Anwaltsgerichtshof Niedersachsen
Urt. v. 23.10.2017, Az.: AGH 10/17 (II 8/36)
Bibliographie
- Gericht
- AGH Niedersachsen
- Datum
- 23.10.2017
- Aktenzeichen
- AGH 10/17 (II 8/36)
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 2017, 54298
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- [keine Angabe]
Tenor:
Die Klage wird abgewiesen.
Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens.
Das Urteil ist wegen der Kosten ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar.
Der Kläger darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aufgrund dieses Urteils vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrags leistet.
Der Streitwert wird auf 50.000,00 Euro festgesetzt.
Gründe
I.
Der am ........... geborene Kläger ist seit dem 06.04.2004 zur Rechtsanwaltschaft zugelassen und betreibt in ... als Einzelanwalt eine Anwaltskanzlei.
Mit Beschluss vom 24.03.2017 hat das Amtsgericht - Insolvenzgericht - ... gemäß § 21 Abs. 2 Nr. 1 InsO die vorläufige Verwaltung des Vermögens des Klägers angeordnet und Rechtsanwalt ... zum (vorläufigen) Insolvenzverwalter bestellt. Weiter sind gemäß § 21 Abs. 2 Nr. 2 und 3 InsO ein Zustimmungsvorbehalt angeordnet und Maßnahmen der Zwangsvollstreckung untersagt worden. Der Insolvenzverwalter soll gemäß § 22 Abs. 2 InsO das Vermögen des Klägers sichern und erhalten und seine Kanzlei bis zur Entscheidung über die Eröffnung des Insolvenzverfahrens mit dem Kläger fortführen (Anlage K2/Bl. 30 f. d. A.). Mit nachfolgendem Beschluss vom 01.09.2017 des Amtsgerichts ... ist nunmehr das Insolvenzverfahren über das Vermögen des Klägers eröffnet worden (Geschäfts-Nr.: 907 IN 127/17 - 7-).
Die Beklagte hat mit Bescheid vom 24.04.2017 (Anlage K1/Bl. 7 ff. d. A.), der dem Kläger am 25.04.2017 zugestellt worden ist (Bl. 1983 f. der Personalakte), die Zulassung des Klägers zur Rechtsanwaltschaft wegen Vermögensverfalls gemäß § 14 Abs. 2 Nr. 7 BRAO widerrufen. Sie stützt den Widerrufsbescheid darauf, dass der Kläger in das vom zentralen Vollstreckungsgericht gemäß § 882b ZPO zu führende Schuldverzeichnis eingetragen sei:
Wegen „Nichtabgabe der Vermögensauskunft“ besteht zum Aktenzeichen DR II 1245/16 eine Eintragung, die einen Vollstreckungsbescheid des Amtsgerichts ... vom 29.06.2016 über eine Forderung in Höhe von 506,87 Euro der ..., ..., betrifft.
Eine weitere Eintragung, ebenfalls wegen „Nichtabgabe der Vermögensauskunft“, liegt auf der Grundlage der Urkunde des Notars ... ..., ..., wegen einer Forderung in Höhe von 7.810,36 Euro der ... ..., ..., zum Aktenzeichen DR II 1391/16 vor.
Darüber hinaus verweist die Beklagte im Widerrufsbescheid auf vorliegende Vollstreckungsaufträge des Obergerichtsvollziehers ... ...
