Finanzgericht Niedersachsen
Urt. v. 08.03.2001, Az.: 9 K 513/94
Vermietungsabsicht bei leer stehendem Einfamilienhaus
Bibliographie
- Gericht
- FG Niedersachsen
- Datum
- 08.03.2001
- Aktenzeichen
- 9 K 513/94
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 2001, 14580
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:FGNI:2001:0308.9K513.94.0A
Tatbestand
Die Klägerin ist mit ihrem im Jahre 1997 verstorbenen Ehemann für die Streitjahre 1984, 1985 und 1987 bis 1989 zusammen zur Einkommensteuer veranlagt worden. Sie hat ihren verstorbenen Ehemann nicht beerbt.
Streitig ist, ob Verluste aus einem leerstehenden Einfamilienhaus als vorweggenommene Werbungskosten (negative Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung) abziehbar sind.
Die Klägerin ist Eigentümerin eines kleineren Einfamilienhauses in H. (Haus Nr. 163). Bis zum Jahre 1977 - so der Vortrag der Klägerin - hätten sie und ihre Familie dieses Haus selbst bewohnt. Danach seien sie in das ihrer Mutter gehörende Haus Nr. 167 in H. eingezogen. Im Jahre 1991 meldeten sich die Klägerin und ihr Ehemann nach B. um.
Das Haus Nr. 163 stand nach den Angaben der Klägerin bis 1992 leer. Anfang April 1992 bezog die Mutter der Klägerin das Haus aufgrund eines am 1. Dezember 1990 abgeschlossenen Mietvertrages. Seit kurzer Zeit wohnt auch die Klägerin wieder in diesem Haus, da ihre Mutter betreuungsbedürftig geworden ist.
Die Klägerin ließ an dem Haus in den Jahren ab 1984/85 Renovierungs- und Erweiterungsarbeiten (Umbau/Anbau des Eingangsbereiches, eines Badezimmers, eines Kellerabgangs, Anbau einer unterkellerten Garage, Auswechselung des Heizkessels und der Türen, Abschleifen der Fußböden, Erneuerung von Fenstern und Kacheln) für insgesamt ca. 285.000,00 DM durchführen. Eine Schlussabnahme der Umbauten erfolgte im Januar 1985. Danach waren noch weitere Maßnahmen erforderlich, die die Klägerin z.T. auch durch Eigenleistung unter Mitwirkung von Angehörigen bewirkte.
Nachdem die örtliche Zuständigkeit nach dem letzten Umzug von dem Finanzamt H. auf den Beklagten ( Finanzamt - FA - ) übergegangen war, ließ dieses den Abzug der Verluste nicht (mehr) zu. Die Klägerin habe die von ihr behauptete Vermietungsabsicht nicht nachweisen können. Die Einsprüche dagegen blieben erfolglos.
Die Klägerin begründet ihre Klage im Wesentlichen wie folgt: Ab dem Jahre 1983 habe sie die Absicht gehabt, das Haus Nr. 163 zunächst zu renovieren und sodann zu vermieten. Sie habe dazu u.a. auf eine Zeitungsanzeige der Eheleute St. geantwortet, die damals ein Einfamilienhaus zu mieten gesucht hätten. Im Juni 1983 hätten die Eheleute St. das Haus besichtigt; gemeinsam hätten sie Baumängel und fehlende Eigenschaften festgestellt. Nachdem sie - die Klägerin - zugesichert hatte, die erforderlichen Renovierungsarbeiten sowie den Einbau eines Badezimmers mit großer Badewanne (wegen medizinischer Bäder), die Herrichtung des Eingangsbereiches mit Kellertreppe und den Bau einer Garage bis zum 1. April 1984 durchführen zu lassen, sei es zum Abschluss eines mündlichen Mietvertrages (Monatsmiete 750,00 DM kalt) gekommen. Da sich die Bauarbeiten dann jedoch aus diversen Gründen verzögert und zudem die Eheleute St. ihre bisherige Wohnung früher als geplant hätten verlassen müssen, habe sie den Mietvertrag auflösen müssen.
