Oberverwaltungsgericht Niedersachsen
Beschl. v. 02.06.2003, Az.: 8 ME 86/03

Abschluss; Anwesenheit; Aufenthalt; Ausländer; Berufsausbildung; Duldung; Erforderlichkeit; Zwischenprüfung

Bibliographie

Gericht
OVG Niedersachsen
Datum
02.06.2003
Aktenzeichen
8 ME 86/03
Entscheidungsform
Beschluss
Referenz
WKRS 2003, 48562
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

Verfahrensgang

vorgehend
VG - 29.04.2003 - AZ: 5 B 1241/03

Amtlicher Leitsatz

Leitsatz

Die Berufsausbildung eines Ausländers, der sich erst im zweiten Ausbildungsjahr befindet, die Zwischenprüfung noch nicht absolviert hat und voraussichtlich noch mehr als ein Jahr bis zum Abschluss der Berufsausbildung benötigen wird, ist noch nicht so weit fortgeschritten, dass seine vorübergehende weitere Anwesenheit im Bundesgebiet aus dringenden persönlichen Gründen erforderlich ist.

Gründe

1

Die Beschwerde des Antragstellers gegen den erstinstanzlichen Beschluss ist unbegründet, weil das Verwaltungsgericht seinen Antrag, dem Antragsgegner im Wege des Erlasses einer einstweiligen Anordnung aufzugeben, seinen Aufenthalt bis zum Abschluss der Berufsausbildung zum Maurer zu dulden, zu Recht abgelehnt hat.

2

Der Senat stimmt mit dem Verwaltungsgericht darin überein, dass der Antragsteller keinen Anspruch auf Erteilung der beantragten Duldung besitzt. Das Verwaltungsgericht hat zutreffend ausgeführt, dass die Voraussetzungen des § 55 Abs. 3 AuslG nicht vorliegen, weil keine dringenden humanitären oder persönlichen Gründe die vorübergehende weitere Anwesenheit des Antragstellers im Bundesgebiet erfordern. Unter dringenden humanitären oder persönlichen Gründen sind Umstände zu verstehen, die aufgrund ihrer Eigenart und ihres Gewichts eine sofortige Abschiebung unmenschlich erscheinen lassen und einen Aufschub der Abschiebung unbedingt erfordern (vgl. Renner, Ausländerrecht, Kommentar, 7. Auflage, § 55 Rn 13). Derartige Umstände liegen im Fall des Antragstellers nicht vor. Der Antragsteller hat zwar eine Berufsausbildung im Bundesgebiet begonnen. Er befindet sich aber erst im zweiten Ausbildungsjahr, hat die Zwischenprüfung noch nicht absolviert und wird voraussichtlich noch mehr als ein Jahr bis zum Abschluss der Berufsausbildung benötigen. Daher ist seine Berufsausbildung noch nicht so weit fortgeschritten, dass seine vorübergehende weitere Anwesenheit im Bundesgebiet aus dringenden persönlichen Gründe erforderlich ist (vgl. Renner, § 55 Rn 13; vgl. auch Nr. 55.3.2.4 AuslG-VwV). Außerdem konnte der Antragsteller schon seit langem nicht mehr darauf vertrauen, seine Ausbildung im Bundesgebiet abschließen zu können. Zum einen ist er seit dem 4. Januar 2002 nicht mehr in Besitz einer Aufenthaltsbefugnis. Zum anderen hat der Antragsgegner durch Bescheid vom 26. November 2002 seinen Antrag auf Verlängerung der Aufenthaltsbefugnis abgelehnt, ihn unter Fristsetzung zur Ausreise aufgefordert und seine Abschiebung nach Jugoslawien angedroht.

3

Ein Anordnungsanspruch bestünde aber auch dann nicht, wenn die Tatbestandsvoraussetzungen des § 55 Abs. 3 AuslG vorlägen. Da § 55 Abs. 3 AuslG die Erteilung einer Duldung in das Ermessen der Ausländerbehörde stellt, wäre ein Anspruch auf eine Duldung nur dann gegeben, wenn das Ermessen auf Null reduziert wäre, d.h. jede andere Entscheidung als die, die Duldung zu erteilen, rechtswidrig wäre. Gründe dafür sind jedoch nicht erkennbar. Daher ist ein Anordnungsanspruch auch mangels Ermessensreduzierung auf Null zu verneinen.

4

Schließlich kann sich der Antragsteller auch nicht auf § 55 Abs. 2 AuslG berufen, wonach eine Duldung zu erteilen ist, solange eine Abschiebung aus rechtlichen Gründen unmöglich ist. Denn der Abschiebung des Antragstellers stehen keine rechtlichen Hindernisse entgegen. Der Antragsteller kann sich insbesondere nicht auf Art. 2 Abs. 1 GG berufen. Diese Bestimmung garantiert zwar das Recht auf die freie Entfaltung der Persönlichkeit, soweit diese nicht die Rechte anderer verletzt und gegen die verfassungsmäßige Ordnung oder das Sittengesetz verstößt. Zur verfassungsmäßigen Ordnung gehören aber auch die Bestimmungen des Ausländergesetzes, die dem Antragsteller kein Aufenthaltsrecht einräumen und ihn zur unverzüglichen Ausreise aus dem Bundesgebiet verpflichten (vgl. § 42 AuslG). Daher steht Art. 2 Abs. 1 GG der Abschiebung des Antragstellers nicht entgegen.