Verwaltungsgericht Lüneburg
Urt. v. 14.06.2005, Az.: 4 A 100/04

Bildungseinrichtung; Gewerkschaft; Rundfunkgebühren

Bibliographie

Gericht
VG Lüneburg
Datum
14.06.2005
Aktenzeichen
4 A 100/04
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2005, 50728
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

Tatbestand:

1

Der Kläger begehrt die Ermäßigung der von ihm zu zahlenden Rundfunkgebühren.

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Der klagende Verein ist Rechtsträger einer Bildungseinrichtung der Vereinten Dienstleistungsgewerkschaft - ver.di - in A.. Er veranstaltet Bildungsmaßnahmen wirtschaftlicher, sozialer, beruflicher und kultureller Art. Bei mehrtägigen Veranstaltungen werden die Teilnehmer - regelmäßig von montags bis freitags - im Bildungszentrum beherbergt. Dafür stehen insgesamt 103 Gästezimmer, ausgestattet wie Hotelzimmer u. a. mit Fernsehern und Radiogeräten, zur Verfügung. Die Auslastung der Einrichtung liegt nach Angaben des Klägers deutlich unter 100 %, darüber hinaus ist sie ca. sieben Wochen im Jahr vollständig geschlossen.

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Mit Bescheid vom 3. Dezember 2003 setzte der Beklagte gegenüber dem Kläger rückständige Rundfunkgebühren für die Zeiträume April 2003 bis Juni 2003 und Juli 2003 bis September 2003 in Höhe von 5.377,95 EUR sowie 5,11 EUR Säumniszuschlag fest. Hiergegen legte der Kläger mit Schreiben vom 5. Januar 2004 Widerspruch ein und führte zur Begründung aus, seine Bildungseinrichtung sei einem Beherbergungsbetrieb im Sinne von § 5 Abs. 2 Satz 3 RGebStV gleichzustellen und daher die Rundfunkgebühren um 50 % zu ermäßigen.

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Mit Widerspruchsbescheid vom 27. Januar 2004 wies der Beklagte diesen Widerspruch des Klägers zurück. Zur Begründung führte er aus, der Kläger sei als gewerkschaftliche Bildungseinrichtung kein Beherbergungsbetrieb im Sinne des Rundfunkgebührenstaatsvertrages. Es handele sich vielmehr um eine Schulungseinrichtung, in der die Schulungsteilnehmer internatsmäßig untergebracht seien.

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Hiergegen hat der Kläger am 1. März 2004 Klage erhoben. Zur Begründung führt er aus, die Gebührenermäßigungsregelung des § 5 Abs. 2 Satz 3 RGebStV müsse auf die von ihm getragene Einrichtung Anwendung finden. Mit dieser Bestimmung solle ihrer Vorgeschichte nach dem Umstand Rechnung getragen werden, dass Gästezimmer des Beherbergungsgewerbes nicht zu 100 %, sondern durchschnittlich nur zu etwa 50 % ausgelastet seien. Dieser Gedanke sei von der Rechtsprechung aufgenommen und der Geltungsbereich der Regelung auch auf Ferienwohnungen und auf Privatkliniken erstreckt worden. Ebenso wie Beherbergungsbetriebe gehöre seine Einrichtung zu dem DEHOGA Landesverband Niedersachsen im Deutschen Hotel- und Gaststättenverband e. V.. Darüber hinaus sei die Einrichtung Mitglied in der Fördergesellschaft des Niedersächsischen Hotel- und Gaststättengewerbes mbH. Die DEHOGA, Landesverband Niedersachsen, kenne keinen Fall, in welchem einem Verbandsmitglied die 50%ige Gebührenermäßigung verweigert worden sei. Darüber hinaus sei ihm bekannt, dass die Gebühreneinzugszentrale - GEZ - einer vergleichbaren ver.di-Bildungsstätte in I. /J. vor einigen Jahren bereits aufgrund des bloßen Nachweises ihrer Mitgliedschaft im dortigen DEHOGA Landesverband die Privilegierung des § 5 Abs. 2 Satz 3 RGebStV zuerkannt habe. Seines Erachtens bedürfe der Begriff des „Beherbergungsgewerbes“ in § 5 Abs. 2 Satz 3 RGebStV in Fällen wie dem vorliegenden einer verfassungskonformen Auslegung im Hinblick auf Art. 3 Abs. 1 GG dahingehend, dass auch Einrichtungen wie das von ihm getragene Bildungszentrum in den Genuss der Gebührenermäßigung kämen, auch wenn nicht die gewerbliche Zimmervermietung und eine gewinnorientierte Überlassung der Räumlichkeiten an die Gäste Geschäftszweck sei. Dafür spreche auch die Regelung des § 6 RGebStV, der zeige, dass nichtgewerbliche gemeinnützige Einrichtungen im Rahmen der Erhebung der Rundfunkgebühren bevorzugt werden sollten. Da seine Einrichtung nicht gewerblich betrieben werde, sei sie daher erst Recht unter die Ausnahmevorschrift des § 5 Abs. 2 Satz 3 RGebStV zu subsumieren. Der vom Beklagten erhobene Einwand einer mangelnden Einhaltung des Bestimmtheitsgebots bei einer erweiternden Auslegung der Privilegierungsvorschrift greife nicht durch. Es sei überhaupt nicht erkennbar, weshalb der leicht überschaubare Kreis der Bildungseinrichtungen, die einen gemeinnützigen Leistungsauftrag verfolgten, schwieriger bestimmbar sein solle, als die weitaus höhere und komplexer abgrenzbare Zahl gewerblicher Beherbergungsbetriebe.

