Oberverwaltungsgericht Niedersachsen
Urt. v. 18.06.2003, Az.: 1 KN 56/03

Bebauungsplan; Flächengemeinde; Flächennutzungsplan; Konkretisierung; Planungskonzept; Planungsziel; Veränderungssperre; Windenergieanlage; Windkraftanlage

Bibliographie

Gericht
OVG Niedersachsen
Datum
18.06.2003
Aktenzeichen
1 KN 56/03
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2003, 48582
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

Amtlicher Leitsatz

Leitsatz

1. Das Planungsziel einer Flächengemeinde, die Errichtung von Windenergieanlagen für nahezu das gesamte Gemeindegebiet zu steuern, lässt sich im Regelfall mit der Aufstellung eines Bebauungsplanes nicht erreichen. Die Sicherung einer solchen Planung durch eine Veränderungssperre ist unzulässig (Bestätigung der Rechtsprechung des Senats, Beschluss vom 19.12.2002 - 1 MN 297/02 -, BauR 2003, 508).

2. Eine Veränderungssperre auf der Ebene der Flächennutzungsplanung ist ausgeschlossen (vgl. auch § 245 b Abs. 1 Satz 1 BauGB).

Tatbestand:

1

Die Antragsteller der unter dem obigen Aktenzeichen 1 KN 56/03 zur gemeinsamen Entscheidung verbundenen Normenkontrollverfahren begehren die Feststellung der Nichtigkeit einer von der Antragsgegnerin erlassenen Veränderungssperre, die zur Folge hat, dass Vorhaben der Antragsteller auf Errichtung von Windenergieanlagen nicht durchgeführt werden dürfen.

2

Die Antragsgegnerin ist eine Flächengemeinde mit 160 km² Gemeindegebiet. Zur Steuerung der Errichtung von Windenergieanlagen beschloss der Rat der Antragsgegnerin am 30. Juni 1998 die 7. Änderung des Flächennutzungsplanes. Mit der Ausschlusswirkung für das übrige Gemeindegebiet entfaltenden Darstellung von zwei Konzentrationszonen in Deichnähe in den Bereichen K. und L. wurden zwei Standorte, auf denen sich die ältesten Windparks im Gebiet des Landkreises M. befinden, festgeschrieben. Die Änderung des Flächennutzungsplanes genehmigte die Bezirksregierung N. am 30. November 1998, nachdem die Antragsgegnerin einen Teilbereich des Windparks L. entlang der Grenze zum Nationalpark „Niedersächsisches Wattenmeer“ aus dem Genehmigungsantrag herausgenommen hatte.

3

Die Antragsteller der Normenkontrollverfahren sind Eigentümer bzw. Pächter (Antragsteller zu 3. b) des Verfahrens 1 KN 63/03) von Flächen im Außenbereich der Antragsgegnerin, die nicht in den dargestellten Konzentrationszonen liegen. Im Einzelnen:

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Der Antragsteller des Verfahrens 1 KN 56/03 ist Eigentümer der Flurstücke 60/2 und 44 der Flur 8 der Gemarkung O.. Er beantragte beim Landkreis M. die Erteilung eines Bauvorbescheides zur Errichtung von zwei Windenergieanlagen des Typs Enercon E-66 mit 1.800 kW und 68 m Nabenhöhe auf den genannten Flurstücken. Da der Landkreis M. untätig blieb, erhob der Kläger Klage vor dem Verwaltungsgericht gemäß § 75 VwGO (4 A 2630/02). Unter dem 3. September 2002 erteilte der Landkreis M. einen Ablehnungsbescheid, den der Antragsteller in das verwaltungsgerichtliche Verfahren einbezog.

