Oberverwaltungsgericht Niedersachsen
Beschl. v. 26.06.2003, Az.: 1 NDH O 5/03

Aufnahme; Beamter; Disziplinarverfahren; Erwerbstätigkeit; Unterhaltsbeitrag; Weiterbewilligung

Bibliographie

Gericht
OVG Niedersachsen
Datum
26.06.2003
Aktenzeichen
1 NDH O 5/03
Entscheidungsform
Beschluss
Referenz
WKRS 2003, 48425
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

Verfahrensgang

vorgehend
VG - 28.03.2003 - AZ: 18 A 5833/02

Amtlicher Leitsatz

Leitsatz

Die Weiterbewilligung eines Unterhaltsbeitrages setzt voraus, dass sich der frühere Beamte in ausreichendem Maß um die Aufnahme einer anderen Erwerbstätigkeit bemüht hat.

Tatbestand:

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I. Der im Jahre 1953 geborene Antragsteller wurde durch Urteil der Disziplinarkammer vom 19. April 2001 - 18 A 6271/99 - aus dem Dienst entfernt. Zugleich wurde ihm für die Dauer von sechs Monaten ein Unterhaltsbeitrag in Höhe von 75 vom Hundert des zum Zeitpunkt der Rechtskraft des Urteils erdienten Ruhegehalts bewilligt. Mit Urteil vom 13. Juni 2002 wies der beschließende Senat die Berufung des Antragstellers zurück (1 NDH L 2388/01).

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Am 2. Dezember 2002 hat der Antragsteller bei der Disziplinarkammer beantragt, ihm für weitere sechs Monate einen Unterhaltsbeitrag in Höhe von 75 von Hundert des im Zeitpunkt der Rechtskraft des Urteils vom 19. April 2001 erdienten Ruhegehalts zu bewilligen.

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Die Disziplinarkammer hat den Antrag durch Beschluss vom 28. März 2003 mit der Begründung abgelehnt, der Antragsteller habe eine möglicherweise gegebene Bedürftigkeit selbst zu vertreten. Er habe nicht nachgewiesen, dass er sich in ausreichendem Maße um die Aufnahme einer anderen Erwerbstätigkeit bemüht habe. Selbst wenn man unterstelle, dass der Antragsteller sich siebenmal nach dem 13. Juni 2002 um Arbeitsaufnahme bemüht habe, entsprächen diese Bemühungen nicht den vom Antragsteller zu erwartenden Anstrengungen. Von einem arbeitslosen ehemaligen Beamten könne erwartet werden, dass er sich mehrfach in der Woche ernsthaft um einen Arbeitsplatz bewerbe.

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Gegen diesen ihm am 14. April 2003 zugestellten Beschluss wendet sich der Antragsteller mit seiner am 28. April 2003 eingelegten Beschwerde, zu deren Begründung er geltend  macht: In den sechs Monaten des Bewilligungszeitraumes habe er sich nicht nur bei den sieben von ihm angeführten Firmen, sondern bei weit mehr als 50 Firmen beworben. Er habe hierbei die Erfahrung machen müssen, dass der Umstand, dass er aus dem Dienst der Polizei ausgeschieden sei, negativ gewertet worden sei. Oft hätten die Firmen seine Bewerbung mit dem Hinweis zurückgewiesen, vor dem Hintergrund seiner Entlassung sei der Aufbau einer Vertrauensbasis nicht möglich. Dieses sei auch bei einfachsten Tätigkeiten geschehen, die keiner besonderen Qualifikation bedurft hätten. Trotz der teilweise recht unwürdigen Behandlung habe er sich nicht entmutigen lassen und immer neue Versuche unternommen, einen Arbeitsplatz zu erlangen. Dieses sei ihm im Ergebnis aber nicht gelungen. Die von ihm angestrebte Ausbildung zum Ballonfahrer habe ihn nicht gehindert, sich um ein Arbeitsverhältnis zu bemühen. Ihm könne auch nicht entgegengehalten werden, dass die Ausbildung als Ballonfahrer nicht geeignet sei, in der Zukunft eine tragfähige wirtschaftliche Grundlage zu bilden. Es sei für ihn ermutigend gewesen, dass in Deutschland bereits einige Betriebe bestünden, die allein durch das Ballonfahren als Luftfahrtunternehmen existieren könnten.

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Der Antragsteller hat beantragt,

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den angefochtenen Beschluss zu ändern und nach dem im ersten Rechtszug gestellten Antrag zu erkennen.

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Die beteiligte Behörde beantragt,

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die Beschwerde zurückzuweisen.

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Sie entgegnet: Der Antragsteller habe auch im Beschwerdeverfahren nicht nachgewiesen, dass er alles Erdenkliche und Zumutbare getan habe, um eine neue Beschäftigung zu finden und damit seinen Unterhalt sicherzustellen. Die schlichte Behauptung, er habe sich bei "weit mehr als 50 Firmen im gesamten norddeutschen Raum" beworben, sei in dieser unsubstantiierten Form als Nachweis nicht geeignet. Unabhängig von der Bewertung der wirtschaftlichen Perspektive der Ausbildung zum Ballonfahrer bleibe weiterhin auch die wirtschaftliche Situation des Antragstellers unklar. Einzelne Ausgabenpositionen habe der Antragsteller nicht belegt oder sie seien nicht hinreichend nachvollziehbar. Auch fehle eine Erläuterung dazu, welchen Einfluss seine Lebenspartnerin sich auf seine wirtschaftliche Situation habe.

