Oberverwaltungsgericht Niedersachsen
Urt. v. 03.03.1992, Az.: 7 L 121/90
Atomrechtliche Genehmigung; Aufhebung; Verfahrensfehler; Einwender; Entscheidungsalternativen; Versagungsermessen; Nebenbestimmung; Menschliches Versagen; Strahlenschutzkommission ; Reaktorsicherheitskommission; Leitlinien; Empfehlungen; Regelwerke; Vorsorge
Bibliographie
- Gericht
- OVG Niedersachsen
- Datum
- 03.03.1992
- Aktenzeichen
- 7 L 121/90
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 1992, 13301
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:OVGNI:1992:0303.7L121.90.0A
Verfahrensgang
- vorgehend
- VG Oldenburg 14.12.1989 - 3 OS A 20/87
- VG Oldenburg - 14.12.1989 - AZ: 3 OS A 20/87
- nachfolgend
- BVerwG - 12.07.1993 - AZ: BVerwG 7 B 114.92
Rechtsgrundlagen
- § 46 VwVfG
- § 7 Abs. 2 Nr. 3 AtG
- § 28 Abs. 3 S. 4 StrlSchV
Fundstelle
- RdE 1993, 113
Amtlicher Leitsatz
1. Eine atomrechtliche Genehmigung ist nicht allein deswegen aufzuheben, weil der Kläger verfahrensfehlerhaft an der Wahrnehmung seiner Rechte als Einwender im Genehmigungsverfahren gehindert war; hierfür ist es unerheblich, daß für die Genehmigungsbehörde grundsätzlich Entscheidungsalternativen im Rahmen ihres Versagungsermessens oder bei der Festsetzung von Nebenbestimmungen bestehen.
2. Zur Frage des menschlichen Versagens als Gegenstand der Vorsorge und der Prüfung im atomrechtlichen Genehmigungsverfahren.
3. Die atomrechtliche Genehmigungsbehörde ist trotz der Tatsache, daß die Bildung der Strahlenschutzkommission, der Reaktorsicherheitskommission und des Kerntechnischen Ausschusses sowie die Auswahl ihrer Mitglieder nicht durch Gesetz oder Verordnung geregelt sind und die letztere nicht nach gruppenorientiert-pluralistischen Gesichtspunkten erfolgt, nicht gehindert, die von ihnen beschlossenen Leitlinien, Empfehlungen und Regelwerke bei der Beurteilung der nach § 7 Abs 2 Nr 3 des Atomgesetzes zu treffenden Vorsorge zugrundezulegen.
Tenor:
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Oldenburg - 3. Kammer Osnabrück - vom 14. Dezember 1989 wird zurückgewiesen.
Der Kläger trägt die Kosten des Berufungsverfahrens einschließlich der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen.
Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar. Der Kläger kann die Vollstreckung durch Leistung einer Sicherheit in Höhe des festgesetzten Kostenerstattungsbetrages abwenden, wenn nicht der jeweilige Vollstreckungsgläubiger vor der Vollstreckung in gleicher Höhe Sicherheit leistet.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Der Kläger wendet sich gegen die Erste Teilgenehmigung für das Kernkraftwerk Emsland (KKE) in Lingen. Er ist Staatsangehöriger der Niederlande und wohnt in einer niederländischen Grenzgemeinde etwa 25 km vom Standort des Kernkraftwerks entfernt.
Am 17. August 1978 beantragte die Beigeladene zu 1) bei dem damals zuständigen Niedersächsischen Sozialminister, ihr die Genehmigung zur Errichtung und zum Betrieb eines Kernkraftwerkes mit Naturzugkühlturm und einem Druckwasserreaktor mit einer elektrischen Leistung von 1.300 MW im Industriepark Lingen-Süd zu erteilen. Später schloß sich die Rechtsvorgängerin der Beigeladenen zu 2) diesem Antrag an. Während des Genehmigungsverfahrens unterzeichnete der Kläger zusammen mit 350 niederländischen Bürgern eine Sammeleinwendung gegen das Vorhaben, in welcher die mangelnde Sicherheit des Kernkraftwerkes insbesondere gegen Einwirkungen von außen gerügt wurde. Unter Hinweis auf den auf das Gebiet der Bundesrepublik Deutschland beschränkten Wirkungsbereich des Atomgesetzes behandelte die Genehmigungsbehörde diese Eingabe nicht als Einwendung im Sinne der Atomrechtlichen Verfahrensverordnung (AtVfV). Als sich der Kläger und andere niederländische Bürger an dem in der Zeit vom 12. bis 15. Mai 1981 in Lingen veranstalteten Erörterungstermin beteiligen wollten, ließ sie der Veranstaltungsleiter nicht als "Einwender" zu, gestattete ihnen jedoch den Aufenthalt im Veranstaltungsraum. Der Kläger war allerdings schon vor Eröffnung des Erörterungstermins nach Hause zurückgekehrt.
Am 4. August 1982 erteilte der Niedersächsische Sozialminister den Beigeladenen die hier umstrittene "Erste atomrechtliche Teilgenehmigung zur Errichtung des Kernkraftwerks Emsland (KKE)". Die Genehmigung erstreckt sich auf die Errichtung einer Vielzahl im einzelnen bezeichneter Bauanlagen und Anlagenteile, darunter das Reaktorgebäude, der Sicherheitsbehälter, das Reaktorhilfsanlagengebäude, das Schaltanlagengebäude, das Maschinenhaus, die Kühlwasserbauwerke und der Kühlturm. Sie "schließt die Feststellung der Eignung des Standorts und des Konzepts (grundlegende Auslegungsmerkmale) der Anlage sowie ein vorläufiges positives Gesamturteil über die Anlage und ihren Betrieb ein". Wegen der Einzelheiten wird auf den Inhalt des Genehmigungsbescheides Bezug genommen.
Seither sind folgende weitere Genehmigungen ergangen:
- am 21. Mai 1984 die 1. Ergänzung und Änderung der Ersten atomrechtlichen Teilgenehmigung, welche weitere bauliche Anlagen sowie Änderungen genehmigter Anlagenteile im wesentlichen im Bereich der Kühlturmbauwerke zum Gegenstand hat;
- am 20. September 1984 die Zweite atomrechtliche Teilgenehmigung zur Errichtung des Kernkraftwerks Emsland, die sich im wesentlichen auf die betriebs- und kontrolltechnischen Komponenten der Anlage einschließlich des Reaktorschutzsystems und der Strahlen- und Aktivitätsüberwachung erstreckt; im Rahmen dieser Teilgenehmigung werden Festlegungen der Ersten Teilgenehmigung in der Weise geändert, daß u.a. die Anlagenauslegung an die neuen Bruchpostulate für Leitungen des Reaktorkühlsystems der Störfall-Leitlinien des Bundesministers des Innern angepaßt werden mit dem Ergebnis, daß die ursprünglich vorgesehenen Ausschlagsicherungen an den Hauptkühlmittelleitungen entfallen;
- am 4. Mai 1987 die Dritte atomrechtliche Teilgenehmigung zur Errichtung und zum Betrieb des Kernkraftwerks Emsland, welche u.a. den Umgang mit unbestrahlten Brennelementen bei ihrer Anlieferung und bei dem Beladen des Reaktors, den Warmprobebetrieb sowie Einrichtungen und Maßnahmen zur Anlagensicherung gestattet;
- die 1. Änderung der Dritten Teilgenehmigung vom 8. September 1987 genehmigte die Übertragung der bisherigen Rechte auf die jetzige Beigeladene zu 2);
- mit der Vierten atomrechtlichen Teilgenehmigung vom 30. März 1988 wurde den Beigeladenen der nukleare Probebetrieb sowie der Leistungsbetrieb gestattet.
Der Kläger hat am 1. Oktober 1982 gegen die Erste Teilgenehmigung Klage erhoben. Er hat zunächst geltend gemacht, der Genehmigungsbescheid sei fehlerhaft, weil ihm - dem Kläger - wesentliche Verfahrensrechte vorenthalten worden seien, indem der Beklagte seine Einwendungen nicht als solche im förmlichen Verfahren behandelt habe. Außerdem verletze die Genehmigung nachbarschützende Vorschriften. Er - der Kläger - wohne an einem Ort, an welchem bei einem "beherrschten Kühlmittelverlust-Störfall mit Leck im Sicherheitsbehälter" bei bestimmten Ausbreitungsbedingungen mit einer Bodenstrahlung von mehr als 5 rem zu rechnen sei. Dieser Ereignisablauf hätte der Auslegung der Anlage zugrunde gelegt werden müssen.
Der Kläger hat beantragt,
die Erste atomrechtliche Teilgenehmigung zur Errichtung des Kernkraftwerks Emsland vom 4. August 1982 aufzuheben.
Der damalige Beklagte und die Beigeladenen haben beantragt,
die Klage abzuweisen.
Durch Urteil vom 23. Januar 1985 hat das Verwaltungsgericht die Klage als unzulässig abgewiesen, da dem Kläger die Klagebefugnis fehle. Wegen der auf das Bundesgebiet begrenzten Wirkung der angefochtenen Teilgenehmigung sei er nicht in seinen Rechten betroffen.
Auf die von dem Verwaltungsgericht zugelassene Sprungrevision des Klägers hat das Bundesverwaltungsgericht mit Urteil vom 17. Dezember 1986 die Entscheidung des Verwaltungsgerichts aufgehoben und die Sache zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an dieses Gericht zurückverwiesen. Ausgehend von der Erkenntnis, daß der durch die Vorschriften des Atomrechts vermittelte Drittschutz nicht auf im Inland wohnende Betroffene beschränkt sei, hat das Bundesverwaltungsgericht festgestellt, dem Kläger sei durch das Verhalten der Genehmigungsbehörde die Möglichkeit genommen worden, seine zunächst nur pauschal vorgebrachten Einwendungen gegen das Vorhaben anhand von Gegenvorbringen zu überprüfen, zu modifizieren oder auch fallenzulassen; ihm sei damit ein wesentlicher Teil des (vorgezogenen) Rechtsschutzes vorenthalten worden, den ihm sein Beteiligungsrecht am Genehmigungsverfahren habe sichern sollen. Dies rechtfertige es, an sein Klagevorbringen, soweit seine materielle Rechtsbetroffenheit in Rede stehe, nur geringe Anforderungen zu stellen. Diesen Anforderungen genüge das Vorbringen des Klägers. Ob die von ihm befürchteten Gefahren tatsächlich vorlägen, betreffe nicht mehr die Zulässigkeit der Klage, sondern sei nur von Bedeutung für die vom Verwaltungsgericht zu prüfende Frage, ob die Klage begründet sei.
Im erneuten Verfahren vor dem Verwaltungsgericht hat der Kläger geltend gemacht:
Die Genehmigung sei schon wegen des von dem Bundesverwaltungsgericht festgestellten Verfahrensfehlers aufzuheben. Hätte der Beklagte ihn - den Kläger - zur mündlichen Erörterung seiner Einwendungen zugelassen, so hätte er darauf hingewiesen, daß der grenznahe Standort des Kernkraftwerks im Hinblick auf das Unrecht, welches die Nationalsozialisten dem niederländischen Volk angetan hätten, angreifbar sei und daß zudem die Gefahr bestehe, daß sein Wohnort in einem in die Bundesrepublik Deutschland hineinragenden Landzipfel im Katastrophenfall vergessen würde. Wären diese Gesichtspunkte im Erörterungstermin zur Sprache gekommen, so hätte die Genehmigungsbehörde sie möglicherweise in ihre Ermessenserwägungen einbezogen und die Genehmigung deswegen versagt.
Der Genehmigungsbescheid sei auch materiell fehlerhaft, da die nach dem Stand von Wissenschaft und Technik erforderliche Vorsorge gegen Schäden durch die Anlage nicht getroffen worden sei. Die Genehmigungsbehörde habe das Risikopotential menschlichen Fehlverhaltens nicht hinreichend ermittelt und bewertet. Sie habe weder die psychischen, sozialen und ökonomischen Ursachen menschlichen Fehlverhaltens in Betracht gezogen noch Überlegungen dazu angestellt, wie wahrscheinlich verhaltensverursachte Unfälle seien und durch welche konkreten Sicherheitsvorkehrungen das Risiko derartiger Unfälle auf einen hinzunehmenden Rest verringert werden könne. Die Genehmigung leide daher an einem Ermittlungs- und Bewertungsdefizit. Entsprechendes gelte für die von der Genehmigungsbehörde berücksichtigten nukleartechnischen Regeln und Richtlinien. Sollte diese Vernachlässigung des menschlichen Fehlverhaltens mit § 7 Abs. 2 AtomG vereinbar sein, so sei diese Vorschrift verfassungswidrig, weil sie unter Verstoß gegen das Zitiergebot das Recht auf Leben und körperliche Unversehrtheit einschränke.
Auch in technischer Hinsicht genüge die Anlage nicht den Sicherheitsanforderungen. Das Konzept der Basissicherheit sei wegen der Unmöglichkeit, zuverlässige Aussagen über das Materialverhalten unter den Betriebsbedingungen eines Reaktordruckbehälters zu erhalten, nicht realisierbar. Basissicherheit sei auch wegen des Risikos menschlichen Fehlverhaltens nicht zu gewährleisten. Deswegen bedeute der Verzicht auf Ausschlagsicherungen an den Hauptkühlmittelleitungen und Speisewasserleitungen durch die Zweite Teilgenehmigung einen Verlust an Sicherheit. Die Eintrittswahrscheinlichkeit für den doppelendigen Bruch der Hauptkühlmittel- oder Speisewasserleitung (2F-Bruch) sei wegen der Mängel des Basissicherheits-Konzepts höher als bisher angenommen und keineswegs als Restrisiko anzusehen. Der Wegfall der Ausschlagsicherungen mache einen solchen Leitungsbruch unbeherrschbar. Obwohl er - der Kläger - die Zweite Teilgenehmigung nicht angefochten habe, dürfe er den Wegfall der Ausschlagsicherungen rügen, weil insoweit die Erste Teilgenehmigung geändert worden sei. - Diese sei auch deswegen rechtswidrig, weil sie nicht die baulichen Voraussetzungen für den jederzeitigen Einbau eines Gebäudesprühsystems fordere. Ferner träfen die Annahmen der Genehmigungsbehörde über das Versagen des Containments bei einem Auslegungsstörfall und einem Kernschmelzunfall nicht zu. Ein Kernschmelzunfall führe zu erheblich höheren Freisetzungen als bisher angenommen, weil Direct Heating oder Wasserstoffexplosionen das Containment frühzeitig leckschlagen könnten. - Das Bersten des Reaktordruckbehälters mit dem daraus folgenden großen Leck im Containment sei wegen der Mängel des Basissicherheitskonzepts nicht als bloßes Restrisiko anzusehen. Wenn eine Berstsicherung keinen Sicherheitsgewinn bringe, sei ein Kernkraftwerk von der Größe des KKE unzulässig.
Die erforderliche Vorsorge gegen Gefahren aus der Anlage sei auch insofern nicht getroffen, als die angefochtene Genehmigung hinsichtlich der zur Verfügung stehenden Entsorgungsmöglichkeiten von völlig illusorischen Erwartungen ausgehe. Daher würden sich die abgebrannten Brennelemente sowie die schwach- und mittelradioaktiven Abfälle auf dem Anlagengelände stauen.
Der Kläger hat seinen Klageantrag wiederholt und hilfsweise beantragt,
das Verfahren auszusetzen und gemäß Art. 100 GG die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts darüber einzuholen, ob § 7 AtomG wegen Verstoßes gegen Art. 2 Abs. 2, 19 Abs. 1 Satz 2 GG sowie gegen den Parlamentsvorbehalt (Wesentlichkeitsprinzip) verfassungswidrig sei.
Der Beklagte und die Beigeladenen haben beantragt,
die Klage abzuweisen und den Aussetzungs- und Vorlageantrag abzulehnen.
