Verwaltungsgericht Braunschweig
Beschl. v. 30.06.2023, Az.: 1 B 248/23

Prognoseentscheidung; Sonn- und Feiertagsschutz; Sonntagsöffnung; Verkaufsstelle; Sonntagsöffnung einer Verkaufsstelle

Bibliographie

Gericht
VG Braunschweig
Datum
30.06.2023
Aktenzeichen
1 B 248/23
Entscheidungsform
Beschluss
Referenz
WKRS 2023, 51222
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:VGBRAUN:2023:0630.1B248.23.00

Fundstelle

  • RdW 2023, 780

Amtlicher Leitsatz

  1. 1.

    Das wirtschaftliche Umsatzinteresse der Ladeninhaber und das Shopping-Interesse der Kunden genügen grundsätzlich nicht, um Ausnahmen vom verfassungsrechtlichen Schutz der Arbeitsruhe und der Möglichkeit zur Erholung an Sonn- und Feiertagen zu rechtfertigen.

  2. 2.

    Es ist eine Prognoseentscheidung dahingehend anzustellen, ob die Anlassveranstaltung einen höheren Besucherstrom anzieht als dies bei einer alleinigen Öffnung der Verkaufsstellen der Fall wäre. Dafür bedarf es eines auf valide Zahlen gestützten Vergleichs der Anzahl der Besucher die einerseits aufgrund der Veranstaltung und andereseits allein aufgrund der Öffnung der Verkaufsstellen zu erwarten sind.

Gründe

Der Antrag auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes hat Erfolg.

Der Antrag auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung ist gemäß § 80a Abs. 3 VwGO i.V.m. § 80 Abs. 5 Satz 1 Var. 2 VwGO zulässig. Insbesondere ist die Antragstellerin gemäß § 42 Abs. 2 VwGO analog antragsbefugt. Sie kann geltend machen, durch die zur Prüfung gestellte Genehmigung in ihrem subjektiven Recht auf Koalitionsfreiheit gemäß Art. 9 Abs. 3 Satz 1 Grundgesetz (GG) verletzt zu sein. § 5 NLöffVZG dient auch dem Schutz des Interesses von Vereinigungen und Gewerkschaften am Erhalt günstiger Rahmenbedingungen für gemeinschaftliches Tun und ist in diesem Sinne drittschützend (vgl. BVerwG, Urt. v. 11.11.2015 - 8 CN 2/14 -, juris Rn. 15 ff.; Beschl. d. Gerichts v. 20.12.2021 - 1 B 603/21 -, BeckRS 2021, 40524).

Der Antrag ist auch begründet.

Gemäß § 80 Abs. 5 Satz 1 Var. 2 VwGO kann das Gericht auf Antrag die aufschiebende Wirkung einer Anfechtungsklage in den Fällen, in denen - wie hier - die sofortige Vollziehung der Verfügung gemäß § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 VwGO angeordnet worden ist, wiederherstellen, wenn das Ergebnis einer Interessenabwägung ergibt, dass das Interesse der Antragstellerin an der vorläufigen Aussetzung der Vollziehbarkeit eines angefochtenen Verwaltungsaktes (Aussetzungsinteresse) das Interesse der Allgemeinheit an der sofortigen Vollziehung des Verwaltungsaktes (Vollzugsinteresse) überwiegt. Im Rahmen der Interessenabwägung sind im Wege einer summarischen Prüfung die Erfolgsaussichten der Klage im Hauptsacheverfahren zu berücksichtigen. Bei einem Antrag auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung der Klage ist der Antrag darüber hinaus auch dann begründet, wenn die behördliche Anordnung der sofortigen Vollziehung formell rechtswidrig ist (vgl. BVerwG, Beschl. v. 02.06.1988 - 4 C 1/88 -, Rn. 15, juris; Nds. OVG, Beschl. v. 10.05.2010 - 13 ME 181/09 -, Rn. 3 f., juris; Beschl. v. 05.03.2008 - 7 MS 115/07 -, Rn. 25 ff., juris).

Die demnach vorzunehmende Interessenabwägung fällt hier zu Gunsten der Antragstellerin aus. Nach der im Verfahren zur Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes allein möglichen und gebotenen summarischen Prüfung erweist sich die angefochtene Genehmigung vom 27. Juni 2023 hinsichtlich der erlaubten sonntäglichen Verkaufsöffnung am E. anlässlich der Veranstaltung "G." aller Voraussicht nach als rechtswidrig. Sie verletzt die Antragstellerin in ihren Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).

