Verwaltungsgericht Lüneburg
Beschl. v. 16.06.2005, Az.: 1 B 22/05
Amtsniederlegung; Anordnungsanspruch; Anordnungsgrund; Auswahlentscheidung; Beförderung; Ermessen; faires Verfahren; Konkurrentenstreitverfahren; Leistungsentwicklung; Leistungsgrundsatz; Leistungsvorsprung; Nachwahl; Präsidialrat; Staatsanwaltschaft; Statusamt; Vorsitzender
Bibliographie
- Gericht
- VG Lüneburg
- Datum
- 16.06.2005
- Aktenzeichen
- 1 B 22/05
- Entscheidungsform
- Beschluss
- Referenz
- WKRS 2005, 50700
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- [keine Angabe]
Rechtsgrundlagen
- Art 33 Abs 2 GG
- § 8 Abs 1 BG ND
- § 38 Abs 1 RiG ND
- § 38 Abs 4 RiG ND
- § 123 Abs 1 VwGO
- § 41a Abs 1 RiG ND
- § 40 RiG ND
- § 36 RiG ND
- § 27 S 1 Nr 1 RiG ND
Amtlicher Leitsatz
Leitsatz
1. Bis zur Nachwahl eines ausgeschiedenen Präsidenten als gewähltes Mitglied des Präsidialrates liegt ein Fall der Verhinderung i. S. v. § 38 Abs. 4 Nds. RiG vor. Der Präsidialrat wird in dieser Zeit mithin nicht handlungsunfähig.
2. Bei einer Auswahlentscheidung nach Art. 33 Abs. 2 GG ist der Dienstherr berechtigt, auf Einwände des Präsidialrates seine Auswahlentscheidung, die bis dahin nur vorläufig ist, zu ändern.
3. Bei der Besetzung einer Stelle als Vorsitzender Richter am Oberlandesgericht hat ein Bewerber aus der Richterschaft nicht automatisch einen Leistungsvorsprung vor einem Bewerber aus der Staatsanwaltschaft.
Gründe
I. Der Antragsteller begehrt, dem Antragsgegner im Wege der einstweiligen Anordnung zu untersagen, die Stelle eines Vorsitzenden Richters am Oberlandesgericht (R 3 BBesO) in A. mit dem Beigeladenen zu besetzen.
Um die in der Niedersächsischen Rechtspflege vom ..., S. ... ausgeschriebene Stelle für eine Vorsitzende Richterin oder einen Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht in A. bewarben sich der Antragsteller, der Beigeladene sowie ein weiterer Bewerber.
Der am ... geborene Antragsteller war seit Dezember 1984 Richter am Amtsgericht und ist seit dem 13. März 1995 Richter am Oberlandesgericht in A. Seine Beurteilung vom 30. Juli 1993 anlässlich seiner Abordnung an das Oberlandesgericht A. schließt mit dem Ergebnis, dass er für das Amt eines Richters am Oberlandesgericht schon „sehr gut geeignet“ sei. Seine Beurteilungen vom 20. Oktober 1994 (noch im Amt eines Richters am Amtsgericht) und vom 12. April 1996 (als Richter am Oberlandesgericht) lauten auf das Gesamtergebnis „sehr gut“. Die Regelbeurteilung vom 19. Juni 2002 lautet auf „besser als sehr gut geeignet“ für das angestrebte Amt eines Vorsitzenden Richters am Oberlandesgericht. Die aus Anlass der Bewerbung um das hier streitige Beförderungsamt unter dem 21. Oktober 2004 erstellte Beurteilung schließt mit dem Gesamturteil „vorzüglich geeignet“.