Sie haben erwidert: Es fehle an dem vom Kläger gerügten Verfahrensfehler. Dem Kläger sei die Teilnahme an dem Erörterungstermin nicht verwehrt worden. Nach anfänglichen Meinungsverschiedenheiten über die Zulassung niederländischer Staatsangehöriger als "Einwender" zu dem Erörterungstermin habe der Versammlungsleiter noch vor Beginn der Erörterungen zur Sache den anwesenden Niederländern Einlaß gewährt und ihnen Gelegenheit zur Äußerung gegeben. Nach dem Inhalt der von dem Kläger unterschriebenen Sammeleinwendung sei auszuschließen, daß dieser im Erörterungstermin etwas vorgetragen hätte, was nicht auch von anderen Einwendern vorgebracht und auch erörtert worden sei. Es sei daher auszuschließen, daß der vom Kläger gerügte Verfahrensfehler die Sachentscheidung in irgendeiner Weise beeinflußt hätte. Dies gelte insbesondere für die vom Kläger im Laufe des gerichtlichen Verfahrens vorgetragenen Einwendungen, die nicht zuvor schriftlich vorgetragen worden seien und daher nicht hätten Gegenstand der Erörterung sein können.
In materieller Hinsicht sei die angefochtene Teilgenehmigung nicht zu beanstanden. Insoweit sei der Kläger mit seinem Vorbringen ausgeschlossen, soweit es über den Inhalt der von ihm mitunterzeichneten Sammeleinwendung hinausgehe. Dies gelte für den Gesamtbereich des menschlichen Fehlverhaltens, die Forderung nach einem Gebäudesprühsystem und weitgehend für die Ausführungen zum technischen Anlagenkonzept. Unerheblich sei das Vorbringen, das sich auf Genehmigungsvoraussetzungen beziehe, die nicht dem Drittschutz dienten, wie etwa die Entsorgungsvorsorge. Im übrigen sei die nach dem Stand von Wissenschaft und Technik erforderliche Vorsorge gegen Schäden auch unter Berücksichtigung menschlichen Fehlverhaltens getroffen. Das Sicherheitskonzept sei schutzzielorientiert; es stelle unabhängig von den - technischen oder menschlichen - Fehlerursachen auf die Einhaltung der übergeordneten Schutzziele Abschaltung, Nachwärmeabfuhr und Radioaktivitätseinschluß ab. Die Ermittlungen und Bewertungen der Genehmigungsbehörde ließen sich nicht mit der Behauptung erschüttern, menschliches Fehlverhalten sei praktisch nicht auszuschließen.
Der Ereignisablauf "beherrschter Kühlmittelverlust-Störfall mit Leck im Sicherheitsbehälter", der nach den Gründen der Revisionsentscheidung allein Gegenstand einer Sachentscheidung sein könne, gehöre nicht zu den von den Störfall-Leitlinien des BMI vorgegebenen auslegungsbestimmenden Störfällen. Es handele sich dabei in Wahrheit um eine extrem seltene und daher dem Restrisiko zuzurechnende Kombination zweier Störfälle. Bei seinen sonstigen Störfallszenarien unterstelle der Kläger regelmäßig ein Schmelzen des Reaktorkerns, übersehe dabei jedoch, daß die Auslegung des Kernkraftwerks einen Schmelzunfall praktisch ausschließe. Die Anpassung der Bruchannahmen für Hauptkühlmittel- und Speisewasserleitungen, welche den Wegfall der Ausschlagsicherungen an diesen Leitungen ermöglicht habe, gehöre nicht zum Regelungsgegenstand der Ersten Teilgenehmigung. Die Entbehrlichkeit einer Berstsicherung sowie eines Gebäudesprühsystems sei wissenschaftlich geklärt.
Nach Erörterung des Sachverhalts mit den Beteiligten und Anhörung von Sachverständigen des Technischen Überwachungsvereins (TÜV) Hannover zu Einzelheiten des von ihnen erstellten Sicherheitsgutachtens zum Anlagenkonzept hat das Verwaltungsgericht durch Urteil vom 14. Dezember 1989 die Klage abgewiesen. Im Hinblick auf die Zulässigkeit der Klage einschließlich der Klagebefugnis hat sich das Gericht durch das Revisionsurteil gebunden gesehen. Es hat jedoch die Klage für unbegründet erachtet.
Der Klageanspruch lasse sich nicht auf einen Verfahrensfehler stützen. Zwar stelle die Entscheidung der Genehmigungsbehörde, Bürger aus den Niederlanden nicht als "Einwender" zuzulassen, einen Verfahrensfehler dar. Dieser rechtfertige jedoch nicht die Aufhebung der Genehmigung. Insoweit sehe sich die Kammer durch die zurückverweisende Entscheidung des Revisionsgerichts gebunden. Könnte bereits der vom Kläger geltend gemachte Verfahrensfehler eine Sachentscheidung zugunsten des Klägers tragen, so hätte das Bundesverwaltungsgericht entweder die Genehmigung aufgehoben oder die Sache zur Klärung der Frage zurückverwiesen, ob der behauptete Verfahrensfehler tatsächlich vorliege. Unabhängig hiervon sei der Verfahrensfehler nach § 46 VwVfG unschädlich, weil keine andere Entscheidung in der Sache hätte getroffen werden können. Ein Kausalitätszusammenhang zwischen Verfahrensfehler und Sachentscheidung setze voraus, daß nach den Umständen des jeweiligen Falles die konkrete Möglichkeit bestehe, daß ohne den Verfahrensmangel die Entscheidung anders ausgefallen wäre. Es beständen keine Anhaltspunkte dafür, daß für die Genehmigungsbehörde eine Entscheidungsalternative zur Verfügung gestanden hätte, wenn der Kläger die von ihm mit unterzeichneten Einwendungen selbst hätte erläutern können. Keines der drei von dem Kläger vorgetragenen Argumente hätte eine Versagung der Genehmigung in Anwendung des der Behörde nach § 7 AtomG eingeräumten Ermessens gerechtfertigt.
Die Genehmigung genüge auch ihren materiell-rechtlichen Voraussetzungen, soweit diese dem Schutz des einzelnen zu dienen bestimmt seien. Der Kläger sei zwar nicht mit Teilen seines Vorbringens ausgeschlossen. Alles, was er vortrage, um plausibel zu machen, daß ein Kernschmelzunfall mit den befürchteten Gefahren nicht völlig unwahrscheinlich sei, diene der Begründung seiner rechtzeitig erhobenen Einwendungen. Dies gelte sowohl im Hinblick auf menschliches Fehlverhalten als auch auf technisches Versagen in den von ihm aufgezeigten verschiedenen Erscheinungsformen. Der Kläger könne jedoch nicht damit gehört werden, daß bei dem KKE keine ausreichende Vorsorge zur Vermeidung und Beherrschung von Störfällen getroffen worden sei, weil das betrachtete Störfallspektrum unvollständig sei. Es genüge, daß die Konzeption der Anlage den "Sicherheitskriterien für Kernkraftwerke" vom 21. Oktober 1977 (BAnz. Nr. 206 vom 3. 11. 1977) und den "Störfall-Leitlinien" vom 18. Oktober 1983 (Beilage zum BAnz. Nr. 245 vom 31. 12. 1983) entspreche. Störfälle, gegen die ein Kernkraftwerk nach den Störfall-Leitlinien nicht ausgelegt zu werden brauche, lägen jenseits der Schwelle zum Restrisiko und damit außerhalb der richterlichen Bewertung im Drittanfechtungsstreit. Daran gemessen, sei die Kritik des Klägers am Sicherheitskonzept des KKE im Ansatz verfehlt, soweit sie die technischen und naturgesetzlichen Auswirkungen eines Kernschmelzunfalls auf die Integrität der Sicherheitsbarrieren zum Gegenstand habe. Denn der Kernschmelzunfall zähle nach den Störfall-Leitlinien nicht zu den Auslegungsstörfällen. Entsprechendes gelte für die Ereignisabläufe "Druckbehälterversagen" und "beherrschter Kühlmittelverlust-Störfall mit Leck im Sicherheitsbehälter". Dagegen berührten die Einwendungen des Klägers gegen das Konzept der Basissicherheit sowie sein Vorbringen zur Notwendigkeit eines Gebäudesprühsystems und zum vorschriftswidrigen Handlungsspielraum des Betriebspersonals den auslegungsbestimmenden Risikobereich. Sie ließen jedoch keine Fehleinschätzung des Risikos durch die Genehmigungsbehörde erkennen.
Mit seinem Einwand, der Verzicht auf Ausschlagsicherungen im Rahmen der Zweiten Teilgenehmigung bedeute einen Verlust an Sicherheit, könne der Kläger nicht gehört werden, weil die Zweite Teilgenehmigung nicht Gegenstand dieses Verfahrens sei. Hierdurch sei die Erste Teilgenehmigung nicht geändert, sondern lediglich die dort im Rahmen des vorläufigen positiven Gesamturteils getroffene Prognose, im Kühlmittelverlust-Störfall könnten die auf die beschädigte Rohrleitung wirkenden Reaktions- und Strahlkräfte wirksam abgeleitet werden, konkretisiert worden. Die Einwendungen des Klägers gegen das Konzept der Basissicherheit seien zu wenig konkret, um einen vernünftigen Ansatz zu Zweifeln daran zu bieten, daß dieses Konzept dem Stand von Wissenschaft und Technik entspreche. Ein Gebäudesprühsystem im Inneren des Containments zur Kondensierung des bei einem Leck in einer Kühlmittelleitung verdampfenden Kühlmittels sei nicht erforderlich, weil zu diesem Zweck hier ein ausreichend dimensioniertes Niederdrucknachkühlsystem installiert sei. Das Sicherheitskonzept widerspreche auch nicht insoweit den normativen Vorgaben des § 28 Abs. 3 Satz 3 der Strahlenschutzverordnung (StrlSchV), als es Handmaßnahmen des Betriebspersonals zur Störfallbeherrschung zulasse.
Unbedenklich sei auch, daß sich die Genehmigungsbehörde bei ihrer Risikobetrachtung auf technische Regelwerke wie die KTA-Regeln sowie auf Richtlinien und Empfehlungen der RSK gestützt habe. Es entspreche der Beurteilungskompetenz der Exekutive, wenn sich diese des Sachverstandes fachlich qualifizierter Gremien bediene, soweit dieser in allgemeinen, den Stand von Wissenschaft und Technik verläßlich repräsentierenden Regeln, Normen, Leitlinien oder Empfehlungen seinen Niederschlag gefunden habe. Substantielle Einwendungen dagegen, daß diese Regeln dem Stand von Wissenschaft und Technik entsprächen, habe der Kläger nicht vorgebracht. Der Kläger habe auch nicht plausibel gemacht, daß es geboten gewesen sei, den Kernschmelzunfall und die anderen von ihm benannten auslegungsüberschreitenden Ereignisse im Rahmen des Vorsorgegebotes als Auslegungsstörfälle vorzusehen. Es genüge nicht, mit der bloßen Behauptung, solche Ereignisse seien nicht praktisch auszuschließen, auf die denkbaren Folgen hinzuweisen. Der Hinweis auf die in einer Studie des Öko-Instituts Freiburg vertretene Auffassung zur Eintrittshäufigkeit von Kernschmelzunfällen offenbare kein Defizit der Genehmigungsbehörde bei der Risikobeurteilung, weil diese Studie bei Erteilung der Genehmigung noch nicht vorgelegen habe.
Der Kläger habe seiner Substantiierungslast auch nicht mit dem Vorbringen genügt, das Phänomen des menschlichen Fehlverhaltens sei bisher weder bei der Aufstellung von sicherheitstechnischen Regeln noch bei der konkreten sicherheitstechnischen Begutachtung des für das KKE entwickelten Sicherheitskonzepts zureichend in den Blick genommen worden. Die Kammer sei nach der Anhörung der Sachverständigen des TÜV Hannover davon überzeugt, daß die Neigung des Menschen, sich nicht "programmgerecht" zu verhalten, als Faktor der sicherheitstechnischen Überlegungen in alle Phasen der Planung, der Errichtung und des Betriebs eines Kernkraftwerks Eingang finde. Das Gegenteil wäre angesichts der weltweiten Betriebserfahrung nicht plausibel. Es genüge nicht, losgelöst von den Auslegungsmerkmalen des konkreten Kernkraftwerks zu behaupten, auf allen Ebenen der Herstellung und des Betriebs eines Kernkraftwerks könnten Fehler gemacht werden. Vielmehr müsse geltend gemacht werden, daß sich beim Betrieb des konkreten Kernkraftwerks bestimmte Handlungsfehler dahingehend auswirken könnten, daß der erforderliche Schutz nicht mehr gewährleistet sei. Daran fehle es hier. Der Vortrag des Klägers laufe darauf hinaus, daß jede Sicherheitsmaßnahme potentiell fehlerbehaftet, ihre Unwirksamkeit in Rechnung zu stellen und infolgedessen jedes Kernkraftwerk in der hier in Rede stehenden Größenordnung unzulässig sei. Der Kläger übersehe dabei, daß das atomrechtliche Vorsorgegebot nicht die Forderung enthalte, das menschliche Fehlverhalten als solches müsse praktisch ausgeschlossen sein. Das Atomgesetz gebiete nicht die Vorsorge gegen menschliches Fehlverhalten schlechthin, sondern gegen die sich daraus möglicherweise entwickelnden schädlichen Folgen. Das insoweit getroffene vorläufige positive Gesamturteil der Genehmigungsbehörde sei durch die vom Kläger angeführten Beispiele wie die Reaktorkatastrophe von Tschernobyl, der Unfall in der Reaktoranlage auf Three Mile Island und der Störfall im Kernkraftwerk Brunsbüttel wegen der besonderen Umstände dieser Ereignisse nicht zu erschüttern. Welchen Einfluß menschliche Fehlhandlungen auf anlageninterne Notfallschutzmaßnahmen besäßen, sei nicht zu untersuchen, weil die Bedeutung dieses Notfallschutzes in der Beherrschung von Ereignissen jenseits des nach den Störfall-Leitlinien zu betrachtenden Spektrums der Auslegungsstörfälle liege. Die Kammer teile endlich nicht die Auffassung des Klägers, daß § 7 Abs. 2 AtomG verfassungswidrig sei.
Gegen dieses Urteil, das ihm nach dem 28. Juni 1990 zugestellt worden ist, hat der Kläger am 16. Juli 1990 Berufung eingelegt. Er wiederholt und vertieft sein erstinstanzliches Vorbringen. Im einzelnen trägt er vor:
Ein subjektives Verfahrensrecht sei nicht nur dann verletzt, wenn zugleich auch materielle Rechte des Klägers verletzt seien. Die Möglichkeit einer Verletzung materieller Rechte sei lediglich im Rahmen der Klagebefugnis zu prüfen. Verlange man auch für die Begründetheit der Klage einen Bezug auf materielle Rechte, so könne nicht postuliert werden, daß ein subjektives Verfahrensrecht erst dann verletzt sei, wenn auch das subjektive materielle Recht verletzt sei, dessen Durchsetzung das Verfahrensrecht diene. Dann hätte das Verfahrensrecht keine selbständige Bedeutung mehr; man könnte auf die Prüfung von Verfahrensfehlern gänzlich verzichten und sich auf die Prüfung materieller Verstöße beschränken. Bei der Anwendung des § 46 VwVfG habe das Verwaltungsgericht übersehen, daß die Möglichkeit einer anderen Entscheidung nicht nur im Rahmen des Versagungsermessens, sondern auch im Rahmen des Beurteilungsermessens zur Konkretisierung der Schadensvorsorge in Betracht komme. Ein weiterer Fehler des Verwaltungsgerichts bestehe darin, daß es einen ursächlichen Zusammenhang zwischen Verfahrensverstoß und Sachentscheid verneine, wenn gerichtlich festgestellt werde, daß die erforderliche Schadensvorsorge getroffen sei. Darin liege ein überholtes Verständnis der von dem Gericht zu treffenden Entscheidung. Das Gericht könne nur feststellen, ob der Behörde ein Ermittlungs- oder Bewertungsdefizit unterlaufen sei. Komme das Gericht zu dem Urteil, daß ein solches Defizit nicht vorliege, so sei damit keineswegs festgestellt, daß die Behörde zu dem einzig richtigen Ergebnis gekommen sei. Es bleibe denkbar, daß sie im selben Ermittlungs- und Bewertungsrahmen zu einem anderen Ergebnis komme. Dabei sei im Auge zu behalten, daß als "andere Entscheidung in der Sache" nicht nur die endgültige Ablehnung des Genehmigungsantrages in Betracht zu ziehen sei, sondern auch eine Genehmigung, die anders geartet sei als die tatsächlich erteilte, z.B. eine Genehmigung an einem anderen Standort, mit anderem Inhalt oder anderen Auflagen. - Im Erörterungstermin hätte der Kläger vor allem die Problematik menschlichen Versagens in die Erörterung eingebracht. Es sei durchaus denkbar, daß eine eindringlichere Darstellung des gesamten Problems menschlicher Fehler die Behörde zur Einholung zusätzlicher Gutachten veranlaßt hätte, die zumindest zu einer Konzeptänderung hätten führen können.
