Oberverwaltungsgericht Niedersachsen
Beschl. v. 04.06.2003, Az.: 9 ME 60/03

Abwasserkanal; betriebsfertige Herstellung; Entwässerung; Entwässerungsmöglichkeit; Grundstücksanschluss; Herstellung; Kanalbaubeitrag; Vorteil

Bibliographie

Gericht
OVG Niedersachsen
Datum
04.06.2003
Aktenzeichen
9 ME 60/03
Entscheidungsform
Beschluss
Referenz
WKRS 2003, 48419
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

Verfahrensgang

vorgehend
VG - 31.01.2003 - AZ: 3 B 60/02

Amtlicher Leitsatz

Leitsatz

Die Erhebung eines Kanalbaubeitrags ist nur bei einem gesicherten und dauerhaften Vorteil gerechtfertigt.

Für die betriebsfertige Herstellung des Abwasserkanals reicht es auch bei sehr großen Grundstücken in aller Regel aus, dass der Grundstücksanschluss an irgendeiner Stelle auf das Grundstück gelegt oder an das Grundstück herangeführt wird.

Der Grundstückseigentümer muss allerdings tatsächlich und rechtlich gesichert in der Lage sein, die herangezogenen Grundstücksflächen über den betriebsfertig hergestellten Anschluss zu entwässern.

Gründe

1

Dem Verwaltungsgericht kann nicht in seiner Ansicht gefolgt werden, das Niedersächsische Kommunalabgabengesetz setze eine Dauerhaftigkeit des Vorteils nicht voraus. Es entspricht vielmehr der ständigen Rechtsprechung des Senats (vgl. Beschlüsse vom 10.1.1995 - 9 M 527/94 -, vom 31.3.1995 - 9 M 7995/94 -, vom 13.7.1995 - 9 M 1462/95 - und vom 31.5.1999 - 9 L 1960/99 -; ebenso das Schrifttum, vgl. z.B. Klausing, in: Driehaus, Kommunalabgabengesetz, Stand: Januar 2003 § 8 Rdnr. 1050 a) und auch der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichts - beispielsweise zur Bevorteilung von Hinterliegergrundstücken -, dass die Erhebung eines Kanalbaubeitrags nur bei einem gesicherten und dauerhaften Vorteil gerechtfertigt ist. Die Dauerhaftigkeit lässt sich in Fällen der vorliegenden Art nicht mit der Erwägung verneinen, schon zum Zeitpunkt der Herstellung des Grundstücksanschlusses seien der Verkauf einer Teilfläche des Grundstücks und der damit einhergehende Eigentumswechsel erkennbar gewesen. Denn der Vorteilsbegriff ist grundstücksbezogen, also nicht im Blick auf die jeweiligen Eigentumsverhältnisse zu sehen. Es kommt folglich ausschließlich darauf an, ob die Grundstücksfläche oder Teile davon einen dauerhaften Vorteil von der Anschlussmöglichkeit an den Abwasserkanal haben.

