Oberverwaltungsgericht Niedersachsen
Beschl. v. 29.03.2005, Az.: 9 LA 33/05
Rechtmäßigkeit der Geltendmachung von Ansprüchen auf Kur-Abgabe gegen eine Kurklinik; Qualifizierung der eingereichten Kostennachweise als Verwaltungsakt; Wirksame Begründung einer Mitwirkungspflicht eines Wohnungsgebers durch entsprechende Kurbeitragssatzungen ; Notwendigkeit der Einziehung des Kurbeitrages durch den Vermieter von Ferienwohnungen; Übertragbarkeit der Grundsätze über die Mitwirkungspflichten eines Vermieters auf Kurkliniken
Bibliographie
- Gericht
- OVG Niedersachsen
- Datum
- 29.03.2005
- Aktenzeichen
- 9 LA 33/05
- Entscheidungsform
- Beschluss
- Referenz
- WKRS 2005, 36119
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:OVGNI:2005:0329.9LA33.05.0A
Verfahrensgang
- vorgehend
- VG Hannover - 22.12.2004 - AZ: 1 A 1487/02
Rechtsgrundlagen
- § 10 Abs. 3 S. 2 KAG, NI
- § 11 Abs. 1 Nr. 3 Buchst. b KAG, NI
- § 118 AO
- § 119 AO
- § 7 Abs. 1 S. 3 Kurbeitragssatzung 1977
- § 8 Abs. 1 S. 1 Kurbeitragssatzung 2002
Fundstellen
- FStNds 2005, 403-404
- NJW 2005, XII Heft 23 (Kurzinformation)
- NVwZ-RR 2005, 567-568 (Volltext mit amtl. LS)
- NordÖR 2005, 225-226 (Volltext mit amtl. LS)
- ZKF 2006, 142-143
Amtlicher Leitsatz
Auf der Grundlage des § 10 Abs. 3 Satz 2 NKAG können durch eine Kurbeitragssatzung zu Lasten von Kurkliniken sowohl Einziehungs- und Ablieferungspflichten für den Kurbeitrag als auch Haftungspflichten als Gesamtschuldner begründet werden.
Gründe
Die Klägerin, die in Bad Eilsen eine Fachklinik für Orthopädie, Rheumatologie und Innere Krankheiten als Behandlungsschwerpunkte mit 118 Einzel- und 25 Doppelzimmern betreibt, wendet sich gegen insgesamt 27 in der Zeit vom 10. Januar 2000 bis zum 7. Februar 2002 an sie ergangene "Rechnungen" der Touristik-Information der beklagten Gemeinde Bad Eilsen über die von ihr zu zahlenden Kurabgaben in Höhe von 135.267,40 EUR. Mit ihrem hilfsweise gestellten Klageantrag begehrt sie die Verpflichtung der Beklagten zur Rückerstattung der von ihr gezahlten Kurbeiträge im Wege eines Erstattungsanspruches. Dem hier streitigen Verfahren sind bereits die Verfahren 1 B 2507/03 (Beschluss des Verwaltungsgerichts vom 8.10.2003) bzw. 1 A 2506/03 (Urteil des Verwaltungsgerichts vom gleichen Tag) vorausgegangen, in denen es um neun andere Kurbeitragsbescheide der Beklagten für den Zeitraum von Juli 2002 bis März 2003 über insgesamt 64.624,70 EUR ging. Den hinsichtlich dreier Kurbeitragsbescheide stattgebenden und hinsichtlich sechs Kurbeitragsbescheide (wegen Bestandskraft) zurückweisenden Beschluss des Verwaltungsgerichts vom 8. Oktober 2003 bestätigte der Senat mit Beschluss vom 5. Dezember 2003 im Beschwerdeverfahren 9 ME 309/03. Das Verfahren auf Zulassung der Berufung 9 LA 308/03 endete durch Antragsrücknahme der Klägerin.
Mit dem angegriffenen (Teilgrund-)Urteil vom 22. Dezember 2004 hat das Verwaltungsgericht durch den Vorsitzenden als Einzelrichter die Klage hinsichtlich der ergangenen 27 Rechnungen und den im gleichen Umfang geltend gemachten Erstattungsanspruch abgewiesen. Zur Begründung hat es im Wesentlichen angeführt, dass die gegen die 27 (Kurbeitrags-)Rechnungen erhobene Anfechtungsklage unzulässig sei. Bei den Rechnungen handele es sich nicht um mit einer Anfechtungsklage angreifbare Abgabenbescheide, sondern lediglich um Zahlungsaufforderungen. Der von der Klägerin hilfsweise geltend gemachte Erstattungsanspruch auf Rückzahlung der geleisteten Kurbeiträge sei unbegründet, da sie die Kurbeiträge mit Rechtsgrund gezahlt habe. Dies folge aus den einschlägigen Vorschriften der Kurbeitragssatzung der Beklagten vom 25. August 1977 (Kurbeitragssatzung a.F.), namentlich aus dem § 7 Abs. 1 Satz 3. Danach hafte ein Wohnungsgeber für die rechtzeitige Einziehung und vollständige Ablieferung der Kurbeiträge. Wegen der verwaltungsgerichtlichen Ausführungen im Einzelnen wird auf das Urteil Bezug genommen.