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Der Kläger beantragt,

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den Bescheid des Beklagten vom 3. Dezember 2003 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 27. Januar 2004 aufzuheben, soweit darin eine Rundfunkgebühr von mehr als 50 % für die Rundfunkgeräte in den Gästezimmern sowie ein Säumniszuschlag festgesetzt worden ist.

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Der Beklagte beantragt,

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die Klage abzuweisen.

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Er ist der Auffassung, dass der Kläger eine Ermäßigung der Rundfunkgebühren nach § 5 Abs. 2 Satz 3 RGebStV nicht verlangen kann. Es handele sich bei der Bildungseinrichtung des Klägers nicht um einen gewerblichen Beherbergungsbetrieb, wie § 5 Abs. 2 Satz 3 RGebStV ihn voraussetze. Ein Beherbergungsbetrieb im Sinne des Gaststättenrechts betreibe nur, wer im stehenden Gewerbe Gäste beherberge, was voraussetze, dass der Betrieb jedermann oder bestimmten Personenkreisen zugänglich sei. Darüber hinaus sei dem Begriff des Gewerbes das Merkmal der Gewinnerzielungsabsicht immanent, welches dem Kläger unzweifelhaft fehle. Nur in diesem Zusammenhang mache auch der gesetzgeberische Wille Sinn, die nicht vollständige Auslastung des Beherbergungsgewerbes pauschalierend durch eine Gebührenreduzierung zu berücksichtigen. Für die vom Kläger geforderte „erst Recht“ - Anwendung des § 5 Abs. 2 Satz 3 RGebStV sei bei dieser Sachlage kein Raum. Aus der möglicherweise andersartigen Handhabung im Land J. könne der Kläger nichts ableiten, da seine - des Beklagten - Zuständigkeit sich nicht auf dieses Bundesland erstrecke.

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Wegen der Einzelheiten und des weiteren Vorbringens wird auf die Gerichtsakte und den beigezogenen Verwaltungsvorgang des Beklagten verwiesen.

Entscheidungsgründe

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Die Klage hat keinen Erfolg.

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Der angefochtene Gebührenbescheid des Beklagten vom 3. Dezember 2003 und der ihn bestätigende Widerspruchsbescheid vom 27. Januar 2004 sind rechtmäßig und verletzen den Kläger nicht in seinen Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).

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1. Rechtsgrundlage für die Gebührenerhebung des Beklagten ist § 2 Rundfunkgebührenstaatsvertrag - RGebStV - vom 31. August 1991 (GVBl. S. 311). Danach hat jeder Rundfunkteilnehmer - vorbehaltlich der Regelung des § 5 RGebStV - für jedes von ihm zum Empfang bereitgehaltene Rundfunk- oder Fernsehempfangsgerät eine Gebühr zu entrichten. Die Rundfunk- und Fernsehgebühr ist damit, wie § 2 Abs. 2 Satz 1 RGebStV zeigt, gerätebezogen. Daher muss grundsätzlich ein Rundfunkteilnehmer, der - wie hier der Kläger - mehrere Empfangsgeräte bereithält, für jedes dieser Geräte eine Gebühr zahlen (vgl. BVerwG, Urteil vom 9.3.1984 - 7 B 23/83 -, zit. nach juris).

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Die Anwendung der Regelung des § 5 Abs. 2 Satz 3 RgebStV über die Rundfunkgebührenermäßigung für Betriebe des Beherbergungsgewerbes in der bis zum 31. März 2005 geltenden Fassung kann der Kläger für die von ihm betriebene Bildungseinrichtung nicht verlangen. Nach dieser Vorschrift ist für Zweitgeräte in Gästezimmern des Beherbergungsgewerbes die Rundfunkgebühr in Höhe von jeweils 50 % zu zahlen. Diese - bis zum 31. Dezember 1991 geltende - Regelung wurde durch den Dritten Rundfunkänderungsstaatsvertrag vom August 1996 (Nds. GVBl. S. 446, 458 f.) zum 1. Januar 1997 wieder eingeführt und allgemein mit der nicht vollständigen Auslastung von Betrieben des Beherbergungsgewerbes begründet (LT-Drs. 13/2270, S. 78; vgl. auch OVG Hamburg, Urt. v. 20.7.1988 - OVG Bf VI 31/87 zu den Gründen der Ermäßigung durch den 1. Rundfunkgebührenstaatsvertrag). Mit der Bestimmung wird pauschalierend auf den tatsächlichen Umfang der Nutzung abgestellt und diese - wiederum pauschal - mit 50 % angenommen (VG Braunschweig, Urteil vom 18.12.2003 - 5 A 237/03 -, zit. nach juris).