betreffend eine Forderung der ..., ..., auf der Grundlage des Vollstreckungsbescheids des Amtsgerichts ... vom 23.07.2013 über 16.312,29 Euro (DR II 359/17),
betreffend eine Forderung der ..., ..., auf der Grundlage einer notariellen Urkunde vom 13.04.2015 über 9.582,24 Euro (DR II 358/17),
betreffend eine Forderung der ..., ..., auf der Grundlage des Urteils des Amtsgerichts ... vom 02.06.2016 über 1.089,04 Euro (DR II 396/17),
betreffend eine Forderung der ..., ..., auf der Grundlage des Urteils des Landgerichts ... vom 23.09.2016 über 5.722,65 Euro (DR II 340/17),
betreffend eine Forderung des Herrn ..., ..., gemäß dem Beschluss des Amtsgerichts ... vom 30.01.2017 über 6.342,52 Euro (DR II 439/17),
betreffend eine Forderung der ..., ..., auf der Grundlage des Beitragsbescheids vom 20.04.2016 über 130,94 Euro (DR II 316/17),
betreffend eine Forderung der ..., ..., auf der Grundlage des Vollstreckungsbescheids des Amtsgerichts ... vom 09.01.2017 über 1.507,47 Euro (DR II 451/17),
betreffend eine Forderung der ... auf der Grundlage des Vollstreckungsersuchens der Gläubigerin vom 07.12.2016 über 1.003,88 Euro (DR II 1468/16),
betreffend eine Forderung der ..., ..., auf der Grundlage des Urteils des Amtsgerichts ... vom 29.09.2014 sowie des Kostenfestsetzungsbeschlusses des Amtsgerichts ... vom 13.11.2014 über 176,21 Euro (DR II 1497/16),
betreffend eine Forderung der ... ... auf der Grundlage der Urkunde des Notars ... ... vom 28.01.2013 über 3.000,00 Euro (DR II 107/17),
betreffend eine Forderung der Frau ... ..., ..., auf der Grundlage des Urteils des Arbeitsgerichts ... vom 05.01.2017 über 203,55 Euro (DR II 519/17).
Schließlich nimmt die Beklagte für den von ihr angenommenen Vermögensverfall Bezug auf eine Auflistung diverser offener Forderungen in einer Gesamthöhe von 155.157,78 Euro. Hinsichtlich der Einzelheiten wird auf die Aufstellung Seite 5 - 20 des Widerrufsbescheids verwiesen.
Mit weiterem Bescheid vom 12.07.2017 hat die Beklagte die sofortige Vollziehung ihrer Widerrufsverfügung angeordnet, weil diese im überwiegenden öffentlichen Interesse zur Abwehr einer konkreten Gefährdung von Fremdgeldern erforderlich sei. Nach einem Strafbefehl der Staatsanwaltschaft ... vom 26.05.2017 (Geschäfts-Nr.: NZS 1141 Js 63711/16 / vgl. a. Bl. 3 ff. Anl.hefter MiStrA) habe der Kläger Fremdgelder nicht weitergeleitet. Am 13.05.2016 sei der dem Auftraggeber ... zustehende Erbanteil in Höhe von 10.972,46 € auf ein Rechtsanwaltssammelanderkonto des Klägers überwiesen, aber nicht weitergeleitet worden. Ein ebenfalls am 13.05.2016 aufgrund eines mit Frau ... ... bestehenden Mandatsverhältnisses gutgeschriebener Betrag in Höhe von 3.000,00 €, der von der Vermieterin für diese gezahlt worden sei, sei ebenfalls nicht weitergeleitet worden. Stattdessen habe der Kläger zwischen dem 13. und 20.05.2016 insgesamt 16.950 € von dem Anderkonto auf sein Privatkonto bei der ... ... transferiert und das Geld für eigene Zwecke verbraucht. Indem der Kläger mit Schreiben vom 30.06. und 05.07.2017 auf die Möglichkeit der §§ 153, 153a StPO hingewiesen habe, habe er den Schuldvorwurf eingeräumt. Daneben seien auch Gelder, welche die ... am 17.08, 08. 09. und 06.11.2015 in Höhe von insgesamt 1.530,15 € für Mandanten des Klägers, das Ehepaar ..., an den Kläger gezahlt habe, nicht weitergeleitet wurden.
Im Rahmen der Anhörung des Klägers durch die Beklagte im Widerrufsverfahren hat der Kläger mit Schreiben vom 19.04.2017 einen Sanierungsplan für seine Kanzlei vorgelegt, der einen Forderungsgesamtbetrag von 72.920,61 Euro umfasst, auf den monatlich Zahlungen von insgesamt 1.500,00 Euro erfolgen sollen (Bl. 1955 ff. der Personalakte). Ferner ist neben einem mit der Ehefrau des Klägers abgeschlossenen Darlehensvertrag vom 18.04.2017 über einen Kreditbetrag in Höhe von 5.000,00 Euro (Bl. 1952 der Personalakte) die Kopie einer Urkunde eingereicht worden, in welcher die Ehefrau des Klägers erklärt, sämtliche privaten Kosten der Familie zu tragen, um auf diese Weise ihren Ehemann bei der finanziellen Sanierung seiner Anwaltskanzlei finanziell zu unterstützen (Bl. 1951 der Personalakte).
