Oberverwaltungsgericht Niedersachsen
Urt. v. 24.03.1992, Az.: 5 L 2485/91

Beamtenverhältnis; Bundespost; Versorgungsanwartschaft; Rentenkonto; Versorgungsausgleichsverfahren; Berufsunfähigkeitsrente; Beamtenversorgung

Bibliographie

Gericht
OVG Niedersachsen
Datum
24.03.1992
Aktenzeichen
5 L 2485/91
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 1992, 13388
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:OVGNI:1992:0324.5L2485.91.0A

Verfahrensgang

vorgehend
VG Stade - 28.09.1989 - AZ: 1 A 119/88
nachfolgend
BVerwG - 28.04.1994 - AZ: BVerwG 2 C 22/92

Tenor:

Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Stade - 1. Kammer Lüneburg - vom 28. September 1989 wird zurückgewiesen.

Die Beklagte trägt die Kosten des Berufungsverfahrens; insoweit ist das Urteil vorläufig vollstreckbar.

Die Revision wird zugelassen.

Gründe

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I.

Die im Jahre 1929 geborene Klägerin war seit 1963 zunächst als Arbeiterin bei der Bundespost im ... beschäftigt. Im Mai 1970 wurde sie in das Beamtenverhältnis übernommen. Mit Ablauf des 31. März 1977 wurde sie wegen dauernder Dienstunfähigkeit in den Ruhestand versetzt.

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Durch Urteil des Amtsgerichts Lüneburg vom 17. Februar 1981 (rechtskräftig seit dem 25. März 1981) wurde die Ehe der Klägerin geschieden. Im Versorgungsausgleichsverfahren übertrug das Amtsgericht Versorgungsanwartschaften der Klägerin auf das Rentenkonto ihres geschiedenen Ehemannes. Im Mai 1982 teilte die Landesversicherungsanstalt Hannover der Oberpostdirektion Hamburg mit, daß dem geschiedenen Ehemann der Klägerin für die Zeit vom 19. Dezember 1981 bis zum 30. Juni 1982 eine Rente wegen Berufsunfähigkeit auf Zeit gewährt worden sei. Mit Bescheid vom 11. Juni 1982 kürzte daraufhin die Oberpostdirektion Hamburg die Versorgungsbezüge der Klägerin "rückwirkend vom 1. 12. 1981 an, dem Zeitpunkt der Rentengewährung auf Zeit bis zum 30. 06. 1982 an Ihren geschiedenen Ehemann". Seit dem 1. Juli 1982 erhielt die Klägerin wieder das ungekürzte Ruhegehalt.

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Mit Bescheid vom 24. September 1986 kürzte die Oberpostdirektion Hamburg erneut das Ruhegehalt der Klägerin mit Wirkung vom 1. Oktober 1986 gem. § 57 BeamtVG um monatlich 370,97 DM. Zur Begründung ist ausgeführt, daß die mit Bescheid vom 11. Juni 1982 angeordnete Kürzung der Versorgungsbezüge zu Unrecht auf die Dauer der Gewährung einer Rente auf Zeit an ihren geschiedenen Ehemann beschränkt worden sei. Nach der herrschenden Rechtsauffassung zu § 57 BeamtVG müsse das Ruhegehalt des Ausgleichspflichtigen auch dann weiterhin gekürzt werden, wenn die Rentenzahlung an den geschiedenen Ehegatten vom Rentenversicherungsträger eingestellt werde, so z.B. bei Wegfall einer Rente wegen Berufsunfähigkeit auf Zeit. Es sei ferner zur prüfen, ob die Versorgungsbezüge der Klägerin auch für die zurückliegende Zeit, d.h. vom 1. Juli 1982 bis zum 30. September 1986, unter Berücksichtigung der Kürzung neu festzusetzen seien. Da der Bescheid vom 11. Juni 1982 hinsichtlich der Befristung nicht mit dem geltenden Recht in Einklang stehe, könne er gem. § 48 VwVfG auch mit Wirkung für die Vergangenheit zurückgenommen werden. Hierzu wurde die Klägerin um Stellungnahme gebeten. Den von der Klägerin hiergegen eingelegten Widerspruch wies die Beklagte durch Bescheid vom 18. Mai 1988 als unbegründet zurück. Hiergegen hat die Klägerin am 16. Juni 1988 Klage erhoben.

