Oberverwaltungsgericht Niedersachsen
Beschl. v. 15.11.2006, Az.: 13 ME 355/06
Gerichtliche Überprüfung einer Note "mangelhaft" im Rahmen einer Versetzungsentscheidung der Klassenkonferenz; Geltendmachung eines Anspruchs auf Versetzung in die nächsthöhere Schulklasse; Bewertungsspielraum von Lehrern und Prüfern im Bereich einer fachlich-wissenschaftlichen Bewertung von Prüfungsleistungen
Bibliographie
- Gericht
- OVG Niedersachsen
- Datum
- 15.11.2006
- Aktenzeichen
- 13 ME 355/06
- Entscheidungsform
- Beschluss
- Referenz
- WKRS 2006, 27071
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:OVGNI:2006:1115.13ME355.06.0A
Rechtsgrundlagen
Fundstelle
- SchuR 2007, 55-56 (Volltext)
Amtlicher Leitsatz
Zur gerichtlichen Überprüfung einer Note "mangelhaft" im Fach Kunst im Rahmen einer Versetzungsentscheidung der Klassenkonferenz.
Gründe
Die Beschwerde bleibt erfolglos. Das Verwaltungsgericht hat mit dem im Entscheidungstenor bezeichneten Beschluss den Antrag des Antragstellers, den Antragsgegner im Wege einer einstweiligen Anordnung (§ 123 Abs. 1 VwGO) zu verpflichten, ihm im Schuljahr 2006/07 vorläufig eine Teilnahme am Unterricht des 10. Schuljahrganges zu gestatten, zu Recht abgelehnt. Der Senat folgt den Ausführungen des angefochtenen Beschlusses, der die Sach- und Rechtslage zutreffend behandelt, und nimmt auf sie Bezug (§ 122 Abs. 2 Satz 3 VwGO).
Die dargelegten Beschwerdegründe, auf deren Prüfung der Senat sich zu beschränken hat (§ 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO), rechtfertigen eine andere Entscheidung nicht. Der Antragsteller hat auch im Beschwerdeverfahren nicht glaubhaft gemacht (§ 123 Abs. 3 VwGO, §§ 920 Abs. 2, 294 ZPO), dass ihm ein Anspruch auf vorläufige Teilnahme am Unterricht des 10. Schuljahrganges mit großer Wahrscheinlichkeit zusteht, obwohl er nach Maßgabe des ihm von dem Antragsgegner unter dem 19. Juli 2006 erteilten Zeugnisses, dem der (einstimmige) Beschluss der Klassenkonferenz vom 13. Juli 2006 zugrundeliegt, nicht versetzt worden ist. In der Regel lässt sich der Anordnungsanspruch zur Teilnahme am Unterricht des nächsthöheren Schuljahrganges nur auf § 59 Abs. 4 Satz NSchG stützen, wonach ein Schüler den nächsthöheren Jahrgang einer Schulform oder eines Schulzweiges erst dann besuchen kann, wenn die Klassenkonferenz entschieden hat, dass von ihm eine erfolgreiche Mitarbeit in diesem Schuljahrgang erwartet werden kann (Versetzung). Da die Leistungen des Antragstellers in den Fächern Latein und Kunst mit jeweils "mangelhaft" beurteilt worden sind, kommt eine Versetzung in die 10. Klasse nicht in Betracht.
Der Antragsteller hat nicht glaubhaft gemacht, dass er einen Anspruch darauf hat, dass seine Leistungen im Fach Kunst mit "ausreichend" zu bewerten sind. Durchgreifende Anhaltspunkte dafür, dass der Bewertungsspielraum der Beurteiler dahingehend eingeschränkt ist, dass im Fach Kunst nur die Vergabe einer Note in Betracht kommt, die besser als "mangelhaft" ist, liegen nicht vor.