Ob die Bekanntmachung den Anforderungen des § 5 des Niedersächsischen Gesetzes über Ladenöffnungs- und Verkaufszeiten (NLöffVZG) genügt, kann vorliegend dahinstehen, weil die weiteren Voraussetzungen des § 5 NLöffVZG nicht vorliegen.

Die Antragsgegnerin stützt die Genehmigung der sonntäglichen Öffnung der F. anlässlich der Veranstaltung "G." am E. zwischen 13:00 Uhr und 18:00 Uhr auf § 5 Abs. 1 Nr. 1 NLöffVZG. Danach kann die zuständige Behörde auf Antrag zulassen, dass die Verkaufsstellen in der Gemeinde oder in Ortsbereichen über § 4 Abs. 1 NLöffVZG hinaus an Sonntagen geöffnet werden dürfen, wenn dafür ein besonderer Anlass vorliegt, der den zeitlichen und örtlichen Umfang der Sonntagsöffnung rechtfertigt.

Die Veranstaltung "G." stellt keine rechtfertigende Anlassveranstaltung im Sinne des § 5 Abs. 1 Nr. 1 NLöffVZG für den zeitlichen und örtlichen Umfang der Sonntagsöffnung dar.

Der in Art. 140 GG i. V. m. Art. 139 WRV enthaltene Schutzauftrag statuiert für die Arbeit an Sonn- und Feiertagen ein Regel-Ausnahme-Verhältnis; die typische "werktägliche Geschäftigkeit" hat an Sonn- und Feiertagen zu ruhen. Jede Ladenöffnung an einem Sonn- oder Feiertag bedarf eines dem Sonntagsschutz gerecht werdenden Sachgrundes. Ein bloß wirtschaftliches Umsatzinteresse der Verkaufsstelleninhaber und ein alltägliches Erwerbsinteresse ("Shopping-Interesse") potentieller Käufer genügen grundsätzlich nicht, um Ausnahmen vom verfassungsunmittelbar verankerten Schutz der Arbeitsruhe und der Möglichkeit zu seelischer Erhebung an Sonn- und Feiertagen zu rechtfertigen. Je weitreichender die Freigabe der Verkaufsstellenöffnung in räumlicher und zeitlicher Hinsicht sowie in Bezug auf die einbezogenen Handelspartner und Warengruppen ist, umso höher muss angesichts der stärkeren werktäglichen Prägung des Tages das Gewicht der für die Ladenöffnung angeführten Sachgründe sein (Nds. OVG, Beschl. v. 5.10.2018 - 7 ME 75/18 - juris Rn. 15).

Das Bundesverwaltungsgericht geht in seinem Urteil vom 11. November 2015 (8 CN 2/ 14) davon aus, dass die Sonntagsöffnung von Verkaufsstellen mit uneingeschränktem Warenangebot "aus Anlass" eines Marktes, einer Messe oder einer ähnlichen Veranstaltung nur zulässig ist, wenn die für die Ladenöffnung am Sonntag anlassgebende Veranstaltung den Sonntag prägt und die Geschäftsöffnung sich als bloßer Annex zu dieser darstellt, die Ladenöffnung in räumlichem Bezug zum konkreten Marktgeschehen verbleibt und prognostiziert werden kann, dass die Veranstaltung für sich genommen einen beträchtlichen Besucherstrom anzieht, der die bei einer alleinigen Öffnung der Verkaufsstellen zu erwartende Zahl der Ladenbesucher übersteigt (BVerwG, Urt. v. 11.11.2015 - 8 CN 2/14 - juris unter Hinweis auf BVerfG, Urt. v. 1.12.2009 - 1 BvR 2857/07 und 1 BvR 2858/074 -; ständige Rechtspr. des Nds. OVG, Beschl. v. 1.11.2019 - 7 ME 56/19 - juris Rn. 7 f.; Beschl. v. 5.10.2018 - 7 ME 75/18 - juris Rn. 16).