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Die Regelung des § 5 Abs. 2 Satz 3 RGebStV erfasst - wie zwischen den Beteiligten unstreitig ist - gewerbliche Beherbergungsbetriebe. Ihr Anwendungsbereich ist - entgegen der Auffassung des Klägers - nicht im Wege einer extensiven Interpretation auch auf nicht gewerblich tätige Bildungseinrichtungen wie die von ihm betriebene Einrichtung zu erstrecken.

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Zunächst fehlt es am Bestehen einer unbeabsichtigten Regelungslücke, die durch eine Analogiebildung geschlossen werden könnte. § 6 Abs. 1 Nr. 2 und 3 RGebStV in der bis zum 31. März 2005 geltenden Fassung sah die Möglichkeit einer (vollständigen) Rundfunkgebührenbefreiung für bestimmte, u. a. gemeinnützige oder wohltätigenden Zwecken dienende Einrichtungen vor. Daran wird erkennbar, dass der Gesetzgeber das Problem der Rundfunkgebührenpflicht nicht kommerzieller Einrichtungen, die Rundfunk- und Fernsehgeräte für die jeweiligen Nutzer vorhalten, gesehen hat.

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Darüber hinaus scheitert die begehrte Gleichstellung daran, dass die zu bewertende Ausgangslage unterschiedlich ist. Bei der Gewährung von den Grundsatz des § 2 Abs. 2 Satz 1 RGebStV durchbrechenden Befreiungen hat der Gesetzgeber einen weiten Gestaltungsspielraum, der erst an der Willkürgrenze endet (BVerwG, Urteil vom 9.3.1984 - 7 B 23/83 -, zit. nach juris). Eine gesetzliche Regelung, die - wie § 5 Abs. 2 Satz 3 RGebStV - nach ihrem Wortlaut ausschließlich gewerbliche Beherbergungsbetriebe erfasst, verstößt jedoch nicht gegen den allgemeinen Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG. Denn es gibt sachlich gerechtfertigte Gründe dafür, eine Gleichstellung nicht kommerzieller Einrichtungen, die im Rahmen ihrer Tätigkeit auch eine Beherbergung vornehmen, mit gewerblichen Beherbergungsbetrieben nicht vorzunehmen. Gewerbliche Beherbergungsbetriebe stehen nicht allein im regionalen und innerdeutschen Wettbewerb, sondern - namentlich im Bereich des Tourismus sowie bei der Abhaltung internationaler Konferenzen und Tagungen - im Wettbewerb mit ausländischen Einrichtungen. Unter dem Gesichtspunkt der Wettbewerbsfähigkeit von Hotels, Pensionen, Kongress- und Tagungszentren ist es dem Gesetzgeber daher nicht verwehrt, an das Merkmal der Gewerblichkeit anzuknüpfen und die (teilweise) Rundfunkgebührenbefreiung gewerblichen Anbietern vorzubehalten. Nicht zuletzt kann der Gesetzgeber im Rahmen der Entscheidung über die Reichweite einer von ihm eingeräumten Gebührenbefreiung oder Gebührenermäßigung auch berücksichtigen, dass eine Ausweitung von Befreiungstatbeständen das Gebührenaufkommen insgesamt verringert und daher nach dem geltenden Finanzierungssystem zu einem Ausgleich durch Erhöhung der Gebührensätze zwingen würde.

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An dieser Beurteilung ändert nichts, dass die Einrichtung des Klägers Mitglied im DEHOGA Landesverband Niedersachsen im Deutschen Hotel- und Gaststättenverband e. V. und in der Fördergesellschaft des Niedersächsischen Hotel- und Gaststättengewerbes mbH ist. Die Mitgliedschaft im jeweiligen DEHOGA Landesverband ist kein ausreichendes Merkmal für die Anwendung des Gebührenermäßigungstatbestandes des § 5 Abs. 2 Satz 3 RGebStV. Ebenso wenig begründet die - nach Angaben des Klägers - abweichende Rechtsanwendungspraxis in J. einen Anspruch auf eine gleichermaßen unzutreffende Rechtsanwendung des in Niedersachsen geltenden Rundfunkgebührenrechts.

20

Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 154 Abs. 1 VwGO. Ihre vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.

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Gründe, die Berufung zuzulassen (§§ 124 a Abs. 1, 124 Abs. 2 Nr. 3 oder 4 VwGO), sind nicht gegeben.