Angefochten sei die Erste Teilgenehmigung in der durch die Zweite Teilgenehmigung geänderten Fassung. Die 2. Teilgenehmigung enthalte nicht eine Konkretisierung auf der Grundlage einer "Feinprüfung" eines in der 1. Teilgenehmigung offengelassenen Punktes. Vielmehr würden mit dem Wegfall der Ausschlagsicherungen Festlegungen der 1. Teilgenehmigung geändert. Sei hingegen die 1. Teilgenehmigung im Hinblick auf die Ausschlagsicherungen als unentschieden anzusehen, so wäre schon diese Unentschiedenheit allein der Aufhebungsgrund. Denn die Ausschlagsicherung sei nicht eine Nebensache, die man späterer Aufklärung hätte überlassen können.
Der Beklagte stütze sich in der angefochtenen Teilgenehmigung bei der Prüfung des Anlagenkonzepts auf die Gutachten des TÜV Hannover. Diese Gutachten wiederum übernähmen die ganze Palette der zum jetzigen Zeitpunkt geltenden RSK-Leitlinien, -empfehlungen und KTA-Regeln und mäßen das beantragte Konzept daran. Diese Regeln fungierten damit für die Konzeptprüfung als verbindliche normkonkretisierende Verwaltungsvorschriften. Als solche hätten sie jedoch nicht verwendet werden dürfen, weil ihnen die erforderliche rechtliche Legitimation gefehlt habe. Dies folge aus der Art des Zustandekommens jener Regeln und der einseitigen Zusammensetzung der sie beschließenden Gremien. Wenn die Regeln gleichwohl von der Behörde als normkonkretisierende Vorschriften verwendet worden seien, so stelle dies ein Defizit der notwendigen eigenen Ermittlung und Bewertung dar. Die 1. Teilgenehmigung sei schon aus diesem Grunde rechtswidrig.
Sie leide ferner an einem Ermittlungs- und Bewertungsdefizit hinsichtlich menschlichen Fehlverhaltens. Der Kläger behaupte nicht, daß menschliches Fehlverhalten im Ergebnis zu nicht ausschließbaren Überschreitungen der Störfallplanungsdosis führe. Vielmehr mache er geltend, daß der Beklagte den Faktor "Mensch" defizitär ermittelt und bewertet habe. In seiner Risikoanalyse und -bewertung habe der Beklagte die Problematik menschlichen Fehlverhaltens fast gänzlich ausgeblendet und sich vollständig auf die technischen Komponenten konzentriert. In dem TÜV-Gutachten von 1981 zum Anlagenkonzept würden Handeingriffe zwar hier und da erwähnt. Die Gutachten beschränkten sich aber auf die Prüfung, ob die konzipierte Anlage mit den Normen übereinstimme. Sie machten sich nicht zusätzlich auf die Suche nach möglichen Fehlern. Auch in den der Genehmigung zugrundeliegenden Regelwerken werde menschliches Fehlverhalten unzureichend berücksichtigt. Es fehle an einer Erfassung und Typisierung möglicher Versagenskategorien ebenso wie an einer Systematik möglicher Vermeidungs- und Auffangstrategien. Bandeingriffe seien in vielfacher Hinsicht wenn nicht notwendig, so zumindest möglich. Dies gelte insbesondere für die Rolle menschlicher Beiträge im Rahmen der sog. Basissicherheit. So seien die Wiederholungsprüfungen als konstitutive Elemente der Basissicherheit anzusehen; sie seien unentbehrlich und keineswegs redundant. Erwiesen sich die Prüfungen als konstitutiv, so gelte dies auch für das damit verbundene menschliche Fehlverhalten. Da menschliches Fehlverhalten "praktisch nicht auszuschließen" sei, sei auch das Versagen des Reaktordruckbehälters praktisch nicht auszuschließen.
Der Verzicht auf eine Ausschlagsicherung beruhe auf einem Ermittlungs- und Bewertungsdefizit. Die Erste Teilgenehmigung sei in dieser Beziehung schon deshalb rechtswidrig, weil sie sich auf die RSK-Leitlinie 10/81 Ziff. 21 stütze, die keine normkonkretisierende Verbindlichkeit besitze. Sie sei zudem in sich widersprüchlich, weil sie den Rundabriß für die baulichen Auswirkungen als unwahrscheinlich, für die Kernnotkühlung hingegen als hinreichend wahrscheinlich ansehe. - Die Annahme einer Zusatzfunktion des Sicherheitsbehälters bei Kernschmelzen beruhe auf einem Irrtum über die Wahrscheinlichkeit schnellen Überdruckversagens infolge "Direct Containment Heating" oder einer Wasserstoffexplosion. - Ein Bewertungsdefizit bestehe auch im Hinblick auf die fehlende Luftfilterung auf der Warte, die anscheinend einem Kostenkalkül zum Opfer gefallen sei, obwohl sie einen Sicherheitsgewinn darstelle. - Die Berechnung der Einhaltung der Störfallplanungsdosis gehe wie die ihr zugrundeliegende Berechnungsgrundlage von der irrealen Annahme aus, daß keine Pflanzen aus einem Umkreis von 2.000 Metern um das Kernkraftwerk verzehrt würden.
Das Verwaltungsgericht halte den Vortrag des Klägers zum Versagen des Sicherheitsbehältern nach der Kernschmelze und zum internen Notfallschutz fälschlich für unerheblich, weil das Versagen ein Restrisiko darstelle und der Notfallschutz eine zusätzliche, für den sicheren Betrieb nicht erforderliche Maßnahme sei. Das Gericht stütze sich hierfür zu Unrecht auf die Definition der Auslegungsstörfälle durch die Störfall-Leitlinien. Der Beklagte habe in der Ersten Teilgenehmigung jedoch ausdrücklich die RSK-Richtlinien zugrunde gelegt, die er nicht als normkonkretisierend hätte ansehen dürfen. Dies gelte auch für ihre Aussage, Kernschmelzen sei kein Auslegungsstörfall. Der Beklagte hätte deshalb die Wahrscheinlichkeit von Kernschmelzen ermitteln und bewerten müssen. Ohne solche Ermittlungen und Bewertungen hätte er auch die Folgeprobleme nicht unbeachtet lassen dürfen. Auch aus inhaltlichen Gründen sei die Verschiebung des Kernschmelzens zum Restrisiko unhaltbar. Es sei nicht einzusehen, warum die exakte Ermittlung und Bewertung der Folgen von und Gegenstrategien gegen auslegungsüberschreitende Störfälle nicht zur Vorsorgepflicht gerechnet werden sollten. Kernschmelzen ohne weitere Folgenanalyse und Gegenstrategien könne auch nicht deswegen hingenommen werden, weil es oberhalb der Restrisikogrenze liege.
Die Reaktorkuppel sei unzureichend gegen Flugzeugabstürze ausgelegt. Ein Ermittlungs- und Bewertungsdefizit liege insofern vor, als bei den Zahlen über die Eintrittswahrscheinlichkeit die örtlichen Besonderheiten nicht hinreichend berücksichtigt worden seien.
Die Entsorgung abgebrannter Brennelemente und sonstiger radioaktiver Abfälle sei nicht gewährleistet. Im Kernkraftwerk selbst bestehe Zwischenlagerkapazität für höchstens drei Jahre; eine externe Zwischenlagerung sei wegen der beschränkten Lagerkapazität in den vorhandenen Zwischenlagern nicht gewährleistet, weil diese verpflichtet seien, ins Ausland verbrachte radioaktive Reststoffe zurückzunehmen. Wann die Erzgrube Konrad für Einlagerungen schwach radioaktiver Abfälle zur Verfügung stehen werde, sei nicht abzusehen. Eine Anlage, die absehbar nur auf drei Jahre betrieben werden könne, weil keine gesicherte anlagenexterne Anschlußentsorgung zur Verfügung stehe, dürfe jedenfalls nicht unbefristet oder ohne Widerrufsvorbehalt genehmigt werden.
Der Kläger beantragt,
unter Änderung des Urteils des Verwaltungsgerichts Oldenburg - 3. Kammer Osnabrück - vom 14. Dezember 1989 die erste Teilgenehmigung für das Kernkraftwerk Emsland vom 4. August 1982 in der Fassung der zweiten Teilgenehmigung vom 20. September 1984 aufzuheben,
hilfsweise,
die erste Teilgenehmigung vom 4. August 1992 aufzuheben, weiter hilfsweise,
darüber Beweis zu erheben,
1. daß im Genehmigungsverfahren für die 1. TG ungeplante Handeingriffe und ihre möglichen Schadensfolgen nicht oder nur unzulänglich untersucht worden sind,
durch ein Gutachten eines nach Anhörung des Klägers zu bestellenden Sachverständigen;
2. daß das Verhältnis von Handeingriffen und Automatik im Betriebshandbuch insbesondere im Hinblick auf ungeplante Handeingriffe so unzureichend geregelt ist, daß für die Genehmigungsbehörde Anlaß bestanden hätte, diese Problematik weiter aufzuklären und ggf. anders zu regeln,
durch Beiziehung des Betriebshandbuchs für das KKE und eines Betriebshandbuchs für einen Druckwasserreaktor aus dem Jahr 1982;
3. daß Ausschlagsicherungen für die Hauptkühlmittel-, Speisewasser- und Frischdampfleitungen nicht entbehrlich sind,
durch ein Gutachten eines nach Anhörung des Klägers zu bestellenden Sachverständigen;
4. daß die von der Deutschen Risikostudie Phase B gefundenen Ergebnisse zum Containmentversagen nach Kernschmelzen bereits vor Genehmigungserteilung Stand der Wissenschaft waren,
durch Einvernahme des Diplom-Physikers Dr. Hahn, Ökoinstitut, als sachverständigen Zeugen;
5. daß der Beitrag von menschlichen Aktivitäten zur Wiederholungsprüfung des RDB so bedeutend ist, daß nicht von "Basissicherheit" gesprochen werden kann,
durch ein Gutachten eines nach Anhörung des Klägers zu bestellenden Sachverständigen mit arbeitspsychologischen Kenntnissen;
6. daß Tornados im Raum Lingen mit Geschwindigkeiten von mehr als 600 km/h geflogen werden, wie häufig dies geschieht und inwieweit dadurch das Unfallrisiko erhöht wird,
durch Zeugnis des in der Sendung Monitor vom 6. April 1988 interviewten Piloten sowie durch Einholung eines Sachverständigengutachtens;
7. daß Notfallschutzmaßnahmen, selbst wenn sie nicht genehmigt sind, im KKE zu falschen "mind sets" und ungeplanten Eingriffen führen können, die die Wahrscheinlichkeit von Kernschmelzen erhöhen,
durch ein Gutachten eines nach Anhörung des Klägers zu bestellenden Sachverständigen;
8. daß die Entsorgung der abgebrannten Brennelemente und Abfälle aus dem KKE nicht gesichert ist,
durch amtliche Auskunft des Beklagten,
weiter hilfsweise,
das Verfahren auszusetzen und gemäß Art. 100 Abs. 1 GG die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts darüber einzuholen, ob § 7 Atomgesetz verfassungswidrig ist wegen Verstoßes gegen Art. 2 Abs. 2, Art. 19 Abs. 1 GG sowie gegen das Wesentlichkeitsprinzip (im Hinblick auf die unzureichende Bewältigung der Entsorgungsprobleme sowie des Problems der untergesetzlichen Standardisierung).
Der Beklagte stellt keinen Antrag.
Die Beigeladenen beantragen,
die Berufung zurückzuweisen und die hilfsweise vom Kläger gestellten Anträge abzulehnen.
Sie verteidigen das angefochtene Urteil und treten der Berufungsbegründung mit umfangreichen Ausführungen entgegen.
Wegen des Vorbringens der Beteiligten im einzelnen wird auf ihre Schriftsätze nebst Anlagen sowie auf den weiteren Inhalt der Gerichtsakten verwiesen.
Dem Senat haben der Sicherheitsbericht für das Kernkraftwerk Emsland (9 Bde.), die auf Bl. 403 - 410 der erstinstanzlichen Gerichtsakten (3 OS VG A 20/87) bezeichneten Verwaltungsvorgänge und sonstigen Unterlagen - darunter das Sicherheitsgutachten des TÜV Hannover "über Standort und Konzept für das geplante Kernkraftwerk Emsland" vom Februar 1981 - sowie die Gerichtsakten des Parallelverfahrens 3 OS VG A 260/82 als Gegenstand der mündlichen Verhandlung vorgelegen. Auf ihren Inhalt wird zur weiteren Sachdarstellung Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
Die Berufung ist unbegründet. Das Verwaltungsgericht hat die Klage zu Recht abgewiesen. Der Kläger konnte auch mit dem geänderten Hauptantrag keinen Erfolg haben.
A. Mit seinem in der Berufungsverhandlung gestellten Hauptantrag greift der Kläger die 1. Teilgenehmigung in der Gestalt an, welche sie durch die 2. Teilgenehmigung erhalten hat. Diese Änderung des Antrags beurteilt sich nach § 264 Nr. 3 ZPO iVm § 173 VwGO. Sie ist nach der Rechtsprechung dieses Senats unbefristet zulässig in Fällen, in denen der ursprünglich angefochtene Verwaltungsakt während des gerichtlichen Verfahrens geändert wird; die Erstreckung der Klage auf die geänderte Fassung des Verwaltungsakts ist demzufolge auch nach Ablauf der Rechtsmittelfrist für die Anfechtung des Änderungsbescheides zulässig (vgl. Urt. d. Sen. v. 21. 2. 1991 - 7 L 110/89). Diese Rechtsprechung ist zwar an Hand von Planfeststellungsbeschlüssen entwickelt worden; es bestehen aber keine Bedenken, sie auf atomrechtliche Genehmigungen zu übertragen. Der Umstand, daß das atomrechtliche Genehmigungsverfahren im Gegensatz zum Planfeststellungsverfahren darauf angelegt ist oder sich jedenfalls in ständiger Verwaltungspraxis dahingehend verfestigt hat, daß die Genehmigung sukzessive in einer Aufeinanderfolge einzelner Teilgenehmigungen erteilt wird, ändert daran nichts.
Der Kläger kann jedoch auf diesem Wege nicht die Überprüfung der von ihm insoweit allein angegriffenen Regelung I 1.2.1 der 2. Teilgenehmigung - die Anpassung der Anlagenauslegung an die neueren Bruchpostulate für Leitungen des Reaktorkühlsystems und für Speisewasserleitungen mit der Folge des Wegfalls der Ausschlagsicherungen an den genannten Leitungen - erreichen. Denn insoweit ändert die 2. Teilgenehmigung - entgegen ihrer eigenen Formulierung - die 1. Teilgenehmigung nicht, sondern trifft eine ergänzende Bestimmung, auf welche die erwähnte Rechtsprechung des Senats keine Anwendung findet.