Der am ... geborene Beigeladene wurde im November 1986 zum Staatsanwalt ernannt und war bei der Staatsanwaltschaft B. eingesetzt. In der Zeit vom 1. Mai 1987 bis zum 30. September 1989 war er an den Gesetzgebungs- und Beratungsdienst beim Niedersächsischen Landtag abgeordnet. Die für diese Zeit am 17. Mai 1990 ausgestellte Beurteilung schließt mit dem Gesamturteil „gut geeignet“. Vom 1. Juni bis zum 30. November 1992 war er an die Generalstaatsanwaltschaft in A. abgeordnet und vom 1. Februar 1993 bis zum 31. Dezember 1994 an die Staatsanwaltschaft in C. teilabgeordnet. Am 20. Juli 1993 wurde er zum Oberstaatsanwalt befördert. Mit Wirkung vom 20. Februar 2000 wurde ihm das Amt eines Oberstaatsanwalts der Besoldungsgruppe R 2 mit Amtszulage bei der Staatsanwaltschaft B. übertragen. Seine Beurteilung vom 30. November 1992 anlässlich seiner Abordnung an die Generalstaatsanwaltschaft sowie seine Anlassbeurteilung vom 15. April 1993 in seiner Eigenschaft als Staatsanwalt bei der Staatsanwaltschaft B. schließen jeweils damit, dass er für eine Tätigkeit in der ersten wie in der zweiten Instanz als „sehr gut geeignet“ angesehen wird. Seine Anlassbeurteilung vom 15. Januar 1998 lautet auf „besser als sehr gut“ und seine weitere Anlassbeurteilung vom 31. Mai 1999 für das angestrebte Amt eines Leitenden Oberstaatsanwaltes und des Amtes eines ständigen Vertreters des Behördenleiters schließt mit dem Gesamturteil „vorzüglich geeignet“. Und in der anlässlich seiner Bewerbung um das hier streitige Beförderungsamt eines Vorsitzenden Richters am Oberlandesgericht erstellten Beurteilung vom 22. Juni 2004 wird er sowohl für das gegenwärtig ausgeübte Amt eines Oberstaatsanwalts bei der Staatsanwaltschaft Hannover als auch für das angestrebte Amt als „vorzüglich geeignet“ angesehen.
Mit Verfügung vom 5. November 2004 schlug die Präsidentin des Oberlandesgerichts A. dem Antragsgegner vor, den Antragsteller zum Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht zu ernennen. Zur Begründung führte sie im Wesentlichen an, der Antragsteller sei für dieses Amt noch besser geeignet als der Beigeladene. Beide erreichten in allen Einzelmerkmalen ihrer aktuellen Anlassbeurteilungen die Spitzenbewertung. Die bessere Eignung des Antragstellers für die ausgeschriebene Stelle ergebe sich aus seiner breit gefächerten Erfahrung als Richter in Zivil- und Strafsachen. Eine solche Verwendungsbreite lasse sich beim Beigeladenen nicht feststellen. Dieser habe mit Ausnahme seiner Verwendung beim Gesetzgebungs- und Beratungsdienst des Niedersächsischen Landtages nur staatsanwaltschaftliche Tätigkeiten ausgeübt. Die daneben von ihm gesammelten Erfahrungen in der Justizverwaltung seien für das angestrebte Amt ohne Bedeutung. Hinzu komme, dass der Antragsteller aus seiner Tätigkeit in verschiedenen Zivilsenaten und insbesondere auch als stellvertretender Vorsitzender eines Strafsenates über erheblich größere Erfahrungen in der Verhandlungsführung, die eine Kernkompetenz für das angestrebte Amt darstelle, verfüge und sein außerordentliches Verhandlungsgeschick bereits mehrfach bewiesen habe. Vergleichbare Erfahrungen könne der Beigeladene nicht aufweisen.
Der Antragsgegner schloss sich zunächst diesem Votum der Präsidentin des Oberlandesgerichts an und gab dem Präsidialrat der ordentlichen Gerichtsbarkeit mit Verfügung vom 22. Dezember 2004 Gelegenheit zur Stellungnahme.