Gegen den Widerrufsbescheid hat der Kläger mit am 26.05.2017 bei Gericht per Telefax eingegangenem Anwaltsschriftsatz Anfechtungsklage erhoben.
Er meint, die Vermutung des Vermögensverfalls sei zwischenzeitlich widerlegt, die Interessen der Rechtssuchenden seien nicht gefährdet. Dazu verweist er auf die vom Insolvenzgericht ... mit Beschluss vom 24.03.2017 getroffenen Anordnungen, die gewährleisteten, dass keinerlei Vollstreckungsmaßnahmen in das Vermögen des Klägers erfolgten.
Der Kläger beabsichtige gemeinsam mit dem vorläufigen Insolvenzverwalter die Durchführung eines Insolvenzplans nach den §§ 219 ff. InsO. Derzeit sei er mit der Herstellung der Liquiditätsplanung befasst und befinde sich insoweit mit dem vorläufigen Insolvenzverwalter in enger Abstimmung. Weiter seien zur Vorbereitung eines möglichen Insolvenzplanverfahrens sämtliche Gläubiger auf die Möglichkeit zur Fortführung einer Teilzahlungsvereinbarung hingewiesen worden, wozu der Kläger auf das Anlagenkonvolut K3 (Bl. 32 ff. der Akte) Bezug nimmt. Darin weist der Kläger die Gläubiger darauf hin, dass die Insolvenzverwaltung voraussichtlich Ende Mai 2017 beendet sein werde und er die Zahlungen danach an die Gläubiger fortführen wolle, wobei eine monatliche Gesamtbelastung der Kanzlei von 1.500,00 Euro nicht überschritten werden dürfe.
Der Kläger beantragt,
den Widerruf der Zulassung zur Rechtsanwaltschaft gemäß § 14 Abs. 2 Nr. 7 BRAO wegen Vermögensverfalls durch die Beklagte zulasten des Klägers vom 24.04.2017, zugegangen am 25.04.2017, - Anlage K1 - zurückzunehmen.
Die Beklagte beantragt,
die Klage vom 26.05.2017 abzuweisen.
Sie verweist inhaltlich auf ihren Bescheid vom 24.04.2017.
Die von der Beklagten geführten Personalakten nebst Sammelhefter MiStra/MiZi haben vorgelegen und sind Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen.
II.
1. Da der Kläger im Termin zur mündlichen Verhandlung am 23.10.2017 nicht erschienen ist und auch nicht durch einen Prozessbevollmächtigten vertreten war, hat der Senat gemäß § 102 Abs. 2 VwGO ohne den Kläger verhandelt und entschieden.
Der Kläger ist mit ihm am 13.09.2017 zugestellter Ladung (ZU Bl. 111 d. A.) ordnungsgemäß zum Termin zur mündlichen Verhandlung am 23.10.2017 geladen und dabei darauf hingewiesen worden, dass auch ohne sein Erscheinen verhandelt werden könne.
Seinem Terminaufhebungsantrag vom 20.10.2017 brauchte nicht entsprochen zu werden; gleiches gilt für den Terminaufhebungsantrag im Legitimationsschriftsatz seines Prozessbevollmächtigten, Rechtsanwalt ..., vom selben Tage. Gemäß §§ 112c Abs. 1 S. 1 BRAO, 173 S. 1 VwGO, 227 Abs. 1 S. 1 u. Abs. 2 ZPO kann ein Termin aus erheblichen Gründen aufgehoben oder verlegt werden, wobei die erheblichen Gründe auf Verlangen des Vorsitzenden glaubhaft zu machen sind. Dies ist nicht geschehen. Der Kläger hat seinem Antrag lediglich eine Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung beigefügt und damit eine seine Teilnahme am Termin ausschließende Erkrankung nicht ausreichend glaubhaft gemacht. In diesem Zusammenhang ist er bereits in der Ladung vom 08.09.2017 (Bl. 96 d. A.) darauf hingewiesen worden, dass der Nachweis im Falle einer Erkrankung durch ein aussagekräftiges, ausführliches amtsärztliches Attest, welches die Beeinträchtigung im Einzelnen anführe und aus dem sich ergebe, dass eine Mitwirkung an einer mündlichen Verhandlung gänzlich ausgeschlossen sei, zu führen sei. Daran fehlt es ebenso wie an der weiter geforderten Mitteilung seines ausdrücklichen Erscheinenswunsches, wobei hier dahinstehen kann, ob es, da der Kläger zu diesem Zeitpunkt noch nicht durch einen Prozessbevollmächtigten vertreten war, einer solchen Mitteilung bedurfte.
