Oberverwaltungsgericht Niedersachsen
Urt. v. 19.06.2003, Az.: 1 NDH L 6/02

Dienstvergehen; Entfernung aus dem Dienst; Geschäftsführung; innerdienstliches Dienstvergehen; Kommunalbeamter; Nebentätigkeit; Nebentätigkeit; uneigennützige Amtsführung; Untreue; Veruntreuung

Bibliographie

Gericht
OVG Niedersachsen
Datum
19.06.2003
Aktenzeichen
1 NDH L 6/02
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2003, 48110
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

Verfahrensgang

vorgehend
VG - 30.08.2002 - AZ: 10 A 1693/02

Amtlicher Leitsatz

Leitsatz

1. Veruntreuungen, die ein Beamter eines Landkreises im Rahmen einer ihm im öffentlichen Interesse gemäß § 72 Satz 2 NBG übertragenen Nebentätigkeit als Geschäftsführer eines eingetragenen Vereins, dessen Mitglieder ausnahmslos Körperschaften des öffentlichen Rechts sind, begangen hat, sind als Pflichtverletzung innerhalb des Dienstes (§ 85 Abs. 1 Satz 1 NBG) anzusehen.

2. Disziplinarmaß bei einem innerhalb von 9 Jahren veruntreuten Betrag von 156.000,-- DM: Entfernung aus dem Dienst.

Tatbestand:

1

I. Der am ..... 1938 geborene Beamte durchlief nach dem Besuch der höheren Handelsschule seit April 1958 eine Verwaltungslehre beim Landkreis E., bei dem er anschließend seit dem 1. April 1960 als Angestellter tätig war. Nach Bestehen der Verwaltungsprüfungen und der Übernahme zunächst in das Beamtenverhältnis auf Probe als Kreisinspektor z. A. im Mai 1965 wurde er im November 1967 in das Beamtenverhältnis auf Lebenszeit übernommen. Im November 1968 wurde er zum Kreisoberinspektor, im Oktober 1972 zum Kreisamtmann ernannt und mit Wirkung vom 1. Oktober 1975 zum Leiter des Schul- und Kulturamtes bestellt. In dieser Funktion wurde er im Dezember 1978 zum Kreisamts- und am 1. August 1995 zum Kreisoberamtsrat (Besoldungsgruppe A 13) befördert.

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Der Beamte ist seit 1967 verheiratet und hat zwei in den Jahren 1970 und 1973 geborene Kinder. Seine Ehefrau erzielt bei einem privaten Postdienstleister einen Verdienst von monatlich 250,-- bis 300,-- €. Der Sohn hat sein Studium im Februar 2003 abgeschlossen.

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Bis zu den Vorfällen, die den Gegenstand des vorliegenden Verfahrens bilden, ist der Beamte straf- und disziplinarrechtlich nicht aufgefallen.

II.

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Durch Verfügung vom 14. Januar 1987 übertrug die Stadt Oldenburg als damalige Geschäftsführerin des Oldenburgischen Jugenderholungswerkes e. V. - OJE - dem Beamten in Absprache mit dem Vorsitzenden des Erholungswerkes zum 1. Februar 1987 die Aufgabe, die Geschäftsführung des OJE zunächst für die Stadt Oldenburg wahrzunehmen. Mitglieder des OJE sind die Städte Oldenburg, Wilhelmshaven, Delmenhorst und die Landkreise Friesland und Cloppenburg sowie das Land Niedersachsen. Nachdem die Geschäftsführung des OJE von der Stadt Oldenburg auf den Landkreis Cloppenburg

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übergegangen war, übertrug der Landkreis Cloppenburg dem Beamten mit Bescheid vom 28. Juli 1987 gemäß § 72 Satz 2 NBG rückwirkend zum 1. Februar 1987 die Geschäftsführung des OJE als Nebentätigkeit und wies auf die Ablieferungspflicht gemäß § 75 a NBG hin. Es werde davon ausgegangen, dass der Beamte diese Nebentätigkeit, soweit möglich, außerhalb der Dienstzeit ausüben und ohne Beeinträchtigung seines Hauptamtes wahrnehmen könne. Der Beamte erhielt für seine Nebentätigkeit eine monatliche Aufwandsentschädigung in Höhe von 700,-- DM.

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Nach einer anonymen Anzeige entstand gegen den Beamten der Verdacht der Bestechlichkeit wegen der Entgegennahme einer Kamera im Wert von 499,-- DM zum 60. Geburtstag, eines Aktenkoffers im Wert von 279,-- DM zum 40-jährigen Dienstjubiläum sowie einer Zahlung in Höhe von 300,-- DM zur Weihnachtsfeier des Schulamtes im Jahre 1998. Im Rahmen der in der ersten Jahreshälfte des Jahres 2000 eingeleiteten kriminalpolizeilichen Ermittlungen erweiterte sich nach einer Hausdurchsuchung der Verdacht auf Untreuehandlungen zu Lasten des OJE. Mit Verfügung vom 26. Juli 2000 ordnete der Oberkreisdirektor des Landkreises Cloppenburg deshalb gegen den Beamten gemäß § 26 NDO Vorermittlungen an wegen des hinreichenden Tatverdachtes, dass der Beamte im Rahmen seiner Geschäftsführung für das OJE Gelder auf sein Privatkonto umgeleitet habe. Mit Verfügung vom 4. August 2000 verbot der Landkreis Cloppenburg dem Beamten gemäß § 67 NBG unter gleichzeitiger Anordnung der sofortigen Vollziehung die Führung seiner Dienstgeschäfte als Beamter des Landkreises Cloppenburg.