2

Eine Beitragspflicht des Antragstellers für die in seinem Eigentum verbliebene Teilfläche (das heutige Flurstück D.) ist durch die Verlegung des Anschlusskanals auf die verkaufte Teilfläche am 4. Juli 1997 aber deshalb nicht entstanden, weil die Verlegung nicht als betriebsfertige Herstellung des öffentlichen Kanals auch für das Flurstück E. angesehen werden kann. Für die betriebsfertige Herstellung reicht es auch bei - wie hier - sehr großen Grundstücken in aller Regel aus, dass der Grundstücksanschluss an irgendeiner Stelle auf das Grundstück gelegt oder an das Grundstück herangeführt wird (vgl. z.B. Beschlüsse des Senats vom 21.9.1999 - 9 L 3121/99, 9 L 3122/99 und 9 L 3123/99 -). Durch die Herstellung des Anschlusses an irgendeiner Stelle wird im Regelfall die gesamte Grundstücksfläche bevorteilt, weil es der Eigentümer fast immer in der Hand hat, nach der ihm obliegenden Herstellung der privaten Grundstücksentwässerungsanlage alle bebaubaren Teile seines großen Grundstücks über den Anschluss zu entwässern. Voraussetzung für das Entstehen der sachlichen Beitragspflicht ist damit aber immer, dass der Grundstückseigentümer die bebaubaren Teile seines Grundstücks an den betriebsfertig hergestellten Anschlusskanal überhaupt anschließen kann, er also rechtlich gesichert in der Lage ist, die Grundstücksflächen, für deren Bevorteilung der Kanalbaubeitrag gezahlt wird, über den betriebsfertig hergestellten Anschluss zu entwässern. Es muss ihm somit tatsächlich und rechtlich möglich sein, seine private Grundstücksentwässerungsanlage zum betriebsfertig hergestellten Kanal hin zu verlegen und eine Verbindung zwischen der privaten Anlage und dem Anschlusskanal herzustellen (vgl. Beschluss des Senats vom 15.2.1994 - 9 M 5481/93 -). Besteht diese Möglichkeit für die Entwässerung eines Grundstücks oder bestimmter Teilflächen davon aufgrund besonderer Umstände des Einzelfalls ausnahmsweise nicht, so fehlt es hinsichtlich dieser (folglich nicht bevorteilten) Grundstücksflächen an der - für das Entstehen der sachlichen Beitragspflicht erforderlichen - betriebsfertigen Herstellung im Rechtssinn.

3

Der vorliegende Fall ist dadurch gekennzeichnet, dass der Antragsgegner einen Grundstücksanschluss nur auf die verkaufte Teilfläche, nicht aber auf die im Eigentum des Antragstellers verbliebene, weit überwiegende Fläche, die mit dem Willen der abwasserbeseitigungspflichtigen Körperschaft schon seit längerer Zeit (ab 1999 sogar nach § 149 Abs. 4 NWG) dezentral entsorgt wird, gelegt hat. Der Grundstücksanschluss auf dem verkauften Grundstücksteil vermag nach den soeben gemachten Ausführungen nur dann einen Vorteil auch für die nicht verkauften Teilflächen zu begründen, wenn er auch für letztere die Möglichkeit einer Entwässerung bietet und daher eine betriebsfertige Herstellung bedeutet. Es sprechen jedoch keinerlei Anhaltspunkte dafür, dass der Antragsteller bei Herstellung des Grundstücksanschlusses am 4. Juli 1997 die Möglichkeit gehabt hat, eine private Anlage zur Entwässerung des nicht verkauften Grundstücksteils an den verlegten Grundstücksanschluss anzuschließen und auf diese Weise das heutige Flurstück E. zu entwässern. Nach § 6 des Kaufvertrags vom 19. Dezember 1996 waren die Besitz- und Nutzungsrechte am verkauften Grundstücksteil nämlich bereits mit Vertragsabschluss auf den Käufer übergegangen. Der Antragsteller konnte rechtlich nicht beanspruchen, über den verkauften Grundstücksteil noch private Abwasserleitungen zu dem auf diesem Teil hergestellten Grundstücksanschluss zu verlegen. Selbst wenn er im Übrigen einen solchen Anspruch noch vorübergehend, nämlich bis zum Eigentumsübergang, gehabt haben sollte, hätte er jedenfalls eine dingliche Sicherung von ihm erstellter Zuleitungen über das Grundstück des Käufers nicht durchsetzen können, so dass es jedenfalls - für den Antragsgegner am 4. Juli 1997 erkennbar - an einer Dauerhaftigkeit des (hier unterstellten) Vorteils fehlt. Da der Grundstücksanschluss auf dem Flurstück C. somit eine Entwässerung der nicht verkauften Teilflächen, also des heutigen Flurstücks D., zu keinem Zeitpunkt rechtlich gesichert ermöglicht hat, kann nach alledem insoweit nicht von einer betriebsfertigen Herstellung und einem dadurch veranlassten beitragsrelevanten Vorteil i.S. von § 6 Abs. 1 NKAG ausgegangen werden.