Der Terminaufhebungsantrag des Prozessbevollmächtigten des Klägers nennt keinen erheblichen Grund, der eine Terminverlegung hätte erforderlich machen können.
2. Die Anfechtungsklage ist zulässig, insbesondere fristgerecht eingereicht (§§ 112a Abs. 1, 112 Abs. 1 BRAO i. V. m. §§ 42 Abs. 1, 47 Abs. 1 VwGO). In der Sache erweist sie sich jedoch als unbegründet. Die Beklagte hat die Zulassung des Klägers zur Rechtsanwaltschaft mit Bescheid vom 24.04.2017 zu Recht gemäß § 14 Abs. 2 Nr. 7 BRAO widerrufen. Der Bescheid ist formell und materiell rechtmäßig ergangen.
Die Zulassung eines Rechtsanwalts zur Rechtsanwaltschaft ist gemäß § 14 Abs. 2 Nr. 7 BRAO zu widerrufen, wenn der Rechtsanwalt in Vermögensverfall geraten ist, es sei denn, dass dadurch die Interessen der Rechtssuchenden nicht gefährdet sind. Ein Vermögensverfall wird kraft Gesetzes vermutet, wenn ein Insolvenzverfahren über das Vermögen des Rechtsanwalts eröffnet oder der Rechtsanwalt in das vom Insolvenzgericht oder vom Vollstreckungsgericht zu führende Verzeichnis (§ 26 Abs. 2 InsO, § 882b ZPO) eingetragen ist.
Hieran gemessen sind die Voraussetzungen für den Widerruf der Zulassung des Klägers zur Rechtsanwaltschaft gegeben.
a) Da mit Beschluss des Amtsgerichts ... vom 01.09.2017 das Insolvenzverfahren über das Vermögen des Klägers eröffnet worden ist, liegt nach der gesetzlichen Regelung an sich auch ein Vermögensverfall vor. Allerdings können Vorgänge, die sich erst nach Erlass des Verwaltungsaktes ereignet haben, im anwaltsgerichtlichen Verfahren grundsätzlich nicht berücksichtigt werden (Henssler/Prütting, BRAO, 4. Aufl., § 14 Rn. 80). Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ist für die Beurteilung der Rechtmäßigkeit des Widerrufs auf den Zeitpunkt des Abschlusses des behördlichen Widerrufsverfahrens abzustellen. Danach eingetretene Entwicklungen bleiben grundsätzlich der Beurteilung in einem Wiederzulassungsverfahren vorbehalten (vgl. z. B. BGH, Beschluss vom 29.11.2011 - AnwZ (Brfg) 11/10, BGHZ 190,187). War der Widerruf in dem Zeitpunkt, als er ausgesprochen wurde, nicht berechtigt, kann er zu Lasten des Rechtsanwalts nicht auf einen Widerrufsgrund gestützt werden, der sich erst danach ergeben hat (BGH, Beschluss vom 18.10.2004 – AnwZ (B) 10/04, AnwBl 2005, 217; Feuerich/Weyland, BRAO, 9. Aufl., § 14 Rn 105a).