Dieser widersprach mit Schreiben vom 25. Januar 2005 der beabsichtigten Ernennung des Antragstellers, weil er den Beigeladenen für das angestrebte Amt für besser geeignet ansehe. Beide Bewerber seien in ihren aktuellen Anlassbeurteilungen zwar sowohl in den einzelnen Beurteilungskriterien als auch in der Endbeurteilung mit „vorzüglich geeignet“ beurteilt worden. Gleichwohl sei der Beigeladene besser geeignet als der Antragsteller. Dies ergebe sich bei der Gesamtabwägung aus der zu Gunsten des Beigeladenen deutlich unterschiedlichen Leistungsentwicklung und seines im Vergleich zum Antragsteller vielfältigen und höchst anspruchsvollen Leistungsspektrums. Der Antragsteller habe demgegenüber nicht deshalb einen Vorsprung, weil er dem Strafsenat, dessen Vorsitz der erfolgreiche Bewerber voraussichtlich übernehmen solle, bereits längere Zeit angehöre und zudem dessen stellvertretender Vorsitzender sei. Angesichts seines bisherigen Arbeitsbereiches werde auch der Beigeladene in einem Senat für Straf- und Bußgeldsachen vorzügliche Arbeit leisten. Soweit diesem Senat auch Zivilsachen zugewiesen werden sollten, ergebe sich auch hieraus kein Vorsprung für den Antragsteller. Denn dem Beigeladenen werde es aufgrund der ihm attestierten Fähigkeiten und seines Leistungsspektrums unschwer gelingen, sich problemlos ohne jeden Zeitverzug in zivilrechtliche Aufgabengebiete einzuarbeiten. Überdies würde die Ernennung eines Oberstaatsanwaltes zum Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht ein deutliches Signal für einen wünschenswerten Laufbahnwechsel darstellen. Abschließend wies der Präsidialrat darauf hin, dass der Beigeladene gegenüber dem Antragsteller Inhaber eines höher besoldeten Amtes (R 2 mit Zulage) sei und ihm auch deshalb der Vorrang gebühre.
Unter dem 8. Februar 2005 berichtete die Präsidentin des Oberlandesgerichtes A. dem Antragsgegner auf dessen Wunsch hin ergänzend, dass der Antragsteller seit November 2002 stellvertretender Vorsitzender des 2. Strafsenates und 2. Senates für Bußgeldsachen sei und seit dem 1. August 2004 aufgrund des Ausscheidens des bisherigen Vorsitzenden mit der Vorsitzendentätigkeit befasst sei. In der Vertretungszeit habe der Antragsteller in den Jahren 2003 und 2004 drei Revisionshauptverhandlungen zu leiten gehabt. Darüber hinaus habe er in den Jahren 1997 und 1998 an zwei erstinstanzlichen Strafverfahren mitgewirkt. Derzeit sei bei dem 2. Strafsenat ein zurückverwiesenes umfangreiches erstinstanzliches Verfahren anhängig, das der Antragsteller sei einigen Wochen vorbereite und als Vorsitzender leite. Die vom 2. Strafsenat zu bearbeitenden Zivilsachen seien nicht nur von eingeschränktem oder untergeordnetem Umfang, sondern machten vielmehr ein Drittel der Senatsgesamtbelastung aus. Darüber hinaus bestehe die Absicht, den Strafsenaten zum Belastungsausgleich weitere Zivilsachen zuzuweisen.
Zu dieser Zeit war ein Präsident eines Amts- oder Landgerichts nicht (gewähltes) Mitglied des Präsidialrates. Der frühere Vorsitzende des Präsidialrates, der inzwischen zum Ministerialdirigenten ernannte vormalige Präsident des Landgerichts D., E., hatte mit seiner Abordnung zum Antragsgegner zum 25. Oktober 2004 sein Amt niedergelegt. Erst im Nachwahlverfahren für den Vorsitz des Präsidialrates ist zwischenzeitlich der Präsident des Landgerichts Hildesheim zum Vorsitzenden und der Präsident des Landgerichts Braunschweig zu dessen Stellvertreter gewählt worden. Die zwischenzeitliche mehrmonatige Vakanz sah der Antragsgegner als Verhinderung im Sinne des § 38 Abs. 4 Nds. RiG an und führte in dieser Zeit - z. B. auch im vorliegenden Fall - Beteiligungsverfahren durch.