Nach der Rechtsprechung des Niedersächsischen Oberverwaltungsgerichts (Beschl. v. 01.11.2019 - 7 ME 56/19 -, juris Rn. 6) muss die Sonntagsöffnung einen bloßen Annex zu der Veranstaltung mit geringer prägender Wirkung darstellen:

"Das Verwaltungsgericht hat seine Entscheidung - ebenfalls selbständig tragend - darauf gestützt, dass bei einer Berücksichtigung der vom Bundesverfassungsgericht für die Sonn- und Feiertagsarbeit aufgestellten Mindestanforderungen bei einer verfassungskonformen Auslegung dieser Norm bei einer Gesamtbetrachtung des Schutzkonzeptes des Landesgesetzgebers der Ausnahmecharakter nur gewahrt sei, sofern ein geeigneter Sachgrund vorliege. Dies wäre anzunehmen, wenn die Sonntagsöffnung im Stadtgebiet der Antragsgegnerin nach den Umständen einen bloßen Annex zu der aufgeführten Veranstaltung mit geringer prägender Wirkung darstelle. Erforderlich sei insoweit eine Veranstaltung, die selbst einen beträchtlichen Besucherstrom anziehe und deren öffentliche Wirkung gegenüber der typisch werktäglichen Geschäftigkeit der Ladenöffnung im Vordergrund stehe. Nach den Gesamtumständen liege der sonntäglichen Öffnung der Verkaufsstellen am 3. November 2019 in dem streitgegenständlichen Stadtgebiet der Antragsgegnerin anlässlich der Veranstaltung "Feuer und Eis" kein hinreichender Sachgrund zugrunde. Die sonntägliche Ladenöffnung stelle sich mithin nicht als bloßer Annex zu der anlassgebenden Veranstaltung dar. Es sei nicht erkennbar, dass die im Genehmigungsbescheid näher beschriebene Veranstaltung "Feuer und Eis" eine Ausstrahlungswirkung im Umfang und der Attraktivität der Öffnung der Verkaufsstellen habe. Aus dem angekündigten Programm ließen sich Gründe für einen rechtfertigenden Anlass für die Verkaufstätigkeit am Sonntag nicht ableiten. Es handele sich vielmehr um ein bloßes Begleitprogramm zur Sonntagsöffnung, das lediglich als Alibiveranstaltung herangezogen werden solle. Dementsprechend habe die Antragsgegnerin die Veranstaltung in ihrem Veranstaltungskalender unter der Überschrift "Feuer und Eis - Verkaufsoffener Sonntag" beworben, wobei der Zusatz "Verkaufsoffener Sonntag" inzwischen aus der Überschrift gestrichen worden sei. Durch die Formulierung in dem Beschreibungstext ("Heute ist in der Oeseder City Erlebnis-Shoppen angesagt") werde deutlich, dass das Einkaufen im Vordergrund stehe und lediglich von weiteren Erlebnissen begleitet werden solle. Gegen eine prägende Wirkung der anlassgebenden Veranstaltung spreche zudem die geringe Anzahl an Attraktionen gegenüber der Vielzahl an Geschäften, die allein aufgrund der streitgegenständlichen Ausnahmegenehmigung (61) bzw. die überhaupt an dem streitgegenständlichen Sonntag öffnen dürften (83). Dabei fehle es einigen der geplanten Attraktionen, nämlich dem Dudelsackspieler und dem Stadtmaskottchen, außerdem an jedem thematischen Bezug zu der Veranstaltung "Feuer und Eis".

Die Beschwerde setzt dieser Beurteilung überzeugende Argumente nicht entgegen. Nach der Rechtsprechung des Eufach0000000030s (vgl. nur Urteil vom 12.12.2018 - 8 CN 1.17 -, juris) muss bei Sonntagsöffnungen aus besonderen Anlass die anlassgebende Veranstaltung - und nicht die Ladenöffnung - das öffentliche Bild des betreffenden Sonntags prägen. Dies setzt voraus, dass die öffentliche Wirkung der Veranstaltung gegenüber der durch die Ladenöffnung ausgelösten, typisch werktäglichen Geschäftigkeit im Vordergrund steht, so dass die Ladenöffnung nur als ein Annex zur Veranstaltung erscheint. Wie das Verwaltungsgericht zu Recht ausgeführt hat, ist hinsichtlich der Veranstaltung "Feuer und Eis" bzw. des schwerpunktmäßigen Themas "Eis" am 3. November 2019 schon im Hinblick auf den Charakter der Veranstaltung nicht zu erkennen, dass sich die Ladenöffnung zu dieser lediglich als ein Annex darstellt. Vielmehr spricht bei der hier nur möglichen summarischen Prüfung des Sachverhalts Überwiegendes dafür, dass die Veranstaltung aus Angeboten besteht, die sich von einem typischen Begleitprogramm einer Ladenöffnung nicht abheben. Ergänzend zu den vom Verwaltungsgericht angeführten Beispielen (Dudelsackspieler, Stadtmaskottchen) ist auf die von der Antragsgegnerin in ihrer Beschwerdebegründung ausdrücklich hervorgehobene Modenschau hinzuweisen. Soweit die Antragsgegnerin geltend macht, durch die Darstellung aktueller Wintermode werde ein inhaltlicher Bezug zum Thema "Eis" aufgegriffen, vermag dies nicht zu überzeugen. In der Bewerbung der Modenschau durch den Beigeladenen heißt es unter anderem wie folgt (vgl. Auszug aus dem Internet, GA Bl. 39 f.): "Ein attraktiver Anziehungspunkt im Sinne des Wortes wird die Wintermodenschau um 15 Uhr in Höhe des Cafés E. werden. Neben aktueller Damenmode präsentieren die ortsansässigen Geschäfte schicke Kinder- und Herrenmode, die in den von 13 bis 18 Uhr geöffneten Läden zum Verkauf steht." Diese Beschreibung spricht nicht dafür, dass es sich bei der Modenschau um eine - zumindest in erster Linie - Angebotsvariante zu dem Thema "Eis" handelt, sondern für den Charakter einer Werbemaßnahme im Zuge der sonntäglichen Ladenöffnung. Auch anhand des von der Beschwerde in Bezug genommen Angebots an Brennholz und Dekoartikeln, des Aufbaus einer Feldschmiede und des Auftritts eines Clowns in weißem Kostüm wird nicht deutlich, dass die anlassgebende Veranstaltung und nicht die Ladenöffnung das öffentliche Bild des Sonntags prägen wird."