Der dagegen gerichtete Antrag der Klägerin auf Zulassung der Berufung hat keinen Erfolg. Die geltend gemachten Zulassungsgründe des § 124 Abs. 2 Nr. 1, Nr. 2 und 3 VwGO führen nicht zur Zulassung der Berufung.
1.
An der Richtigkeit des angegriffenen Urteils - hierauf stützt sich der Zulassungsantrag der Klägerin vorrangig - bestehen keine ernstlichen Zweifel.
Dies gilt zunächst hinsichtlich der Beurteilung der Rechtsqualität der von der Klägerin angegriffenen 27 "Rechnungen". Der Senat sieht diese Rechnungen - ebenso wie das Verwaltungsgericht - nicht als mit einer Anfechtungsklage angreifbare Verwaltungsakte an (§ 11 Abs. 1 Nr. 3 Buchst. b NKAG i.V.m. §§ 118, 119 AO). Die in Verkennung der durch Satzungsrecht und das NKAG strukturierten Rechtslage von der Touristik-Information gefertigten "Rechnungen" stellen sich vielmehr nach Form, Inhalt und Wortwahl, insbesondere auch der fehlenden Rechtsmittelbelehrung, als schlichte Zahlungsaufforderungen der Touristik-Information dar. Soweit der Zulassungsantrag diese Qualifizierung der "Rechnungen" damit in Frage stellen will, dass sich an diese Rechnungen später Mahnungsschreiben angeschlossen hätten, in denen eine zwangsweise Beitreibung angedroht worden sei, überzeugt dies schon deswegen nicht, weil die Mahnungen selbständige Schreiben sind, die den Rechtscharakter der vorausgegangenen Rechnungen nicht - nachträglich - ändern können. Einfache Kostenrechnungen bzw. gewöhnliche Zahlungsaufforderungen können nicht als Verwaltungsakte qualifiziert werden (Kopp/Ramsauer, VwVfG, Kommentar, 8. Aufl. 2003, § 35 Rdnr. 62).
Der Senat teilt auch die Auffassung des Verwaltungsgerichts, dass die Klägerin die Kurbeiträge für den Zeitraum vom 10. Januar 2000 bis zum 7. Februar 2002 mit Rechtsgrund an die Beklagte gezahlt hat. Dabei kann offen bleiben, ob für das Behaltendürfen der Rechtsgrund - wie es das Verwaltungsgericht sieht - in § 7 Abs. 1 Satz 3 der Kurbeitragssatzung vom 25. August 1977 zu sehen ist, oder aber § 8 Abs. 1 Satz 1 der "neuen" Kurbeitragssatzung vom 21. November 2002, die rückwirkend zum 1. Januar 2000 in Kraft getreten ist. Beide Satzungsbestimmungen sehen eine Einziehungsverpflichtung des Wohnungsgebers vor. Der Auffassung des Verwaltungsgerichts, dass die Klägerin mit der Zahlung der streitigen Kurbeiträge nur ihrer Einziehungs- und (sich daran anschließenden) Ablieferungspflicht nachgekommen ist, begegnen daher keine ernstlichen Zweifel.