5

Die Antragsteller des Verfahrens 1 KN 59/03 sind Eigentümer des Flurstücks 36/27 der Flur 7 der Gemarkung P.. Die Antragsteller beantragten beim Landkreis M. die Erteilung einer Baugenehmigung zur Ersetzung einer vorhandenen Windenergieanlage des Typs Windworld durch eine Anlage des Typs Enercon E-40/6.44 (600 kW). Diesen Antrag lehnte der Landkreis M. mit Bescheid vom 3. Juni 2002 ab. Die zunächst erhobene Untätigkeitsklage beim Verwaltungsgericht stellten die Antragsteller nach Erteilung eines Widerspruchsbescheides der Bezirksregierung N. vom 25. Februar 2003 auf eine Verpflichtungsklage um (4 A 4990/02).

6

Der Antragsteller zu 3. a) des Verfahrens 1 KN 63/03 ist Eigentümer des Flurstücks 13 der Flur 5 der Gemarkung P.. Für das genannte Flurstück besteht eine vertragliche Vereinbarung des Antragstellers zu 3. b) mit dem Antragsteller zu 3. a) zur windenergetischen Nutzung des Grundstücks. Der Antragsteller zu 3. b) stellte eine Bauvoranfrage zur Errichtung einer Windenergieanlage des Typs Enercon E-66/18.70 (1.800 kW) mit einer Nabenhöhe von 68 m, die der Landkreis M. zunächst nicht beschied. Auf die Untätigkeitsklage (4 A 195/03) des Antragstellers zu 3. b) erteilte der Landkreis M. am 24. Februar 2003 einen Ablehnungsbescheid, den der Antragsteller zu 3. b) in das verwaltungsgerichtliche Verfahren einbezog.

7

Der Antragsteller des Verfahrens 1 KN 84/03 ist Eigentümer des Flurstücks 36 der Flur 12 der Gemarkung P.. Den Antrag des Antragstellers auf Erteilung eines Bauvorbescheides zur Errichtung einer Windenergieanlage des Typs Enercon E-66/18.70 (1.800 kW) mit 68 m Nabenhöhe lehnte der Landkreis M. mit Bescheid vom 5. September 2002 ab. Nach Erteilung des Widerspruchsbescheides ist eine Klage beim Verwaltungsgericht anhängig.

8

Der Antragsteller des Verfahrens 1 KN 104/03 ist Eigentümer des Flurstücks 36/2 der Flur 8 der Gemarkung Q.. Die Bauvoranfrage des Antragstellers zur Errichtung einer Windenergieanlage des Typs Enercon E-66/18.70 (1.800 kW) mit 68 m Nabenhöhe auf diesem Grundstück lehnte der Landkreis M. mit Bescheid vom 12. August 2002 ab. Über den Widerspruch wurde bisher nicht entschieden. Beim Verwaltungsgericht ist eine Untätigkeitsklage anhängig.

9

Der Antragsteller des Verfahrens 1 KN 107/03 ist Eigentümer des Flurstücks 40 der Flur 12 der Gemarkung P.. Die Bauvoranfrage des Antragstellers zur Errichtung einer Windenergieanlage des Typs Enercon E-66/18.70 (1.800 kW) mit 68 m Nabenhöhe lehnte der Landkreis M. mit Bescheid vom 5. September 2002 ab. Nach Erteilung eines Widerspruchsbescheides erhob der Antragsteller Klage beim Verwaltungsgericht.

10

Der Rat der Antragsgegnerin beschloss am 10. Dezember 2002, einen Flächennutzungsplan – 21. Änderung – zur Darstellung von Sonderbauflächen für die Windenergienutzung mit Ausschlusswirkung hinsichtlich des übrigen Gemeindegebietes aufzustellen. Zeitgleich fasste der Rat den Beschluss, den Bebauungsplan Nr. 2001 aufzustellen. Der zukünftige Geltungsbereich des Bebauungsplanes Nr. 2001, der aus den Teilbereichen A, B, C und D besteht, erfasst das gesamte Gemeindegebiet mit Ausnahme der bebauten Ortslagen und von Europäischen Vogelschutzgebieten entlang des Nordseedeiches. Der Bebauungsplan soll die Errichtung von Windenergieanlagen „nach den neuesten städtebaulichen Erkenntnissen“ planungsrechtlich steuern. Zur Konkretisierung der Planungsziele wird ausgeführt: An den Landschaftsraum H. würden die unterschiedlichsten Nutzungsansprüche gestellt, z.B. hinsichtlich der Landwirtschaft, des Fremdenverkehrs und des Tourismus, des Natur- und Landschaftsschutzes, der Siedlungsentwicklung, der Gewinnung von Bodenschätzen und der „Denkmalpflege“ – Erhalt der Kulturlandschaft mit ihren Sichtbeziehungen -. Um hier zu einer gerechten Abwägung aller Belange zu kommen, sei bei den vielfältigen Auswirkungen der Windenergieanlagen die Aufstellung eines Bebauungsplanes erforderlich.