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Wegen der weiteren Einzelheiten des Vorbringens der Beteiligten wird auf ihre in beiden Rechtszügen gewechselten Schriftsätze und wegen des Sachverhalts im Übrigen auf den Inhalt der Gerichtsakten und der Beiakten A bis G Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

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II. Die Beschwerde des Antragstellers ist zulässig, aber nicht begründet.

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Mit Recht hat die Disziplinarkammer entschieden, dass die Voraussetzungen für die Weiterbewilligung eines Unterhaltsbeitrages nicht vorliegen.

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Gemäß § 110 Abs. 5 Satz 3 NDO kann ein Unterhaltsbeitrag weiter bewilligt werden, wenn die Voraussetzungen des § 76 NDO vorliegen. Danach muss der frühere Beamte nach seiner wirtschaftlichen Lage der Unterstützung bedürfen und ihrer nicht unwürdig sein. Auch wenn man zu Gunsten des Antragstellers davon ausgeht, dass diese Voraussetzungen, welche die Disziplinarkammer in ihrem Urteil vom 19. April 2001 als erfüllt angesehen hat, weiterhin bestehen, so scheitert eine erneute Bewilligung des Unterhaltsbeitrages über den bewilligten Zeitraum hinaus daran, dass der Antragsteller seine Bedürftigkeit, bezogen auf die Zeit seit dem 1. Januar 2003, zu vertreten hat (vgl. BVerwG, Beschl. v. 5.10.2000 - 1 DB 18.00 -, ZBR 2001, 211). Zutreffend hat die Disziplinarkammer ihrer Entscheidung den Grundsatz zugrunde gelegt, dass nach dem Zweck des Unterhaltsbeitrages als Übergangsleistung dessen Weiterbewilligung voraussetzt, dass sich der frühere Beamte in ausreichendem Maß um die Aufnahme einer anderen Erwerbstätigkeit bemüht hat. Es ist zu erwarten, dass sich der Betroffene ernsthaft, intensiv und nachhaltig das Erschließen anderer Erwerbsquellen bemüht. Mit Rücksicht auf den nur vorübergehenden Charakter dieser Überbrückungshilfe müssen mit zunehmendem zeitlichen Abstand von der Beendigung des Beamtenverhältnisses immer höhere Anforderungen nicht nur an die Darlegungs- und Belegpflicht, sondern auch an die Intensität des Bemühens gestellt werden. Der frühere Beamte darf sich nicht darauf zurückziehen, nur eine dem bisherigen Beruf, dem Bildungsstand oder den persönlichen Wünschen entsprechende Arbeit annehmen zu wollen (vgl. Köhler/Ratz, Bundesdisziplinarordnung und materielles Disziplinarrecht, 2. Aufl. 1994, § 110 RdNr. 13 m. w. Nachw).

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Gemessen an diesen Anforderungen, die auch die Disziplinarkammer ihrer Entscheidung zugrunde gelegt hat, ist die vom Antragsteller beantragte Weiterbewilligung des Unterhaltsbeitrages nicht gerechtfertigt. Der beschließende Senat teilt die Auffassung der Disziplinarkammer, dass die vom Antragsteller im ersten Rechtszug erwähnten sieben Versuche nicht ausreichen, um den von ihm zu erwartenden Anstrengungen um eine andere Erwerbsquelle gerecht zu werden. Dass der Antragsteller sich, wie er nunmehr im Beschwerdeverfahren geltend gemacht hat, bei weit mehr als 50 Firmen im gesamten norddeutschen Raum beworben haben will, lässt ebenfalls nicht erkennen, dass der Antragsteller sich seit dem 13. Juni 2002 ernsthaft, intensiv und nachhaltig um eine neue Arbeit bemüht hat. Diesbezüglich fehlt es an jeglichem Nachweis über die Namen der Firmen und über die Art der Tätigkeit, für die sich der Antragsteller beworben hat. Dass dem Antragsteller, wie er geltend macht, auch einfachste Tätigkeiten verwehrt worden seien, weil er aus der Polizei ausgeschieden sei, erscheint wenig wahrscheinlich und kann deshalb ohne nähere Nachweise nicht als glaubhaft gemacht angesehen werden.

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Bei der Würdigung des Begehrens des Antragstellers ist auch zu berücksichtigen, dass der Antragsteller bereits seit Juni 1997 vom Dienst suspendiert war und der bis zum Abschluss des förmlichen Disziplinarverfahrens (13. Juni 2002) verstrichene Zeitraum von fünf Jahren als ausreichend anzusehen ist, um dem Antragsteller Gelegenheit zu geben, Vorkehrungen für den Fall zu treffen, dass das Disziplinarverfahren mit einer Entfernung aus dem Dienst endet. Auch im Hinblick hierauf hatte der Antragsteller ausreichend Gelegenheit, seine Bedürftigkeit durch entsprechende Vorkehrungen abzuwenden.

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Die Frage, ob die von dem Antragsteller angestrebte Tätigkeit als selbständiger Ballonführer eine ausreichende Existenzgrundlage bietet, um von den Erträgnissen seinen Lebensunterhalt bestreiten zu können, ist letztlich ohne Belang für die hier für die Weiterbewilligung des Unterhaltsbeitrages allein maßgebliche Frage, ob der Antragsteller sich in den sechs Monaten seit dem 13. Juni 2002 in ausreichendem Maß um die Aufnahme einer anderen Tätigkeit bemüht hat. Der Antragsteller hat in seiner Beschwerdeschrift selber klargestellt, dass ihn die Ausbildung zum Ballonführer nicht davon abgehalten hat, sich eine neue Beschäftigung zu suchen.