Nachdem zwischen dem Antragsgegner und dem Präsidialrat am 18. Januar und 14. Februar 2005 Gespräche über die Besetzung des streitigen Beförderungsamtes geführt worden waren und der Antragsgegner in diesen Gesprächen seine Auswahlentscheidung geändert hatte, was er dem Präsidialrat in der zweiten Woche des Monats März d. J. auch mündlich mitgeteilt hatte, erklärte der Präsidialrat mit Schreiben vom 15. März 2005, er erhebe gegen die persönliche und fachliche Eignung des vorgeschlagenen Beigeladenen keine Einwendungen.
Mit schriftlicher Verfügung vom 23. März 2005 an die Niedersächsische Staatskanzlei schlug der Antragsgegner den Beigeladenen zur Ernennung zum Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht vor. Zur Begründung führte er nunmehr an, der Beigeladene sei ein sehr erfahrener, mit vorzüglichen Fachkenntnissen ausgestatteter Jurist, der sich in unterschiedlichen Funktionen bestens bewährt habe. Im Vergleich zum Antragsteller verfüge er bei gleicher aktueller Beurteilungslage über eine günstigere Leistungsentwicklung. In seiner Sitzung am 5. April 2005 folgte die Niedersächsische Landesregierung diesem Besetzungsvorschlag.
Daraufhin hat der Antragsteller am 6. Mai 2005 um die Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes nachgesucht mit dem Ziel, dem Antragsgegner im Wege der einstweiligen Anordnung vorläufig zu untersagen, dem Beigeladenen die Stelle eines Vorsitzenden Richters am Oberlandesgericht zu übertragen und eine Ernennungsurkunde auszuhändigen.
II. Dieser Antrag hat keinen Erfolg.
Das Gericht kann gemäß § 123 Abs. 1 VwGO eine einstweilige Anordnung treffen, wenn die Gefahr besteht, dass durch eine Veränderung des bestehenden Zustandes die Verwirklichung eines Rechts des Antragstellers vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte (§ 123 Abs. 1 Satz 1 VwGO - Sicherungsanordnung). Einstweilige Anordnungen sind auch zur Regelung eines vorläufigen Zustandes zulässig, wenn die Regelung - insbesondere bei dauernden Rechtsverhältnissen - zur Abwendung wesentlicher Nachteile oder zur Verhinderung drohender Gewalt oder aus anderen Gründen nötig erscheint (§ 123 Abs. 1 Satz 2 VwGO - Regelungsanordnung). Beide Formen der einstweiligen Anordnung setzen voraus, dass sowohl ein Anordnungsgrund als auch ein Anordnungsanspruch glaubhaft gemacht werden (vgl. Kopp/Schenke, VwGO, 13. Aufl. 2003, § 123 Rn. 6). Diese Voraussetzungen sind hier nicht insgesamt erfüllt.
1. Ein den Erlass einer einstweiligen Anordnung rechtfertigender Anordnungsgrund, die Dringlichkeit einer Entscheidung, ist gegeben. Denn durch die Übertragung der Beförderungsplanstelle an den Beigeladenen und die beabsichtigte Ernennung des Beigeladenen würde der vom Antragsteller geltend gemachte Anspruch auf fehlerfreie Auswahlentscheidung vereitelt werden. Mit Vollzug der beabsichtigten Übertragung der Planstelle würde zugleich die gerichtliche Überprüfung der schon getroffenen Auswahlentscheidung hinfällig.
2. Dem Antragsteller steht jedoch der erforderliche Anordnungsanspruch nicht zur Seite. Er hat die nach § 123 Abs. 1 und 3 VwGO i. V. m. §§ 920 Abs. 2, 294 ZPO für den Erlass der begehrten einstweiligen Anordnung vorausgesetzte Verletzung seines Anspruchs auf eine ermessensfehlerfreie Auswahlentscheidung nicht glaubhaft gemacht.