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Nachdem die Bezirksregierung Weser-Ems keine Bedenken gegen das vorgesehene Verfahren erhoben und erklärt hatte, dass sie nicht beabsichtige, das Verfahren an sich zu ziehen (§ 128 NDO), leitete der Oberkreisdirektor des Landkreises Cloppenburg auf Grund eines entsprechenden Beschlusses des Kreisausschusses vom 14. September 2000 mit Verfügung vom 15. September 2000 das förmliche Disziplinarverfahren gegen den Beamten ein, enthob ihn gemäß § 91 NDO vorläufig des Dienstes und ordnete die Einbehaltung von 50 v. H. seiner Dienstbezüge an. Dem Beamten wurde vorgeworfen, Zahlungen des OJE in Höhe von 72.567,14 DM auf sein Privatkonto veranlasst zu haben, ohne dass hierüber entsprechende Belege vorliegen oder die Zahlungen mit der Entlohnung wegen seiner Geschäftsführertätigkeit erklärt werden konnten. Ferner habe er als Leiter des Schul- und Kulturamtes im Zusammenhang mit Auftragsvergaben an die Firma F. diverse Geschenke im Gesamtwert von 1.078 DM entgegengenommen.

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Der Antrag des Beamten auf Überprüfung der Rechtmäßigkeit der vorläufigen Maßnahmen der Dienstenthebung und der Einbehaltung eines Teils der Dienstbezüge blieb ohne Erfolg (Beschlüsse der Disziplinarkammer vom 10.04.2001 - 10 B 4379/00 - und vom 31.05.2002 - 10 A 4105/01 -; Beschl. des NDH vom 24.07.2001 - 2 NDH M 1774/01 -).

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Mit Strafbefehl vom 9. Oktober 2000 verhängte das Amtsgericht Cloppenburg - 4 Cs 133 Js 35142/00 (36/00) - gegen den Beamten eine Gesamtfreiheitsstrafe von zehn Monaten auf Bewährung. Durch den gleichzeitig ergangenen Bewährungsbeschluss wurde dem Beamten aufgegeben, 4.000,-- DM an die Landeskasse und jeweils 4.000,-- DM an die Jugendhilfe Cloppenburg und den Kinderschutzbund zu zahlen. Dem Beamten wurde zur Last gelegt, in der Zeit vom 15. August 1995 bis zum 13. September 1999 durch 20 Straftaten die ihm durch Rechtsgeschäft eingeräumte Befugnis, über fremdes Vermögen zu verfügen oder einen anderen zu verpflichten, missbraucht und dadurch dem, dessen Vermögensinteressen er zu betreuen gehabt habe, Nachteile zugefügt zu haben. Insgesamt habe er durch rechtsfehlerhaft durchgeführte Überweisungen als Geschäftsführer des Oldenburgischen Jugenderholungswerkes im genannten Zeitraum einen Betrag von 68.448,76 DM gemäß §§ 266 Abs. 1, 1. Alternative, 52, 53 StGB veruntreut. Von der Einlegung eines Rechtsmittels gegen den Strafbefehl sah der Beamte ab. Mit Bescheid vom 5. Oktober 2000 stellte die Staatsanwaltschaft Oldenburg das Ermittlungsverfahren gegen den Beamten wegen Bestechlichkeit ein.

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Im Rahmen der vom Dienstherrn durchgeführten Ermittlungen wegen veruntreuender Handlungen im Zeitraum von 1990 bis 1994 räumte der Beamte mit Schreiben seines Verteidigers vom 28. November 2001 ein, sich jedenfalls im Zeitraum vom 11. Februar 1991 bis 15. November 1994 mit weiteren 75.558,54 DM ungerechtfertigt bereichert zu haben; hinsichtlich Beträgen in Höhe von rd. 8.500,-- DM könne er eine Zuordnung nicht vornehmen. Den anerkannten Betrag werde er ebenfalls ausgleichen.

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Mit Bericht vom 28. Februar 2002 teilte der bestellte Untersuchungsführer dem Landkreis Cloppenburg das wesentliche Ergebnis der Ermittlungen mit. In seiner Sitzung vom 16. April 2002 beschloss der Kreisausschuss als zuständige Einleitungsbehörde, die Anschuldigungsschrift dem Verwaltungsgericht Oldenburg vorzulegen.

III.

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Mit der am 18. April 2002 bei der Disziplinarkammer des Verwaltungsgerichts Oldenburg eingegangenen Anschuldigungsschrift ist der Beamte angeschuldigt worden, ein Dienstvergehen dadurch begangen zu haben, dass er

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als Geschäftsführer des Oldenburgischen Jugenderholungswerkes e.V. (OJE) vom Konto des OJE unberechtigte Zahlungen auf sein Privatkonto im Zeitraum von 1990 bis 1999 in Höhe von insgesamt 156.305,02 DM geleistet habe;

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als Leiter des Schul- und Kulturamtes des Landkreises Cloppenburg im Zusammenhang mit Auftragsvergaben an die Firma

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F. diverse Geschenke im Gesamtwert von 1078,00 -- DM entgegengenommen habe.

