ gewährleistet sein. Damit wird ein Bezug zur faktischen Umsetzung und tatsächlichen Ausübung der Tätigkeit hergestellt. Im Hinblick auf die sozialversicherungsrechtlichen Folgen der Zulassung als Syndikusrechtsanwalt durch die Befreiung von der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung sind daher auch konkrete Feststellungen zu der tatsächlich ausgeübten Tätigkeit als Syndikusrechtsanwalt zu treffen. Auch nach der bisherigen sozialgerichtlichen Rechtsprechung wurde bei der Beurteilung der tatsächlichen Unabhängigkeit auf die konkreten Umstände des Einzelfalls abgestellt (vgl. SozG Aachen vom 26.11.2010 – S 6 R 173/09, nach juris; SozG Frankfurt vom 28. Februar 2012 - S 31 R 434/11, nach juris; Hess. LSG vom 26. März 2015 - L 8 KR 243/12, nach juris). Für eine solche ist es nicht ausreichend, dass von einer „wahrheitsgemäßen Ausfüllung“ einer arbeitsvertraglich vereinbarten Unabhängigkeit und Eigenverantwortlichkeit auszugehen ist. Vielmehr müssen tatsächliche Anhaltspunkte dargelegt und ggf. bewiesen werden, dass diese Regelungen im Arbeitsalltag Bestand haben und von den Arbeitsvertragsparteien gelebt werden (vgl. AGH Hamm, Urteil v. 7. Oktober 2016 - 1 AGH 22/16, nach juris [Rn. 35]; AGH Hamm, Urteil v. 16. Dezember 2016 - 1 AGH 57/16, nach juris [Rn. 35]).

Der Senat kann die Frage dahinstehen lassen, wie im Fall einer zukünftigen Aufnahme einer Tätigkeit als Syndikusrechtsanwalt und entsprechender Zulassung durch die Rechtsanwaltskammer entsprechende Feststellungen zur tatsächlichen Gewährleistung der Weisungsunabhängigkeit getroffen werden können. Hierauf kommt es vorliegend nicht an. Der Beigeladene hat in der mündlichen Verhandlung ausgeführt, dass er seit seiner Anstellung im September 2015 die dargestellten Tätigkeiten ausübe, die sich inhaltlich nicht verändert hätten. Die anfallenden Aufgaben könne er im Rahmen der jeweiligen Projekte der Gesellschaft hinsichtlich des praktischen Arbeitsablaufs weisungsfrei organisieren und strukturieren.

Der Beigeladene hat weiter anschaulich, nachvollziehbar und glaubhaft dargestellt, dass er die von ihm bearbeiteten Projekte wie zum S. und einzelnen Baufeldern eigenverantwortlich und ohne Weisungen umsetzen kann. Dies gilt sowohl für die inhaltliche Gestaltung und Verhandlung von Verträgen mit der Stadt Wolfsburg wie mit Käufern von Wohnungen. Bei dem Projekt B. würden beispielsweise 300 Wohnungen für den eigenen Bestand der Gesellschaft erstellt und die restlichen Immobilien an Investoren veräußert. Die entsprechenden Verhandlungen würden von ihm geführt und zum Abschluss gebracht. Dabei werde er eigenständig tätig und sei lediglich an die Projektvorgaben gebunden. Im Rahmen seiner restlichen Tätigkeit, die der Beigeladene mit einem Umfang von ca. 20 % bemisst, ist er vorwiegend mit Schadensereignissen und deren Abwicklung befasst. Hierbei gibt es für ihn jedoch keine inhaltlichen Vorgaben i.S.e. vom Konzern oder der Gesellschaft erstellten „Handbuchs“ oder ähnliches.

Vor diesem Hintergrund teilt der Senat die von der Klägerin in der mündlichen Verhandlung geäußerten Zweifel, wonach sich ein schlüssiges Bild nicht ergeben habe und die vertraglichen Ergänzungen nicht zum Arbeitsvertrag passten, nicht.

2. Unter Berücksichtigung der vorgelegten und für das Arbeitsverhältnis des Beigeladenen maßgeblichen Unterlagen sowie dessen persönlichen Angaben in der mündlichen Verhandlung ist der Senat der Überzeugung, dass der Beigeladene seine Tätigkeit bei der V. I. GmbH als Syndikus-Rechtsanwalt anwaltlich ausübt, und fachlich unabhängig sowie eigenverantwortlich die ihm obliegenden Tätigkeiten erfüllt.

IV.

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 112c Absatz 1 BRAO, 154 Abs. 1 VwGO. Die außergerichtlichen Kosten des Beigeladenen sind gemäß § 162 Abs. 3 VwGO der Klägerin aufzuerlegen. Dies entspricht vorliegend der Billigkeit, weil der Beigeladene durch seinen Sachantrag ein Kostenrisiko eingegangen ist und zum anderen durch sein Vorbringen das Verfahren wesentlich gefördert hat (vgl. Eyermann, VwGO, 14. Aufl., § 162 Rn. 17; Kopp/Schenke, VwGO, 20. Aufl., § 162 Rn. 23). Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 112c Abs. 1 BRAO, 167 Abs. 1, 2 VwGO, 708 Nr. 11, 711 ZPO.

Die Festsetzung des Streitwerts hat seine rechtliche Grundlage in § 194 Abs. 1 BRAO, § 52 GKG.

Gründe, die Berufung zuzulassen, sind vorliegend nicht zu erkennen (§ 112e BRAO, 124 Abs. 2 VwGO).