Die Auswahlentscheidung des Dienstherrn unterliegt als Akt wertender Erkenntnis lediglich einer eingeschränkten gerichtlichen Kontrolle. Die verwaltungsgerichtliche Nachprüfung beschränkt sich darauf, ob die Verwaltung den anzuwendenden Begriff oder den gesetzlichen Rahmen, in dem sie sich frei bewegen kann, verkannt hat oder ob sie von einem unrichtigen bzw. unvollständigen Sachverhalt ausgegangen ist, allgemeingültige Wertmaßstäbe nicht beachtet, sachwidrige Erwägungen angestellt oder gegen Verfahrensvorschriften oder mit höherrangigem Recht vereinbare Richtlinien (Verwaltungsvorschrift) verstoßen hat (vgl. BVerwG, Urt. v. 16.8.2001 - 2 A 3.00 -, BVerwGE 115, 58 = DVBl 2002, 131; Nds. OVG, Beschl. v. 11. 8. 1995 - 5 M 7720/95 -, Nds.Rpfl. 1995, 280; Beschl. vom 21.6.2002 - 5 ME 88/02 -; Beschl. v. 27.5.2005 - 5 ME 57/05 -). Die von dem Antragsgegner hier letztlich zugunsten des Beigeladenen getroffene Auswahlentscheidung ist weder hinsichtlich des Verfahrens der Beteiligung des Präsidialrates der ordentlichen Gerichtsbarkeit (dazu a) noch hinsichtlich der maßgeblichen Auswahlkriterien (dazu b) rechtlich zu beanstanden.
a) Entgegen der Ansicht des Antragstellers liegt ein Verstoß gegen Verfahrensvorschriften nicht vor.
Der Präsidialrat ist ordnungsgemäß beteiligt worden und insbesondere entgegen der Ansicht des Antragstellers auch ordnungsgemäß besetzt gewesen. Nach § 27 Satz 1 Nr. 1 Nds. RiG ist der Präsidialrat vor der Ernennung eines Richters oder sonstigen Bewerbers für ein Richteramt mit höherem Endgrundgehalt als dem eines Eingangsamtes zu beteiligen. Er ist gemäß § 40 Abs. 2 Nds. RiG beschlussfähig, wenn mindestens die Hälfte seiner Mitglieder in der Sitzung anwesend ist. Nach § 40 Abs. 1 Satz 1 Nds. RiG fasst er seine Beschlüsse mit einfacher Mehrheit der Stimmen der Mitglieder, die in der Sitzung anwesend sind oder sich bei einer Beschlussfassung im schriftlichen Verfahren an der Abstimmung beteiligen. Der Präsidialrat der ordentlichen Gerichtsbarkeit besteht nach § 29 Abs. 1 Nds. RiG aus dem Präsidenten eines Gerichts des jeweiligen Gerichtszweiges als Vorsitzenden und sechs weiteren Richtern. Ein gewähltes Mitglied scheidet gemäß § 36 Nds. RiG u. a. dann aus dem Präsidialrat aus, wenn es sein Amt niederlegt.
Im vorliegenden Fall ist der bisherige Vorsitzende des Präsidialrates mit der Niederlegung seines Amtes aus dem Präsidialrat ausgeschieden. Bis zu der vom Antragsgegner in die Wege geleiteten Nachwahl hat es sich entgegen der Ansicht des Antragstellers nicht um eine fehlerhafte Besetzung des Präsidialrates mit der Folge der Handlungsunfähigkeit dieses Gremiums gehandelt. Die Kammer ist vielmehr mit dem Antragsgegner der Ansicht, dass lediglich eine Verhinderung im Sinne des § 38 Abs. 4 Nds. RiG vorlag. Dies ergibt sich aus Folgendem: Nach § 38 Abs. 1 Satz 1 Nds. RiG tritt, wenn ein Mitglied des Präsidialrates an der Ausübung seines Amtes verhindert ist, für die Dauer der Verhinderung ein Stellvertreter an seine Stelle. Ist - wie im vorliegenden Fall durch Niederlegung seines Amtes (§ 36 Nds. RiG) - ein Mitglied aus dem Präsidialrat ausgeschieden, so gilt gemäß § 38 Abs. 1 Satz 2 Nds. RiG dasselbe für die Zeit bis zum Eintritt eines Nachfolgers. Wenn ein gewählter Vorsitzender aus dem Präsidialrat ausscheidet, übernimmt nach § 38 Abs. 3 Nds. RiG sein Stellvertreter, d. h. der Gerichtspräsident mit der zweithöchsten Stimmenzahl, das Amt des Vorsitzenden. Zum Zeitpunkt der Beschlussfassung des Präsidialrates hinsichtlich der hier streitigen Stelle war ein weiterer Gerichtspräsident aber nicht Mitglied in diesem Gremium. Bis zu einer Nachwahl liegt in einer derartigen Konstellation ein Fall der Verhinderung des Vorsitzenden, dessen Vertretung nicht möglich ist, im Sinne des § 38 Abs. 4 Nds. RiG vor. Dies folgt aus § 38 Abs. 1 Satz 2 Nds. RiG, wonach die Fälle der Verhinderung und des Ausscheidens eines Präsidiumsmitgliedes, zu denen auch ein gewählter Präsident eines Gerichts gehört, gleichgestellt werden. Folge ist nach § 38 Abs. 4 Nds. RiG, dass die Aufgaben des Vorsitzenden von dem dienstältesten, bei gleichem Dienstalter von dem lebensältesten Mitglied des Präsidialrats wahrgenommen werden.