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Der Vertreter der Einleitungsbehörde hat dem Beamten zur Last gelegt, er habe in schwerwiegender Weise sowohl seine Vertrauensstellung gegenüber dem OJE wie seinem Dienstherrn missbraucht, weil ihm die Geschäftsführertätigkeit neben seiner hauptamtlichen Tätigkeit im Schul- und Kulturamt als Nebentätigkeit im öffentlichen Interesse übertragen worden sei. Er habe damit schuldhaft gegen seine allgemeine Treuepflicht nach § 4 NBG, die Pflicht zur uneigennützigen Amtsführung nach § 62 Satz 2 NBG sowie die Pflicht zu achtungs- und vertrauenswürdigem Verhalten nach § 62 Satz 3 NBG verstoßen und damit ein schwerwiegendes Dienstvergehen im Sinne des § 85 Abs. 1 Satz 1 NBG begangen. Wegen Untreue sei er rechtskräftig zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zehn Monaten, die zur Bewährung ausgesetzt worden sei, verurteilt worden. Zudem habe er noch - nach anfänglichem Bestreiten - weitere unberechtigte Auszahlungen an sich für die Jahre 1990 bis 1994 eingeräumt. Der angerichtete Schaden belaufe sich insgesamt auf 156.305,02 DM. Aus der Höhe des Schadens sei schon ersichtlich, welche Vertrauensstellung der Beamte eingenommen habe. Die Schwere des Dienstvergehens werde dadurch verstärkt, dass der Beamte die Rechnungsbelege trotz fortbestehender steuerlicher Aufbewahrungspflicht stets nach Prüfung durch das Rechnungs- und Kommunalprüfungsamt des Dienstherrn vernichtet und dadurch seine Unterschlagungshandlungen verschleiert habe. Noch vor der auf den 25. Juli 2000 terminierten Mitgliederversammlung habe er die Belege für 1999 vernichtet. Durch seine Taten habe der Beamte das Vertrauen des Dienstherrn in seine Amtsführung erheblich beeinträchtigt, weil er seine Verfehlungen im Rahmen der Geschäftsführung des OJE als Nebentätigkeit im öffentlichen Dienst begangen habe, wie schon die Verfügung des Dienstherrn vom 28. Juli 1987 belege. Der Landkreis Cloppenburg habe an der Ausübung dieser Nebentätigkeit ein dienstliches Interesse gehabt und dies anlässlich der Übertragung der Geschäftsführertätigkeit als Nebentätigkeit eindeutig zum Ausdruck gebracht. So seien dem Beamten beispielsweise für notwendige Fahrten zum Erholungsheim des OJE nach G. auf dessen Anträge hin Sonderurlaube und Dienstbefreiungen gewährt worden; die Lohnabrechnungen für das dort beschäftigte Personal seien durch die Personalabteilung des Landkreises ebenso mit erledigt worden wie Belegungspläne und Abrechnungen unter Mitwirkung einer Mitarbeiterin des Schul- und Kulturamtes erstellt worden seien. In seinem Dienstzimmer habe der Beamte auch eine Vielzahl von Unterlagen des OJE aufbewahrt. Selbst wenn das Verhalten lediglich als außerdienstliches Fehlverhalten zu werten sein sollte, stelle es ein erhebliches Dienstvergehen dar und erfordere die Entfernung aus dem Dienst.

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Der Vertreter der Einleitungsbehörde hat beantragt,

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den Beamten aus dem Dienst zu entfernen.

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Der Beamte hat beantragt,

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auf eine mildere Disziplinarmaßnahme als die Entfernung aus dem Dienst zu erkennen.

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Der Beamte hat eingeräumt, in der Zeit von 1990 bis 1999 in seiner Eigenschaft als Geschäftsführer des OJE insgesamt 156.305,02 DM von den Konten des OJE auf sein Privatkonto überwiesen zu haben. Er habe diesen Betrag jedoch inzwischen erstattet und insoweit den Schaden einschließlich der errechneten Zinsen wiedergutgemacht. Seine Ernennung zum Geschäftsführer des OJE beruhe lediglich auf einer Absprache zwischen der Stadt Oldenburg und dem damaligen Vorsitzenden des OJE; tatsächlich habe ihm der damalige Oberstadtdirektor der Stadt Oldenburg die Geschäftsführung übertragen. Damit stehe fest, dass die Übertragung der Geschäftsführung nicht durch den Landkreis Cloppenburg erfolgt sei, was auch die entsprechende Niederschrift über die Versammlung der Mitglieder des OJE vom 30. April 1987 belege. Dort werde hinsichtlich des Wechsels in der Geschäftsführung nur ausgeführt, dass er ab dem 1. Februar 1987 die Aufgaben der Geschäftsführung wahrgenommen habe. Diesen Übergang habe die Mitgliederversammlung einstimmig bestätigt. Damit habe sein Dienstherr, da er bereits zuvor Geschäftsführer gewesen sei, zu keinem späteren Zeitpunkt, auch nicht mehr am 28. Juli 1987, die Geschäftsführung des OJE übertragen können. Der Verfügung des Landkreises vom 28. Juli 1987 komme daher eine rechtliche Bedeutung nicht zu. Der Landkreis Cloppenburg sei lediglich ein Mitglied des OJE neben anderen. Ein Geschäftsführer des Vereins könne nicht durch ein einzelnes Mitglied bestellt werden. Die Geschäftsführung könne zudem auch nicht nur durch Beamte, sondern auch von jeder natürlichen Person ausgeübt werden. Daraus folge, dass eine rechtliche Verbindung zwischen seinen dienstlichen Funktionen beim Landkreis Cloppenburg und der Geschäftsführertätigkeit nicht bestanden habe. An den Mitgliederversammlungen des OJE habe er somit auch nicht als Beamter oder als alleiniger Vertreter des Landkreises Cloppenburg teilgenommen. Seine im Rahmen des OJE begangenen Straftaten könnten daher nicht als dienstliches Fehlverhalten beurteilt werden. Seinen Dienst für den Landkreis habe er über Jahrzehnte ordnungsgemäß und beanstandungsfrei verrichtet. Als Milderungsgrund sei zu berücksichtigen, dass er gegen den Strafbefehl nur deshalb nicht einen Rechtsbehelf eingelegt habe, um eine Hauptverhandlung zu vermeiden. In einer Hauptverhandlung wären sonst sicherlich Anträge bezüglich der Feststellung einer verminderten Schuldfähigkeit gestellt worden. Im vorliegenden Verfahren sei die Frage der Schuldfähigkeit deshalb auch durch Einholung eines Sachverständigengutachtens gesondert zu prüfen.

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Die Disziplinarkammer hat, nachdem der Vertreter der Einleitungsbehörde in der mündlichen Verhandlung hiergegen keine Bedenken erhoben hatte, durch Urteil vom 30. August 2002 den Vorwurf der Bestechlichkeit gemäß § 16 a NDO aus dem Verfahren ausgeschieden. Wegen des übrigen Verhaltens hat es den Beamten eines Dienstvergehens für schuldig befunden und auf Entfernung aus dem Dienst erkannt. Sie hat dem Beamten für die Dauer von sechs Monaten einen Unterhaltsbeitrag in Höhe von 75 v. H. des im Zeitpunkt der Rechtskraft des Urteils erdienten Ruhegehalts bewilligt. Zur Begründung ist im Wesentlichen ausgeführt: In tatsächlicher Hinsicht sei von den Feststellungen auszugehen, die das Amtsgericht Cloppenburg seinem Strafbefehl vom 9. Oktober 2000