Den Lehrern steht ebenso wie den Prüfern und Prüfungsgremien im Bereich einer fachlich-wissenschaftlichen Bewertung von Prüfungsleistungen wegen der Eigenart des Bewertungsvorganges ein der verwaltungsgerichtlichen Kontrolle entzogener Bewertungsspielraum zu. Im Rahmen einer solchermaßen eingeschränkten Kontrollbefugnis können die Gerichte das Bewertungsergebnis lediglich daraufhin überprüfen, ob es auf der Grundlage eines fehlerfreien Verfahrens, auf einer zutreffenden Tatsachengrundlage, unter Beachtung allgemein anerkannter Bewertungsgrundsätze sowie frei von sachfremden Erwägungen und Willkür zustande gekommen ist. In diesem Sinne eingeschränkt ist auch die gerichtliche Kontrolle von Versetzungsentscheidungen der Klassenkonferenz. Sie hat einen Entscheidungsspielraum, soweit die Entscheidung von einer positiven Leistungsprognose für die nächsthöhere Klasse abhängt. Mangels eigener fachlicher Kompetenz ist es nicht Sache der Verwaltungsgerichtsbarkeit, ihre eigene Auffassung über die zu erwartende Mitarbeit eines Schülers im nächst höheren Schuljahrgang an die Stelle der nach § 59 Abs. 4 Satz 1 NSchG zu der Beurteilung allein berufenen Mitglieder der Klassenkonferenz zu setzen. Dieselben Grundsätze gelten nach § 34 Abs. 3 NSchG auch im Verhältnis zwischen der Klassenkonferenz und dem einzelnen Fachlehrer, der die für die Versetzungsentscheidung als Tatsachengrundlage maßgebliche Zeugnisnote in eigener pädagogischer Verantwortung vergibt (§ 50 Abs. 1 NSchG). Danach lässt die Bewertung der Leistungen des Antragstellers im Fach Kunst mit der Note "mangelhaft" einen Beurteilungsfehler des Fachlehrers und der ihm folgenden Klassenkonferenz nicht erkennen:
Die Rüge des Antragstellers, ein Bewertungsfehler liege bereits darin, dass nach der "substantiierten Leistungsbeurteilung" des Fachlehrers vom 24. August 2006 (Bl. 15 VV) seine Leistungen zum Thema "Landschaft - Raum und Farbe" aus dem 1. Schulhalbjahr 2005/06, die mit "mangelhaft bis ungenügend" beurteilt worden seien, auch in die Leistungsbeurteilung der Klassenkonferenz für das 2. Schulhalbjahr 2005/06 eingegangen sind, ist eine Behauptung, für deren Richtigkeit nichts Überwiegendes spricht. Die Ausführungen des Fachlehrers vom 24. August 2006 betrafen die Lern- und Leistungsentwicklung des Antragstellers im gesamten Schuljahr 2005/06. Deshalb konnten und mussten in diesem Zusammenhang sowohl seine Arbeit zu dem genannten Themenkreis als auch seine mündlichen Leistungen berücksichtigt werden.
Der weitere Einwand des Antragstellers, bei der Erstellung des Werkes "Impressionistischer Landschaftsausschnitt" (Bearbeitungszeit vom 2.2. bis 2.3.2006) habe er wegen einer kieferchirurgischen Operation (20.2.06) drei Stunden Kunstunterricht versäumt, und ihm habe ferner nicht dieselbe Bearbeitungszeit zur Verfügung gestanden wie seinen Mitschülern, führt nicht auf einen Verstoß gegen den Grundsatz der Chancengleichheit. Denn in Anbetracht seines Verzichtes auf die ihm und anderen Mitschülern im Falle einer Erkrankung von dem Fachlehrer nach dessen Stellungnahme vom 27. Oktober 2006 grundsätzlich eingeräumte zusätzliche Bearbeitungszeit kann von einem Verstoß gegen den Grundsatz der Chancengleichheit nicht die Rede sein. Selbst wenn dem Antragsteller nicht bekannt gewesen sein sollte, dass er in Absprache mit dem Kunstlehrer die Arbeit unter dessen Aufsicht (oder sogar zuhause) hätte fortsetzen können, hätte er gerade wegen seines bisherigen Leistungsstandes sich durch eine Rückfrage bei Herrn I. darüber informieren können, ob und nach welchen Modalitäten die noch unfertige Arbeit abgeschlossen werden kann.
Die Rüge des Antragstellers, die Bewertung seines Werkes zu der Aufgabe "Collage: Strudel/Spirale" mit "ungenügend" widerspreche der ständigen Bewertungspraxis des Fachlehrers, greift ebenfalls nicht durch. Abgesehen davon, dass der Antragsteller bereits im ersten Schulhalbjahr für die Aufgabe "Angegliederte Zeichenübung A -perspektivisches Zeichnen nach Modell" als Teilnote ein "ungenügend" erhalten hatte, hat Herr I. in seiner Stellungnahme vom 27. Oktober 2006 plausibel dargetan, dass der Antragsteller "wusste, worum es für ihn geht". Denn seine praktischen und mündlichen Leistungen im Fach Kunst waren offenbar wiederholt Gegenstand kritischer Äußerungen seines Fachlehrers, der ihm die negativen Folgen für sein schulisches Fortkommen deutlich vor Augen geführt hat. Nach den Angaben des Fachlehrers hat der Antragsteller jedoch "zeitweise die Arbeit niedergelegt" und nicht nur sich, sondern auch seine Nachbarn abgelenkt. Trotz Ermahnung und deutlicher Ansprache vor der Klasse habe sich der Antragsteller nicht von seiner unkonzentrierten Arbeitseinstellung, die "bis zur Leistungseinstellung" gegangen sei, abbringen lassen. Die Arbeit habe schließlich nicht einmal mehr mit "mangelhaft" benotet werden können, was ihm "unmissverständlich auch mitgeteilt" worden sei. Der Senat hat keine Veranlassung, die Richtigkeit dieser Ausführungen in Zweifel zu ziehen.