11

In der genannten Ratssitzung beschloss der Rat ferner, eine Veränderungssperre für den Geltungsbereich des Bebauungsplanes Nr. 2001 zu erlassen.

12

Die Aufstellung des Bebauungsplanes Nr. 2001 wurde am 12. Dezember 2002 ortsüblich durch Aushang bekannt gemacht. Die Bekanntmachung der Veränderungssperre im Amtsblatt des Landkreises M. datiert vom 20. Dezember 2002.

13

Die Antragsteller haben am 4. März 2003 (1 KN 56/03), am 5. März 2003 (1 KN 59/03), am 7. März 2003 (1 KN 63/03), am 20. März 2003 (1 KN 84/03), am 31. März 2003 (1 KN 104/03) und am 1. April 2003 (1 KN 107/03) die Normenkontrolle gegen die Veränderungssperre eingeleitet. Sie tragen zur Begründung vor: Die Veränderungssperre weise nicht das erforderliche Mindestmaß an Konkretisierung des zukünftigen Planungsinhalts auf. Es sei vollkommen offen, welchen Baugebietstyp die Antragsgegnerin ins Auge gefasst habe. Die Antragsgegnerin verfüge zurzeit nicht über eine wirksame Konzentrationsplanung im Sinne des § 35 Abs. 3 Satz 3 BauGB, weil der Flächennutzungsplan in der Fassung seiner 7. Änderung wegen der Darstellung von Sonderbauflächen für Windenergienutzung in Gebieten mit besonderer avifaunistischer Bedeutung unmittelbar am Seedeich inmitten des Nationalparks Wattenmeer und der zwischenzeitlich gemeldeten EU-Vogelschutzgebiete an Abwägungsfehlern leide. Die angegriffene Veränderungssperre sichere das Vorhaben der Antragsgegnerin zur Aufstellung eines Bebauungsplans, der vorgeschoben sei, um Zeit für eine erneute Konzentrationsplanung im Zuge des gleichzeitig eingeleiteten Verfahrens zur Aufstellung des Flächennutzungsplanes - 21. Änderung – zu gewinnen. Ein tatsächlicher Wille der Antragsgegnerin zur Überplanung des in Aussicht genommenen Geltungsbereichs des Bebauungsplanes Nr. 2001 bestehe nicht. Dagegen spreche die Aufteilung in vier voneinander unabhängige Teilbereiche und die enorme Größe des Geltungsbereiches des Bebauungsplanes. Ein Sondergebiet dieses Umfangs erfasse eine Fläche, die größer sei, als die Fläche, die auch ohne Planung gemäß § 35 Abs. 1 Nr. 6 BauGB ausgenutzt werden könnte. Ausweislich der Ausführungen zur Konkretisierung der Planungsziele des Bebauungsplanes gehe es der Antragsgegnerin nur darum, nach Untersuchung des gesamten Gemeindegebietes einzelne Standorte für Windenergieanlagen zu finden. Die Veränderungssperre sei nach § 14 Abs. 1 BauGB ausdrücklich nur für Bebauungspläne zulässig. Sie sei nicht geeignet, eine Konzentrationsplanung im Zuge der Änderung eines Flächennutzungsplanes zu sichern. Diesem Ziel habe die Vorschrift des § 245 b BauGB gedient, mit deren Hilfe es den Gemeinden ermöglicht worden sei, bis zum 31. Dezember 1998 im Flächennutzungsplan Konzentrationszonen darzustellen.