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Bereits vorher, seit dem 1. Februar 1987, hatte der geschiedene Ehemann der Klägerin eine Dauerrente wegen Erwerbsunfähigkeit bezogen. Aus Anlaß des Bezuges dieser Rente kürzte die Beklagte mit Bescheid vom 20. August 1987 die Ruhegehaltsbezüge der Klägerin ab 1. Februar 1987. Die von der Klägerin hiergegen nach erfolglosem Widerspruch eingelegte Klage - 1 VG A 206/87 - nahm sie zurück.

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Zur Begründung ihrer am 16. Juni 1988 erhobenen Klage hat die Klägerin vorgetragen: Bei der gebotenen verfassungskonformen Auslegung des § 57 Abs. 1 Satz 2 BeamtVG komme bei einer auf Zeit bewilligten Rente eine Kürzung der Versorgungsbezüge nur für die Dauer dieses Rentenbezuges in Betracht. Die Kürzung wirke sich bei ihr als nicht zu rechtfertigende Härte aus, weil es ihr im Gegensatz zu ihrem geschiedenen Ehemann seit Durchführung des Versorgungsausgleiches nicht mehr möglich gewesen sei, eine höhere Altersversorgung aufzubauen. Sie erhalte ferner aus Rechtsgründen bei Vollendung ihres 63. Lebensjahres keine Rente wegen Berufs- oder Erwerbsunfähigkeit. Im übrigen stelle die mit Bescheid vom 24. September 1986 vorgenommene neuerliche Kürzung der Versorgungsbezüge eine nach § 48 VwVfG zu beurteilende Rücknahme des Bescheides vom 11. Juni 1982 dar. Eine derartige Rücknahme sei allein schon wegen Verstreichens der Jahresfrist des § 48 Abs. 4 VwVfG unzulässig.

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Die Klägerin hat beantragt,

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den Bescheid der Beklagten vom 24. September 1986 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 18. Mai 1988 aufzuheben.

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Die Beklagte hat beantragt,

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die Klage abzuweisen.

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Sie hat entgegnet: Im September 1986 sei festgestellt worden, daß das sogenannte "Pensionistenprivileg" der Klägerin mit Bewilligung der Rente an den geschiedenen Ehemann geendet habe und auch nach Ende der Rentenzahlung nicht wieder aufgelebt sei. Diese Auffassung entspreche der herrschenden Rechtsmeinung. Ein Wiederaufleben des ungeschmälerten Versorgungsanspruchs komme nicht in Betracht. Die Ausnahmevorschrift des § 57 Abs. 1 Satz 2 BeamtVG sei eng auszulegen. Sie diene dem Schutz des Besitzstandes, der dann nicht mehr erreicht werden könne, wenn das Ruhegehalt erst einmal gekürzt worden sei. Etwas anderes ergebe sich auch nicht aus der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 28. Februar 1980 (BVerfGE 53, 257). Diese Entscheidung behandele einzelne Härtesituationen, denen der Gesetzgeber mit Erlaß des Härteregelungsgesetzes Rechnung getragen habe. Der vorliegende Fall falle nicht unter die Bestimmungen dieses Gesetzes. Eine vergleichbare Härte sei auch nicht ersichtlich. Es sei nicht Voraussetzung, daß sich eine Kürzung des Ruhegehaltes des Ausgleichspflichtigen sofort bei dem Berechtigten auswirken müsse. In Fällen wie dem vorliegenden profitiere der Träger der Versorgungslast des Verpflichteten nur scheinbar; es müsse nämlich berücksichtigt werden, daß er dem Versicherungsträger des Berechtigten beispielsweise auch dann noch dessen Aufwendungen aufgrund der Versorgungsausgleichs-Erstattungsverordnung ersetzen müsse, wenn er selbst keine Versorgungsbezüge, z.B. wegen des Todes des Beamten, mehr zahle. Der Kürzung der Versorgungsbezüge der Klägerin stehe seit dem 1. September 1987 auf seiten des berechtigten geschiedenen Ehemannes eine Rentenzahlung gegenüber; die Kürzung wirke sich somit angemessen aus.