Auf das Bruchpostulat und das daraus entwickelte Bruchkonzept geht die 1. Teilgenehmigung auf den Seiten 86 und 87 ein. Dort wird zunächst festgestellt, daß gegen das auf dem früheren Bruchpostulat (doppelendiger Rundabriß einer Hauptkühlmittelleitung als maßgeblicher Belastungsfall für die Aufhängung und Abstützung der Komponenten des Reaktorkühlsystems) beruhende, zur Genehmigung vorgelegte "Konzept der Abstützungseinrichtungen und Ausschlagsicherungen keine Einwendungen bestehen" (Seite 86). Kurz darauf heißt es jedoch, wegen der zu erwartenden Änderung des Bruchpostulats (Ersetzung des "2F-Bruchs" durch ein Leck mit einem Querschnitt von 0,1 F, d.h. 1/10 des Rohrquerschnitts) halte es die Genehmigungsbehörde für erforderlich, "vor einer endgültigen Entscheidung über das neue Bruchpostulat bei der Gebäudeerrichtung sowohl die Anforderungen des ursprünglichen Bruchpostulats als auch des neuen Bruchpostulats der RSK zu erfüllen". Weiter heißt es: "Die atomrechtliche Genehmigungs- und Aufsichtsbehörde wird die Entscheidung über das endgültig anzuwendende Bruchkonzept im Zusammenhang mit der Genehmigung zur Errichtung der Komponenten für das Reaktorkühlsystem treffen" (Seite 87). Daraus geht hervor daß im Rahmen der 1. Teilgenehmigung eben keine Entscheidung - auch nicht eine Entscheidung im Sinne eines Konzeptvorbescheides - über das Bruchkonzept und die daraus folgenden Konsequenzen für das Erfordernis von Ausschlagsicherungen getroffen, sondern eine solche ausdrücklich einer späteren Teilgenehmigung vorbehalten worden ist.
Allerdings ist die Genehmigungsfähigkeit des ursprünglichen Bruchkonzepts festgestellt worden. Hierbei handelt es sich jedoch um eine Feststellung nicht im Rahmen des Konzeptvorbescheides, sondern im Rahmen des vorläufigen positiven Gesamturteils. Denn die für einen Vorbescheid erforderliche bestimmte und endgültige Regelung wird damit wegen der vorbehaltenen Alternative nicht getroffen. Dem steht nicht entgegen, daß der Genehmigungsbescheid nach der Aussage in Ziffer I 1.3 "die Feststellung der Eignung des Standorts und des Konzepts" einschließt und daß die Ausschlagsicherungen als sichtbarer Ausdruck des zugrundeliegenden Bruchkonzepts zu den "grundlegenden Auslegungsmerkmalen" der Anlage zu rechnen sind. Unerheblich ist auch, daß die zitierten Bemerkungen auf den Seiten 86 und 87 des Bescheides unter der Überschrift "Anlagenkonzept" stehen (Seite 82). Denn insoweit kommt es nicht auf die Wortwahl des Bescheides, sondern auf den Inhalt seiner Einzelregelungen an. Im übrigen zeichnet sich die erste Teilgenehmigung noch nicht durch jene dogmatische Klarheit im Hinblick auf die Unterscheidung von Konzeptvorbescheid und vorläufigem positiven Gesamturteil aus, wie sie durch die späteren Urteile des Bundesverwaltungsgerichts vom 11. Januar 1985 (7 C 74.82 - BVerwGE 70, 365 = NVwZ 1985, 341 - Krümmel -) und vom 19. Dezember 1985 (7 C 65.82 - BVerwGE 72, 300 = DVBl 1986, 190 - Wyhl -) hergestellt wurde. So erscheinen die Aussagen der 1. Teilgenehmigung über das Konzept als Teil des vorläufigen positiven Gesamturteils (Seite 79, 82), so daß aus der jeweiligen Wortwahl allein nicht zwingend darauf geschlossen werden kann, ob eine Feststellung als auf das Konzept bezogene "Definitivregelung in Form eines feststellenden Verwaltungsakts" oder als bloße - freilich ebenfalls mit der Bindungswirkung eines feststellenden Verwaltungsakts versehene - Entscheidungsprognose zu verstehen ist. Nach dem Inhalt der jeweiligen Feststellungen bereitet die Zuordnung hier indessen keine Schwierigkeiten.
Durch die Genehmigung des neuen (0,1 F-)Bruchkonzepts durch die 2. Teilgenehmigung ist das in der ersten Teilgenehmigung enthaltene vorläufige positive Gesamturteil nicht geändert, sondern gegenstandslos geworden. Anders als bei einem Vorbescheid, der eine endgültige, lediglich ausfüllungsbedürftige Regelung trifft, entfällt die Feststellungswirkung des vorläufigen positiven Gesamturteils in demselben Maße, in welchem sein Inhalt zum Regelungsgegenstand einer späteren Teilgenehmigung, die Entscheidungsprognose mithin durch die Entscheidung bestätigt wird. Dies gilt auch für die durch die 2. Teilgenehmigung getroffene Entscheidung hinsichtlich des Bruchkonzepts. Diese Genehmigung bezieht sich als Errichtungsgenehmigung auf das Reaktorkühlsystem unter Einschluß des Hauptkühlmittel-Rohrleitungssystems (I 1.1.2) sowie auf die Anlagen des Wasser-Dampf-Kreislaufs, insbesondere auf das Frischdampfleitungssystem (I 1.1.14). Sie. stellt mithin nicht lediglich die Genehmigungsfähigkeit des Bruchkonzepts in bezug auf jene Leitungssysteme fest, sondern gestattet seine Realisierung durch die Installierung der Leitungen (ohne Ausschlagsicherungen).
Für den Rechtsschutz Dritter folgt daraus, daß das neue Bruchkonzept und der Wegfall der Ausschlagsicherungen nicht durch bloße Anpassung der gegen die 1. Teilgenehmigung erhobenen Klage angegriffen werden können, sondern als Bestandteil einer auf die 1. Teilgenehmigung aufbauenden, aber ihr gegenüber selbständigen weiteren Teilgenehmigung isoliert - und zwar unter Einhaltung der Klagefristen - angefochten werden mußten. Der Kläger hat die 2. Teilgenehmigung nicht fristgerecht angefochten. Sollte sein Hauptantrag dahingehend auszulegen sein, daß er nunmehr auch eine Einzelregelung der 2. Teilgenehmigung anficht, so handelte es sich wegen des gegenüber dem bisherigen Klagegegenstand anderen Streitgegenstandes um eine Klageänderung im Sinne des § 91 VwGO, auf die sich die anderen Beteiligten nicht vorbehaltlos sachlich eingelassen haben und die wegen der Versäumung der Klagefrist auch nicht für sachdienlich erachtet werden kann.
B. Die - hilfsweise - gegen die 1. Teilgenehmigung in ihrer ursprünglichen Fassung erhobene Klage ist unbegründet.
1. Der Senat folgt dem Verwaltungsgericht darin, daß die Genehmigung nicht wegen eines Verfahrensmangels aufzuheben ist.
a) Allerdings ist dies entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts nicht bereits vom Bundesverwaltungsgericht in seinem zurückverweisenden Revisionsurteil mit bindender Wirkung (§ 144 Abs. 6 VwGO) so entschieden worden. Die Bindungswirkung nach dieser Bestimmung erstreckt sich auf die tragenden Gründe der zurückverweisenden Entscheidung, nicht jedoch auf darüber hinausgehende Äußerungen (Kopp, VwGO, RdNr. 12 zu § 144). Danach sind das Verwaltungsgericht und das Oberverwaltungsgericht gebunden an die Feststellungen, daß dem Kläger ein Recht auf Teilnahme als "Einwender" am atomrechtlichen Genehmigungsverfahren zustand, daß die Genehmigungsbehörde dieses Recht verletzt hat, daß der Kläger deswegen gegen den Genehmigungsbescheid klagen durfte, wobei nur geringe Anforderungen an seine Darlegungslast hinsichtlich einer materiellen Betroffenheit zu stellen waren, und daß seine Klage demzufolge zulässig war. Nicht zu den tragenden Gründen des Revisionsurteils gehört der Schlußsatz seiner Entscheidungsgründe ("Ob die vom Kläger insoweit befürchteten Gefahren tatsächlich vorliegen, betrifft nicht mehr die Zulässigkeit der Klage, sondern ist (nur) von Bedeutung für die Frage, ob die Klage begründet ist; dies wird nunmehr das Verwaltungsgericht ... zu prüfen haben."). Denn Gegenstand des Revisionsurteils war allein die Frage der Zulässigkeit der Klage; eine Aussage zu ihrer Begründetheit kann für die Beurteilung der Zulässigkeit nicht tragend sein.
Dem kann nicht entgegengehalten werden, das Bundesverwaltungsgericht hätte "durchentschieden", wenn es die Klage wegen des festgestellten Verfahrensmangels nicht nur für zulässig, sondern auch für begründet erachtet hätte, oder es hätte die Klage zur Prüfung weiterer Zulässigkeitsvoraussetzungen zurückverweisen müssen; da es keines von beiden getan habe, habe es logischerweise mit bindender Wirkung entschieden, daß die Klage nicht schon wegen des Verfahrensfehlers begründet sei. Diese Logik vermag schon deswegen nicht zu überzeugen, weil das Revisionsgericht auch in Fällen, in denen es nach § 144 Abs. 3 Nr. 1 VwGO zur Sache entscheiden könnte, sein Ermessen dahingehend ausüben kann, daß es die Sache gemäß § 144 Abs. 3 Nr. 2 VwGO zurückverweist (BVerwGE 75, 67/72; Kopp aaO RdNr. 7).
b) Dem Verwaltungsgericht ist allerdings zuzustimmen, wenn es dem Urteil des Bundesverwaltungsgerichts entnimmt, daß dieses die Klage nicht schon wegen des Verfahrensmangels für begründet hält. Dies ergibt sich unmißverständlich aus dem zitierten letzten Satz der Gründe des Revisionsurteils. Wenn das Bundesverwaltungsgericht es für notwendig erachtet, im Rahmen der Begründetheitsprüfung der Frage nachzugehen, "ob die ... Gefahren tatsächlich vorliegen", so bedeutet dies, daß es nicht nur die bloße Betroffenheit des Klägers in seinen materiellen Rechten, sondern die Verletzung dieser Rechte durch eine von der Anlage ausgehende Gefahr für entscheidungserheblich hält; damit wäre es nicht zu vereinbaren, wenn bereits die Verletzung des Verfahrensrechts - in Verbindung mit der bloßen Darlegung einer materiellen Rechtsbetroffenheit - zur Begründetheit der Klage führte.
Der Senat hält die - an dieser Stelle nicht näher begründete - Rechtsauffassung des Bundesverwaltungsgerichts für zutreffend. Sie ist die Konsequenz des vom Bundesverwaltungsgericht in zahlreichen Entscheidungen - zuletzt eben in dem Revisionsurteil in dieser Sache - in Übereinstimmung mit dem "Mülheim-Kärlich"-Beschluß des Bundesverfassungsgerichts (BVerfGE 53, 30/65) vertretenen Standpunkts, daß die Vorschriften über die Öffentlichkeitsbeteiligung dem Kläger "Drittschutz nur im Hinblick auf die bestmögliche Verwirklichung seiner materiellen Rechtsposition" gewähren (BVerwGE 75, 285/291).
Der Kläger kann sich demgegenüber nicht mit Erfolg auf § 46 VwVfG berufen, wonach die Aufhebung eines Verwaltungsakts wegen eines Verfahrensfehlers dann beansprucht werden kann, wenn bei Vermeidung dieses Fehlers eine "andere Entscheidung in der Sache hätte getroffen werden können". Zunächst erscheint es zweifelhaft, ob diese Bestimmung auf Verletzungen des Beteiligungsrechts einzelner im Rahmen eines Öffentlichkeitsbeteiligungsverfahrens überhaupt anwendbar ist. Wenn man davon ausgeht, daß die Beteiligung des einzelnen an diesem Verfahren die Gewährung eines "vorverlagerten Rechtsschutzes" bedeutet, wenn man ferner in Betracht zieht, daß diese Form des Rechtsschutzes nicht in einem isolierten Verfahren, sondern in einem Massenverfahren mit einer Vielzahl anderer potentiell Betroffener gewährt wird, so spricht einiges dafür, einen Ausgleich für die Beeinträchtigung des individuellen Teilhaberechtes herzustellen, ohne zugleich den vielen anderen, deren Beteiligungsrechte unverletzt geblieben sind, gleichfalls die Möglichkeit zu einer erneuten Öffentlichkeitsbeteiligung zu eröffnen. Dies legt nahe, den erforderlichen Ausgleich nicht in einer Wiederholung des Verwaltungsverfahrens, sondern in einer Erleichterung des Zugangs zum gerichtlichen Rechtsschutz etwa - wie vom Bundesverwaltungsgericht vorgezeichnet - durch Herabsetzung der Darlegungslast oder durch Ausschluß einer etwaigen Präklusion zu bewirken.
Ist hingegen § 46 VwVfG grundsätzlich auch auf das Öffentlichkeitsverfahren anzuwenden, so kann dies im Rahmen des Individualrechtsschutzes nur unter Berücksichtigung des Zweckes der Öffentlichkeitsbeteiligung erfolgen, dem einzelnen zu einer Wahrung seiner eigenen materiellen Rechtsposition zu verhelfen. Daraus folgt, daß nicht beliebige Entscheidungsalternativen in Ausübung eines behördlichen Ermessens zum Erfolg der Klage führen können, sondern nur solche, die im Hinblick auf die Gewährleistung des Drittschutzes und demzufolge in Anwendung drittschützender Vorschriften gegeben sind. Das der atomrechtlichen Genehmigungsbehörde durch § 7 Abs. 2 AtG eingeräumte Versagungsermessen dient jedoch nicht dem Drittschutz, sondern der Wahrung allgemeiner, insbesondere öffentlicher Belange. Entsprechendes gilt, soweit in Ausübung dieses Ermessens Anordnungen zur Reduzierung eines Restrisikos ergehen. Hierauf kann sich der Kläger zur Begründung eines Aufhebungsanspruchs nicht berufen.
Das gleiche gilt im Ergebnis, soweit er auf Entscheidungsalternativen im Bereich der auf der Grundlage drittschützender Normen festgesetzten Nebenbestimmungen, insbesondere Auflagen und Bedingungen, verweist. Zwar steht die Festsetzung solcher Nebenbestimmungen grundsätzlich im pflichtgemäßen Ermessen der Genehmigungsbehörde; dies gilt nicht nur für das atomrechtliche Genehmigungsverfahren (vgl. etwa § 12 BImSchG). Eben dies spricht jedoch gegen ein Verständnis des § 46 VwVfG, wonach die dort gemeinten Entscheidungsalternativen sich auch auf Nebenbestimmungen beziehen können. Reichte die Möglichkeit anderweitiger Nebenstimmungen aus, um einen Bescheid wegen eines Verfahrensfehlers aufzuheben, so würde § 46 VwVfG weithin leerlaufen, da - wie § 12 BImSchG belegt - die Festsetzung solcher Nebenbestimmungen auch bei gebundenen Verwaltungsakten im Ermessen der Behörde steht. Die Einbeziehung von Nebenbestimmungen unter die möglichen Entscheidungsalternativen hätte zudem zur Folge, daß der Drittbetroffene aufgrund eines Verfahrensfehlers mehr erreichen könnte, als wenn er wegen fehlender oder unzureichender Nebenbestimmungen selbst klagen würde. Soweit es sich nicht um Nebenbestimmungen handelt, von denen die Rechtmäßigkeit des Gesamtbescheides abhängt, könnte der Dritte nur auf Ergänzung des Bescheides, nicht aber auf dessen Aufhebung klagen. Könnte er in einem solchen Fall wegen eines Verfahrensfehlers, wie ihn der Kläger geltend macht, die Aufhebung des Bescheides insgesamt erzwingen, so wäre dies durch den Zweck seines Teilhaberechtes, seine materiell rechtlichen Belange zu wahren, nicht mehr gedeckt. Fehlte hingegen eine für den Bestand des Bescheides konstitutive - drittschützende - Nebenbestimmung, so wäre der Bescheid aus materiellen Gründen in vollem Umfang aufzuheben; auf den Verfahrensfehler käme es hierbei nicht an.