Die Kammer hat auch keinen Zweifel daran, dass der Vortrag des Antragsgegners, nach der ablehnenden Stellungnahme des Präsidialrates zum ursprünglichen Besetzungsvorschlag habe am 14. Februar 2005 eine mündliche Erörterung der Angelegenheit zwischen dem Präsidialrat sowie der Justizministerin und dem Staatssekretär stattgefunden, zutrifft. Gegenstand dieser Erörterung mit dem Präsidialrat war nach Aussage des Antragsgegners insbesondere auch der ergänzende Bericht der Präsidentin des Oberlandesgerichtes Celle vom 8. Februar 2005. Dem Erfordernis des § 41 a Abs. 1 Nds. RiG ist damit hinreichend Genüge getan.
b) Die Auswahlentscheidung des Antragsgegners zugunsten des Beigeladenen begegnet auch in der Sache keinen rechtlichen Bedenken.
Die Entscheidung des Dienstherrn über die Übertragung eines öffentlichen Amtes und bei der Beförderungsauswahl hat sich an dem Leistungsgrundsatz (Art. 33 Abs. 2 GG, § 7 BRRG und § 8 Abs. 1 NBG) zu orientieren. Bei der Beurteilung der Frage, welcher der Bewerber am besten geeignet und befähigt sowie am leistungsstärksten ist, hat der Dienstherr in erster Linie auf unmittelbar leistungsbezogene Kriterien zurückzugreifen. Dies sind regelmäßig die aktuellsten Beurteilungen. Haben die Bewerber dabei als Gesamturteil auf der jeweiligen Notenskala unterschiedliche Notenstufen erreicht, ist grundsätzlich der Bewerber mit der besseren Gesamtnote auszuwählen. Sind die Bewerber mit der gleichen Gesamtnote beurteilt, ist für die Auswahlentscheidung zunächst auf weitere unmittelbar leistungsbezogene Kriterien zurückzugreifen. Diese können sich aus sogenannten Binnendifferenzierungen innerhalb der Notenstufe und/oder aus der Bewertung der einzelnen Beurteilungsmerkmale oder aus älteren dienstlichen Beurteilungen ergeben, deren zusätzliche Berücksichtigung geboten ist, wenn eine Stichentscheidung unter zwei oder mehr aktuell im Wesentlichen gleich beurteilten Bewerbern zu treffen ist. Erst wenn alle diese unmittelbar leistungsbezogenen Erkenntnisquellen ausgeschöpft sind und die Bewerber immer noch im Wesentlichen gleich einzustufen sind, sind sogenannte Hilfskriterien heranzuziehen, bei denen der Dienstherr nicht an eine bestimmte Reihenfolge gebunden ist (vgl. hierzu im Einzelnen BVerwG, Urt. v. 21.8.2003 - 2 C 14.02 -, ZBR 2004, 101; Urt. v. 27.2.2003 - 2 C 16.02 -, NVwZ 2003, 1397; Nds. OVG, Beschl. v. 23.7.2004 - 5 ME 39/04 -; Beschl. v. 26.8.2003 - 5 ME 162/03 -, NVwZ-RR 2004, 197 [VG Oldenburg 03.11.2003 - 7 B 3797/03]; Beschl. v. 27.5.2005 - 5 ME 57/05 -, jeweils m. w. N.).