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Das Verwaltungsgericht hat der Klage durch Urteil vom 28. September 1989 stattgegeben und zur Begründung im wesentlichen ausgeführt: Streitgegenstand des vorliegenden Verfahrens sei die Frage, ob die wegen der dem geschiedenen Ehemann der Klägerin gewährten Rente auf Zeit erfolgte Kürzung der Versorgungsbezüge ab 1. Oktober 1986 rechtmäßig sei. Diese Kürzung erstrecke sich auf die Zeit bis zum 31. Januar 1987. Für die Zeit vom 1. Februar 1987 an sei über die Kürzung der Versorgungsbezüge bestandskräftig entschieden. Der Bescheid vom 24. September 1986 sei rechtswidrig. Der Wortlaut des § 57 Abs. 1 Satz 2 BeamtVG beantworte nicht eindeutig die hier entscheidungserhebliche Frage, ob das "Pensionistenprivileg" durch eine auf Zeit bewilligte Rente des Berechtigten beendet oder nur für die Dauer des Rentenbezuges unterbrochen wird. Eine verfassungskonforme Auslegung, die insbesondere das Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom 28. Februar 1980 (BVerfGE 53, 257) berücksichtige, führe zu dem Ergebnis, daß bei dem Bezug einer Zeitrente das "Pensionistenprivileg" nur für die Dauer des Bezuges dieser Rente unterbrochen werde, was bedeute, daß die Versorgungsbezüge nach Ende der Rentenzahlung in ungekürzter Höhe weiterzuzahlen seien. Die von der Beklagten durchgeführte Kürzung der Versorgungsbezüge der Klägerin stelle eine spürbare Minderung ihres Versorgungsanspruches dar. Diese Minderung habe sich während des hier entscheidungserheblichen Kürzungszeitraumes vom 1. Oktober 1986 bis zum 1. Februar 1987 beim geschiedenen Ehemann der Klägerin nicht als Vergünstigung ausgewirkt, weil er in diesem Zeitraum keine Rente erhalten habe. Verglichen mit dem Fall, daß der geschiedene Ehemann eine Rente bzw. dieser weder eine Dauer noch eine Zeitrente beziehe, stellt sich die Versorgungslage der Klägerin und ihres geschiedenen Ehemannes schlechter dar. Folge man der Auffassung der Beklagten, käme die Kürzung ausschließlich der Versorgungskasse zugute. Die Versorgungsausgleichs-Erstattungsverordnung vom 11. März 1980 (BGBl I S. 280) sehe nämlich nur vor, daß dem Rentenversicherungsträger Aufwendungen von der Versorgungskasse zu erstatten seien. Da dem Versicherungsträger des geschiedenen Ehemannes nach Ablauf der auf Zeit bewilligten Rente keine Aufwendungen mehr entstanden seien, bestehe somit auch nicht mehr ein Erstattungsanspruch gegen die Versorgungskasse der Klägerin.

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Gegen dieses ihr am 2. November 1989 zugestellte Urteil wendet sich die Beklagte mit ihrer am 1. Dezember 1989 eingelegten Berufung, zu deren Begründung sie vorträgt: Das Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom 28. Februar 1980 (BverfGE 53, 257), durch welches der Gesetzgeber zur Schaffung einer Ausgleichsregelung für Härtefälle im Versorgungsausgleich aufgefordert worden sei, könne nicht als Rechtfertigung der vom Gericht für erforderlich gehaltenen verfassungskonformen Auslegung dienen. Der Gesetzgeber sei dieser Aufforderung durch Schaffung des Gesetzes zur Regelung von Härten - VAHRG - nachgekommen. Das Verwaltungsgericht setze sich an die Stelle des Gesetzgebers, wenn es über die Intention des Bundesverfassungsgerichts, eine entsprechende gesetzliche Neuregelung schaffen zu lassen, hinaus den Anwendungsbereich des § 57 Abs. 1 Satz 2 BeamtVG erweitern wolle. Das "Pensionistenprivileg" solle dem Schutz des Besitzstandes des Ausgleichsverpflichteten dienen. Dieses Recht erlösche aber auf Dauer, sobald der Ausgleichsberechtigte eine Rente - sei es auch nur auf Zeit - beziehe.

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Die Beklagte beantragt,

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das angefochtene Urteil zu ändern und die Klage abzuweisen.

