Oberverwaltungsgericht Niedersachsen
Beschl. v. 25.06.2003, Az.: 4 ME 259/03
Bügelbrett; einmalige Leistung; Gebrauchsgut; Haushaltsleiter; Hilfe zum Lebensunterhalt; notwendiger Lebensunterhalt; Sozialhilfe
Bibliographie
- Gericht
- OVG Niedersachsen
- Datum
- 25.06.2003
- Aktenzeichen
- 4 ME 259/03
- Entscheidungsform
- Beschluss
- Referenz
- WKRS 2003, 48569
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- [keine Angabe]
Verfahrensgang
- vorgehend
- VG - 19.05.2003 - AZ: 7 B 1967/03
Rechtsgrundlagen
- § 11 BSHG
- § 12 BSHG
- § 21 Abs 1a Nr 6 BSHG
Amtlicher Leitsatz
Leitsatz
Ein Bügelbrett und eine Haushaltsleiter gehören in der Regel zum notwendigen Lebensunterhalt (gegen HambOVG, Beschl. v. 4.10.2000 - 4 Bs 406/99 -, FEVS Bd. 53, 82 = info also 2001, 111).
Gründe
Die Beschwerde der Antragstellerin ist zulässig und begründet.
Nach §§ 11, 12, 21 Abs. 1 Nr. 6 BSHG kann eine Beihilfe (einmalige Leistung) zur Beschaffung von Gebrauchsgütern von längerer Gebrauchsdauer und von höherem Anschaffungswert gewährt werden, soweit diese zum notwendigen Lebensunterhalt gehören. Nach der Aufgabe der Sozialhilfe, dem Empfänger der Hilfe die Führung eines Lebens zu ermöglichen, das der Würde des Menschen entspricht (§ 1 Abs. 2 Satz 1 BSHG; vgl. auch § 9 SGB I), umfasst der notwendige Lebensunterhalt nach § 12 BSHG nicht nur das physiologisch Notwendige, sondern den gesamten zu einem menschenwürdigen Leben erforderlichen Bedarf (vgl. BVerwG, Urt. v. 13.12.1990 - BVerwG 5 C 17.88 -, BVerwGE 87, 212 (214) mit weiteren Nachweisen, ). Dabei sind auch die herrschenden Lebensgewohnheiten und Erfahrungen zu berücksichtigen (vgl. BVerwG, Urt. v. 12. April 1984 - BVerwG 5 C 95.80 -, BVerwGE 69, 146 (154)). Bloße Annehmlichkeiten bleiben aber außer Betracht (BVerwG, Urt. v. 22.05.1977 - BVerwG V C 43.74 -, BVerwGE 48, 237).
Diese Voraussetzungen sind bei den von der Antragstellerin zu 1) begehrten Gegenständen – einem Bügelbrett und einer Haushaltsleiter – erfüllt, sie gehören zum notwendigen Lebensunterhalt (ebenso VG Hannover, Beschl. v. 09.04.2003 - 3 B 1115/03 - (Bügelbrett); a. A.: HambOVG, Beschl. v. 04.10.2000 - 4 Bs 406/99 -, FEVS Bd. 53, 82 = info also 2001, 111 (Bügelbrett und Leiter); VG Braunschweig, Beschl. v. 20.02.2003 - 3 B 181/03 - (Bügelbrett)).
Die Ausstattung von Haushalten jeglicher Art, vor allem aber solcher mit Kindern, mit einem Bügelbrett ist heutzutage so allgemein üblich, dass von einer herrschenden Lebensgewohnheit gesprochen werden kann. Ein Bügelbrett dient nicht nur dem bequemen, sondern auch dem sicheren Arbeiten. Denn anders als eine schlichte Bügelauflage auf einem Tisch verrutscht es nicht und bietet eine zuverlässige Ablage für das Bügeleisen. Die von dem Verwaltungsgericht hervorgehobene Möglichkeit, auch unter ergonomisch günstigen Bedingungen im Sitzen an einem Küchentisch zu arbeiten, scheidet schon deshalb als allgemein anzunehmende Alternative aus, weil in vielen Küchen ein Sitzen an den Arbeitsflächen wegen Unterbauschränken gar nicht möglich ist.
Jedenfalls im Fall der Antragstellerin zu 1) ist auch ein sozialhilferechtlich anzuerkennender Bedarf für eine sichere Haushaltsleiter anzunehmen. Sie ist unstreitig schon wegen ihrer geringen Körpergröße zum Fensterputzen und Gardinen Ab- und Aufhängen auf die Benutzung einer Aufstiegsmöglichkeit angewiesen. Es mag zwar sein, dass sie sich bisher mit einem Stuhl beholfen hat. Das widerspricht aber bekanntlich allen Sicherheitsempfehlungen, wie sie von Versicherungen, Berufsgenossenschaften und anderen mit Sicherheitsfragen befassten Organisationen regelmäßig gegeben werden. Auch ein vom Verwaltungsgericht empfohlener ungepolsterter Stuhl kann wegen der geringeren Standfläche und wegen des Fehlens jeglicher Rutschsicherung leichter wegrutschen und / oder umkippen als eine sicherheitsgeprüfte Haushaltsleiter. Es widerspräche dem Grundanliegen der Sozialhilfe, dem Empfänger der Hilfe die Führung eines der Würde des Menschen entsprechenden Lebens zu ermöglichen, ihm durch Verweigerung der Sicherheit dienender Haushaltsgegenstände höhere Risiken zuzumuten, als sie eine bedacht handelnde, nicht hilfebedürftige Person auf sich nimmt.
Da der Antragstellerin die weitere Haushaltsführung ohne die benötigten Gegenstände bis zu einer rechtskräftigen Entscheidung in einem Hauptsacheverfahren nicht zugemutet werden kann, ist der Erlass einer einstweiligen Anordnung gemäß § 123 Abs. 1 S. 2 VwGO geboten, auch wenn damit hier das Ergebnis eines Hauptsacheverfahrens vorweggenommen wird.