Entscheidungsalternativen im Sinne des § 46 VwVfG bestehen bei der Genehmigung einer kerntechnischen Anlage nach § 7 AtG schließlich nicht insofern, als der Genehmigungsbehörde nach ständiger Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts ein Beurteilungsspielraum bei der Risikobewertung - und folglich auch bei der Bewertung der zur Risikobeseitigung oder -minimierung getroffenen Vorkehrungen - eingeräumt ist. Dies besagt nicht, daß der Genehmigungsbehörde die Wahl zwischen mehreren Bewertungsalternativen freisteht. Die Frage, ob ein Risiko besteht und ob die dagegen getroffene Maßnahme ausreicht, läßt im Grunde nur eine einzige richtige Antwort zu. Den Gerichten ist es lediglich verwehrt, die von der Behörde gegebene Antwort im einzelnen auf ihre Richtigkeit zu überprüfen. Dem kann nicht entgegengehalten werden, daß ausländische Rechtsordnungen, aber auch das Europarecht die in der deutschen Rechtstheorie entwickelte Unterscheidung von Ermessen und Beurteilungsspielraum nicht kennen. Bei der Auslegung einer deutschen Rechtsvorschrift ist auf die in der deutschen Rechtstradition entstandenen Rechtsbegriffe abzustellen.
Wenn der Kläger der vom Senat vertretenen Auffassung entgegenhält, daß sie es praktisch ausschließe, einen - lediglich - verfahrensfehlerhaften Genehmigungsbescheid zu Fall zu bringen, so entspricht dies der Zielsetzung des § 46 VwVfG. Es entspricht dem Willen des Gesetzes, den bloßen Verfahrensfehler sanktionslos zu lassen, wenn dieser keinen Einfluß auf die Sachentscheidung hatte. Diese Zielsetzung hält auch einer Überprüfung im Lichte der "Mülheim-Kärlich"-Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts stand. Aus dieser Entscheidung läßt sich nicht ableiten, daß die Einhaltung von Verfahrensnormen stets gerichtlich durchsetzbar sein und ihre Verletzung stets zu der Konsequenz einer Aufhebung des verfahrensfehlerhaft ergangenen Verwaltungsaktes führen müsse.
Bei der der Entscheidung des Senats zugrundeliegenden - drittschutzorientierten - Auslegung des § 46 VwVfG kommt es nicht auf die vom Verwaltungsgericht in Anlehnung an die Rechtsprechung des 4. Senats des Bundesverwaltungsgerichts (BVerwGE 69, 256/269 f) im Hinblick auf das allein am Interesse Allgemeinheit ausgerichtete Versagungsermessen der Genehmigungsbehörde aufgeworfene Frage an, ob "nach den Umständen des jeweiligen Falles die konkrete Möglichkeit besteht, daß ohne den ... Verfahrensmangel die Entscheidung anders ausgefallen wäre". Unabhängig davon ist den Ausführungen des Verwaltungsgerichts hierzu auf Seiten 22 bis 24 des angefochtenen Urteils uneingeschränkt zuzustimmen.
2. Die 1. Teilgenehmigung leidet auch an keinem materiellrechtlichen Fehler, durch den Rechte des Klägers verletzt werden.
a) Der Kläger ist allerdings entgegen der Meinung der Beigeladenen zu 1) weder wegen des gegenständlich begrenzten Inhalts der von ihm unterzeichneten Sammeleinwendung noch im Hinblick auf die Bemerkungen des Bundesverwaltungsgerichts zum Substantiierungsgrad seines Vorbringens gehindert, seine Rechte in vollem Umfang und ohne Beschränkung auf bestimmte Einwendungen geltend zu machen.
Ein Einwendungsausschluß nach § 7 Abs. 1 Satz 1 AtVfV konnte zu Lasten des Klägers schon deswegen nicht erfolgen, weil dieser gehindert war, sich mit der Rechtsstellung eines "Einwenders" am Genehmigungsverfahren zu beteiligen. Nur aufgrund eines rechtmäßig ablaufenden Öffentlichkeitsverfahrens kann die Folge des § 7 Abs. 1 Satz 2 AtVfV eintreten. Daran ändert der Umstand nichts, daß der Kläger tatsächlich schriftliche Einwendungen vorgebracht hat, diese von der Genehmigungsbehörde auch zur Kenntnis genommen worden sind und daß der Kläger, hätte er sich nicht vom Veranstaltungsort entfernt, auch zu dem Erörterungstermin zugelassen worden wäre. Denn die Genehmigungsbehörde hatte ihm in jedem Fall den ihm an sich zustehenden Rechtsstatus abgesprochen, der ihm einen Anspruch auf Bescheidung seiner Einwendungen und auf Zulassung zum Erörterungstermin gegeben hätte. Hätte der Kläger in Kenntnis dieser Situation darauf verzichtet, Einwendungen vorzubringen, so hätte dies nicht zu seinen Lasten gehen und die Präklusion nach § 7 Abs. 1 Satz 2 AtVfV auslösen dürfen. Nichts anderes kann gelten, weil sich der Kläger mit einem - gemessen an seinem Klagevorbringen - begrenzten Katalog von Einwendungen am Verfahren (faktisch) beteiligt hat. Der angefochtene Bescheid war darum uneingeschränkt daraufhin zu überprüfen, ob er an einem den Kläger materiell belastenden Mangel leidet. Diese Prüfung hat jedoch keinen derartigen Mangel sichtbar werden lassen.
b) Die 1. Teilgenehmigung leidet an keinem rechtlich erheblichen Ermittlungs- oder Bewertungsdefizit; sie beruht insbesondere auf einer zureichenden "Datenbasis" (vgl. dazu BVerwG, Urt. v. 22. 10. 1987 - 7 C 4.85 - BVerwGE 78, 177 = DVBl 1988, 148/149 f - Brokdorf). Dies gilt sowohl für den Verzicht auf eine abschließende Festlegung des bei der Auslegung zugrundezulegenden "Bruchpostulats" als auch für den Komplex des "menschlichen Versagens".
aa) Die Genehmigungsbehörde durfte die Entscheidung über das Bruchkonzept und die damit verbundenen konstruktiven Folgerungen - namentlich über die Notwendigkeit von Ausschlagsicherungen - einer späteren Teilgenehmigung vorbehalten; sie war nicht genötigt, insoweit eine definitive Regelung bereits in der 1. Teilgenehmigung zu treffen. In tatsächlicher Hinsicht bestand diese Möglichkeit für sie deswegen, weil das Reaktorgebäude die aus jedem der beiden Bruchpostulate abzuleitenden Belastungen auffangen konnte, mit der Errichtungsgenehmigung für dieses Bauwerk somit nicht etwa die Entscheidung für ein bestimmtes Bruchkonzept bereits präjudiziert war. Für die rechtliche Beurteilung ist ausschlaggebend, daß das Atomgesetz lediglich die Gesamtgenehmigung, nicht die einzelnen Teilgenehmigungen dem planungsrechtlichen Gebot der "Problembewältigung" unterwirft. Das heißt: Vor der Inbetriebnahme der Anlage müssen alle erforderlichen Regelungen getroffen sein; in welchem Abschnitt des Genehmigungsverfahrens und im Rahmen welcher Teilgenehmigung dies geschieht, steht hingegen im pflichtgemäßen Ermessen der Genehmigungsbehörde.
Es besteht auch kein Rechtssatz des Inhalts, daß ein Konzeptvorbescheid sich unbedingt auf alle "auslegungsbestimmenden Merkmale" der Anlage erstrecken müsse. Nach § 7 a AtG kann "zu einzelnen Fragen" ein Vorbescheid erlassen werden. Dies schließt die Möglichkeit ein, den Vorbescheid auf Teile des Konzepts zu beschränken.
Der im Rahmen der 1. Teilgenehmigung ergangene Konzeptvorbescheid ist nicht etwa deswegen in sich widersprüchlich und daher nicht hinreichend bestimmt, weil auf Seite 5 die "Eignung des Konzepts" festgestellt wird, während diese Feststellung auf Seite 87 hinsichtlich des Bruchkonzepts eine Einschränkung erfährt. Ein Verwaltungsakt ist auf der Grundlage seines Gesamtinhalts, nicht lediglich aufgrund einzelner Formulierungen auszulegen. Diese Auslegung ergibt hier einen eindeutigen und widerspruchsfreien Regelungsinhalt, nämlich den Verzicht auf eine Vorabentscheidung über das Bruchkonzept.
bb) Ein Ermittlungs- und Bewertungsdefizit besteht ferner nicht insofern, als die Genehmigungsbehörde keine eigenständigen Prüfungen im Hinblick auf Möglichkeiten, Ursachen und schädliche Folgen menschlichen Versagens in Form von Fehlhandlungen oder Unterlassungen gebotener Handmaßnahmen durch das Betriebspersonal angestellt hat. Ein zur Aufhebung des Bescheides führendes Defizit dieser Art liegt nicht schon dann vor, wenn die Behörde objektiv auf bestimmte Ermittlungen verzichtet hat, sondern nur dann, wenn sie von Ermittlungen abgesehen hat, zu denen sie nach der gegebenen Sachlage verpflichtet war. Diese Verpflichtung bestimmt sich nach § 7 Abs. 2 Nr. 3 AtG. Die Genehmigungsbehörde hat danach zu untersuchen, ob "die nach dem Stand von Wissenschaft und Technik erforderliche Vorsorge gegen Schäden durch die Errichtung und den Betrieb der Anlage getroffen ist". Bei einem Konzeptvorbescheid bezieht sich diese Prüfung auf die Bewertung der "grundlegenden Auslegungsmerkmale" der Anlage; im Rahmen des vorläufigen Gesamturteils ist zu prüfen, ob die Anforderungen des § 7 Abs. 2 Nr. 3 AtG unter Berücksichtigung der noch zu treffenden Einzelregelungen bei allen weiteren Teilgenehmigungen einschließlich der Betriebsgenehmigung voraussichtlich erfüllt werden können und somit der Errichtung und Inbetriebnahme der Gesamtanlage "keine von vornherein unüberwindlichen Hindernisse entgegenstehen" (so die vom Bundesverwaltungsgerichts seit dem Urteil vom 1. 9. 1972 - I C 49.70 - DVBl 1972, 678[BVerwG 16.03.1972 - I C 49/70]/680 - Würgassen - ständig verwendete Formulierung). Ein Ermittlungsdefizit ist hiernach anzunehmen, wenn Prüfungen unterblieben sind, die nach Lage des Falles unter Berücksichtigung des Standes von Wissenschaft und Technik objektiv erforderlich waren, um die von der Anlage ausgehenden Gefahren oder die mit ihrem Betrieb verbundenen Risiken zuverlässig beurteilen zu können. Was im einzelnen erforderlich ist, richtet sich hierbei auch nach der Art und dem Inhalt der zu treffenden Entscheidung. Diese Frage ist bei einem Konzeptvorbescheid oder im Rahmen eines vorläufigen Gesamturteils wegen des spezifischen Regelungsgehalts dieser Entscheidungen zwangsläufig anders zu beantworten als bei einer detaillierten Errichtungs- oder bei der Betriebsgenehmigung.
Die Rüge des Klägers bezieht sich auf den Konzeptvorbescheid sowie auf das vorläufige positive Gesamturteil; in Bezug auf die Errichtungsgenehmiung ist nichts dazu vorgetragen, inwiefern die vom Kläger dargelegten verschiedenen Kategorien menschlichen Fehlverhaltens sicherheitsrelevant sein könnten; die grundsätzlich in den Blick zu nehmende Möglichkeit einer unsachgemäßen Bauausführung ist keine Frage der Rechtmäßigkeit der Errichtungsgenehmigung, sondern ihres Vollzuges; hierauf beziehen sich zahlreiche Nebenbestimmungen des Bescheides, insbesondere Nr. 4.1.4, 4.3.5, 4.3.6, 4.3.8 bis 4.3.12 u.a..
Demgegenüber ist die Möglichkeit von Handmaßnahmen des Wartenpersonals und damit auch von Fehlgriffen für die Rechtmäßigkeit des Konzeptvorbescheides von unmittelbarer Bedeutung - zum einen deswegen, weil dieser als ein lediglich feststellender Verwaltungsakt nicht vollzogen wird, zum andern, weil das Konzept alle für die Sicherheit der Anlage wesentlichen Elemente des Kernkraftwerks umfaßt und die Feststellung ausreichender Sicherheit sich notwendigerweise auch auf mögliche Beeinträchtigungen dieser Sicherheit durch menschliches Fehlverhalten beziehen muß. In ähnlicher Weise stellt sich diese Frage für das vorläufige Gesamturteil.
Bei der Prüfung, ob die Genehmigungsbehörde ihrer Ermittlungspflicht nachgekommen ist und auf der Grundlage einer ausreichenden Tatsachenbasis entschieden hat, sind jedoch die Grenzen ihrer Prüfungspflicht zu berücksichtigen, die sich daraus ergeben, daß die Behörde gehalten oder zumindest berechtigt ist, von bestimmten normativen und nichtnormativen Vorgaben auszugehen.
Gemäß § 28 Abs. 3 Satz 4 StrlSchV (im für die gerichtliche Entscheidung maßgebenden Genehmigungszeitpunkt geltend in der Fassung vom 13. 10. 1976 - BGBl I S. 2905) konnte die Genehmigungsbehörde eine ausreichende Vorsorge gegen Störfälle "dann als getroffen ansehen, wenn der Antragsteller bei der Auslegung der Anlage die Störfälle zugrunde gelegt hat, die nach den vom Bundesminister des Innern nach Anhörung der zuständigen obersten Landesbehörden im Bundesanzeiger veröffentlichten Sicherheitskriterien und Leitlinien für Kernkraftwerke die Auslegung eines Kernkraftwerkes bestimmen müssen". Von den in dieser Vorschrift bezeichneten "Sicherheitskriterien" und "Leitlinien" waren im Genehmigungszeitpunkt lediglich die "Sicherheitskriterien für Kernkraftwerke" vom 21. Oktober 1977 (BAnz. Nr. 206 vom 3. 11. 1977) veröffentlicht, die allgemeine - teilweise durch "Interpretationen" näher konkretisierte - Grundsätze für die Auslegung von Kernkraftwerken, aber keine Bestimmungen enthielten, aus denen eine Begrenzung der Prüfungspflicht der Genehmigungsbehörde hergeleitet werden könnte. Eine derartige Begrenzung ergibt sich hingegen aus den Störfall-Leitlinien vom 18. Oktober 1983 (Beilage zum BAnz. Nr. 245 vom 31. 12. 1983), welche einen abschließenden Katalog der "auslegungsbestimmenden Störfälle" enthalten und damit "zusammen mit den Sicherheitskriterien für Kernkraftwerke ... der Konkretisierung der gemäß § 28 Abs. 3 StrlSchV gegen Störfälle zu treffenden Vorsorge" dienen (Teil 1 Nr. 1). Zwar sind die Störfall-Leitlinien erst nach Erteilung der hier umstrittenen Genehmigung in Kraft gesetzt worden. Dies hindert jedoch nicht daran, das Verhalten der Genehmigungsbehörde auch an ihnen zu messen. Entspricht ein Verwaltungsakt, der eine für die Zukunft wirksame Regelung trifft, dem nach seiner Bekanntmachung geltenden Recht, so kommt es nicht darauf an, ob dieses bereits im Zeitpunkt seines Erlasses galt. Die Aufhebung eines solchen Verwaltungsakts kann nicht verlangt werden, da er alsbald mit gleichem Inhalt wiedererlassen werden müßte. Ob sich die spätere Norm ausdrücklich Rückwirkung beimißt, ist hierfür nicht ausschlaggebend (st. Rspr. d. Sen.). Entsprechendes hat zu gelten, wenn eine auf einer besonderen normativen Ermächtigung beruhende Verwaltungsvorschrift, der im Sinne der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (BVerwGE 72, 300/320 f) "normkonkretisierende" Wirkung zukommt, nach Erlaß des Bescheides in Kraft tritt. Gleiches gilt für die zugleich mit den Störfall-Leitlinien am 18. Oktober 1983 bekanntgemachten Störfallberechnungsgrundlagen, die zwar von der Reaktor-Sicherheitskommission (RSK) und der Strahlenschutzkommission (SSK) beschlossen, aber durch die Verweisung in Nr. 4.2 der Störfall-Leitlinien in diese inkorporiert worden sind und damit gleichfalls den Charakter von (normkonkretisierenden) Verwaltungsvorschriften erhalten haben (vgl. BVerwGE 72, 300/320; Urt. d. Sen. v. 26. 6. 1989 - 7 OVG A 108/86, S. 25 f; dazu BVerwG, Beschl. v. 23. 5. 1991, DVBl 1991, 883/884).