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Die Klägerin beantragt,

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die Berufung zurückzuweisen.

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Sie wiederholt ihr bisheriges Vorbringen und macht sich die Gründe des angefochtenen Urteils zu eigen.

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Wegen der weiteren Einzelheiten des Vorbringens der Beteiligten wird auf ihre in beiden Rechtszügen gewechselten Schriftsätze, wegen des Sachverhalts im übrigen auf den Inhalt der Gerichtsakten und der Personalakten der Klägerin (Beiakten D) sowie der Gerichtsakten 1 VG A 206/87, 1 VG D 57/86 und 1 VG D 45/82 (Beiakten A, B und C) Bezug genommen.

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II.

Die Berufung der Beklagten ist nicht begründet.

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Das Verwaltungsgerichts hat zu Recht entschieden, daß die angefochtenen Bescheide, mit denen die Beklagte die Versorgungsbezüge der Klägerin vom 1. Oktober 1986 bis zum 31. Januar 1987 (der Bescheid vom 24. September 1986 entfaltete Wirksamkeit nur bis zum 31. Januar 1987, weil er mit Wirkung vom 1. Februar 1987 durch den bestandskräftig geworden Bescheid der Beklagten vom 20. August 1987 abgelöst wurde) gem. § 57 BeamtVG gekürzt hat, rechtswidrig sind und die Klägerin in ihren Rechten verletzen (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).

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Der vorgenommenen Kürzung steht das sogenannte Pensionistenprivileg des § 57 Abs. 1 Satz 2 BeamtVG entgegen. Nach dieser Vorschrift wird das Ruhegehalt, das der verpflichtete Ehegatte im Zeitpunkt der Wirksamkeit der Entscheidung des Familiengerichts über den Versorgungsausgleich erhält, erst gekürzt, wenn aus der Versicherung des berechtigten Ehegatten eine Rente zu gewähren ist. Der Wortlaut dieser Vorschrift ist nicht eindeutig. Er läßt eine Auslegung sowohl in dem Sinne zu, daß die Kürzung nur für die Dauer der Rentenzahlung erfolgt, als auch in dem Sinne, daß die Versorgungsbezüge auf Dauer gekürzt werden, auch wenn - wie hier bei dem Wegfall der nur auf Zeit bewilligten Rente - die Rentenzahlung an den geschiedenen Ehegatten vom Rentenversicherungsträger wieder eingestellt wird.

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Zu der vom Verwaltungsgericht vorgenommenen verfassungskonformen Auslegung des § 57 Abs. 1 Satz 2 BeamtVG ist zu bemerken, daß sie nicht in der erfolgten Weise auf das Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom 28. Februar 1980 (BVerfGE 53, 257) gestützt werden kann. In dieser Entscheidung hat das Bundesverfassungsgericht es von Verfassungs wegen für geboten erachtet, daß der Gesetzgeber die Bestimmungen über die Übertragung und Begründung von Rentenanwartschaften in einer der gesetzlichen Rentenversicherungen durch Regelungen ergänzt, die es ermöglichen, nachträglich eintretenden grundrechtswidrigen Auswirkungen des Versorgungsausgleichs zu begegnen. Dieser Aufforderung an den Gesetzgeber hat dieser durch das Gesetz zur Regelung von Härten im Versorgungsausgleich vom 21. Februar 1983 (BGBl. I S. 105) idF des Gesetzes vom 8. Dezember 1986 (BGBl. I S. 2317) Rechnung getragen. Später hat das Bundesverfassungsgericht entschieden, daß es von Verfassungs wegen nicht geboten ist, über die im Gesetz zur Regelung von Härten vom Gesetzgeber geschaffene allgemeine Härtefallregelung hinaus eine einzelfallbezogene Härtefallregelung zu treffen (vgl.Urt. v. 5. 7. 1989 - 1 BvL 11/87 u.a. -, BVerfGE 80, 297 (311) = DVBl. 1989, 871).