14

Die Antragsteller beantragen,

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die vom Rat der Antragsgegnerin am 10. Dezember 2002 als Satzung beschlossene Veränderungssperre für einen Teilbereich der Gemeinde H. für nichtig zu erklären.

16

Die Antragsgegnerin hat keinen Antrag gestellt.

17

Sie erwidert: Sie habe mit der 7. Änderung ihres Flächennutzungsplanes frühzeitig die Windenergienutzung durch Darstellung von Standorten für die Errichtung von Windenergieanlagen gesteuert. Die Zahl von bereits 126 genehmigten Windenergieanlagen mit einer Gesamtleistung von 70 MW beweise, dass keine Verhinderungsplanung betrieben worden sei. Inzwischen seien im Jahre 2002 wieder 160 Baugesuche eingereicht worden. Ihr Rat habe deshalb entschieden, die Möglichkeiten zur geordneten Weiterentwicklung hinsichtlich der Errichtung von Windenergieanlagen durch Aufstellung eines Bebauungsplanes zu ermitteln. Ob und ggf. welche konkreten Planungen erforderlich seien, könne nur auf der Ebene der Abwägung festgestellt werden. Teilbereiche der Gemeinde seien daraufhin zu untersuchen, ob Nutzungsmöglichkeiten für die Errichtung von Windenergieanlagen gegeben seien. Für die Prüfung der Auswirkungen von weiteren Windenergieanlagen sei der Status quo zu sichern.

18

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird ergänzend auf die Gerichtsakte und die Verwaltungsvorgänge der Antragsgegnerin Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

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Die Normenkontrollanträge sind zulässig.

20

Die Antragsteller sind antragsbefugt. Als Eigentümer von Grundstücken im Geltungsbereich der Veränderungssperre bzw. im Falle des Antragstellers zu 3. b) des Verfahrens 1 KN 63/03 als Pächter eines Grundstücks im Geltungsbereich der Veränderungssperre können sie geltend machen, im Hinblick auf ihre mit der erlassenen Satzung verhinderten Bauabsichten durch die Veränderungssperre in ihren Rechten verletzt zu sein (§ 47 Abs. 2 Satz 1 VwGO).

21

Der Antrag ist begründet.

22

Die Veränderungssperre der Antragsgegnerin ist nichtig. Die Gemeinde kann zur Sicherung der Planung für den künftigen Planbereich eine Veränderungssperre beschließen, wenn der Beschluss über die Aufstellung eines Bebauungsplans gefasst ist (§ 14 Abs. 1 BauGB). Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (Urt. vom 10.9.1976 – IV 39.74 -, BVerwGE 51, 121, 128) ist eine Veränderungssperre nur dann im Rechtssinne erforderlich, wenn der Inhalt der beabsichtigten Planung hinreichend konkret bestimmt ist. Es muss mit anderen Worten ein Mindestmaß dessen zu erkennen sein, was Inhalt des zu erwartenden Planes werden soll. Dabei reicht es nicht aus, wenn die Gemeinde nur zu erkennen gibt, was sie durch die Planung und die Veränderungssperre verhindern will. Erforderlich sind vielmehr positive Vorstellungen vom künftigen Planungsinhalt (BVerwG, Beschl. vom 5.2.1990 - 4 B 191.89 -, DÖV 1990, 476), und zwar zum Zeitpunkt des Erlasses der Veränderungssperre (Schmaltz, in: Schrödter, BauGB, 6. Aufl. 1998, § 14 RdNr. 8). Hieran gemessen genügt die von der Antragsgegnerin beschlossene Veränderungssperre nicht den gesetzlichen Anforderungen.