Neben diesen Verwaltungsvorschriften kann die Genehmigungsbehörde bei ihrer Bewertung die Leitlinien und Empfehlungen der RSK sowie die Regelwerke des Kerntechnischen Ausschusses (KTA-Regeln) zugrunde legen. Diesen Regelwerken kommt zwar keine normkonkretisierende (quasi-normative) Bedeutung zu, weil es sich nicht um Richtlinien eines Trägers hoheitlicher Funktionen handelt. Aufgrund der fachlichen Kompetenz der Mitglieder jener Gremien besteht jedoch eine - widerlegbare - Vermutung dafür, daß sie den Stand von Wissenschaft und Technik im Zeitpunkt ihrer Verabschiedung widerspiegeln.
Wenn die Auslegung eines Kernkraftwerks den Anforderungen der genannten Richtlinien und Regelwerken entspricht, ist davon auszugehen, daß sie dem Schutzgebot des § 7 Abs. 2 Nr. 3 AtG genügt. Dementsprechend kann sich die Genehmigungsbehörde regelmäßig damit begnügen, zu prüfen oder durch von ihr beauftragte Sachverständige überprüfen zu lassen, ob diese Voraussetzung erfüllt ist. Zu darüber hinausgehenden Einzelprüfungen besteht nur Veranlassung, soweit sich Fragen stellen, die durch die Richtlinien und Regelwerke nicht beantwortet werden, oder soweit diese in bestimmten Punkten nicht mehr dem Stand von Wissenschaft und Technik entsprechen.
Aus dem von der Genehmigungsbehörde eingeholten Sicherheitsgutachten des TÜV Hannover vom Februar 1981 zum Standort und Konzept des Kernkraftwerks Emsland ergibt sich, daß dieses Konzept - unter Berücksichtigung der in dem Gutachten enthaltenen Änderungs- und Auflagenvorschläge - den einschlägigen Richtlinien und Regelwerken - u.a. den RSK-Leitlinien für Druckwasserreaktoren vom 24. Januar 1979 sowie der KTA-Regel 3501 "Reaktorschutzsystem und Überwachung von Sicherheitseinrichtungen" in der damals geltenden Fassung 3/77 - entspricht. Das Gutachten enthält keinerlei Anhaltspunkte dafür, daß die im damaligen Zeitpunkt noch verhältnismäßig jungen Richtlinien und Regelwerke in entscheidungserheblichen Punkten nicht mehr dem Stand von Wissenschaft und Technik entsprachen. Von daher bestand für die Genehmigungsbehörde keine Veranlassung zu weitergehenden Untersuchungen. Insbesondere ergab sich für sie nach dem Ergebnis der Begutachtung, die sich auch auf die möglichen Auswirkungen von menschlichen Fehlhandlungen erstreckte (TÜV-Sicherheitsgutachten, S. 2.16 - 1 f), kein Grund für eine Suche nach weiteren verhaltensbedingten Fehlerquellen.
Der Senat teilt nicht die Ansicht des Klägers, daß die Genehmigungsbehörde wegen fehlender "Legitimation" und sachlicher Mängel der Richtlinien und Regelwerke bei ihrer Entscheidung sich nicht auf diese habe stützen und folglich auch nicht die auf jene gestützten Gutachten ihrer eigenen Bewertung habe zugrundelegen dürfen.
Der Kläger erblickt einen "Legitimations"-Mangel darin, daß in "normkonkretisierenden" Verwaltungsvorschriften Regelungen getroffen werden, die wegen ihrer Bedeutung dem Gesetzgeber vorbehalten bleiben müßten, daß an diesen Regelungen Gremien mitwirkten und die Regelwerke von solchen beschlossen würden, deren Zusammensetzung nicht normativ festgelegt sei, und daß mangels einer den gesetzlichen und verfassungsrechtlichen Erfordernissen genügenden Normierung der Zusammensetzung jener Gremien und der Auswahl ihrer Mitglieder nicht gewährleistet sei, daß bei deren Willensbildung auch "kritischer" Sachverstand zur Geltung komme.
Die Kompetenz seinerzeit des Bundesministers des Innern, unleugbar schwerwiegende Fragen wie die Bestimmung der Auslegungsstörfälle und damit die Abgrenzung zwischen Störfall-Vorsorge und Restrisikominimierung durch bloße Verwaltungsvorschriften zu regeln, ist indessen seit dem "Kalkar"-Beschluß des Bundesverfassungsgerichts (BVerfGE 49, 89) nicht mehr zu bezweifeln. Danach dient es einem dynamischen Grundrechtsschutz, wenn die eine ständige Anpassung an den sich ändernden Stand von Wissenschaft und Technik erfordernde Konkretisierung des Vorsorgegebotes des § 7 Abs. 2 Nr. 3 AtG der Exekutive zugewiesen ist, wobei es aus der Sicht des Bundesverfassungsgerichts, dem es um die Abgrenzung gegenüber den Zuständigkeiten des parlamentarischen Gesetzgebers in diesem Bereich ging, keinen Unterschied macht, ob die Exekutive von ihrer Kompetenz durch Erlaß einer Rechtsverordnung oder einer Verwaltungsvorschrift Gebrauch macht (BVerfGE 49, 138 f [BVerfG 08.08.1978 - 2 BvL 8/77]).
Es besteht ferner keine rechtliche Notwendigkeit dafür, die Zusammensetzung der RSK, der SSK oder des KTA gesetzlich zu regeln und dabei eine angemessene Beteiligung "kernenergiekritischer" Wissenschaftler vorzusehen. Der Kläger kann sich für seine gegenteilige Auffassung nicht auf den Beschluß des Bundesverfassungsgerichts vom 27. November 1990 (BVerfGE 83, 130 [BVerfG 27.11.1990 - 1 BvR 402/87]) berufen. Die Bundesprüfstelle für jugendgefährdende Schriften, um die es in dieser Entscheidung geht, übt selbst hoheitliche Funktionen aus. Sie entscheidet selbst über die Indizierung jugendgefährdender Schriften (§§ 8 ff GjS). Da ihre Entscheidungen unmittelbar in Grundrechte eingreifen, bedarf es einer gesetzlichen Regelung, die im Hinblick auf den im Bereich des Art. 5 GG besonders wichtigen Minderheitenschutz auch gewährleisten muß, daß bereits bei der Auswahl der Mitglieder der Bundesprüfstelle "die in den beteiligten Kreisen vertretenen Auffassungen zumindest tendenziell vollständig erfaßt werden" (BVerfG aaO S. 149 f, 153). Demgegenüber besitzen die RSK, die SSK und der KTA keine Entscheidungskompetenzen. Soweit sie an hoheitlichen Maßnahmen beteiligt sind, üben sie ausschließlich beratende Funktionen aus; sie erlassen keine Verwaltungsakte, sondern werden als Sachverständige tätig. Daran ändert der Umstand nichts, daß auch sie gegebenenfalls "Entscheidungen" treffen müssen, wenn es gilt, verschiedene technische Möglichkeiten oder wissenschaftliche Auffassungen gegeneinander abzuwägen. Doch diese Art von "Entscheidungsfindung" ist qualitativ andersartig als die eines mit Verwaltungsaufgaben betrauten Ausschusses; sie bedarf keiner demokratischen Legitimation, sondern findet ihre Rechtfertigung in der Sachkunde der Ausschußmitglieder. Bei der Arbeit und Wirkungsweise jener Ausschüsse geht es nicht um "Legitimation durch Verfahren" und "Minderheitenschutz", sondern um Sachkompetenz. Eine solche Sachkompetenz wird nicht durch die Zugehörigkeit der Ausschußmitglieder zu irgendwelchen Gruppierungen, sondern durch ihre individuelle Qualifikation und Erfahrung begründet. Diese bildet die beste Gewähr dafür, daß der wissenschaftliche Meinungsstand möglichst umfassend im Rahmen der Tätigkeit der genannten Beratergremien Berücksichtigung findet. Dazu bedarf es keiner proportionalen oder sonstwie geregelten Beteiligung von Vertretern "abweichender Meinungen" an dieser Tätigkeit. Der Kläger verwechselt mit seiner dahingehenden Forderung die Strukturen und Formen politischer und wissenschaftlicher Meinungsbildung. Für die letztere kommt es nicht auf die Zugehörigkeit zu bestimmten Gruppierungen, sondern auf die individuelle Befähigung an. Im übrigen ist es nicht der Sinn jener Ausschüsse, daß in ihnen die Auseinandersetzung für oder gegen die Nutzung der Kernenergie fortgesetzt wird; vielmehr sollen in ihnen auf der Grundlage des geltenden Rechts, welches die friedliche Nutzung der Kernenergie zuläßt, die dafür erforderlichen wissenschaftlichen und technischen Grundlagen erarbeitet und Hilfestellungen für die Exekutive geleistet werden. Für die Frage, ob die Genehmigungsbehörden die Leitlinien, Empfehlungen und Regeln der genannten Gremien als Ausdruck des Standes von Wissenschaft und Technik betrachten und ihre eigene Risikobewertung zugrunde legen dürfen, kommt es mithin allein darauf an, ob die Zusammensetzung der Gremien die erforderliche Sachkunde gewährleistet; dabei ist die Beteiligung der verschiedenen für den Bau und Betrieb von Kernanlagen bedeutsamen Fachgebiete und ihrer herausragenden Vertreter wichtiger als die Repräsentation unterschiedlicher Auffassungen zu Einzelfragen wie zur friedlichen Nutzung der Kernenergie überhaupt. Danach bestehen keine rechtlichen Bedenken gegen die in Form von Verwaltungsvorschriften getroffenen Regelungen über die Besetzung der RSK (Bekanntmachung vom 19. 12. 1980, BAnz Nr. 10 vom 16. 1. 1981) und des KTA (BAnz Nr. 172 vom 13. 9. 1972; vgl. dazu Rittstieg, Die Konkretisierung technischer Standards im Anlagenrecht, 1982, S. 85 ff).
Der Senat vermag dem Kläger auch nicht darin zu folgen, daß die von dem TÜV Hannover als Grundlage seines Konzeptgutachtens und von der Genehmigungsbehörde als Maßstab für ihre Risikobewertung verwendeten Regelwerke und Leitlinien nicht (mehr) dem Stand von Wissenschaft und Technik im Genehmigungszeitpunkt entsprachen, weil sie dem Problem menschlichen Fehlverhaltens keine ausreichende Aufmerksamkeit widmeten und zu seiner Bewältigung nicht auf die in der Wissenschaft entwickelten Methoden zurückgriffen.
Das Verwaltungsgericht hat anhand zahlreicher Beispiele dargetan, daß sowohl der Bundesregierung als auch den für die Erarbeitung der Regelwerke zuständigen Gremien die Bedeutung des menschlichen Fehlverhaltens für die Sicherheit von Kernanlagen und damit die Notwendigkeit, hiergegen Vorsorge zu treffen, durchaus bewußt war. Das Verwaltungsgericht hat zutreffend auf einschlägige Äußerungen in der Dokumentation der Bundesregierung "Zur friedlichen Nutzung der Kernenergie" (Bonn 1977), S. 281 sowie im Hauptband der "Deutschen Risikostudie Kernkraftwerke" (Bonn 1979), S. 81 verwiesen. Ergänzend ist auf den dem wissenschaftlichen Beistand des Klägers bekannten Fachband 2 der Deutschen Risikostudie (Bonn 1981) hinzuweisen, der in Abschnitt 3.4 "menschliches Fehlverhalten", dessen Ursachen, insbesondere "psychischen Streß", sowie Möglichkeiten einer Vermeidung solchen Verhaltens und der Entdeckung darauf beruhender Fehler beschreibt und bewertet (S. 117 - 138). Ferner werden im Fachband 3 zur Deutschen Risikostudie "Basisdaten zur Bewertung menschlicher Fehlhandlungen" genannt (S. 117 f). Im Schrifttumsverzeichnis des Fachbandes 2 wird die Erstfassung der vom Kläger vorgelegten Arbeit von Swain und Guttmann "Handbook of Human Reliability Analysis für Nuclear Power Plant Operations" (Oktober 1977) neben einer weiteren, dem gleichen Thema gewidmeten Arbeit derselben Autoren aus dem Jahr 1978 aufgeführt (S. 495). Im Hinblick auf die personelle Verknüpfung zwischen der für die Deutsche Risikostudie verantwortlichen Gesellschaft für Reaktorsicherheit (GRS) und der Reaktorsicherheitskommission - der Vorstandsvorsitzende der GRS, Prof. Dr. Birkhofer, war von Anfang an Mitglied der RSK - ist davon auszugehen, daß die in der amerikanischen Studie gewonnenen Erkenntnisse auch in die Leitlinien und Regelwerke für Kernkraftwerke und darüber hinaus in die Verwaltungsvorschriften eingeflossen sind, die der Risikobewertung aus Anlaß der Erteilung der hier umstrittenen Genehmigung zugrunde lagen. Hiergegen läßt sich nichts daraus herleiten, inwieweit dem menschlichen Fehlverhalten in den Regelwerken besondere Kapitel gewidmet und ob dabei die in der Wissenschaft gewonnenen Erkenntnisse ausdrücklich gewürdigt worden sind. Der Kläger ist der - durch die bereits erwähnte Bemerkung in der Dokumentation "Zur friedlichen Nutzung der Kernenergie" bestätigten - Erklärung der Beigeladenen nicht substantiiert entgegengetreten, das in der umstrittenen Anlage verwirklichte Sicherheitskonzept stelle darauf ab, durch geeignete Schutzvorkehrungen zu verhindern, daß der Reaktor durch Versagen von Komponenten oder von Reaktorschutzreaktionen außer Kontrolle gerate, und zwar unabhängig davon, ob der zu beherrschende Störfall auf einen technischen Mangel oder auf einen Bedienungsfehler zurückzuführen sei. Es liegt auf der Hand, daß die Beschreibung eines solchen Sicherheitskonzeptes im wesentlichen in der Darstellung technischer Einzelheiten besteht und daß die hierfür aufgestellten Regeln in erster Linie bestimmen, welche technischen Vorkehrungen zu treffen sind, um das gesteckte Schutzziel zu erreichen. Dies gilt insbesondere, wenn es darum geht, die Auslegungselemente - mithin Anlagendetails - zu bestimmen, welche vorhanden sein müssen, wenn das Anlagenkonzept den Erfordernissen des § 7 Abs. 2 Nr. 3 AtG genügen soll. Dieser Zielsetzung entspricht es, wenn beispielsweise Kriterium 6.1 der Sicherheitskriterien vorschreibt, daß "von Hand gegebene Befehle ... notwendige Schutzaktionen weder beeinträchtigen noch verhindern" dürfen, oder die KTA-Regel 3501 (Fassung 3/77) bestimmt:
"Das Reaktorschutzsystem ist so auszulegen ..., daß versagensauslösende Ereignisse innerhalb der Reaktoranlage die notwendigen Schutzaktionen im Bedarfsfall nicht verhindern.