Bis Anfang 1985 seien die geplanten größeren Maßnahmen im Wesentlichen abgeschlossen gewesen. Da jedoch der Schornstein des Hauses nach dem Einbau des Tieftemperaturheizkessels ab 1985 immer wieder durchfeuchtet/versottet sei, was u.a. zu einer unerträglichen Geruchsbelästigung geführt habe, sei die geplante Vermietung erst nach der endgültigen Lösung des Problems durch den Ersatz der 1985 eingebauten Thermoschale durch ein Edelstahlrohr in 1990 möglich geworden.
Die Klägerin beantragt,
die Steuern unter Änderung der Bescheide i.d.F. der Einspruchsentscheidungen vom ... soweit herabzusetzen, als sie sich mindern, wenn für die Streitjahre negative Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung in der erklärten Höhe berücksichtigt werden.
Das FA beantragt,
die Klage abzuweisen.
Es geht weiterhin davon aus, dass die Klägerin den von ihr geschuldeten Nachweis über die konkrete Absicht, das Haus ab 1985 zu vermieten, nicht erbracht habe. Sie habe - was von der Klägerin allerdings bestritten wird - die Sachverhaltsaufklärung dadurch noch erschwert, dass sie, was aus einigen Aktenvermerken hervorgehe, verschiedenen Versuchen das Haus Nr. 163 besichtigen zu lassen, ablehnend gegenübergestanden habe.
Die Klägerin habe für die Streitjahre hinsichtlich des Hauses Nr. 163 erhebliche Kosten für Heizung und Wasser geltend gemacht. Für ein leerstehendes Haus sei das Entstehen von Energiekosten in dieser Höhe völlig unglaubhaft. Dies spreche eher dafür, dass das Haus von der Klägerin oder von Familienangehörigen zumindest zeitweise bewohnt gewesen sein könnte, zumal das Gebäude bei Besichtigungen von Außen einen bewohnten Eindruck gemacht habe.
Der Senat hat die Eheleute St. sowie die Töchter der Klägerin als Zeugen zu der Frage der Vermietungsabsicht gehört. Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf das Sitzungsprotokoll Bezug genommen.
Ferner ist die (am 17. November 1997 geschlossene) Akte des V. Senats wegen Einkommensteuer 1992 beigezogen worden.
Gründe
Die Klage ist unbegründet. Das FA hat den Abzug der in den Streitjahren auf das leerstehende Haus entfallenden Aufwendungen als Werbungskosten rechtsfehlerfrei versagt.
1.
Werbungskosten sind nach § 9 Abs.1 Satz 1 EStG Aufwendungen zur Erwerbung, Sicherung und Erhaltung der Einnahmen. Bei den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung sind Werbungskosten grundsätzlich alle durch diese Einkunftsart veranlassten Aufwendungen. Nach ständiger höchstrichterlicher Rechtsprechung, der der erkennende Senat folgt, sind diejenigen Aufwendungen durch die Einkunftsart Vermietung und Verpachtung veranlasst, bei denen objektiv ein Zusammenhang mit der Vermietung und Verpachtung gemäß § 21 Abs.1 Nr.1 EStG besteht und die subjektiv zur Förderung der Nutzungsüberlassung gemacht werden (vgl. u.a. Urteil des Bundesfinanzhofs - BFH - vom 19. September 1990 IX R 5/86, Bundessteuerblatt - BStBl - II 1990, 1030). Aufwendungen für eine leerstehende Wohnung/ein leerstehendes Haus sind allerdings nur dann als - vorab entstandene - Werbungskosten abziehbar, wenn der Entschluss zur Einkünfteerzielung endgültig gefasst ist (Urteile des BFH vom 29.November 1983 VIII R 96/81, BStBl II 1984, 303, und vom 29.Juli 1986 IX R 206/84, BStBl II 1986, 747 ). Liegt eine solche Absicht nicht vor, entfällt ein Werbungskostenabzug. Ebenso ist der Sachverhalt bei "Ungewissheit" über die Einnahmeerzielungsabsicht zu beurteilen; denn die Absicht zur Einnahmeerzielung muss anhand objektiver Umstände feststellbar sein (BFH-Urteile vom 8.Februar 1983 VIII R 130/79, BStBl II 1983, 554, und vom 29. Juli 1986 IX R 206/84, a.a.O.; vgl. auch schon Urteil des Niedersächsischen FG vom 16.Januar 1981 IX 105/77, EFG 1981, 446). Am erforderlichen Zusammenhang der Aufwendungen mit der Einkunftsart fehlt es daher, wenn sich nicht absehen lässt, ob und ggf. wann Einnahmen erzielt werden (BFH-Urteil vom 7. Dezember 1982 VIII R 166/80, BStBl II 1983, 660). Dementsprechend hat die Rechtsprechung den Werbungskostenabzug für lediglich vorübergehend leerstehende Räume zugelassen (vgl. BFH-Urteile vom 24.Januar 1969 VI R 173/67, BStBl II 1969, 312, und vom 26. August 1975 VIII R 120/72, BStBl II 1976, 9).