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Die Veränderungssperre ist rechtswidrig, weil der Inhalt der zu sichernden Planung zum maßgeblichen Zeitpunkt des Erlasses der Satzung nicht hinreichend konkretisiert war. Eine Veränderungssperre ist unzulässig, wenn sich der Inhalt der beabsichtigten Planung noch in keiner Weise absehen lässt (BVerwG, Beschl. vom 9.8.1991 – 4 B 135.91 -, Buchholz 406.11, § 14 BauGB Nr. 17). Umgekehrt ist nicht erforderlich, dass die Planung bereits einen Stand erreicht hat, der nahezu den Abschluss des Verfahrens ermöglicht (BVerwG, Urt. vom 10.9.1976 – IV C 39.74 -, a.a.O.). Es genügt vielmehr, dass sich aus dem Planaufstellungsbeschluss oder weiteren Verfahrensschritten wenigstens ansatzweise ersehen lässt, was Inhalt des künftigen Bebauungsplanes sein soll. Das schließt es aus, bereits ein detailliertes und abgewogenes Planungskonzept zu fordern (BVerwG, Beschl. vom 21.12.1993 – 4 NB 40.93 -, NVwZ 1994, 685). Genügend konkretisiert wird der künftige Planinhalt in der Regel sein, wenn die zukünftige Nutzung des Gebietes der Art nach im Wesentlichen festgelegt ist (BVerwG, Beschl. vom 15.8.2000 – 4 BN 35.00 -, PBauE § 14 Abs. 1 BauGB Nr. 17; Lemmel, in: Berliner Kommentar zum BauGB, 3. Aufl. 2002, § 14 RdNr. 9). Der Rat der Antragsgegnerin hat am 10. Dezember 2002 die Aufstellung des Bebauungsplanes Nr. 2001 in den Teilbereichen A bis D des Gemeindegebietes einschließlich der Konkretisierung der Planungsziele beschlossen. Nach der erwähnten Konkretisierung der Planungsziele soll der Bebauungsplan dazu dienen, die Errichtung von Windenergieanlagen planungsrechtlich zu steuern. Mit dieser Formulierung wird nicht ein Mindestmaß an Konkretisierung dargelegt.

24

Angaben dazu, mit welchem Baugebietstyp das Ziel der Steuerung von Windenergieanlagen erreicht werden soll, enthält die genannte Konkretisierung nicht. Die Gemeinde spricht lediglich davon, dass der Außenbereich ihres Gemeindegebietes in unterschiedlichster Weise genutzt werde. Die Belange der Landwirtschaft, des Fremdenverkehrs und des Tourismus, des Natur- und Landschaftsschutzes, der Siedlungsentwicklung, der Gewinnung von Bodenschätzen und der Denkmalpflege seien in der Bauleitplanung zu berücksichtigen. Um hier zu einer gerechten Abwägung aller Belange zu kommen, sei bei den vielfältigen Auswirkungen der privilegierten Windenergieanlagen die Aufstellung eines Bebauungsplanes erforderlich.

25

Eine Vorstellung der Antragsgegnerin über den künftigen Planinhalt könnte allenfalls die Umschreibung des Tagesordnungspunktes, unter dem im Rat der Antragsgegnerin der Aufstellungsbeschluss für den Bebauungsplan Nr. 2001 am 10. Dezember 2002 behandelt wurde, vermitteln. Dort heißt es: „Beschlussfassung gemäß § 2 Abs. 1 Baugesetzbuch (BauGB) über die Aufstellung des Bebauungsplanes Nr. 2001 zwecks Festsetzung von Sondergebieten „Anlagen zur Windenergienutzung“. Es liegen aber keine ausreichenden Anhaltspunkte dafür vor, dass mit dieser Formulierung der Wille des Rates dahin ging, Sondergebiete im zukünftigen Plangebiet festzusetzen. Denn der Aufstellungsbeschluss selbst enthält keine Festlegung hinsichtlich der Art der Nutzung. Dort wird ausgeführt, dass mit der Aufstellung des Bebauungsplanes die „Zulässigkeit von Windkraftanlagenstandorten und überlagernde Nutzungsarten festgesetzt werden“ sollen. In der Bekanntmachung des Aufstellungsbeschlusses heißt es ebenfalls, der Rat habe beschlossen, „für die Regelung der Zulässigkeit von Windkraftanlagenstandorten und überlagernde Nutzungsarten den Bebauungsplan Nr. 2001, Teilbereiche A, B, C und D, aufzustellen“. Damit bleibt unklar, mit welchen Festsetzungen hinsichtlich der Art der Nutzung der Ausgleich der aus Sicht der Gemeinde abwägungsbeachtlichen Belange erreicht werden soll (vgl. hierzu Beschl. d. Sen. vom 19.12.2002 – 1 MN 297/02 –, BauR 2003, 508, zu der vergleichbaren Veränderungssperre der Nachbargemeinde R.).

