Oberverwaltungsgericht Niedersachsen
Beschl. v. 14.03.2005, Az.: 7 OB 28/05

Beweis; Beweissicherung; Beweissicherungsverfahren; Beweisverfahren; Durchführung; Entschädigung; Ergänzung; Immissionsschutz; Lärmschutz; Planfeststellung; Planfeststellungsbeschluss; Rechtsschutzinteresse; Schallschutz; Schallschutzmaßnahme; Selbständigkeit; Straßenbauvorhaben; Verkehr; Verkehrslärm; Verkehrsprojekt

Bibliographie

Gericht
OVG Niedersachsen
Datum
14.03.2005
Aktenzeichen
7 OB 28/05
Entscheidungsform
Beschluss
Referenz
WKRS 2005, 51034
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

Verfahrensgang

vorgehend
VG - 25.01.2005 - AZ: 2 E 1/05

Gründe

1

I. Die Antragstellerin begehrt die Durchführung eines selbständigen Beweissicherungsverfahrens zur Ermittlung von Schallimmissionen, denen ihr Haus durch die angrenzende Bundesautobahn A 261 ausgesetzt ist. Mit Planfeststellungsbeschluss vom 6. Juni 1977 hatte seinerzeit der Regierungspräsident in Lüneburg den Plan für den Bau der BAB-Eckverbindung zwischen Harburg und Dibbersen (A 261) von der Landesgrenze Hamburg bis zur BAB Hamburg-Bremen (A 1) einschließlich der Einbindung in das örtliche Verkehrsnetz festgestellt. 1985/86 beantragte unter anderem der Ehemann der Antragstellerin, den Planfeststellungsbeschluss durch Anordnung nachträglicher Schallschutzauflagen zu ergänzen. Diesen Antrag lehnte die Bezirksregierung Lüneburg ab; die durchgeführten Rechtsschutzverfahren blieben erfolglos. In dem Berufungsurteil des Senats vom 18. September 1991 (7 L 81/90) heißt es dazu, ein Anspruch auf ergänzende Maßnahmen des aktiven Lärmschutzes könne nicht auf den Planfeststellungsbeschluss vom 6. Juni 1977 gegründet werden, denn dort seien die zu treffenden aktiven Lärmschutzmaßnahmen abschließend festgestellt worden, im Übrigen werde - soweit diese nicht ausreichten - auf ergänzende Vorkehrungen des passiven Lärmschutzes verwiesen. Ergänzender aktiver Lärmschutz komme auch nicht nach § 75 Abs. 2 Satz 2 VwVfG in Betracht. Dabei hatte der Senat die von dem beigeladenen Straßenbauamt Lüneburg im Berufungsverfahren vorgelegte neue Verkehrslärmberechnung berücksichtigt, die für das Haus der Antragstellerin zu erwartende maximale Beurteilungspegel von 61,8/56,4 dB(A) tags/nachts ergeben hatte.

2

Mit Schreiben vom 5. April 2004 beantragte die Antragstellerin beim Straßenbauamt Verden (Aller), die Kosten für notwendige passive Schallschutzmaßnahmen an ihrem Wohnhaus zu übernehmen. Das Straßenbauamt teilte daraufhin mit Schreiben vom 3. Mai 2004 unter Bezugnahme auf das Urteil des Senats vom 18. September 1991 mit, es sei bereit, erforderliche weitergehende Lärmschutzmaßnahmen in Form von passivem Lärmschutz zu treffen. Allerdings werde nur beim Schlafraum im Erdgeschoss auf der Ostseite der Nachtwert von 54 dB(A) überschritten, so dass dort ein Fenster der Schallschutzklasse II einzurichten sei; eventuelle Kosten für Malerarbeiten würden im notwendigen Maße übernommen. Ferner bat das Straßenbauamt um Vorlage von mindestens zwei Kostenvoranschlägen für den Einbau dieses Fensters einschließlich der notwendigen Kosten für Anpassungsarbeiten, damit auf Grundlage des günstigsten Angebots eine Entschädigungsvereinbarung über passive Schallschutzmaßnahmen abgeschlossen werden könne.

3

Die Antragstellerin, die dieses Angebot nicht als ausreichend ansieht, machte am 22. Oktober 2004 beim Landgericht Stade ein selbständiges Beweisverfahren mit dem Ziel der Einholung eines Sachverständigengutachtens anhängig, welches dazu Stellung nehmen soll, ob an ihren Wohnhäusern die nach der 16. BImSchV zulässigen Immissionsgrenzwerte überschritten werden und welche Schallschutzmaßnahmen erforderlich sind, um die Geräuschimmissionen im Inneren auf das gesetzlich zulässige Höchstmaß zu reduzieren.