Die hier angefochtene Auswahlentscheidung des Antragsgegners genügt den vorstehend dargelegten Anforderungen.
Sowohl der Antragsteller als auch der Beigeladene sind in ihren aktuellen, aufgrund ihrer Bewerbungen auf den hier streitigen Beförderungsdienstposten erstellten Anlassbeurteilungen jeweils mit dem höchsten Gesamturteil „vorzüglich geeignet“ beurteilt worden. Diese Beurteilungen sind auch miteinander vergleichbar. Sie erfassen hinreichend lange Beurteilungszeiträume und sind auch aktuell. Entgegen der Ansicht des Antragstellers rechtfertigt der Umstand, dass der Antragsteller Richter am Oberverwaltungsgericht ist, während der Beigeladene Oberstaatsanwalt ist, keine andere Einschätzung. Auch wenn - wie der Antragsteller anführt - der „dienstrechtliche Status, die dienstliche Funktion sowie das Rollenverständnis“ im Bereich der Staatsanwaltschaft einerseits und der Richterschaft andererseits nicht identisch sind, hat der Antragsteller seine Behauptung, in diesen Bereichen würden extrem unterschiedliche Beurteilungsmaßstäbe angelegt und die Spitzenbeurteilungen würden im staatsanwaltschaftlichen Bereich erheblich häufiger vergeben, nicht hinreichend glaubhaft gemacht. Vielmehr hat der Antragsgegner hierzu nachvollziehbar und überzeugend vorgetragen, gerade die Beurteilungsstatistiken sowie die Beurteilungsmaßstäbe seien im Rahmen regelmäßiger gemeinsamer Beurteilerkonferenzen für den Richter- und Staatsanwaltschaftsbereich ein thematischer Kernbereich.
Der Antragsgegner konnte daher in rechtlich einwandfreier Weise seine Auswahlentscheidung zugunsten des Beigeladenen darauf stützen, dass dieser im Vergleich zum Antragsteller in einem statusrechtlich höheren Amt bewertet worden ist und dass er eine deutlich bessere Leistungsentwicklung aufweist. Zunächst stehen die - in beiden Bereichen identischen - Einzelfeststellungen in den aktuellen dienstlichen Beurteilungen dieser Einschätzung rechtlich nicht entgegen. Sowohl der Antragsteller als auch der Beigeladene haben in den insgesamt 21 identischen Einzelmerkmalen durchgehend die Spitzenbewertung „übertrifft die Anforderungen herausragend“ erhalten. Die Auswertung dieser Einzelfeststellungen führt mithin nicht zu dem Ergebnis, dass der Antragsteller - oder der Beigeladene - im Vergleich zu seinem Konkurrenten für das Beförderungsamt besser qualifiziert ist. Wenn aber - wie hier - sowohl das Gesamturteil als auch die Beurteilung der Einzelmerkmale in den aktuellen dienstlichen Beurteilungen der Bewerber gleich sind, darf der Dienstherr seine Beförderungsentscheidung darauf stützen, dass - wie es hier beim Beigeladenen der Fall ist - einem Bewerber ein besserer Leistungsstand zuzubilligen ist, weil er die mit der Spitzennote „vorzüglich geeignet“ und die nächstbeste Note „besser als sehr gut geeignet“ über einen längeren Beurteilungszeitraum unter Beweis gestellt hat (OVG Saarbrücken, Beschl. v. 9.9.2004 - 1 W 32/04 -, DÖD 2005, 106). Hinzu kommt, dass der Beigeladene als Oberstaatsanwalt der Besoldungsgruppe R 2 BBesO mit Amtszulage ein höheres Amt im statusrechtlichen Sinn innehat als der Antragsteller als Richter am Oberlandesgericht mit der Besoldungsgruppe R 2 BBesO. Diesem Umstand ist mit Rücksicht auf die Statusamtsbezogenheit dienstlicher Beurteilungen beim Vergleich der Eignung zum Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht anhand der letzten Gesamtbeurteilungen ebenfalls Rechnung zu tragen (OVG Koblenz, Beschl. 20.6.2000 - 10 B 10931/00.OVG und 10 B 11025.00/OVG).