Die Auffassung des Antragstellers, die freiwillige Zusatzaufgabe vom 6. Juli 2006 sei vom Fachlehrer willkürlich mit "mangelhaft" bewertet worden, teilt der Senat ebenfalls nicht. Herr I. hat in seiner Stellungnahme vom 27. Oktober 2006 den Inhalt des Gespräches mit dem Antragsteller am 13. Juli 2006 anders dargestellt und für den Senat plausibel dargelegt, dass auch diese Arbeit nicht den von ihm gestellten Anforderungen entsprach und für eine Verbesserung der Note im Fach Kunst nicht geeignet war.
Entgegen der Auffassung des Antragstellers ist seine Gesamtleistung im Fach Kunst im 2. Schulhalbjahr 2005/06 weder willkürlich bewertet noch der Informationsanspruch seiner Eltern verletzt worden. Bereits im 1. Halbjahreszeugnis war eine Versetzungswarnung ausgesprochen und im Fach Kunst die Note "mangelhaft" vergeben worden. Den Gesprächstermin am Elternsprechtag, zu dem sich der Vater des Antragstellers zunächst angemeldet hatte, hat dieser nicht wahrgenommen. Selbst wenn in diesem Zusammenhang dem Informationsanspruch der Eltern nicht vollständig genügt worden sein sollte, ist nicht erkennbar, weshalb dieser Umstand zu einer positiven Leistungsprognose für den 10. Schuljahrgang und einem daraus resultierenden Versetzungsanspruch führen soll. Dass der Fachlehrer der Verpflichtung im sog. Zeugniserlass, mündliche und schriftliche Leistungen aufzuzeichnen, nicht nachgekommen ist, lässt sich nach seinen Ausführungen in der Stellungnahme vom 27. August 2006 nicht feststellen. Gleiches gilt für die Behauptung der Antragsteller, der Unterricht im Fach Kunst habe nicht den Vorgaben der Rahmenrichtlinien entsprochen. Dass die Beurteilungskriterien sowie die Gewichtung der Teilleistungen (mündliche und fachpraktische Note im Verhältnis 1 : 4) den Schülern der Klasse 9 L 2 nicht mitgeteilt worden seien, ist nach den Ausführungen des Kunstlehrers nicht überwiegend wahrscheinlich.
Dem weiteren Einwand des Antragstellers, dass Herrn I. für die Fertigung seiner "substantiierten Stellungnahme" vom 24. August 2006 die "Werke" des Antragstellers nicht vorgelegen hätten, steht dessen Stellungnahme vom 27. Oktober 2006 (vgl. S. 3) entgegen. Maßgeblich ist in diesem Zusammenhang allein, dass Herr I. eine Beurteilung zum Zeitpunkt der Festlegung der Note treffen konnte. Zu diesem Zeitpunkt lagen ihm sämtliche Arbeiten des Antragstellers vor.
Ein Bewertungsfehler liegt auch nicht darin, dass der Kunstlehrer bei seiner Benotung auch die Leistungsbereitschaft, das "künstlerische Wollen" des Antragstellers berücksichtigt hat. Zu den Fertigkeiten und Fähigkeiten im Sinne der Rahmenrichtlinien für das Gymnasium (Klasse 7 - 10) gehören auch die Motivation, der Leistungswille und die Bereitschaft zur möglichst engagierten Mitarbeit, ohne die ein ertragreicher Unterricht auch im Fach Kunst nicht gelingen kann. Insoweit dürfen nachhaltige Passivität und offenbares Desinteresse des Schülers sowohl von dem Fachlehrer als auch später von der Klassenkonferenz im Rahmen der Versetzungsentscheidung in die Leistungsbeurteilung einbezogen und fachlich-pädagogisch bewertet werden. Anhaltspunkte dafür, dass der hierbei eröffnete Beurteilungsspielraum willkürlich überschritten worden wäre, vermag der Senat nicht zu erkennen.
Danach steht dem Antragsteller auch ein Anspruch auf Nachprüfung im Sinne von § 19 Abs. 2 DVVO nicht zu. Ein Anspruch auf erneute Bescheidung des Antragstellers scheidet ebenfalls aus. Der Umstand, dass die Klassenkonferenz die veränderten persönlichen Verhältnisse des Vaters des Antragstellers nicht gekannt hat, ändert daran nichts. Denn es spricht nach Lage der Dinge nicht Überwiegendes dafür, dass nur wegen des Nachhilfeunterrichtes und des größeren häuslichen Engagements seines Vaters eine erfolgreiche Mitarbeit des Antragstellers im 10. Schuljahrgang erwartet werden kann.