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- Cs 133 Js 35142/00 - zugrunde gelegt habe. Hiernach habe der Beamte im Zeitraum vom 15. August 1995 bis 13. September 1999 durch 20 dort konkret bezeichnete Handlungen in Form von Überweisungen zu Gunsten seines Kontos dem OJE 68.448,76 DM entzogen und damit ein Vergehen der Untreue, strafbar nach § 266 Abs. 1, 1. Alternative StGB, zum Nachteil des OJE begangen. Darüber hinaus habe er, wie er eingeräumt habe, im Zeitraum vom 1. Januar 1990 bis 31. Dezember 1994 dem OJE einen weiteren Schaden von jedenfalls 87.856,26 DM durch veruntreuende Unterschlagungen dadurch zugefügt, dass er ausweislich der detaillierten Aufstellung vom 20. Oktober 2000, die der Landkreis Cloppenburg seinem Schreiben an die Staatsanwaltschaft Oldenburg vom 23. Oktober 2000 beigefügt hatte, Überweisungen auf seine Privatkonten bei der Volksbank Cloppenburg vorgenommen habe. Der Beamte habe auch vorsätzlich und damit schuldhaft gehandelt, was zum einen bereits aus den Feststellungen des rechtskräftigen Strafbefehls, die sich insoweit auch auf die subjektiven Tatumstände erstreckten, zum anderen aus seinen Geständnissen folge.

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Gründe, welche die Annahme einer eingeschränkten Schuldfähigkeit begründen könnten, seien nicht erkennbar geworden. Die Behauptung des Beamten, er habe erziehungsbedingt immer Sorge um die wirtschaftliche Gewährleistung des Familienunterhalts gehabt, sei nicht geeignet, Zweifel an seiner Schuldfähigkeit zu hegen. Durch seine pflichtwidrigen Handlungen habe der Beamte schuldhaft die ihm gemäß § 62 Satz 2 NBG obliegende Dienstpflicht, sein Amt uneigennützig nach bestem Gewissen zu verwalten, verletzt. Er habe zudem auch gegen die Pflicht zum vertrauensvollen Zusammenwirken mit seinem Dienstherrn sowie gleichgeordneten und nachgeordneten Mitarbeitern verstoßen und ebenso im Sinne des § 64 Abs. 1 NBG gegen die Grundsätze seiner Verantwortlichkeit für die Rechtmäßigkeit seiner dienstlichen Handlungen insbesondere dadurch verstoßen, dass er über Jahre Unterlagen unterdrückt habe, aus denen die fehlgeleiteten Überweisungen ersichtlich geworden wären, und diesbezüglich falsche Erklärungen insbesondere im Rahmen seiner Geschäftsführertätigkeiten des OJE auch gegenüber Mitarbeitern des Rechnungsprüfungsamtes des Landkreises Cloppenburg abgegeben habe. Aufgrund der Beurteilung der rechtlichen Strukturen der Organisation des Jugendwerkes sei anzunehmen, dass der Beamte seine Betätigung im Rahmen der Geschäftsführung des OJE dergestalt ausgeübt habe, dass ihm sein Fehlverhalten in seiner Funktion als Leiter des Schul- und Kulturamtes des Landkreises Cloppenburg und damit „als Beamten“ unmittelbar zuzurechnen sei. Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts komme es bei der Unterscheidung zwischen inner- und außerdienstlichen Verfehlungen nicht auf die formale Dienstbezogenheit, das heißt auf die enge räumliche oder zeitliche Beziehung der Tathandlungen zum Dienst, sondern auf die materielle Dienstbezogenheit, nämlich darauf an, ob durch das Verhalten irgendwelche innerdienstliche Pflichten verletzt worden sind (Urt. v. 24.11.1992 - 1 D 52.91 -, Dok.Ber. B 1993, 149). Maßgeblich für die Bewertung des Fehlverhaltens sei, dass der Beamte die neben seinen Funktionen als Amtsleiter des Landkreises Cloppenburg wahrgenommene Tätigkeit für die außerhalb der gesetzlichen Zuständigkeiten des Landkreises liegende Geschäftsführung für den OJE im Rahmen seiner bestandskräftig genehmigten Nebentätigkeit erbracht habe. Hierbei handele es sich um eine Nebentätigkeit im öffentlichen Interesse seines Dienstherrn und nicht um eine solche im privaten Interesse des Beamten.

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Die Nebentätigkeit sei mit dem Hauptamt des Beamten so verwoben gewesen, dass der Beamte personelle wie sächliche Hilfsmittel des Hauptamtes für die Ausübung der Nebentätigkeit habe in Anspruch nehmen können und seinerseits von den Verpflichtungen des Hauptamtes zur Erledigung seiner Nebentätigkeit im geforderten Umfange jeweils freigestellt worden sei, ohne dass im Detail eine sachliche Differenzierung zwischen Haupt- und Nebenamt gemacht worden sei. Im Hinblick auf diese Gesichtspunkte sei davon auszugehen, dass das Fehlverhalten des Beamten „wie“ ein Fehlverhalten im Rahmen der Tätigkeit im Hauptamt zu betrachten sei, weil insbesondere aus der Perspektive des Dienstherrn, der übrigen betroffenen öffentlich-rechtlichen Körperschaften, die den OJE bilden, wie aber auch der Öffentlichkeit der Beamte im Rahmen der Geschäftsführung seines Dienstherrn für den OJE und somit als Beamter des Landkreises Cloppenburg - im Nebenamt - tätig geworden sei und gefehlt habe. Aber selbst wenn im Wege einer Differenzierung zwischen Haupt- und Nebenamt in den Vordergrund gestellt werde, dass der Beamte nur im Rahmen einer gesondert vergüteten Nebentätigkeit Rechtsverstöße begangen habe, erfülle auch dieser Sachverhalt die Voraussetzungen eines - wenn auch außerdienstlichen - Dienstvergehens im Sinne der §§ 62 Satz 3 und 85 Abs. 1 Satz 2 NBG. Mache sich ein Beamter, der in gesteigertem Maße dem Wohl der Allgemeinheit verpflichtet sei, außerhalb des Dienstes eines Verhaltens schuldig, das zu einer rechtskräftigen Verurteilung geführt habe, so beeinträchtige allein schon dieser Umstand die beamtenrechtlich allgemein geforderte Achtungs- und Vertrauenswürdigkeit (§ 62 Satz 3 NBG). Für eine gesteigerte Beeinträchtigung dieses Pflichtenkreises im Sinne des § 85 Abs. 1 Satz 2 NBG sprächen zudem hier sämtliche Umstände der Tatbegehrung wie die faktische Verknüpfung von Haupt- und Nebenamt. Das Dienstvergehen des Beamten habe ein so erhebliches Gewicht, dass seine Entfernung aus dem Dienst zwingend geboten sei. Der Beamte habe rund zehn Jahre lang in erheblichem Umfange Gelder, auch wenn sie ihm nicht im Hauptamt, so doch im Nebenamt allein „anvertraut“ gewesen seien, veruntreut und sich damit in einem Kernbereich des Beamtenverhältnisses als spezifisch ausgeprägtes öffentlich-rechtliches Dienst- und Treueverhältnis vergangen.