Hier erweist sich der Widerrufsbescheid unabhängig von der Eröffnung des Insolvenzverfahrens als rechtmäßig.
aa) Zum maßgeblichen Zeitpunkt war zwar kein Insolvenzverfahren über das Vermögen des Klägers eröffnet, sondern gemäß Beschluss des Amtsgerichts - Insolvenzgericht - ... vom 24.03.2017 lediglich ein Insolvenzantragsverfahren mit der Anordnung der vorläufigen Verwaltung des Vermögens des Klägers. Der Kläger war aber im Schuldnerverzeichnis eingetragen, und zwar zu den Aktenzeichen DR II 1245/16 und DR II 1391/16 jeweils mit dem Eintragungsgrund „Nichtabgabe der Vermögensauskunft“. Auch aufgrund dieser Eintragungen bestand die gesetzliche Vermutung des Vermögensverfalls.
bb) Unabhängig hiervon liegt ein Vermögensverfall vor, wenn der Rechtsanwalt in ungeordnete, schlechte finanzielle Verhältnisse geraten ist, die er in absehbarer Zeit nicht ordnen kann, und er außerstande ist, seinen Verpflichtungen nachzukommen. Beweisanzeichen hierfür sind etwa die Erwirkung von Schuldtiteln und Vollstreckungsmaßnahmen (std. Rspr., vgl. z. B. BGH, Beschluss vom 25.03.1991 - AnwZ (B) 80/90, NJW 1991 2083; ders., Beschluss vom 30.05.2017 - AnwZ (Brfg) 16/17, m. w. N.).
Auch diese Voraussetzungen liegen mit Blick auf die Vielzahl den Kläger betreffenden Vollstreckungsaufträge vor, die zum Teil auch geringfügige Forderungen im Bereich von 100,00 Euro bis 200,00 Euro betreffen. Gerade der Umstand, dass es der Kläger sogar wegen vergleichsweise geringer Verbindlichkeiten zu Zwangsvollstreckungsmaßnahmen hat kommen lassen, spricht für einen Vermögensverfall (vgl. BGH, Beschluss vom 30.01.2017 - AnwZ (Brfg) 61/16, zitiert nach Juris).
b) Um die gesetzliche Vermutung des Vermögensverfalls zu widerlegen, muss der Rechtsanwalt, der im Schuldnerverzeichnis eingetragen ist, ein vollständiges und detailliertes Verzeichnis seiner Gläubiger und Verbindlichkeiten vorlegen und - ggf. unter Vorlage eines nachvollziehbaren bzw. realistischen Tilgungsplans - dartun, dass seine Vermögens- und Einkommensverhältnisse bezogen auf den maßgeblichen Zeitpunkt des Widerrufsbescheids nachhaltig geordnet sind (vgl. z. B. BGH, Beschluss vom 04.04.2012 - AnwZ (Brfg) 1/12, zitiert nach Juris; ders., Beschluss vom 29.07.2016, AnwZ (Brfg) 9/16, zitiert nach Juris).
Dies hat der Kläger nicht getan. Der im Anhörungsverfahren mit Schreiben vom 19.04.2017 vorgelegte Sanierungsplan erfasst weder sämtliche Gläubiger (so fehlen etwa die Forderung der ... ... über 1.003,88 Euro (DR II 1468/16) oder die Forderung der Frau ... ... über 203,55 Euro (DR II 519/17) sowie auch der Kammerbeitrag 2017 in Höhe von 348,00 Euro) noch ist etwas für die Zustimmung der Gläubiger zu diesem Plan ersichtlich.
Die finanzielle Unterstützung des Klägers durch seine Ehefrau führt zu keiner anderen Bewertung. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs kommt es darauf an, ob dem Kläger liquide Vermögenswerte zur Verfügung stehen (vgl. BGH, Beschluss vom 29.07.2016, AnwZ (Brfg) 9/16, zitiert nach Juris). Daran fehlt es bei einer vagen Zusage von Unterstützung, deren Erfüllung auch von der Leistungsbereitschaft und dem - nicht bekannten - Leistungsvermögen der Ehefrau des Klägers abhängt. In Bezug auf den mit der Ehefrau des Klägers geschlossenen Darlehnsvertrag vom 18.04.2017 (Bl. 1952 der Personalakte) über einen Kreditbetrag in Höhe von 5.000,00 Euro ist nicht bekannt, ob es zur Auszahlung gekommen ist. Unabhängig hiervon reicht dieser Betrag aber auch bei weitem nicht aus, um die erheblichen Verbindlichkeiten des Klägers abzudecken.
c) Nach der in § 14 Abs. 2 Nr. 7 BRAO zum Ausdruck kommenden gesetzgeberischen Wertung ist mit dem Vermögensverfall eines Rechtsanwalts grundsätzlich auch eine Gefährdung der Interessen der Rechtssuchenden verbunden.