Als versagensauslösende Ereignisse ... sind in Betracht zu ziehen:
... Fehler bei der Bedienung und Wartung des Reaktorschutzsystems durch das Personal."
Nach Ziff. 1 der Interpretationen zum Einzelfehlerkonzept (vom 4. 12. 1981, GMBl S. 544) ist "eine betrieblich mögliche Fehlbedienung, die einen Fehler in den Sicherheitseinrichtungen zur Folge hat", einem "Einzelfehler" (technischen Ursprungs) "gleichzusetzen". Auf die Frage, welche Ursachen solche Bedienungs- oder Wartungsfehler haben können, kommt es hierbei nicht an; für die Genehmigungsfähigkeit des Anlagenkonzeptes ist entscheidend, daß solche Fehler, was ihre Ursache auch immer sein möge, beherrschbar sind.
Allerdings erfordert der sichere Betrieb einer kerntechnischen Anlage nicht nur, daß die Folgen von Bedienungsfehlern und anderem menschlichen Fehlverhalten beherrscht werden, sondern auch, daß solche Fehler nach Möglichkeit vermieden werden. Dies war im Zeitpunkt der Genehmigung Gegenstand mehrerer Verwaltungsvorschriften: der Richtlinien für den Fachkundenachweis von Kernkraftwerkspersonal vom 17. Mai 1979 (GMBl S. 233), für Programme zur Erhaltung der Fachkunde des verantwortlichen Schichtpersonals in Kernkraftwerken vom 17. Mai 1973 (GMBl S. 238), für den Inhalt der Fachkundeprüfung des verantwortlichen Schichtpersonals in Kernkraftwerken vom 10. August 1978 (GMBl S. 431) u.a. Dem Ziel der Vermeidung von Bedienungsfehlern dient ferner das Betriebshandbuch, in welchem "die für den bestimmungsmäßigen Betrieb und die zur Beherrschung von Störfällen erforderlichen organisatorischen Abläufe und technischen Handlungen vorgeschrieben werden" (KTA-Regel 1201 "Anforderungen an das Betriebshandbuch" Fassung 12/85, S. 2, "Grundlagen (2)").
Im Hinblick darauf reicht das Vorbringen des Klägers nicht aus, um Zweifel daran zu begründen, daß bei Beachtung jener Regelwerke die dem Stande von Wissenschaft und Technik im Jahre 1982 entsprechende Vorsorge gegen schädliche Auswirkungen menschlichen Fehlverhaltens getroffen worden ist. Der Kläger hat nicht substantiiert dargetan, daß das in der genehmigten Anlage verwirklichte Sicherheitskonzept, wonach technisches und menschliches Versagen als gleichrangige Ursachen von Störfällen zu betrachten und und bei den zu treffenden Schutzvorkehrungen darauf abzustellen ist, mögliche nachteilige Folgen dieses Versagens zu verhindern, im Genehmigungszeitpunkt nicht mehr dem Stand von Wissenschaft und Technik entsprochen habe. Dies gilt auch, soweit der Kläger die besondere Bedeutung ungeplanter Handlungen hervorgehoben hat. Es leuchtet zwar ein, daß sich solche Handlungen nicht vorhersehen lassen und es darum nicht möglich ist, gezielt darauf hinzuwirken, daß derartige Handlungen unterbleiben. Noch schwerer ist es, die Wahrscheinlichkeit solcher ungeplanten Handlungen zu quantifizieren und die daraus erwachsenden Folgen abzuschätzen. Dies spricht jedoch nicht gegen, sondern gerade für ein Sicherheitskonzept, das bei den möglichen Objekten ungeplanter und in ihrer Vielzahl nicht vorhersehbarer menschlicher Fehlhandlungen ansetzt und prüft, ob eine auf ein solches ungeplantes Verhalten zurückzuführende Störung bewältigt werden kann.
Die vom Kläger angeführten Beispiele ungeplanter Eingriffe sind - worauf schon das Verwaltungsgericht zutreffend hingewiesen hat - nicht geeignet, das Konzept dieser Anlage in Frage zu stellen. Der Kläger ist dem Vortrag der Beigeladenen, Störfälle wie die in den Kernkraftwerken Brunsbüttel (Verhinderung einer Schutzreaktion durch Eingriff in die Reaktorschutzschaltung), Three Mile Island (Inbetriebnahme des Reaktors trotz versehentlich abgesperrter Leitungen) oder gar Tschernobyl könnten sich in Lingen nicht ereignen, ein fahrlässig ausgelöster Brand in einem Kabelkanal hätte wegen der räumlichen Trennung redundanter Leitungssysteme bei einer deutschen Anlage keine schwerwiegenden Folgen und bei einem Ausfall eines Notstromdiesels infolge eines Wartungsfehlers stände ein weiterer zur Verfügung, nicht substantiiert entgegengetreten. Auch besteht kein Streit darüber, daß die vorschriftswidrige Manipulation im Kernkraftwerk Biblis zum Zwecke der Öffnung eines festsitzenden Ventils dort zu keinem ernsten Störfall geführt hat. Der Kläger will diese Ereignisse freilich nur als Beispiele dafür verstanden wissen, welche unbegrenzten Möglichkeiten ungeplanter Eingriffe in Betracht zu ziehen seien. Ihm ist zuzugeben, daß die von ihm dargestellten Fälle menschlicher Fehlhandlungen sich ereignen konnten, weil niemand mit ihnen gerechnet hat, und daß erst danach Maßnahmen getroffen worden sind, um eine Wiederholung zu verhindern. Es ist auch nicht von der Hand zu weisen, daß andere Fehlhandlungen, mit denen heute ebenfalls niemand rechnet, zu Störfällen führen können. Nur läßt sich daraus nicht ableiten, daß der in der deutschen Reaktortechnik allgemein und bei dem Kernkraftwerk Emsland im besonderen beschrittene Weg ungeeignet ist, schädliche Folgen solcher Störfälle zu verhindern.
Wenn der Kläger in diesem Zusammenhang betont, daß es nicht seine Sache sei, Mängel des Anlagenkonzeptes aufzuzeigen, sondern daß der Beklagte und die Beigeladenen nachzuweisen hätten, daß dieses Konzept auch im Hinblick auf die Bewältigung des Problems menschlichen Fehlverhaltens dem Vorsorgegebot des § 7 Abs. 2 Nr. 3 AtG genüge, so verdient dies grundsätzlich Zustimmung. Der Kläger läßt dabei jedoch unberücksichtigt, daß sich Beklagte und Beigeladene insoweit auf die Vermutungswirkung der technischen Regelwerke stützen können, die sich aus den dargelegten Gründen auch auf die Frage erstrecken, ob das Problem des menschlichen Fehlverhaltens in den Griff genommen worden ist. Dem Kläger ist es nicht gelungen, diese Vermutung zu erschüttern.
c) Der Senat vermag dem Kläger ferner nicht zu folgen, wenn dieser eine anderweitige rechtliche Bewertung des menschlichen Fehlverhaltens in Form einer stärkeren Gewichtung im Genehmigungsverfahren verlangt. Eine solche wäre in der Weise denkbar, daß bei der Entscheidung darüber, wieviele Redundanzen im Rahmen von Sicherheitseinrichtungen verfügbar sein müssen, zusätzlich zu einem technisch bedingten Ausfall noch ein auf menschlichem Versagen beruhender Ausfall einer Komponente in Betracht gezogen wird. Mit einer solchen Forderung wäre das sog. "Einzelfehlerkriterium" in Frage gestellt, wonach bei bestimmten Systemen so viele Redundanzen vorhanden sein müssen, daß das Versagen einer einzelnen Sicherheitseinrichtung bei gleichzeitigem Ausfall einer weiteren gleichartigen wegen Wartung oder Reparatur eine notwendige Schutzaktion nicht verhindert (GMBl 1981, 544). Das Einzelfehlerkriterium ist jedoch in einer "normkonkretisierenden Verwaltungsvorschrift" definiert und festgelegt; das Gericht ist nicht in der Lage, diese Entscheidung der Exekutive durch eine andere zu ersetzen. Entsprechendes gilt für die Forderung des Klägers, wegen der Möglichkeit von Bedienungsfehlern und anderen menschlichen Fehlhandlungen oder Unterlassungen das Vorsorgegebot des § 7 Abs. 2 Nr. 3 AtG auf "auslegungsüberschreitende" Störfälle auszudehnen. Gemeint ist damit, daß Vorkehrungen zum Schutz vor den Folgen eines Kernschmelzunfalls zu den - drittschützenden - Genehmigungsvoraussetzungen gehören müßten; der Kläger begründet dies mit der nicht auszuschließenden Möglichkeit, daß infolge menschlicher Fehlhandlungen ein "Auslegungsstörfall" zu einem Kernschmelzunfall führen könne, sowie mit der im Rahmen der Deutschen Risikostudie Kernkraftwerke Phase B gewonnenen Erkenntnis, wonach ohne Maßnahmen des Wartenpersonals ein Kernschmelzunfall mit hoher Wahrscheinlichkeit zu einem schnellen Containment-Versagen und damit zu katastrophalen Folgen für die Umgebung des Kernkraftwerks führen könne; hierbei müsse gleichfalls die Möglichkeit menschlicher Fehlhandlungen in Betracht gezogen werden.
Dem steht jedoch die Bestimmung des § 28 Abs. 3 Satz 4 StrlSchV im Wege, der die Entscheidung über die auslegungsbestimmenden Merkmale einer Kernanlage der Exekutive zuweist und somit die Gerichte daran hindert, an die Auslegung und das Konzept eines Kernkraftwerks weitergehende Anforderungen zu stellen.
d) Der Senat teilt nicht die Auffassung des Klägers, das genehmigte Konzept genüge nicht den Erfordernissen des § 7 Abs. 2 Nr. 3 AtG, weil das ihm zugrundeliegende Prinzip der "Basissicherheit" nicht zu realisieren und deswegen der Schutz vor einem Versagen des Reaktordruckbehälters und dem Abriß großer Kühlmittel- und Frischdampfleitungen nicht gewährleistet, kein Gebäudesprühsystem vorgesehen, die Anlage nicht hinreichend gegen Flugzeugabstürze ausgelegt sei und die Berechnung der Störfallplanungsdosis von irrealen Voraussetzungen ausgehe.
aa) Mit seinem gegen das Konzept der "Basissicherheit" gerichteten Vorbringen will der Kläger die Notwendigkeit zusätzlicher technischer Schutzvorkehrungen gegen das Versagen oder die Folgen des Versagens wichtiger Komponenten, insbesondere des Reaktordruckbehälters und der Kühlmittelleitungen, unterstreichen. Da eine basissichere Ausführung dieser Komponenten nicht zu erreichen sei, seien für deren Sicherheit baubegleitende und wiederholende Kontrollen notwendig, die - weil sie menschliche Tätigkeiten erforderten - mit dem Risiko menschlichen Versagens verbunden seien.
Soweit der Kläger damit die Notwendigkeit von Ausschlagsicherungen für die Hauptkühlmittel- und Frischdampfleitungen begründen will, kann er in diesem Verfahren nicht gehört werden, weil jene Frage aus den bereits genannten Gründen nicht Regelungsgegenstand der 1. Teilgenehmigung und die Entbehrlichkeit der Ausschlagsicherungen durch die 2. Teilgenehmigung mit für den Kläger bindender Wirkung festgestellt worden ist. Soweit der Kläger zum Ausdruck bringen will, daß der Reaktordruckbehälter einer zusätzlichen Sicherung gegen ein spontanes Versagen bedürfe und ohne eine solche Sicherung nicht genehmigungsfähig sei, unterstellt er etwas - nämlich die Unmöglichkeit einer "basissicheren" Ausführung des Reaktordruckbehälters -, was erst anhand der Beschaffenheit des konkreten Behälters festgestellt werden kann. Die Errichtung des Reaktordruckbehälters ist jedoch nicht Gegenstand der angefochtenen Genehmigung. Daß es nach dem Stand der Technik im Jahre 1982 schlechthin nicht möglich gewesen sein soll, den Reaktordruckbehälter so zu bauen, daß er allen während der Betriebszeit auftretenden Belastungen gewachsen war, hat der Kläger nicht plausibel machen können. Soweit er sich hierfür pauschal auf die Ausführungen des Prozeßbevollmächtigten des Klägers Vocks in dem Verfahren 3 OS VG A 260/82, S. 268 F, 292 f bezieht, setzt er sich nicht mit dem Gegenvorbringen der Beigeladenen zu 2) in diesem Verfahren (aaO S. 389 f, 421 f) auseinander, in welchem dargetan wird, daß die Einwendungen des Klägers Vocks nicht stichhaltig seien. Die Frage, ob eine den Sicherheitsanforderungen genügende Auslegung des Reaktordruckbehälters möglich sei, ist im übrigen vom TÜV Hannover in seinem Konzeptgutachten geprüft worden. Der TÜV kommt hierbei zu folgendem Ergebnis:
"Die vorgesehene konstruktive Ausführung genügt den derzeitigen sicherheitstechnischen Anforderungen.
Optimierte Herstellungsverfahren, z.B. Herstellung geschmiedeter nahtloser Erzeugnisformen in größeren Längen, ermöglichen eine Verminderung der Anzahl der Schweißnähte und dadurch die Reduzierung des Prüfumfanges und die bessere Zugänglichkeit zu den Prüfbereichen bei wiederholenden Prüfungen ...
Wir halten die sichere Auslegung des Reaktordruckbehälters für durchführbar. Auslegungsberechnungen und Spannungsanalysen sind so aufgebaut, daß die erforderliche Qualität des Reaktordruckbehälters unter dem Aspekt der Festigkeit gewährleistet ist" (S. 2.7 - 16, 17).
Die erforderlichen qualitätssichernden Maßnahmen können ... erfüllt werden ... Die Konstruktion, die Herstellung, die Aufstellung und die Zugänglichkeit ermöglichen die Anwendung der Prüfverfahren (Ultraschallprüfung, Oberflächenrißprüfung, Besichtigung, Dichtigkeitsprüfung (Wasserdruckprobe), Schallemissionsprüfung). Die Prüfergebnisse und deren Auswertung und Beurteilung ermöglichen eine Aussage über den Zustand des Reaktorkühlsystems während seiner gesamten Betriebszeit bzw. sie lassen beginnende Schädigung so früh erkennen, daß sofort Maßnahmen zu deren Beseitigung ergriffen werden können ...
Mit dem für die drucktragende Wandung des Reaktordruckbehälters ... vorgesehenen ferritischen Vergütungsstahl 20 MnMoNi 55 wird ein Werkstoff eingesetzt, der hinsichtlich seiner Gebrauchseigenschaften (insbesondere Festigkeit, Zähigkeit, Verarbeitbarkeit durch Umformen und Schweißen, Verhalten unter Neutronenbestrahlung) geeignet ist ...
Mit diesem Werkstoff liegen zwischenzeitlich umfangreiche Erfahrungen aus der Werkstoffbegutachtung vor ...
Bei Verwendung dieses Werkstoffes mit entsprechender Verarbeitung der vorgeschlagenen Erzeugnisform und bei der Durchführung der erforderlichen Prüfungen sind die an die Komponenten des Reaktorkühlsystems zu stellenden Anforderungen aus den Sicherheitskriterien und den RSK-Leitlinien einhaltbar" (S. 2.7 - 30 - 32).
Auf diese gutachtlichen Äußerungen ist der Kläger nicht substantiiert eingegangen. Der Senat hat keine Zweifel an der Zuverlässigkeit der vom TÜV getroffenen Feststellungen und ist daher von der Möglichkeit einer "basissicheren" Herstellung des Reaktordruckbehälters des Kernkraftwerks Emsland überzeugt. Von dieser Möglichkeit gehen im übrigen auch die von den Gutachtern genannten Sicherheitskriterien und Leitlinien aus.