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Dagegen ergibt eine Auslegung des § 57 Abs. 1 Satz 2 BeamtVG nach dem Sinn und Zweck dieser Vorschrift, daß eine Kürzung der Versorgungsbezüge nur für die Zeit erfolgen kann, während deren der aus der Versorgungsanwartschaft berechtigte Ehegatte eine Rente bezieht. Der Regelung des § 57 Abs. 1 Satz 2 BeamtVG liegt erkennbar der Gedanke der Wahrung des Besitzstandes zugrunde. "Während der Ausgleichspflichtige, der noch im Berufsleben steht, einen Rentenanspruch nach Durchführung des öffentlich-rechtlichen Versorgungsausgleichs nur noch in Höhe des Teils der Anwartschaft erwerben kann, der ihm verblieben ist, besitzt der Rentner, dessen Ehe geschieden wird, bereits den vollen Rentenanspruch und hat sich darauf eingestellt. Er hat keine Möglichkeit, die Minderung seiner Rente ganz oder teilweise durch Nachentrichtung von Beiträgen auszugleichen. Solange der Berechtigte die Voraussetzungen für einen Rentenbezug nicht erfüllt, besteht kein Anlaß für eine Kürzung, da andernfalls nur der Rentenversicherungsträger vom Versorgungsausgleich profitieren würde" (Plog-Wiedow-Beck-Lemhöfer, Anm. 35 zu § 57 BeamtVG). Den sich aus der Nichtzahlung der Rente ergebenden Vorteil hat der Gesetzgeber in § 57 Abs. 1 Satz 2 BeamtVG (wie auch in § 1304 Abs. 4 Satz 2 RVO, 83 a Abs. 4 Satz 2 AVG und § 96 Abs. 4 Satz 2 RKG) nicht dem Versicherungsträger des Berechtigten eingeräumt, sondern in Gestalt eines vorläufigen Betragsschutzes dem Verpflichteten zugewendet (vgl. BSG, Urt. v. 13. 3. 1985 - 5 a RKn 2/84 -, Sozialrecht 26700 § 96 a RKG Nr. 1). Solange der Berechtigte die Voraussetzungen für einen Rentenbezug nicht erfüllt, besteht kein Anlaß für eine Kürzung, da anderenfalls nur der Rentenversicherungsträger vom Versorgungsausgleich profitieren würde (vgl. Plog-Wiedow-Beck-Lemhöfer, Anm. 35 zu § 57 BeamtVG). Der mit § 57 Abs. 1 Satz 2 BeamtVG verfolgte Zweck des Schutzes des Besitzstandes des Ausgleichspflichtigen rechtfertigt es, die Begünstigung, daß die Versorgungsbezüge ohne Kürzung gezahlt werden, wieder aufleben zu lassen, sobald der Grund für die Kürzung - hier der vorübergehende Bezug einer Rente auf Zeit durch den Berechtigten - weggefallen ist. Der hiervon abweichenden, nicht näher begründeten Rechtsauffassung von Plog-Wiedow-Beck-Lemhöfer (Anm. 36 zu § 57 BeamtVG) und Stegmüller/Schmalhofer/Bauer, Erl. 2 a zu § 57 BeamtVG) vermag sich der erkennende Senat nicht anzuschließen.

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Die Frage der Anwendbarkeit des § 48 VwVfG ist, wie das Verwaltungsgericht nicht verkannt hat, nicht entscheidungserheblich. Es sei aber bemerkt, daß die Ausführungen des Verwaltungsgerichts im Hinblick auf die Entscheidung des Großen Senats des Bundesverwaltungsgerichts vom 19. Dezember 1984 - Gr.Sen. 12.84 -, BVerwGE 70, 356, nicht frei von Bedenken sind. Hiernach erweisen sich die angefochtenen Bescheide als rechtswidrig. Der Berufung der Beklagten gegen das der Klage stattgebende Urteil des Verwaltungsgerichts war daher der Erfolg zu versagen.

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Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit hinsichtlich der Kosten auf 167 VwGO i.V.m. § 708 Nr. 10 ZPO.

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Die Revision ist zuzulassen, weil der hier entscheidungserheblichen Frage, ob die Kürzung der Versorgungsbezüge nach § 57 Abs. 1 Satz 2 nur für die Zeit erfolgt, während deren der aus der Versorgungsanwartschaft berechtigte Ehegatte eine Rente bezieht, von grundsätzlicher Bedeutung im Sinne des § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO ist.

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Dr. Thiedemann

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Nelle

29

Reisner