Gemessen an diesen Maßstäben ist die Genehmigung der sonntäglichen Verkaufsstellenöffnung anlässlich der Veranstaltung "G." sachlich nicht gerechtfertigt. Die Anlassveranstaltung ist für die beabsichtigte Verkaufsöffnung nicht prägend.

Es mangelt bereits an einer Prognoseentscheidung. Eine solche ist von der Antragsgegnerin nicht vorgenommen worden. Zur Beurteilung, ob die Anlassveranstaltung eine prägende Wirkung entfaltet und die Ladenöffnung demgegenüber lediglich als Annex erscheint, bedarf es einer Prognose dahingehend, dass ein Vergleich der von der Veranstaltung und der von der bloßen Ladenöffnung angezogenen Besucher anzustellen ist. Dabei kommt es darauf an, dass die Veranstaltung für sich genommen - auch ohne die Ladenöffnung - einen erheblichen Besucherstrom anzieht, der die bei einer alleinigen Ladenöffnung - ohne die Veranstaltung - zu erwartende Besucherzahl übersteigt (Nds. OVG, Beschl. v. 01.11.2019 - 7 ME 56/19 -, juris Rn. 8).

Der Genehmigung vom 27. Juni 2023 ist ein solcher Vergleich nicht zu entnehmen, denn darin ist keinerlei Betrachtung der zu erwartenden Besucherströme enthalten. Valide, nachvollziehbare Zahlen sind der Begründung des Bescheides nicht zu entnehmen. Es bestehen deshalb bereits erhebliche Zweifel, ob zum Zeitpunkt der Entscheidungsfindung eine entsprechende Prognose - in Abwägung etwaiger unterschiedlicher Besucherströme - tatsächlich stattgefunden hat.

Die gemeindliche Prognose unterliegt nur einer eingeschränkten verwaltungsgerichtlichen Kontrolle. Das Gericht hat jedoch zu prüfen, ob die bei der Entscheidung über die Freigabe der Ladenöffnung vorgenommene Prognose schlüssig und vertretbar ist (Nds. OVG, Beschl. v. 07.03.2019 - 7 ME 9/19 -, juris Rn. 26). Selbst wenn zugunsten der Antragsgegnerin berücksichtigt wird, dass diese sich in ihrem Schreiben vom 30. Juni 2023, mit dem sie die sofortige Vollziehung angeordnet hat, auf die von der Veranstalterin prognostizierten Besucherzahlen beruft, vermag dies zu keinem anderen Ergebnis zu führen. In ihrem Antrag vom 6. Juni 2023 stellt die Veranstalterin einen Vergleich der Besucher an einem Samstag (10.08.2022) und an einem verkaufsoffenen Sonntag (02.10.2022) an und kommt zu dem Ergebnis, dass an dem verkaufsoffenen Sonntag 56,38 % mehr Besucher zu verzeichnen waren. Dieser Vergleich ist jedoch nicht geeignet zu belegen, dass die Veranstaltung einen höheren Besucherstrom anzieht als dies bei einer alleinigen Öffnung der Verkaufsstellen der Fall wäre. Die Rechtsprechung fordert einen Vergleich der Anzahl der Besucher, die einerseits aufgrund der Veranstaltung und andererseits aufgrund der Öffnung der Verkaufsstellen anreisen. Die Veranstalterin vergleicht aber die Besucher, die am 10. August 2022 allein aufgrund der Öffnung der Verkaufsstellen angereist sind, mit den Besuchern, die am 2. Oktober 2022 aufgrund einer Veranstaltung sowie geöffneter Verkaufsstellen angereist sind. Es ist nicht ersichtlich, welche Besucher am 2. Oktober 2022 aufgrund der Veranstaltung und welche aufgrund der geöffneten Verkaufsstellen vor Ort waren.