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Diese Feststellungen würden noch durch das Verhalten des Beamten im Disziplinarverfahren bestätigt. Jedenfalls noch zu Beginn des Ermittlungsverfahrens habe er eine hinreichende Einsicht in die ihm vorgeworfenen Unrechtstaten nicht erkennen lassen. Vielmehr habe er, abgesehen von der zwecks Abwendung gerichtlicher Schritte zur Durchsetzung der Ansprüche alsbald erfolgten Rückzahlung der unterschlagenen Beträge, zunächst nur entsprechend dem Fortgang der polizeilichen Ermittlungen zur Aufklärung des Sachverhalts beigetragen, nachdem seine Unterschlagungen nicht mehr zu leugnen gewesen seien, und lediglich den Tatumfang zugestanden, der entsprechend der Ermittlungslage ernsthaft nicht mehr habe in Abrede gestellt werden können. Milderungsgründe, die ausnahmsweise ein Absehen von der härtesten Disziplinarmaßnahme der Entfernung aus dem Dienst rechtfertigen könnten, seien weder erkennbar noch substantiiert vorgetragen worden. Der Beamte habe sich über den gesamten Zeitraum von rund zehn Jahren nicht in einer ausweglos erscheinenden Notlage befunden, seine wirtschaftlichen Verhältnisse seien geordnet, er sei in der Lage gewesen, seinen beiden Kindern ein Universitätsstudium zu ermöglichen, er habe ein in seinem Alleineigentum stehendes Haus bewohnt; seine Ehefrau sei durchweg nicht berufstätig gewesen und habe somit zum Lebensunterhalt der Familie durch Erwerbstätigkeit nicht beizutragen brauchen.

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Dieses ihm am 16. September 2002 zugestellte Urteil greift der Beamte mit der am 16. Oktober 2002 bei der Disziplinarkammer eingegangenen Berufung an, mit der er eine mildere Maßnahme erstrebt. Zur Begründung macht er geltend: Es treffe zwar zu, dass er in der Zeit von 1990 bis 1999 in seiner Eigenschaft als Geschäftsführer des OJE insgesamt 156.305,02 DM von dem Konto des OJE auf sein Privatkonto überwiesen habe. Er habe diesen Betrag nebst Zinsen dem OJE jedoch wieder zugeleitet, so dass der dem OJE ursprünglich entstandene Schaden wieder ausgeglichen sei. Er habe das unterschlagene Geld nicht für sich verbraucht - beispielsweise verspielt -, sondern dieses Geld aus einer Existenzangst heraus unterschlagen und angelegt. Bei einer zutreffenden Würdigung aller Umstände hätte die Disziplinarkammer zu der Auffassung gelangen müssen, dass er seine ihm obliegende Dienstpflicht gemäß § 62 Satz 2 NBG, sein Amt uneigennützig und nach bestem Gewissen zu verwalten, nicht verletzt habe. Der Sachverhalt erfülle auch nicht den Tatbestand eines außerdienstlichen Dienstvergehens gemäß §§ 62 Satz 3, 85 Abs. 1 Satz 2 NBG. Sein Verhalten sei nicht geeignet gewesen, Achtung und Vertrauen in einer für sein Amt und das Ansehen des Berufsbeamtentums bedeutsamen Weise zu beeinträchtigen. Aber selbst wenn man dies bejahen sollte, wäre eine Entfernung aus dem Dienst nicht erforderlich. Ausreichend wäre, auf eine geringere Disziplinarmaßnahme, nämlich eine angemessene Gehaltskürzung, zu erkennen. Im Zeitpunkt der Begehung der einzelnen Taten habe bei ihm eine verminderte Schuldfähigkeit vorgelegen. Er habe sich seit vielen Jahren in existenzieller Not gesehen.

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Dies beruhe darauf, dass seit dem frühen Tod des Vaters, der Lehrer gewesen sei, in seiner Familie die finanziellen Verhältnisse immer sehr eng gewesen seien. Tatsächlich habe bei ihm eine wirtschaftliche Not nicht bestanden, so dass sein Verhalten nur durch eine psychische Zwangssituation zu erklären sei. Der Sicherheitsgedanke, der sein gesamtes Leben präge, sei insbesondere dadurch zum Ausdruck gekommen, dass er die gesamte umgeleitete Geldsumme zinsgünstig angelegt habe. Entgegen der Auffassung der Disziplinarkammer habe er nicht leicht einsehbare Kernpflichten verletzt. Das strafbare Verhalten sei nicht im Dienst, sondern lediglich außerdienstlich erfolgt. Sein Fehlverhalten könne nicht „wie“ ein Fehlverhalten im Rahmen der Tätigkeit im Hauptamt betrachtet werden. Er sei durch die Stadt Oldenburg zum Geschäftsführer des OJE ernannt worden. Der Landkreis Cloppenburg sei lediglich Mitglied des OJE. Der Geschäftsführer eines Vereins könne nicht durch ein einzelnes Mitglied bestellt werden. Eine Bestellung zum Geschäftsführer durch den Landkreis Cloppenburg sei daher nicht möglich gewesen. Seine berufliche Tätigkeit als Beamter des Landkreises Cloppenburg müsse streng von derjenigen als Geschäftsführer des OJE getrennt werden. Ein Zusammenhang zwischen Hauptamt und Nebentätigkeit ergebe sich auch nicht aus dem Umstand, dass er personelle wie sachliche Hilfsmittel des Hauptamtes zur Ausübung der Nebentätigkeit habe in Anspruch nehmen können und er von den Verpflichtungen des Hauptamtes zur Erledigung seiner Nebentätigkeit im geforderten Umfang jeweils freigestellt worden sei.