Ein Verstoß gegen den Grundsatz des fairen Verfahrens kann nicht darin gesehen werden, dass der Antragsgegner sich zunächst für den Antragsteller entschieden hatte. Diese Entscheidung war nur vorläufig. Es ist gerade Sinn und Zweck des Auswahlverfahrens und insbesondere des Beteiligungserfordernisses des § 27 Nr. 1 Nds. RiG und des in § 41 a Nds. RiG geregelten Verfahrens bei einer abweichenden Stellungnahme des Präsidialrates, dass die diesem mitgeteilte vorläufige Auswahlentscheidung des Dienstherrn noch beeinflussbar und auch im Ergebnis noch abänderbar ist. Wenn der Dienstherr - wie hier - seine ursprüngliche Entscheidung unter dem Eindruck der vom Präsidialrat vorgetragenen Gesichtspunkte revidiert und sich letztlich für einen Mitbewerber entscheidet, liegt hierin kein Verstoß gegen Grundsätze des Auswahlverfahrens. Insbesondere hatte sich der Antragsgegner dadurch, dass er sich zunächst für den Antragsteller ausgesprochen hatte, nicht verbindlich festgelegt mit der Folge, dass er diese Entscheidung nur noch unter sehr engen Voraussetzungen ändert konnte. Vielmehr gibt es auf die Frage, ob und inwieweit aus früheren dienstlichen Beurteilungen sowie aus der aktuellen und früheren Verwendungsbreite aktuell gleich beurteilter Konkurrenten zusätzliche Erkenntnisse für den Qualifikationsvergleich gewonnen werden können, vielfach keine allein richtige Antwort. Es werden vielmehr häufig unterschiedliche Einschätzungen möglich sein, die gleichermaßen vertretbar sind. In diesem Fall kommt wie auch sonst bei wertenden Aussagen zu Eignung und Leistung von Beamten und Richtern der originären, durch die Verwaltungsgerichte nicht ersetzbaren Einschätzung des Dienstherrn der Vorrang zu (OVG Saarlouis, Beschl. v. 9.9.2004 - 1 W 32/04 -, a. a. O. m. w. N.). So liegt es hier. Auf die vom Antragsteller in den Vordergrund seiner Argumentation gestellten Ausführungen zu seinen aktuellen und früheren Tätigkeiten in einem Straf- und Zivilsenat des Oberlandesgerichts und darauf, in welchem Umfang der Senat des Oberlandesgerichts, dessen Vorsitzende der Ausgewählte voraussichtlich werden soll, neben Strafsachen auch noch für zivilrechtliche Angelegenheiten zuständig ist und in Zukunft zuständig sein wird, kommt es daher nicht entscheidungserheblich an.
Die Behauptung, der Antragsgegner lasse aus sachfremden Erwägungen seine eigene, ursprünglich zu seinen, des Antragstellers, Gunsten ausgefallene Entscheidung gar nicht fallen, sondern übernehme im Sinne einer „Paketlösung“ unkritisch nur die Entscheidung des Präsidialrates, hat der Antragsteller nicht hinreichend dargelegt und glaubhaft gemacht. Entgegen seiner Ansicht liegen daher der (letztlich) zugunsten des Beigeladenen erfolgten Auswahlentscheidung des Antragsgegners rechtlich erhebliche Ermessensfehler nicht zugrunde mit der Folge, dass der Antrag keinen Erfolg haben kann.
Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 154 Abs. 1, 162 Abs. 3 VwGO. Die Festsetzung des Streitwerts folgt aus §§ 53 Abs. 3, 52 Abs. 5 Satz 2 i. V. m. Satz 1 GKG (Endgrundgehalt der Besoldungsgruppe R 3 BBesO in Höhe von 6.056,77 EUR x 6,5 : 2).