26

Die Veränderungssperre ist aber auch dann nichtig, wenn zu Gunsten der Antragsgegnerin unterstellt wird, ihr hinreichend konkretisiertes Planungsziel sei die Realisierung von Einzelstandorten für Windenergieanlagen oder eines Windparks durch Festsetzung von Sondergebieten „Anlagen zur Windenergienutzung“ auf näher zu bestimmenden Flächen des Gemeindegebietes. Eine Veränderungssperre ist als Sicherungsmittel ungeeignet und damit unwirksam, wenn sich das aus dem Aufstellungsbeschluss ersichtliche Planungsziel im Wege planerischer Festsetzung nicht erreichen lässt, wenn der beabsichtigte Bauleitplan einer positiven Planungskonzeption entbehrt und der Förderung von Zielen dient, für deren Verwirklichung die Planungsinstrumente des BauGB nicht bestimmt sind, oder wenn rechtliche Mängel schlechterdings nicht behebbar sind (BVerwG, Beschl. vom 21.12.1993 – 4 NB 40.93 -, BRS 55 Nr. 95). Hieran gemessen verstieße der Bebauungsplan auch gegen § 1 Abs. 3 BauGB, wonach die Gemeinden Bauleitpläne aufzustellen haben, sobald und soweit es für die städtebauliche Entwicklung und Ordnung erforderlich ist.

27

Der beabsichtigte Bebauungsplan dient Zielen, die sich im Wege planerischer Festsetzung nicht erreichen lassen und für deren Verwirklichung das Instrument der Veränderungssperre nicht bestimmt ist. Die Antragsgegnerin möchte laut der vorgelegten Konkretisierung der Planungsziele des Bebauungsplans Nr. 2001 mit der Aufstellung des Bebauungsplans für das gesamte Gemeindegebiet mit Ausnahme von Vogelschutzgebieten entlang der Nordseeküste und der bebauten Ortslagen die Errichtung von Windenergieanlagen nach den neuesten städtebaulichen Erkenntnissen planungsrechtlich steuern. Dieses Planungsziel ist mit dem in Aufstellung befindlichen Bebauungsplan nicht zu erreichen. Während der Flächennutzungsplan, der flächendeckend für das ganze Gemeindegebiet aufzustellen ist, die Art der Bodennutzung in den Grundzügen darstellt, um noch Spielraum für die verbindliche Bauleitplanung zu lassen (vgl. § 8 Abs. 2 Satz 1 BauGB), ist der Bebauungsplan das eigentliche, auf Vollzug angelegte städtebauliche Instrument (vgl. § 8 Abs. 1 Satz 2 BauGB), das wegen der in ihm zu treffenden – vollzugsfähigen – Festsetzungen notwendigerweise auf eine kleinräumige Ordnung angelegt ist (Gaentzsch, in: Berliner Kommentar zum BauGB, 3. Aufl. 2002, § 5 RdNr. 5). Das Ziel, mit Hilfe des Planvorbehaltes in § 35 Abs. 3 Satz 3 BauGB bestimmte geeignete Standorte für Windenergieanlagen positiv festzulegen und/oder ungeeignete Standorte auszuschließen, ist im Regelfall nur auf der Ebene der Flächennutzungsplanung zu erreichen (vgl. Beschl. d. Sen. vom 19.12.2002 – 1 MN 297/02 -, a.a.O.). Da es Aufgabe des Flächennutzungsplanes ist, ein gesamträumliches Entwicklungskonzept für das Gemeindegebiet zu erarbeiten, muss die gemeindliche Entscheidung, mit der eine Konzentrationszone für die Windenergienutzung einschließlich der ihr zugedachten Negativwirkung für das übrige Gemeindegebiet dargestellt wird, nicht nur erkennen lassen, von welchen Erwägungen die positive Standortzuweisung getragen wird, sondern auch deutlich machen, welche Gründe es rechtfertigen, den übrigen Planungsraum von Windkraftanlagen freizuhalten (BVerwG, Urt. vom 17.12.2002 – 4 C 15.01 -, ZfBR 2003, 370). Diese Aufgabe kann ein Bebauungsplan im Regelfall wegen seiner Bezogenheit auf einzelne Teile des Gemeindegebiets nicht leisten. Er kann den Planvorbehalt nicht ausfüllen, weil ihm keine flächendeckende Abwägung für das gesamte Gemeindegebiet zugrunde liegt (Roeser, in: Berliner Kommentar zum BauGB, 3. Aufl., 2002, § 35 RdNr. 93). Angesichts dieser unterschiedlichen Aufgabenstellung von Flächennutzungsplan und Bebauungsplan kann der Bebauungsplan Nr. 2001 den von der Antragsgegnerin in der Antragserwiderung formulierten Auftrag, Teilbereiche der Gemeinde „auf die Nutzungsmöglichkeiten für Windenergieanlagenerrichtung“ zu untersuchen (vgl. auch die Begründung des Rates zu dem Aufstellungsbeschluss vom 10.12.2002, Vorlagen-Nr. 2001/181), nicht erfüllen. Diese Aufgabenstellung obliegt dem Flächennutzungsplan.