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Die Inanspruchnahme von Hilfsmitteln und die Freistellung hätten auch bei einer Tätigkeit für einen Verein, dessen Mitglied der Landkreis Cloppenburg nicht sei, erfolgen können. Sein außerdienstliches Dienstvergehen sei nicht so schwerwiegend, dass sein strafbares Verhalten im besonderen Maße geeignet sei, Achtung und Vertrauen in einer für sein Amt und das Ansehen des Berufungsbeamtentums bedeutsamen Weise zu beeinträchtigen. Er habe im Hinblick auf seine allgemeinen beamtenrechtlichen Funktionen und Pflichten nicht in höchstem Maße sorgfaltswidrig und leichtfertig gehandelt. Hierbei sei insbesondere zu beachten, dass er seinen Dienst für den Landkreis Cloppenburg über Jahrzehnte ordnungsgemäß und beanstandungsfrei verrichtet habe. Eine Zerstörung des Vertrauens in seine Zuverlässigkeit und Ehrlichkeit liege nicht vor, weil das Eigengewicht der Tat nicht besonders hoch sei. Er habe weder eine besondere kriminelle Energie aufgewandt noch missbräuchlich seine dienstliche Stellung ausgenutzt. Die erste Fehlbuchung auf sein Privatkonto sei von ihm unbeabsichtigt und er wäre froh gewesen, wenn sie bei der Rechnungsprüfung entdeckt worden wäre. Er bereue sein Fehlverhalten. Das ergebe sich daraus, dass er die umgelenkten Gelder nebst Zinsen sofort zurückgezahlt und auch die Bewährungsauflage (Zahlung von 12.000,-- DM) erfüllt habe. Unter Berücksichtigung seiner psychischen Situation und des Umstandes, dass er die veruntreuten Beträge sofort zurückgezahlt habe, sei auch im Hinblick auf seine über Jahrzehnte erfolgte tadellose Amtsführung eine mildere Maßnahme als die Entfernung aus dem Dienst gerechtfertigt.

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Der Beamte beantragt,

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das angefochtene Urteil zu ändern und auf eine mildere

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Disziplinarmaßnahme zu erkennen.

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Der Vertreter der Einleitungsbehörde beantragt,

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die Berufung zurückzuweisen.

35

Er hält das angefochtene Urteil und insbesondere die ausgesprochene Disziplinarmaßnahme für zutreffend.

36

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Gerichtsakten und die Beiakten A bis J Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

IV.

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Die rechtzeitig eingelegte Berufung ist zulässig, sie bleibt jedoch ohne Erfolg.

38

Mit dem Antrag, mit dem der Beamte die Berufung führt, möchte der Beamte erreichen, dass auf eine mildere Maßnahme als die im angefochtenen Urteil verhängte erkannt wird. Die Berufung ist aber nicht maßnahmebeschränkt. Dies hat der Beamte in der mündlichen Verhandlung klargestellt und erklärt, dass er die Feststellungen der Disziplinarkammer in vollem Umfang und nicht nur hinsichtlich des Maßnahmeanspruchs angreife.

39

Gegenstand der berufungsgerichtlichen Würdigung ist der von der Einleitungsbehörde in der Anschuldigungsschrift zu Ziffer 1 umrissene und von der Disziplinarkammer festgestellte Sachverhalt. Die von der Ziffer 2 der Anschuldigungsfrist erfassten Dienstpflichtverletzungen hat die Disziplinarkammer in dem angefochtenen Urteil gemäß § 16 a Sätze 1 und 2 NDO mit Zustimmung des Vertreters der Einleitungsbehörde aus dem Verfahren ausgeschieden, so dass dieser Vorwurf im Berufungsverfahren außer Betracht zu bleiben hat (§ 16 a Satz 3 NDO).

40

Den unter Ziffer 1 der Anschuldigungsschrift fallenden Sachverhalt sowie die entsprechenden Ausführungen in dem angefochtenen Urteil hat der Beamte hinsichtlich des rein tatsächlichen, objektiven Geschehens als zutreffend bezeichnet und erklärt, es sei richtig, dass er in dem Zeitraum von 1990 bis 1999 in seiner Eigenschaft als Geschäftsführer des OJE insgesamt 156.305,02 DM von dem Konto des OJE auf sein Privatkonto überwiesen hat.

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Mit dem ihm unter dem Anschuldigungspunkt 1 vorgeworfenen Verhalten hat der Beamte, wie die Disziplinarkammer zutreffend ausgeführt hat, die ihm obliegenden Dienstpflichten, insbesondere die Pflichten des § 62 Sätze 2 und 3 NBG, sein Amt uneigennützig zu verwalten und sein Verhalten so einzurichten, dass es innerhalb und außerhalb des Dienstes der Achtung und dem Vertrauen gerecht wird, die sein Beruf erfordert, schuldhaft verletzt. Das Gebot uneigennütziger Amtsführung (§ 62 Satz 2 NBG) erstreckt sich auch auf die mit dem Amt im statusrechtlichen Sinne verbundenen innerdienstlichen Pflichten (vgl. Fürst u.a. (Zängl), Beamtenrecht des Bundes und der Länder, GKÖD, Loseblattsammlung, Stand: Mai 2003, Rn. 94 zu K § 54), zu denen aufgrund der nachstehend darzustellenden Besonderheiten dieses Falles auch die dem Beamten im Rahmen seiner Tätigkeit für das OJE obliegenden Pflichten gehören. Anhaltspunkte dafür, dass der Beamte bei Begehung des Dienstvergehens unfähig war, das Unrecht des Dienstvergehens einzusehen oder nach dieser Einsicht zu handeln, sind seinem Vorbringen im Vorermittlungsverfahren und im förmlichen Disziplinarverfahren nicht zu entnehmen. Seine mit der Berufung aufrecht erhaltene Behauptung, er habe erziehungsbedingt immer Sorge um die wirtschaftliche Gewährleistung des Familienunterhalts gehabt und deshalb unter Existenzängsten gelitten, rechtfertigt nicht die Annahme einer eingeschränkten Schuldfähigkeit. Auch wenn mit den Versorgungsbezügen eines Lehrers die finanziellen Verhältnisse für seine Mutter mit vier Kindern beengt gewesen sind, hat in der hier maßgeblichen Zeit (1990 - 1999) eine wirtschaftliche Not für den Beamten mit seiner Familie nicht bestanden. Anhaltspunkte für das Fortbestehen einer möglicherweise in der Kindheit entstandenen Existenzangst sind nicht erkennbar. Abgesehen davon, dass selbst eine verminderte Schuldfähigkeit das Verschulden nicht ausschließen kann (vgl. BVerwG, Urt. v. 16.3.1993 - 1 D 69.91 -, NJW 1993, 2632; NDH, Urt. v. 19.7.1999 - 1 NDH L 27/98 -), sprechen die Umstände des vorliegenden Falles, insbesondere die Tatsache, dass der Beamte über einen Zeitraum von mehr als acht Jahren sich Geldbeträge des OJE in Höhe von mehr als 150.000,-- DM zugeeignet hat, dafür, dass der Beamte nicht zwanghaft, sondern bewusst und zielgerichtet und damit vorsätzlich gehandelt hat.