2.
Wenn, wie vorliegend, ein Steuerpflichtiger einen für ihn günstigen Sachverhalt (Einkünfteerzielungs-/Vermietungsabsicht mit der Folge des Werbungskostenabzugs) behauptet, so muss er ihn beweisen/glaubhaft machen; gelingt ihm dies nicht, so muss seinem Vortrag bzw. Rechtsmittel nach Maßgabe der Regeln über die objektive Beweislast (Feststellungslast) der Erfolg versagt bleiben (ständige Rechtsprechung, vgl. u.a. BFH-Urteil vom 5. November 1970 V R 71/67, BStBl II 1971, 220, 224; weitere Nachweise finden sich bei Gräber, Finanzgerichtsordnung, 4. Aufl. 1997, § 96 Rdnr. 23).
3.
Der Klägerin ist es nicht gelungen, die von ihr behauptete Vermietungsabsicht nachzuweisen bzw. zur Überzeugung des Senats glaubhaft zu machen.
Die Klägerin will in/ab 1983 die feste Absicht gehabt haben, das ab 1978 leerstehende Haus Nr. 163 zur Erzielung von Mieteinkünften zu nutzen. Dafür spricht, dass sie - wie es die Zeugen St. bestätigt haben - in der Mitte dieses Jahres mit ihnen entsprechende Verhandlungen aufgenommen hat. Ob damals eine Vermietung lediglich in Aussicht genommen wurde (so die Zeugen St.) oder aber bereits ein mündlicher Mietvertrag mit einer Kaltmiete von 750,00 DM abgeschlossen worden ist (so die Klägerin), konnte nicht aufgeklärt werden, ist aber auch nicht entscheidungserheblich. Denn zur tatsächlichen Durchführung eines Mietverhältnisses wäre es - wovon alle Beteiligten ausgingen - nur dann gekommen, wenn es der Klägerin gelungen wäre, die von ihr zugesagten Um-/Ausbauten (insbesondere Errichtung eines Badezimmers sowie Schaffung eines Innenzugangs zum Keller) sowie Renovierungen so rechtzeitig durchführen zu lassen, dass die Eheleute St. das Haus unmittelbar nach Beendigung ihres bisherigen Mietverhältnisses, also spätestens zum 1. April 1984, hätten beziehen können. Da die Klägerin diese mindestens sechs Monate erfordernden Maßnahmen indes Ende 1983 noch nicht einmal begonnen/vergeben hatte, stand spätestens zu diesem Zeitpunkt fest, dass das in Aussicht genommene Mietverhältnis tatsächlich nicht zustande kommen und damit aus ihm keine Mieteinnahmen erzielt werden würden.