28

In Wahrheit geht es der Antragsgegnerin auch nicht darum, mit der Veränderungssperre die Aufstellung eines Bebauungsplanes zu sichern. Tatsächlich gewollt ist nicht die Sicherung des Bebauungsplanes, sondern der Eintritt einer Sperrwirkung, um die Konzentrationsplanung gemäß § 35 Abs. 3 Satz 3 BauGB im Rahmen der 21. Änderung des Flächennutzungsplanes verwirklichen zu können. Damit wird nicht ein zulässiges Ziel nach § 14 Abs. 1 BauGB verfolgt, weil nur die Aufstellung eines Bebauungsplanes mit der Veränderungssperre gesichert werden kann (Lemmel, a.a.O., § 14, RdNr. 2). Die Antragsgegnerin hat der Darstellung der Antragsteller, das Verwaltungsgericht habe in der mündlichen Verhandlung vom 8. November 2001 in den verwaltungsgerichtlichen Verfahren 4 A 4424/99 und 4 A 4436/99 darauf hingewiesen, dass der Flächennutzungsplan in der Fassung seiner 7. Änderung voraussichtlich unwirksam sei, nicht widersprochen. Auch dem weiteren Vortrag der Antragsteller, die Bezirksregierung N. habe den Flächennutzungsplan in der Fassung seiner 7. Änderung ebenfalls für abwägungsfehlerhaft und deshalb für unwirksam gehalten, hat die Antragsgegnerin nichts entgegengesetzt.

29

Dass es der Antragsgegnerin vorrangig darum geht, ihren Flächennutzungsplan zu reparieren, belegt auch der Umstand, dass sie den zukünftigen Planbereich des Bebauungsplanes Nr. 2001 genauso weit geschnitten hat wie den des Flächennutzungsplanes. Bei dem bereits erörterten Verhältnis von Flächennutzungsplan und Bebauungsplan – der erstere stellt die Grundzüge der Planung für das gesamte Gemeindegebiet dar, der letztere füllt diese durch kleinräumige Festsetzungen für einzelne Teilgebiete der Gemeinde aus -, besteht Erläuterungsbedarf für das Vorgehen der Antragsgegnerin, das zukünftige Plangebiet des Bebauungsplanes Nr. 2001 in der gleichen Größe zu gestalten wie den Änderungsbereich für den Flächennutzungsplan. Die Erwägung, das gesamte Gemeindegebiet in beiden Aufstellungsverfahren parallel auf die Vereinbarkeit von Windenergiestandorten mit den Vogelschutzgebieten und den bebauten Ortslagen zu untersuchen, rechtfertigt angesichts der unterschiedlichen Aufgabenstellung von Flächennutzungsplan und Bebauungsplan nicht die Überplanung in weiten Teilen des Gemeindegebietes durch einen Bebauungsplan.