Nach den vorliegenden Verfahrensunterlagen geht der Senat auch davon aus, dass die obigen Mitwirkungspflichten vom Wohnungsgeber durch beide Kurbeitragssatzungen wirksam begründet worden sind. Dies gilt uneingeschränkt zunächst für die Einziehungs- und Ablieferungspflichten in § 7 Abs. 1 Satz 3 der Kurbeitragssatzung vom 25. August 1977. Mit einer vergleichbaren Problematik hat sich der Senat bereits in seinem Normenkontrollurteil vom 13.6.2001 (9 K 1975/00 - NdsRpfl 2002, 34 = NSt-N 2001, 292 = dng 2001, 159 (Ls) = ZKF 2002, 14 = NordÖR 2002, 33 = NVwZ-RR 2002, 456 = NdsVBl 2002, 247) auseinandergesetzt. Danach ist die einen Kurbeitrag erhebende Gemeinde gemäß § 10 Abs. 3 NKAG berechtigt, die Vermieter von Ferienwohnungen im Erhebungsgebiet durch ihre Satzung zu verpflichten, den Kurbeitrag selbst bei den Mietern der Ferienwohnungen einzuziehen und an die Gemeinde abzuführen, ein Gästeverzeichnis zu führen und in der Ferienwohnung ein Exemplar der Kurbeitragssatzung auszulegen. Die Aussagen dieses Urteils sind unschwer auf Kurkliniken übertragbar. Danach ist die Überbürdung von Einziehungs- und Ablieferungspflichten auf Kurkliniken nicht zu beanstanden. Auch die in den Kurbeitragssatzungen 1977 und 2002 angeführten Haftungsfolgen können den Wohnungsgebern auferlegt werden. Ermächtigungsgrundlage für diese Regelungen ist § 10 Abs. 3 Satz 2, 2. Halbsatz NKAG: (der Wohnungsgeber) "haftet insoweit für die rechtzeitige Einziehung und vollständige Ablieferung des Kurbeitrages". Diesen Wortlaut hat die Kurbeitragssatzung 1977 der Beklagten nahezu unverändert übernommen. § 8 Abs. 3 Satz 2 und Satz 3 der Kurbeitragssatzung 2002 sieht - weitergehend - vor: "Dabei kann sich die Samtgemeinde Eilsen an den Kurbeitragspflichtigen oder auch den Wohnungsgeber halten. Der Kurbeitragspflichtige und der Wohnungsgeber haften als Gesamtschuldner". Auch diese Regelung ist mit § 10 Abs. 3 Satz 2 NKAG vereinbar. Der Senat stützt sich dabei auf die folgende Kommentierung von Driehaus/Lichtenfeld, Kommunalabgabenrecht, Loseblatt (Stand: Juli 2004), § 11 Rdnr. 56 f., 60:
"Danach können insbesondere diejenigen, die Personen zu Heil- oder Kurzwecken gegen Entgelt beherbergen oder die ihnen als Grundstückseigentümer Unterkunftsmöglichkeiten in eigenen Wohngelegenheiten (etwa Fahrzeugen oder Zelten) gewähren, satzungsrechtlich verpflichtet werden, die beherbergten Personen melden, den Kurbeitrag einzuziehen und abzuführen. Hat der Satzungsgeber eine Einziehungs- und Abführungsverpflichtung begründet, so haftet der verpflichtete Personenkreis insoweit für die rechtzeitige und vollständige Einziehung des Kurbeitrages kraft Gesetzes. ... Die Einziehungs-, Abführungs- und Haftungspflichten dienen der Vereinfachung der Abgabenerhebung; die Begründung solcher Pflichten ist zulässig, weil die zur Mitwirkung herangezogenen dritten Personen eine rechtliche und wirtschaftliche Beziehung zum Abgabentatbestand aufweisen. ...
Die Meldepflicht des mitwirkungspflichtigen Personenkreises kann durch eine Einziehungs- und Abführungspflicht des Kurbeitrages ergänzt werden. Der so verpflichtete Personenkreis haftet schließlich gesamtschuldnerisch neben dem Kurbeitragspflichtigen, weil die dafür erforderliche rechtliche und wirtschaftliche Beziehung zum Abgabentatbestand gegeben ist. ..."
Ebenso sieht der VGH Kassel in seinem Urteil vom 22.2.1995 (5 N 2973/88 - NVwZ 1996, 1136 [OVG Rheinland-Pfalz 05.09.1995 - 7 A 12185/94]) sowohl die Begründung von Melde-, Einziehungs- und Ablieferungspflichten als auch die von Haftungspflichten als Gesamtschuldner als unbedenklich an. Dem ist zu folgen. Der vom Verwaltungsgericht vorgenommenen Unterscheidung in Entrichtungs- und Haftungsverpflichtete einerseits und einer Gesamtschuldnerschaft andererseits ist für das Kurbeitragsrecht daher nicht zu folgen.
Die Kurbeitragssatzung 2002 der Beklagten ist auch nicht aus anderen Gründen nichtig. Entgegen den Ausführungen im Zulassungsantrag kann nicht von einer unzulässigen Schlechterstellung (§ 2 Abs. 2 NKAG) ausgegangen werden. Dass in § 1 Abs. 2 der Kurbeitragssatzung 2002 nunmehr der im Rahmen der Kalkulation zu berücksichtigende Aufwand neu definiert wird, führt - abgesehen von der von der Beklagten angeführten "Klarstellung" - nicht dazu, dass von einer "Schlechterstellung" des Beitragspflichtigen ausgegangen werden kann.
2.
Die im Zulassungsantrag angeführten Gründe für eine besondere Schwierigkeit (§ 124 Abs. 2 Nr. 2 VwGO) bzw. einer grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache (§ 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO) nötigen ebenfalls nicht zur Zulassung der Berufung. Ob den streitigen "Rechnungen" die Qualität eines Verwaltungsaktes zukommt, bedarf nicht erst der Klärung in einem zugelassenen Berufungsverfahren. Entsprechendes gilt aus den vom Senat oben angeführten Erwägungen für die Frage des Behaltendürfens.