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Mit Recht hat die Disziplinarkammer diese Pflichtverletzungen als ein rechtswidrig und schuldhaft begangenes einheitliches innerdienstliches Dienstvergehen (§ 85 Abs. 1 Satz 1 NBG) gewertet. Für die Annahme eines innerdienstlichen Fehlverhaltens spricht insbesondere der Umstand, dass die beteiligte Behörde dem Beamten die Aufgaben der Geschäftsführung des OJE durch Verfügung vom 28. Juli 1987 gemäß § 72 Satz 2 NBG als Nebentätigkeit im öffentlichen Interesse übertragen hat und damit zum Ausdruck gekommen ist, dass die Wahrnehmung dieser Tätigkeit nicht im privaten Interesse des Beamten oder anderer privater Rechtsträger gelegen hat. Mitglieder des OJE sind ausnahmslos Körperschaften des öffentlichen Rechts. Wie die Stadt Oldenburg in ihrer Verfügung vom 14. Januar 1987 hervorgehoben hat, hatte der Beamte über viele Jahre den Landkreis Cloppenburg in der Mitgliederversammlung vertreten und sich für die Interessen des Vereins eingesetzt. Die Aufgaben des Geschäftsführers des OJE stehen mithin ihrer Art nach in einer engen Beziehung zu dem von dem Beamten in der Verwaltung des Landkreises wahrgenommenen Aufgaben als Leiter des Schul- und Kulturamtes. Dem Beamten ist die Geschäftsführung als Nebentätigkeit im Vertrauen darauf übertragen worden, dass er diese Tätigkeit, die er teilweise auch während des Dienstes auszuführen hatte, mit der Verlässlichkeit eines Beamten und unter Beachtung aller einem Beamten obliegenden Pflichten ausübt. Nach den für die Abgrenzung zwischen inner- und außerdienstlichen Pflichtverletzungen maßgeblichen materiellen Kriterien (vgl. BVerwG, Urt. v. 24.11.1992 - 1 D 52.91 - Dok.Ber. B 1993, 149; NDH, Urt. v. 24.1.2002 - 1 NDH L 1562/01; Kümmel, Beamtenrecht, Stand: Februar 2003, § 85 RdNr. 66 m. w. Nachw.) ist im Hinblick auf den geschilderten engen sachlichen Zusammenhang zwischen den im Rahmen der Nebentätigkeit wahrgenommenen Aufgaben und dem Aufgabenbereich des Beamten als Amtsleiter des Schul- und Kulturamtes davon auszugehen, dass der Beamte durch die strafbare Veruntreuung die ihm gegenüber seinem Dienstherrn obliegende innerdienstliche Pflicht verletzt hat, die ihm übertragene Nebentätigkeit unter Beachtung der ihm als Beamten obliegenden Pflichten zu erfüllen.

43

Das danach schuldhafte begangene Dienstvergehen erfordert die Entfernung aus dem Dienst.

44

Es entspricht ständiger Rechtsprechung der Disziplinargerichte des Bundes und der Länder, dass ein Beamter, der ihm amtlich anvertrautes oder dienstlich sonst zugängliches Geld seiner Verwaltung auch nur vorübergehend vorenthält, um es für seine eigenen privaten Zwecke zu nutzen, das Vertrauensverhältnis, das ihn mit seinem Dienstherrn verbindet, zerstört und auch das für das ordnungsgemäße Funktionieren des öffentlichen Dienstes ebenfalls unabdingbare Vertrauen der Allgemeinheit in seine Ehrlichkeit und Zuverlässigkeit so nachhaltig belastet, dass er grundsätzlich nicht im Dienst bleiben kann. Nichts grundsätzlich anderes kann für einen Beamten gelten, dessen pflichtwidrige Bereicherung zu Lasten des OJE, zu dessen Mitgliedern neben dem Landkreis Cloppenburg als Dienstherr des Beamten noch weitere öffentlich-rechtliche Körperschaften gehören, nicht - wie in dem hier zu beurteilenden Fall - in direktem Zugriff auf bares Geld, sondern im missbräuchlichen Ausnutzen der ihm im Einzelfall anvertrauten Dienstgeschäfte mit Ziel und der Folge eigenen geldwerten Vorteils mit entsprechender finanzieller Einbuße seines Dienstherrn besteht (vgl. BVerwG, Urt. v. 28.11.1984 - 1 D 115.83 -, BVerwGE 76, 228, 229; Urt. v. 6.9.1989 - 1 D 50.88 -, DVBl. 1989, 1160; NDH, Urt. v. 29.11.1991 - 1 NDH L 1/91 -). Auf Entfernung aus dem Dienst hat der 2. Senat des Niedersächsischen Disziplinarhofs auch in dem Fall eines Beamten erkannt, der als Schatzmeister eines Tennis-Clubs über das ihm anvertraute Vereinsvermögen in erheblichem Umfang (ca. 85.000,-- DM) zu vereinsfremden privaten Zwecken verfügt hatte (Urt. v. 13.1.1993 - 2 NDH L 6/91 -).