Der Kläger hat diese Überzeugung des Senats nicht durch den Hinweis auf den Abriß einer Leitung im Kernkraftwerk Grafenrheinfeld im Jahre 1982 erschüttern können. Auf Nachfrage hat sein wissenschaftlicher Beistand eingeräumt, daß es sich hierbei um eine Leitung des Probenahmesystems mit einem Durchmesser von 15 mm gehandelt habe, für die nach Angaben der Vertreter der Beigeladenen zu 2) das Konzept der Basissicherheit nicht galt, da Basissicherheit erst für Leitungen mit einem Durchmesser ab 50 mm zu realisieren sei. Es leuchtet dem Senat ein, daß der Abriß einer 15 mm-Leitung ein schlechtes Beispiel ist, um die Sicherheit des Reaktordruckbehälters oder einer der Hauptkühlmittelleitungen grundsätzlich in Frage zu stellen. Wenn in dem TÜV-Gutachten die Bedeutung der wiederkehrenden Prüfungen zur Kontrolle des Materialverhaltens während der Betriebszeit des Kernkraftwerks hervorgehoben wird, so vermag der Senat nicht einzusehen, daß darin ein Konzeptmangel liegen soll. Der Kläger erblickt zwar in der gegenwärtig noch unvermeidlichen Mitwirkung von Menschen an solchen Wiederholungs- wie auch an baubegleitenden Prüfungen ein unzulässiges Sicherheitsrisiko; seinem Vorbringen ist indessen nicht zu entnehmen, daß seine Ansicht dem Stand der Wissenschaft entspricht. Hierbei ist besonders zu berücksichtigen, daß die Situation bei wiederkehrenden Prüfungen, die regelmäßig bei abgeschaltetem Reaktor stattfinden, eine andere ist als bei Störfällen, welche rasche Entscheidungen unter Streß erfordern und darum den Vorrang automatischer Reaktorschutzaktionen bedingen (Sicherheitskriterien 6.1).
Welche Folgerungen der Kläger daraus ziehen will, daß der Reaktordruckbehälter "nicht redundant" ausgeführt ist, vermag der Senat nicht nachzuvollziehen. Redundante Systeme sind erforderlich, um trotz des Versagens einer Komponente die erforderliche Schutzmaßnahme ausführen zu können. Der Reaktordruckbehälter ist jedoch keine Komponente des Reaktorschutzsystems, sondern dessen zentraler Gegenstand. Er darf unter keinen Umständen versagen - nicht, weil er nur einfach vorhanden ist, sondern wegen der katastrophalen Folgen dieses Versagens (welche die gleichen wären, wenn der Reaktordruckbehälter mehrfach vorhanden wäre). Darum zielt das Reaktorschutzsystem darauf ab, ein solches Versagen nach den Maßstäben praktischer Vernunft auszuschließen. Dem wird das genehmigte Konzept nach den dem Senat vorliegenden, die Entscheidung der Genehmigungsbehörde tragenden und soweit keinen Ermittlungsdefizit offenbarenden gutachtlichen Äußerungen gerecht.
bb) Weshalb ein Sprühsystem im Inneren des Sicherheitsbehälters keinen Beitrag zur Beherrschung eines Kühlmittelverluststörfalls zu leisten vermag, hat bereits das Verwaltungsgericht in seinem Urteil (S. 37 f) aufgrund der überzeugenden Darlegungen der Vertreter der Beigeladenen zu 2) im einzelnen ausgeführt. Die Wiederholung der Forderung nach einem solchen Sprühsystem vermag die Stichhaltigkeit dieser Darlegungen nicht zu erschüttern.
cc) Die von dem Kläger beanstandeten Annahmen der Störfall-Berechnungsgrundlage (Anlage zum BAnz Nr. 245 vom 31. 12. 1983 S. 11) in bezug auf bestimmte Verzehrgewohnheiten - daß nämlich der Verzehr kontaminierter Pflanzen in einem Umkreis von 2.000 m um das Kernkraftwerk einen Tag nach der ersten störfallbedingten Aktivitätsfreisetzung eingestellt werde (aaO S. 20) - haben nach den unwiderlegten Angaben des Vertreters des Beklagten in der Berufungsverhandlung keinen Einfluß auf die Berechnung der Störfalldosen für das Kernkraftwerk Emsland gehabt; diese Berechnung geht von einem zeitlich unbegrenzten Verzehr kontaminierter Nahrungsmittel aus der näheren Umgebung des Kernkraftwerkes aus und gelangt dennoch zu dem Ergebnis, daß der Grenzwert des § 28 Abs. 3 StrlSchV eingehalten wird.
dd) Der Kläger vermag die Fehlerhaftigkeit des Konzeptvorbescheides schließlich nicht mit der seiner Meinung nach unzureichenden Auslegung des Kernkraftwerks gegen Flugzeugabstürze zu begründen.
Zum einen ist ein Flugzeugabsturz - wie sich aus dem Vorwort der Störfall-Leitlinien ergibt - kein Auslegungsstörfall; Maßnahmen gegen ein solches Ereignis dienen der Risikominimierung und damit dem Schutz der Allgemeinheit. Ob sie erforderlich oder ausreichend sind, ist mithin keine Frage des Drittschutzes und damit der richterlichen Kontrolle im Rahmen einer Drittanfechtungsklage entzogen. Die vom Bundesminister des Innern hier getroffene Abgrenzung liegt im Rahmen der Bewertungsprärogative der Exekutive. Im übrigen ist das Kernkraftwerk Emsland gegen den Absturz eines Militärflugzeuges des Typs "Phantom" ausgelegt. Der TÜV hat in dem Konzeptgutachten (S. 5.6-4) festgestellt, daß diese Auslegung den Forderungen der Sicherheitskriterien (Kriterium 2.6) und der RSK-Leitlinien (Kapitel 19.1) genügt (vgl. dazu auch die Deutsche Risikostudie Kernkraftwerke, Fachband 4, S. 104 f). Damit entspricht diese Auslegung dem Stand von Wissenschaft und Technik, insbesondere auch dem Stand der Flugzeugtechnik (vgl. dazu Deutsche Risikostudie Kernkraftwerke, Fachband 4, S. 104) im Genehmigungszeitpunkt. Dem Senat ist nicht bekannt, daß 1982 bereits Militärflugzeuge des Typs "Tornado" in Deutschland im Einsatz waren. Dies wird vom Kläger auch nicht behauptet. Der Kläger macht vielmehr geltend, daß die Auslegung des Reaktorgebäudes im Hinblick auf das Gewicht und die Geschwindigkeit der heute eingesetzten Flugzeugtypen nicht ausreiche. Darauf kommt es für die nach dem Stand von Wissenschaft und Technik im Zeitpunkt der letzten Verwaltungsentscheidung zu beurteilende Frage, ob das vorbeschiedene Anlagenkonzept im Einklang mit § 7 Abs. 2 Nr. 3 AtG steht, nicht an.
e) Mit seinem Vorbringen, die Entsorgung der bei dem Betrieb des Kernkraftwerks anfallenden radioaktiven Reststoffe sei nicht gewährleistet, kann der Kläger den angefochtenen Bescheid gleichfalls nicht zu Fall bringen. Dieses Vorbringen richtet sich gegen das vorläufige positive Gesamturteil, welches die Feststellung umfaßt, daß die abschließende Betriebsgenehmigung voraussichtlich nicht an dem fehlenden Nachweis der Entsorgungsvorsorge scheitern werde (S. 142 f). Da der Kläger die Betriebsgenehmigung (4. Teilgenehmigung) ebenfalls angefochten hat und diese ihm gegenüber nicht bestandskräftig geworden ist, kann ihm insoweit nicht entgegengehalten werden, daß das vorläufige positive Gesamturteil durch die Betriebsgenehmigung bestätigt und damit zugleich überholt worden ist.
Soweit der Kläger die im Rahmen der 1. Teilgenehmigung getroffene Entsorgungsprognose angreift, fehlt es indessen an einer geschützten - eigenen - Rechtsposition, deren Verletzung der Kläger geltend machen könnte. Nach der ständigen Rechtsprechung dieses Senats, die vom Bundesverwaltungsgericht bestätigt worden ist (Urt. v. 22. 10. 1987 - 7 BVerwG C 4.85 - DVBl 1988, 148/150 = BVerwGE 78, 177/183 f), betrifft die durch § 7 Abs. 2 Nr. 3 AtG vorgeschriebene Schadensvorsorge nur solche Risiken, die wegen des Umgangs mit radioaktivem Material unmittelbar von der genehmigten Kernanlage ausgehen ("anlagenimmanentes Risikopotential"), nicht aber solche, die sich aus dem späteren Umgang mit ihm in anderen Anlagen ergeben könnten ("anlagentranszendentes Risikopotential"). Der Bewältigung des letzteren dient die Vorschrift des § 9 a AtG, die aber keinen Drittschutz vermittelt. Dem Vorsorgegebot in Bezug auf das anlagenimmanente Risikopotential radioaktiver Reststoffe und Abfälle ist Genüge getan, wenn zu erwarten ist, daß diese Anlagen extern verbracht oder bis zu einer in absehbarer Zeit zu erwartenden anlagenexternen Anschlußentsorgung anlagenintern zwischengelagert werden können (Beschluß des Sen. v. 30. 12. 1982 - 7 OVG A 7, 62/80 - DVBl 1983, 187; zuletzt Urt. v. 21. 6. 1990 - 7 OVG A 56/88 - S. 9). In diesem Zusammenhang ist außerdem zu berücksichtigen, daß die Prognose der Genehmigungsbehörde nach dem Erkenntnisstand im Zeitpunkt ihrer Entscheidung zu beurteilen ist. Der Kläger kann demzufolge nicht mit dem Argument durchdringen, die Möglichkeiten für eine gesicherte Endlagerung radioaktiver Abfälle hätten sich seit der Erteilung der angefochtenen Genehmigung ungünstiger entwickelt als zunächst angenommen. Daß die Prognose nach dem Sach- und Erkenntnisstand des Jahres 1982 unvertretbar war, hat der Kläger nicht substantiiert dargetan und ist auch sonst nicht ersichtlich.
C. Aus den zur Zurückweisung der Berufung führenden Gründen konnte den hilfsweise gestellten Beweisanträgen nicht entsprochen werden. Im einzelnen ist hierzu folgendes zu bemerken:
Zu 1):
Die unter Beweis gestellte Tatsache, daß ungeplante Handeingriffe und deren mögliche Folgen im Genehmigungsverfahren nicht untersucht worden seien, kann als wahr unterstellt werden. Hierauf kommt es für die Entscheidung nicht an, da für die Genehmigungsbehörde keine Veranlassung bestand, derartige Untersuchungen im Genehmigungsverfahren anzustellen.
Zu 2):
Das Betriebshandbuch ist nach Ziff. 9 der KTA-Regel 1201 frühestens so rechtzeitig einzureichen, daß die für die Inbetriebsetzung erforderlichen Sicherheitsspezifikationen vor dem Beladen des Reaktors mit dem Erstkern geprüft vorliegen. Alle weiteren Spezifikationen und Anweisungen sind nach diesem Zeitpunkt einzuarbeiten. Folglich brauchte das Betriebshandbuch bei Erteilung der hier angefochtenen Genehmigung noch nicht vorzuliegen und hatte die Genehmigungsbehörde nicht zu prüfen, ob das Betriebshandbuch den Anforderungen genügte. Der Beweisantrag ist daher unschlüssig.
Zu 3):
Auf die Beweisfrage kommt es in diesem Verfahren nicht an, da in der 1. Teilgenehmigung nicht über die Notwendigkeit von Ausschlagsicherungen zu entscheiden war.
Zu 4):
Auf die unter Beweis gestellte Behauptung kommt es nicht an, da die in der Deutschen Risikostudie Kernkraftwerke Phase B enthaltenen Abschätzungen zur Häufigkeit von Containmentversagen nach Kernschmelzen für die Rechtmäßigkeit des angefochtenen Bescheides unerheblich sind.
Zu 5):
Der Beweisantrag ist unsubstantiiert. Er unterstellt, daß das Verfahren der Wiederholungsprüfung ein Begriffsmerkmal der "Basissicherheit" sei. Dies entspricht jedoch nicht dem üblichen Sprachgebrauch, wonach sich der Begriff "basissicher" auf die Beschaffenheit und Verarbeitung der Werkstoffe und der daraus geschaffenen Komponenten bezieht. Wenn der Kläger hingegen zum Ausdruck bringen wollte, daß wegen fehlender Basissicherheit den Wiederholungsprüfungen und damit, der Aufmerksamkeit und Sachkunde der mit den Prüfungen betrauten Fachkräfte ein zu hohes Gewicht zukomme, so wäre ein dahingehender Beweisantrag unschlüssig, weil der Kläger damit etwas unterstellt, was Gegenstand der Beurteilung im Rahmen einer späteren Teilgenehmigung ist: die Beschaffenheit des konkreten Reaktordruckbehälters für das Kernkraftwerk Emsland.
Zu 6):
Der Beweisantrag ist unschlüssig. Auf die Beantwortung der Beweisfrage kommt es für die Entscheidung des Senats nicht an. Sie bezieht sich auf den gegenwärtigen Luftverkehr, allenfalls auf den Zeitraum seit 1988. Maßgebend für die Beurteilung des angefochtenen Bescheides sind jedoch die Verhältnisse des Jahres 1982 und die damals zur Verfügung stehenden Daten.
Zu 7):
Der Beweisantrag ist unsubstantiiert, weil er offenläßt, welche Maßnahme in welcher Situation zu ungewollten schwerwiegenden Folgen führt. In seiner allgemeinen Formulierung ist er unschlüssig. "Notfallschutzmaßnahmen" sind Handlungen des Bedienungspersonals bei einem auslegungsüberschreitenden Störfall mit dem Ziel, ein Kernschmelzen zu verhindern oder zu verzögern (vgl. Lukes, Rechtsfragen im Zusammenhang mit dem anlageninternen Notfallschutz, in: Achtes Deutsches Atomrechtssymposium, München 1989, S. 63). Solche Maßnahmen dienen der Restrisikominimierung; ihr Wirksamkeit ist daher in einem Verfahren wegen einer Drittanfechtungsklage nicht zu überprüfen.
Zu 8):
Auf die unter Beweis gestellte Tatsache kommt es nicht an. Maßgebend für die Beurteilung des angefochtenen Bescheides ist nicht die derzeitige Entsorgungssituation, sondern sind der Sachstand im Jahre 1982 und die damals zur Verfügung stehenden Prognosedaten.
D. Die vom Kläger weiterhin hilfsweise beantragte Vorlage an das Bundesverfassungsgericht gemäß Art. 100 GG kommt nicht in Betracht, weil der Senat § 7 AtG nicht für verfassungswidrig hält. Wegen der Einzelbegründung bezieht er sich auf die zutreffenden Ausführungen im erstinstanzlichen Urteil. Soweit der Kläger die Verfassungswidrigkeit des § 7 AtG mit der "unzureichenden Bewältigung der Entsorgungsproblematik" begründet, scheitert eine Vorlage auch daran, daß die Entscheidung des Senats hiervon nicht abhängt, weil die atomrechtlich gebotene Entsorgungsvorsorge nicht dem Drittschutz dient. Die "untergesetzliche Standardisierung", d.h. die verbindliche Festsetzung von Auslegungsmerkmalen und Bewertungskriterien durch die Exekutive, entspricht deren vom Bundesverfassungsgericht (BVerfGE 49, 89 f) anerkannter Beurteilungsprärogative.
E. Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 154 Abs. 2, 162 Abs. 3 VwGO. Die vorläufige Vollstreckbarkeit dieser Entscheidung und die Abwendungsbefugnis ergeben sich aus § 167 VwGO und §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.
Der Senat hat die Revision nicht zugelassen, weil keiner der gesetzlichen Gründe hierfür (§ 132 Abs. 2 VwGO) vorliegt. Insbesondere wirft die Sache keine einer Klärung durch das Revisionsgericht bedürftige Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung auf.
Czajka
Kalz
Rettberg