aa) Im vorrangigen Interesse der Rechtssuchenden kann diese nur in seltenen Ausnahmefällen verneint werden, wobei den Rechtsanwalt die Feststellungslast trifft. Die Annahme einer derartigen Sondersituation setzt jedoch zumindest voraus, dass der Rechtsanwalt seine anwaltliche Tätigkeit nur noch für eine Rechtsanwaltssozietät ausübt und mit dieser rechtlich abgesicherte Maßnahmen verabredet hat, die eine Gefährdung der Mandanten effektiv verhindern (vgl. BGH, Beschluss vom 17.03.2016 - AnwZ (Brfg) 6/16, zitiert nach Juris; ders., Beschluss vom 08.06.2016 - AnwZ (Brfg) 18/16). Dabei legt der Bundesgerichtshof besonderen Wert auf die Überprüfung der Einhaltung der Beschränkungen durch die Sozietätsmitglieder. Wesentlich ist, dass effektive Kontrollmöglichkeiten bestehen, wobei es letztlich immer einer ausreichend engen tatsächlichen Überwachung bedarf, die gewährleistet, dass der Rechtsanwalt nicht bzw. nicht unkontrolliert mit Mandantengeldern in Berührung kommt (vgl. BGH, Beschluss vom 05.09.2012 - AnwZ (Brfg) 26/12, NJW-RR 2013, 175).
Auch diesen in der höchstrichterlichen Rechtsprechung gestellten Anforderungen genügt der Kläger nicht. Er hat seine Einzelpraxis bezogen auf den maßgeblichen Zeitpunkt der Widerrufsverfügung gerade nicht aufgegeben und ist weiter als Einzelanwalt tätig.
Der im Verfahren AGH 22/17 (betrifft den Antrag des Klägers auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung der Anfechtungsklage) vorgelegte Anstellungsvertrag vom 13.09.2017, wonach der Kläger ab dem 01.10.2017 als Angestellter des Rechtsanwalts ... ..., ..., tätig sein will, liegt nach dem maßgeblichen Zeitpunkt und bleibt unberücksichtigt. Er enthält im Übrigen auch keine rechtlich abgesicherten Maßnahmen im vorbeschriebenen Sinne.
bb) Stattdessen beruft sich der Kläger für seine Ansicht, es fehle an einer Gefährdung der Mandanteninteressen, auf die im Beschluss des Insolvenzgerichts vom 24.03.2017 getroffenen Sicherungsanordnungen. Diese Argumentation vermag indes nicht zu überzeugen.
(1) Die Interessenlage liegt ähnlich wie bei der Eröffnung eines Insolvenzverfahrens. Auch hier verliert der Schuldner die Verfügungsbefugnis über sein Vermögen (§ 80 Abs. 1 InsO), während gleichzeitig Zwangsvollstreckungen einzelner Insolvenzgläubiger in die Insolvenzmasse ausgeschlossen sind (§ 89 Abs. 1 InsO). Dennoch entfällt eine Gefährdung der Interessen der Rechtssuchenden nicht schon durch die Insolvenzeröffnung und die damit eintretende Verfügungsbeschränkung des Insolvenzschuldners (vgl. BGH, Beschluss vom 31.05.2010 - AnwZ (B) 27/09, ZInsO 2010, 1380). Da das Gesetz den Vermögensverfall des Rechtsanwalts im Falle der Eröffnung eines Insolvenzverfahrens über sein Vermögen vermutet (§ 14 Abs. 2 Nr. 7 BRAO), ist nach der darin zum Ausdruck kommenden Wertung des Gesetzgebers mit dem Vermögensverfall des Rechtsanwalts grundsätzlich auch eine Gefährdung der Interessen der Rechtssuchenden verbunden, die auch im Falle der Insolvenzeröffnung nur verneint werden kann, wenn der Rechtsanwalt seine anwaltliche Tätigkeit nur noch für eine Rechtsanwaltssozietät ausübt und mit dieser rechtlich abgesicherte Maßnahmen verabredet, die eine Gefährdung der Mandanten effektiv verhindern (vgl. BGH, Beschluss vom 29.12.2016 - AnwZ (Brfg) 53/16, NJW 2017, 1181 [BGH 13.09.2016 - VII ZR 17/14]).