45

Bei einem Beamten, der die ihm übertragenen dienstlichen Aufgaben oder dienstlich bedingten Möglichkeiten dazu nutzt, der Pflicht zur Uneigennützigkeit zuwider seinen eigenen finanziellen Vorteil zu suchen, kann nur unter besonderen Voraussetzungen und in engen Grenzen noch von einem verbliebenen Rest an Vertrauen ausgegangen und von der disziplinaren Höchstmaßnahme abgesehen werden. Solche Ausnahmen sind dann denkbar, wenn die Situation, in der der Beamte versagt hat, von besonderen Umständen gekennzeichnet war, die einer Bewertung nach Regelmaßstäben nicht mehr zugänglich sind, die daher sein Handeln auch bei keineswegs leichter Schuld noch verständlich und demgemäß wenigstens noch einen Rest von Vertrauen in den pflichtwidrig handelnden Beamten möglich machen. Die Frage, ob ein Beamter noch tragbar ist, muss nach objektiven Kriterien entschieden werden (vgl. BVerwG, Urt. v. 6.9.1989 - 1 D 50.88 -, DVBl. 1989, 1160). Als solche, den Fortbestand des Beamtenverhältnisses ermöglichende Ausnahme werden nach der ständigen Rechtsprechung der Disziplinargerichte anerkannt

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ein Handeln in einer ausweglos erscheinenden unverschuldeten wirtschaftlichen Notlage, die auf andere Weise nicht zu beheben war,

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ein Handeln in einer schockartig ausgelösten psychischen Zwangssituation oder

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ein Handeln unter Umständen, die die Handlung als die unbedachte, im Grunde persönlichkeitsfremde Augenblickstat eines ansonsten tadelsfreien und im Dienst bewährten Beamten erscheinen lassen.

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Außerdem ist in der disziplinargerichtlichen Rechtsprechung anerkannt, dass die freiwillige, auch nicht durch die Furcht vor konkreter Entdeckungsgefahr bestimmte Wiedergutmachung des dem Dienstherrn zugefügten materiellen Schadens die ausnahmsweise Fortsetzung des Beamtenverhältnisses unter bestimmten Umständen zulässt (vgl. BVerwG, Urt. v. 8.3.1988 - 1 D 69.87 -, BVerwGE 86, 1 = NVwZ 1989, 467; Urt. v. 9.5.1990 - 1 D 81.89 -, DVBl. 1990, 877; Urt. v. 26.03.2003 - 1 D 23.02 -; NDH, Urt. v. 29.11.1991 - 1 NDH L 1/91 -).

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Die Voraussetzungen dieser Milderungsgründe liegen sämtlich hier nicht vor. Ein Handeln unter einer schockartig ausgelösten psychischen Zwangslage kann nicht angenommen werden, weil das Dienstvergehen aus einer Vielzahl, in der Zeit von 1990 bis 1999 begangenen einzelnen Pflichtverletzungen besteht und nicht erkennbar ist, dass der Beamte über einen derartig langen Zeitraum hinweg unter schockartig ausgelöstem psychischen Zwang gehandelt hat. Aus demselben Grunde kann auch nicht angenommen werden, dass es sich bei dem Dienstvergehen um eine persönlichkeitsfremde Augenblickstat handelt. Eine wirtschaftliche Notlage hat nach dem eigenen Vorbringen des Beamten bei ihm nicht beanstanden. Schließlich hat der Beamte sich seinem Dienstherrn auch nicht aus freiem Willensentschluss vor Aufdeckung seiner Verfehlungen offenbart.

51

Der Umstand, dass der Beamte bisher weder strafrechtlich noch disziplinarrechtlich aufgefallen ist, vermag ein Absehen von der Höchstmaßnahme nicht zu rechtfertigen (vgl. Weiss, Disziplinarrecht des Bundes und der Länder, GKÖD, Band II, RdNr. 51 J 688; BVerwG, Urt. v. 20.2.2002 - 1 D 19.01 -; NDH, Urt. v. 21.11.2002 - 1 NDH L 2/02 -).

52

Trotz des zweifellos positiv zu bewertenden Umstandes, dass der Beamte sich bei der Wahrnehmung seines Amtes bisher nichts hat zuschulden kommen lassen, ist die Verhängung der disziplinaren Höchstmaßnahme unausweichlich, weil das Vertrauensverhältnis des Dienstherrn zum Beamten angesichts der Schwere des begangenen Dienstvergehens ein für alle Mal zerstört ist. Im Hinblick auf die vollständige Vertrauenseinbuße kann auch nicht zu Gunsten des Beamten berücksichtigt werden, dass er die veruntreuten Beträge nebst Zinsen dem OJE zurückgezahlt und die Bewährungsauflage erfüllt hat. Einem Beamten wird nichts Unzumutbares abverlangt, wenn er sich mit der gesetzlichen Folge eigenen bewussten Verhaltens, durch das er das in ihn gesetzte Vertrauen aufs Spiel gesetzt hat, abfinden muss (vgl. NDH, Urt. v. 13.1.1993 - 2 NDH L 6/91).

53

Da die Umstände des vorliegenden Falles es nicht rechtfertigen, das Dienstvergehen des Beamten in einem milderen Licht erscheinen zu lassen, kann es dem Dienstherrn des Beamten nicht zugemutet werden, das Beamtenverhältnis ausnahmsweise fortzusetzen. Der Beamte ist daher aus dem Dienst zu entfernen.

54

Eine Änderung der Entscheidung zum Unterhaltsbeitrag ist vom Beamten nicht beantragt; diese Entscheidung ist deshalb im Berufungsverfahren nicht zu überprüfen.

55

Die Kostenentscheidung folgt aus § 114 Abs. 1 Satz 1 NDO.

56

Ein Rechtsmittel gegen dieses Urteil ist nicht gegeben (§ 90 NDO).