Ob im Hinblick auf die Vereinbarungen mit den Eheleuten St. für das Jahr 1983 negative Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung anzusetzen gewesen wären, kann dahingestellt bleiben. Denn darüber ist im vorliegenden Verfahren nicht zu entscheiden (insoweit wird auf das Senatsurteil 9 K 665/94 vom selben Tage verwiesen). Für den vorliegenden, die Jahre ab 1984 betreffenden Rechtsstreit lässt sich daraus jedenfalls keine fortbestehende Vermietungsabsicht herleiten. Denn die Klägerin hat nach dem Scheitern dieses - möglicherweise von vorn herein nicht zu realisierenden - Vermietungsvorhabens keine weiteren auf eine konkret ins Auge gefasste Vermietung zielenden Aktivitäten (eigene Zeitungsinserate, Antworten auf Mietgesuche, Einschaltung eines Maklers usw.) mehr entfaltet. Das Haus stand vielmehr nach der Durchführung der Um- und Anbauten in 1984/85 weiterhin leer. Die als Zeuginnen gehörten Töchter der Klägerin konnten nicht aus eigenem Wissen bekunden, dass ihre Mutter damals die feste Absicht (geäußert) hatte, das Haus Nr. 163 zu vermieten. Nach der Erinnerung der Tochter B. hat die Klägerin dazu lediglich ..".sinngemäß zu erkennen gegeben, dass sie das Haus (insbesondere auch wegen des großen Gartens usw.) sich am liebsten vom Halse schaffen würde"... und dabei wohl an eine Vermietung gedacht. Diese Erinnerungen sind zu vage, um daraus auf eine entsprechende feste Einkünfteerzielungsabsicht schließen zu lassen. Es kommt hinzu, dass sich die von der Klägerin in erster Linie als vermietungsausschließend angeführten Probleme mit dem Schornstein (Durchfeuchtung mit Flecken- und Geruchsbildung) nach der Auffassung des Senats sehr viel schneller hätten lösen lassen, wenn eine alsbaldige Nutzung des Hauses durch Vermietung von der Klägerin ernsthaft ins Auge gefasst und in Angriff genommen worden wäre. Notfalls hätte eine andere Heizungsfirma mit der Reparatur beauftragt werden müssen. Die dafür aufzuwendenden Mittel hätten nur einen Bruchteil der von der Klägerin in der mündlichen Verhandlung genannten monatlichen Zinsaufwendungen von etwa 1.000,00 DM ausgemacht.
Dass die Klägerin auch nach der Schlussabnahme der Umbauten Anfang 1985 eine alsbaldige Vermietung nicht konkret ins Auge gefasst hatte, lässt sich auch daran erkennen, dass sie die noch ausstehenden/noch nicht abgeschlossenen weiteren Renovierungsarbeiten nicht zügig zum Abschluss brachte, sondern sich diese Maßnahmen, wie insbesondere die Aussage der Tochter B. ergibt, die selbst daran mitgewirkt hat, noch über Jahre hingezogen haben. Der Senat führt diese Verzögerungen auf die in der mündlichen Verhandlung sowohl von der Klägerin als auch von ihren Töchtern näher bezeichneten Schwierigkeiten in ihrem familiären Umfeld zurück. Diese gravierenden Probleme dürften die Klägerin daran gehindert haben, auf eine zügige Vermietung des Hauses hinzuarbeiten. Es erscheint unter den gegebenen Umständen auch als durchaus möglich, dass die Klägerin das Haus in dem streitigen Zeitraum jedenfalls zeitweise selbst genutzt hat, wie es das FA vermutet; das würde auch den für ein leerstehendes Gebäude auffällig hohen Energieverbrauch erklären. Es ist auch nicht ausgeschlossen, dass die Klägerin damals an einen Verkauf gedacht haben mag, was einem Werbungskostenabzug ebenfalls entgegen stehen würde.
Da bereits aus den vorstehend aufgeführten Gründen eine Vermietungsabsicht für die Streitjahre nicht feststellbar war und auch die spätere Vermietung an die Mutter keinen Rückschluss auf den vorangegangenen Zeitraum zulässt, brauchte die Richtigkeit der weiteren Behauptungen des FA, die Klägerin habe die Sachaufklärung dadurch (noch) erschwert, dass sie einer Besichtigung des Hauses ablehnend gegenüber gestanden habe, nicht überprüft zu werden. Unter den gegebenen Umständen hätte es allerdings nach der Auffassung des Senats nahe gelegen, dass die Klägerin aus Gründen der Beweisvorsorge die am 7. Juli 1987 in dem Haus Nr. 163 zum Zwecke der "betriebsnahen" Veranlagung (Abgrenzung Herstellungskosten/Erhaltungsaufwand) erschienenen Bediensteten des - damals noch für ihre Veranlagung zuständigen - Finanzamts H. ausdrücklich ersucht hätte, das Gebäude zu besichtigen und darüber einen Aktenvermerk zu fertigen, um die behauptete Vermietungsabsicht und die Hinderungsgründe zu dokumentieren.
Nach alledem konnte die Klage keinen Erfolg haben.
4.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 der Finanzgerichtsordnung (FGO).