Zudem ist zu beachten, dass am heute beginnenden Wochenende auch der in dem Antrag vom 6. Juni 2023 erwähnte 85. Stadtgeburtstag der Stadt Wolfsburg stattfindet, der wegen der damit verbundenen Musikveranstaltungen im Rahmen einer Prognose zu erwartender Besucherströme die zu prognostierende Anziehungskraft der Musikprogrammpunkte der Veranstaltung "G." auf etwaige Besucher eher mindern dürfte. Denn aus dem Veranstaltungsprogramm des Stadtgeburtstages (vgl. Internetauftritt unter: H.) sowie dem ursprünglichen Antrag der F. ergibt sich, dass im Rahmen des 85. Stadtgeburtstages am Samstag national bekannte Bands auftreten werden, während bei der Veranstaltung "G." lokale und regionale Straßenmusiker auftreten sollen.

Aufgrund der Lage der betreffenden Verkaufsstätten ist auch nicht von einer Einbettung in die Veranstaltung des 85. Stadtgeburtstages auszugehen. Vielmehr entspricht es einer lebensnahen Betrachtung, dass musikalisch interessierte Besucher die musikalischen Angebote im Rahmen des 85. Stadtgeburtstages wahrnehmen und die musikalischen Darbietungen der regionalen Straßenmusiker ein Begleitprogramm zu der Nutzung der geöffneten Verkaufsstellen darstellen. Insgesamt spricht bei der hier nur möglichen summarischen Prüfung des Sachverhalts Überwiegendes dafür, dass das musikalische Angebot sowie die nicht näher beschriebene Sandskulpturenausstellung ein typisches Begleitprogramm einer Ladenöffnung darstellen. Vor dem Hintergrund, dass ungefähr H. Verkaufsstellen von der Öffnung umfasst wären kann nicht davon ausgegangen werden, dass die öffentliche Wirkung der Veranstaltung gegenüber der durch die Ladenöffnung ausgelösten, typischen werktäglichen Geschäftigkeit im Vordergrund steht, so dass die Ladenöffnung lediglich als ein Annex zu der Veranstaltung erscheint.

Die Tatsache, dass die Antragstellerin im vergangenen Jahr kein Rechtsmittel gegen die Genehmigung einer ähnlichen Veranstaltung eingelegt hat, vermag zu keinem anderen Ergebnis zu führen. Die Verwaltung ist gemäß Art. 20 Abs. 3 GG an Recht und Gesetz gebunden und darf eine Genehmigung nur erteilen, wenn die gesetzlichen Voraussetzungen dafür vorliegen.

Der Antragstellerin ist auch nicht vorzuwerfen, dass sie etwa rechtsmissbräuchlich erst zu einem Zeitpunkt um gerichtlichen Rechtsschutz nachgesucht hätte, der wegen der Kürze der verbleibenden Zeit bis zu der geplanten Veranstaltung den Interessen der betroffenen Gewerbetreibenden zuwider vermeidbaren Schaden hervorrufen würde. Denn die Antragsgegnerin hat die Genehmigung zur Sonntagsöffnung erst mit Bescheid vom 27. Juni 2023 erteilt und diese erst am heutigen Tag öffentlich bekanntgemacht. Die Antragsgegnerin hat es in der Hand, durch frühzeitigere Entscheidung über entsprechende Anträge gerichtlichen Entscheidungen über vorläufige Rechtsschutzanträge "in letzter Minute" entgegenzuwirken und mehr Zeit für die gerichtliche Überprüfung zu eröffnen.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO.

Die Streitwertfestsetzung beruht auf §§ 53 Abs. 2 Nr. 2, 52 Abs. 2 GKG i. V. m. Ziffer 1.5 Satz 2 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit (NVwZ-Beilage, 2013, 57) und orientiert sich an der Rechtsprechung des Nds. Oberverwaltungsgerichts (vgl. Beschl. v. 01.11.2019 - 7 ME 56/19 und v. 7.3.2019 - 7 ME 9/19 -, juris).