Die vom Insolvenzgericht angeordneten Sicherungsmaßnahmen ändern im Ergebnis nichts daran, dass die Interessen der Mandanten zwar möglicherweise nicht durch einen Zugriff der Gläubiger, aber in anderer Weise gefährdet sind, weil der Rechtsanwalt angesichts der eingetretenen Verfügungsbeschränkung nicht mehr in der Lage ist, sich funktionsgerecht um die Wahrnehmung der Mandate zu kümmern (vgl. Schmidt-Räntsch in: Gaier/Wolf/Göcken, Anwaltliches Berufsrecht, 2. Auflage, § 14 RN. 41 a. E.). Auch sind die Interessen der Mandanten regelmäßig schon deshalb gefährdet, weil sie - vorbehaltlich ihres guten Glaubens - das Honorar nicht befreiend an den Auftragnehmer zahlen können (Feuerich/Weyland/Vossebürger; BRAO, 9. Auflage, § 14 RN. 63).
(2) Eine Widerlegung der gesetzlichen Vermutung des Vermögensverfalls bei gleichzeitiger Annahme der Ordnung der Vermögensverhältnisse nimmt der Bundesgerichtshof in derartigen Fällen erst dann an, wenn dem Schuldner entweder durch Beschluss des Insolvenzgerichts die Restschuldbefreiung angekündigt wurde oder ein vom Insolvenzgericht bestätigter Insolvenzplan (§ 248 InsO) oder angenommener Schuldenbereinigungsplan (§ 308 InsO) vorliegt, bei dessen Erfüllung der Schuldner von seinen übrigen Forderungen gegenüber den Gläubigern befreit wird (vgl. a. dazu BGH, Beschluss vom 29.12.2016, a. a. O.).
Daran fehlt es, weil der Kläger einen solchen Insolvenzplan bislang zwar anstrebt, dieser aber noch nicht vorliegt, geschweige denn vom Insolvenzgericht bestätigt worden ist. Dass der Kläger im Insolvenzverfahren mit dem Verwalter kooperiert, reicht dagegen nicht aus, um die Interessen der Rechtssuchenden nicht als gefährdet anzusehen (vgl. BGH, Beschluss vom 03.09.2013 - AnwZ (B) 23/09, zitiert nach Juris).
Unabhängig hiervon trägt der Kläger am Ende der Klageschrift selbst vor, dass er sich „in Kürze“ wieder in geordneten Vermögensverhältnissen befinden werde, so dass dies derzeit nicht der Fall ist und zum maßgeblichen Zeitpunkt des Erlasses des Widerrufsbescheids auch nicht der Fall war. Dass die Maßnahmen zur Sanierung seiner wirtschaftlichen Verhältnisse inzwischen weit fortgeschritten sein mögen und es möglicherweise zeitnah zum Abschluss eines Insolvenzplans kommt, ist ohne Bedeutung. Wie bereits ausgeführt, ist maßgeblicher Zeitpunkt der Abschluss des behördlichen Widerrufsverfahrens, so dass spätere Entwicklungen im Rahmen eines Wiederzulassungsverfahrens geltend zu machen sind (vgl. BGH, Beschluss vom 17.03.2016 - AnwZ (Brfg) 6/16, RN. 8, zitiert nach Juris).
d) Nach alledem bestand im Zeitpunkt der Widerrufsverfügung die Vermutung des Vermögensverfalls, so dass die Beklagte zu Recht die Zulassung des Klägers zur Rechtsanwaltschaft widerrufen hat und die Klage abzuweisen ist.
3. Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 112c Abs. 1 BRAO, 154 Abs. 1 VwGO; die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit ergibt sich aus den §§ 112c Abs. 1 BRAO, 167 Abs. 1 u. 2 VwGO, 708 Nr. 11, 711 ZPO.
4. Gründe zur Zulassung der Berufung gemäß den §§ 112c Abs. 1, 112e BRAO i. V. m. §§ 124 Abs. 2, 124a Abs. 1 Satz 1 VwGO bestehen nicht.
5. Die Festsetzung des Streitwerts beruht auf § 194 Abs. 2 Satz 1 BRAO.