30

Der Hinweis der Antragsgegnerin, in dem Bericht der Unabhängigen Expertenkommission zur Novellierung des Baugesetzbuches vom August 2002 werde vorgeschlagen, zur Sicherung der Flächennutzungsplanung eine Bausperre einzuführen, führt nicht weiter. Ob der Gesetzgeber diesen Vorschlag aufgreift, ist ungewiss. Für das vorliegende Verfahren ist die geltende Rechtslage maßgeblich. Eine § 245 b Abs. 1 BauGB vergleichbare Regelung, die unbefristet gilt, gibt es bisher nicht. Nach Satz 1 der zuletzt genannten Vorschrift hat die Baugenehmigungsbehörde auf Antrag der Gemeinde die Entscheidung über die Zulässigkeit von Windenergieanlagen im Sinne des § 35 Abs. 1 Nr. 6 BauGB bis längstens zum 31. Dezember 1998 auszusetzen, wenn die Gemeinde beschlossen hat, einen Flächennutzungsplan aufzustellen, zu ändern oder zu ergänzen und beabsichtigt zu prüfen, ob Darstellungen zu Windenergieanlagen im Sinne des § 35 Abs. 3 Satz 3 BauGB in Betracht kommen. Diese Übergangsregelung ist bis zum 31. Dezember 1998 befristet. Nur bis zu diesem Zeitpunkt konnte die Baugenehmigungsbehörde die Entscheidung über die Zulässigkeit von Windenergieanlagen zurückstellen. Die Auffassung der Antragsgegnerin führte somit zu einer Umgehung des § 245 b Abs. 1 Satz 1 BauGB, das heißt, im Ergebnis zu einer unbefristeten „Veränderungssperre“ auf der Ebene des Flächennutzungsplanes.

31

Aus den vorstehenden Erwägungen ist auch das Argument der Antragsteller, die Antragsgegnerin betreibe eine Verhinderungsplanung, nicht von der Hand zu weisen. Die Antragsgegnerin hat sich in dem Flächennutzungsplan – 7. Änderung – lediglich dazu bereit gefunden, einen Teilbereich der Flächen, auf denen Windenergieanlagen stehen, zu legalisieren. Weder die Ausführungen in der Konkretisierung der Planungsziele für den Bebauungsplan Nr. 2001 bzw. der inhaltsgleichen Konkretisierung der Planungsziele für den Flächennutzungsplan – 21. Änderung – noch die Darlegungen in der Antragserwiderung lassen den Schluss zu, dass die Antragsgegnerin im Zuge der geplanten Änderung des Flächennutzungsplanes die Darstellung von (weiteren) Sonderbauflächen für das gesamte Gemeindegebiet ins Auge gefasst hat und daran anknüpfend im Rahmen der Aufstellung des Bebauungsplans Nr. 2001 ein oder mehrere Sondergebiet(e) für die Windenergienutzung festsetzen will. Die Antragsgegnerin spricht lediglich vage von weiteren Untersuchungen. Es wird aber an keiner Stelle des Aufstellungsvorganges deutlich, dass die Flut erneuter Bauanträge zum Anlass genommen wird, im zukünftigen Geltungsbereich des Bebauungsplans Nr. 2001 die Errichtung von weiteren Windenergieanlagen durch die Festsetzung von einem oder mehreren Sondergebiet(en) zu ermöglichen. Einer solchen Planung fehlt die positive Zielsetzung.