4

Das durch Verweisung zuständig gewordene Verwaltungsgericht lehnte den Antrag mit Beschluss vom 25. Januar 2005 ab, weil das erforderliche Rechtsschutzbedürfnis für die Durchführung des Beweissicherungsverfahrens fehle.

5

II. Die Beschwerde ist unbegründet.

6

Das Verwaltungsgericht hat den Antrag zu Recht abgelehnt.

7

Die tatbestandlichen Voraussetzungen des § 485 Abs. 1 ZPO (§ 98 VwGO) sind nicht gegeben, weil weder der Gegner zugestimmt hat, noch zu besorgen ist, dass das Beweismittel verloren geht oder seine Benutzung erschwert wird. Auch die Voraussetzungen nach Abs. 2 der Vorschrift sind nicht erfüllt. Es kann dahinstehen, ob eines der in § 485 Abs. 2 Satz 1 ZPO genannten zulässigen Beweisthemen hier überhaupt betroffen ist. Jedenfalls fehlt auch unabhängig davon ein rechtliches Interesse an der Durchführung eines selbständigen Beweisverfahrens.

8

Zum einen hat das Verwaltungsgericht mit Recht darauf hingewiesen, dass § 42 Abs. 1 BImSchG bei Überschreitung der in der 16. BImSchV festgelegten Immissionsgrenzwerte einen Anspruch auf angemessene Entschädigung in Geld zubilligt, der gegenüber dem Träger der Baulast geltend zu machen ist. Kommt mit dem Betroffenen keine Einigung über die Entschädigung zustande, so setzt nach § 42 Abs. 3 BImSchG die nach Landesrecht zuständige Behörde auf Antrag eines der Beteiligten die Entschädigung durch schriftlichen Bescheid fest. Auf diese Weise kann die Antragstellerin den Erlass eines förmlichen Bescheides erreichen, der gegebenenfalls gerichtlich überprüft werden kann. Nur auf diesem gesetzlich vorgesehenen Wege ist eine rechtliche Klärung zu erreichen.

9

Zum anderen fehlt das rechtliche Interesse für das anhängig gemachte Verfahren aber auch deshalb, weil die Feststellungen, die ein Sachverständiger nach den Vorstellungen der Antragstellerin treffen soll, für die rechtlichen Beziehungen der Beteiligten nicht von maßgeblicher Bedeutung sind. Die wegen einer Planmaßnahme gebotenen Schutzvorkehrungen sind grundsätzlich mit dem die Maßnahme zulassenden Planfeststellungsbeschluss festzulegen, in den die zur Vermeidung nachteiliger Wirkungen auf Rechte anderer erforderlichen Vorkehrungen aufzunehmen sind (§ 74 Abs. 2 Satz 2 VwVfG). Dabei sind die in dem Planfeststellungsverfahren berechneten Beurteilungspegel zugrunde zu legen. Das zieht der Antragsgegner nicht in Zweifel. Er ist zudem bereit, die im damaligen Berufungsverfahren überprüfte Verkehrslärmberechnung zur Grundlage seiner Entscheidung über erforderliche passive Lärmschutzmaßnahmen zu machen. Weiterführende Erkenntnisse wären aus dem angestrebten Sachverständigengutachten nicht zu gewinnen, weil es für die Erforderlichkeit von Schutzvorkehrungen auf die Beurteilung im Zeitpunkt der Planfeststellung oder hier (allenfalls) der Neuberechnung ankommt. Welche Schallschutzmaßnahmen nach Art und Umfang im einzelnen notwendig sind, bestimmt sich nach der Verkehrswege-Schallschutzmaßnahmenverordnung (24. BImSchV). Demgegenüber schwebt der Antragstellerin offenbar vor, dass die aktuell auftretenden Schallimmissionen zu ermitteln seien. Darauf kommt es jedoch grundsätzlich nicht an. Ist der Planfeststellungsbeschluss unanfechtbar geworden, so kann der Betroffene Vorkehrungen, welche die nachteiligen Wirkungen ausschließen, oder - wenn untunlich - eine angemessene Entschädigung in Geld nur dann verlangen, wenn nicht voraussehbare Wirkungen des Vorhabens erst nach Unanfechtbarkeit des Plans auftreten. Wenn die Antragstellerin also Lärmschutzansprüche aufgrund der heutigen Verkehrsbelastung geltend machen will, so wäre darüber zunächst in dem Verfahren nach § 75 Abs. 2 Satz 2 - 4 VwVfG zu entscheiden. Anträge auf Einleitung eines solchen Verfahrens sind nach § 75 Abs. 3 VwVfG schriftlich an die Planfeststellungsbehörde zu richten und nur innerhalb von drei Jahren nach dem Zeitpunkt zulässig, zu dem der Betroffene von den nachteiligen Wirkungen des dem unanfechtbar festgestellten Plan entsprechenden Vorhabens Kenntnis erhalten hat.