Oberverwaltungsgericht Niedersachsen
Beschl. v. 15.11.2006, Az.: 13 LB 156/06
Abrundung des Gesamtrückstandes bei der Berechnung von Zinsen für die Stundung einer Steuer in mehreren Jahren; Abrundung des jeweiligen Jahresbetrages einer Steuerforderung
Bibliographie
- Gericht
- OVG Niedersachsen
- Datum
- 15.11.2006
- Aktenzeichen
- 13 LB 156/06
- Entscheidungsform
- Beschluss
- Referenz
- WKRS 2006, 27175
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:OVGNI:2006:1115.13LB156.06.0A
Verfahrensgang
Rechtsgrundlage
- § 238 Abs. 2 AO
Fundstellen
- GK 2007, 145-146
- GK/BW 2008, 29-30
- NVwZ-RR 2007, 555 (Volltext mit amtl. LS)
- ZKF 2007, 20-21
Amtlicher Leitsatz
Sind Zinsen für die Stundung einer Steuer in mehreren Jahren zu berechnen, so betrifft die Abrundungspflicht den Gesamtrückstand (nicht den für einzelne Jahre).
Gründe
Mit Bescheid vom 18. März 2004 verlangt die Beklagte vom Kläger Zinsen für in den Jahren 1994 bis 2002 gestundete 196,61 EUR Grundsteuern in Höhe von (zusammen) 62,26 EUR. Ihre Steuerforderung hatte sie dabei nicht abgerundet, weshalb das Verwaltungsgericht der Klage stattgegeben hat, und zwar in vollem Umfange. Zur Begründung hat es angegeben, gemäß § 238 Abs. 2 AO sei der jeweilige (rückständige) Jahresbetrag abzurunden, woraus sich dann eine (zu verzinsende) Jahressteuerforderung in Höhe von jeweils 0,00 EUR (und entsprechend 0,00 EUR Zinsen) ergebe (Urteil vom 29.11.05).
Die dagegen gerichtete Berufung der Beklagten hat der Senat mit Beschluss vom 18. April 2006 - 13 LA 16/06 - zugelassen, weil - vor einer Verzinsung - nicht die einzelne Jahressteuerschuld, sondern lediglich die Gesamtforderung abzurunden sei. Dementsprechend hat die Beklagte ihre Berufung (rechtzeitig) begründet. Mit ihr begehrt sie eine vollständige Aufhebung des angefochtenen Urteils, das noch einen "Kostenfestsetzungsbescheid" der Beklagten betrifft.
Hinsichtlich der Zinsforderung meint der Kläger nach wie vor, dass das Verwaltungsgericht richtig entschieden habe.
Wegen des Vorbringens der Parteien im Einzelnen wird auf ihre Schriftsätze verwiesen.
II.
Die Berufung hat im Wesentlichen Erfolg. Da der Senat einstimmig dieser Auffassung ist und eine mündliche Verhandlung für entbehrlich hält, entscheidet er über sie im schriftlichen Verfahren (§ 130a Satz 1 VwGO).
Auszugehen ist zunächst davon, dass Gegenstand der Berufung ausschließlich der Bescheid der Beklagten vom 18. März 2004 (i.d.F. vom 15.6.05) ist, d.h. ihre Zinsforderung in Höhe von 62,26 EUR (= Berufungsstreitwert, § 52 Abs. 3 GKG). Nur darauf bezog sich die Begründung des Zulassungsantrages. Nur damit befasst sich dementsprechend der Zulassungsbeschluss (und im Übrigen auch die Berufungsbegründung der Beklagten). Es ist daher unerheblich, dass das Verwaltungsgericht auch den "Kostenfestsetzungsbescheid" der Beklagten vom 20. Juni 2005 aufgehoben hat. Insoweit ist das Urteil des Verwaltungsgerichts vielmehr rechtskräftig geworden und geht der Berufungsantrag (Schriftsatz vom 10.5.06) ins Leere. Hinsichtlich des Zinsbescheides ist die Berufung indessen im Wesentlichen begründet.
Entgegen der Ansicht des Klägers (und des Verwaltungsgerichts) ist der Bescheid vom 18. März 2004 ganz überwiegend Rechtens. Zwar ist (gemäß § 1 Abs. 2 Nr. 5 AO) die Vorschrift des § 238 Abs. 2 AO zu beachten und hat die Beklagte das nicht getan. Indessen macht das ihren Bescheid nur teilweise rechtswidrig. Die zur Abrundungsfrage vom Verwaltungsgericht vertretene Rechtsansicht (hergeleitet aus dem "Anwendungserlass zur Abgabenordnung 1977 - "AEAO" des Bundesfinanzministers vom 15.7.98 - BStBl. I S. 630/785) trifft nicht zu, ist vielmehr mit § 238 Abs. 2 AO unvereinbar.
Nach dieser Bestimmung "wird (zur Berechung der Zinsen) der zu verzinsende (Stundungs-)Betrag jeder Steuerart ... abgerundet", nicht aber einzelne Teilbeträge der gestundeten "Steuerart", d.h. der gleichen Steuer. Das dürfte auch dem AEAO "zu § 238 Nr. 2" entsprechen, wenn dort die Rede davon ist, dass "der einzelne zu verzinsende Anspruch" jeweils abzurunden sei; wonach eine Abrundung von Teilen des (Steuer-)Anspruches ausscheidet; lediglich bei der - dann folgenden - Zinsberechnung sind einzelne "Ansprüche" zu trennen, aber auch nur dann, wenn sie sich auf unterschiedliche (Steuern, was keine Frage ist, oder) Zeiträume beziehen (was ebenfalls selbstverständlich ist). Danach ist es gesetzeswidrig, die Abrundungspflicht auf die einzelnen zu verzinsenden Forderungen rückständiger Steuern zu beziehen, die die gleiche Steuer(-art) betreffen (Hübschmann u.a., AO, Stand 2005, § 238 Rdnr. 9; Tipke u.a., AO, Stand 2006, § 238 Rdnr. 6; Klein, AO, 8. Aufl. 2003, § 238 Rdnr. 4; a.A. Koch/Scholz, AO, 5. Aufl. 1996, § 238 Rdnr. 5; Palke/Kenig, AO, 2004, § 238 Rdnr. 12 bezüglich der Finanzverwaltung).
Das bedeutet, dass hier die Forderung rückständiger Grundsteuer insgesamt, d.h. in Höhe von 196,61 EUR, abzurunden ist, und zwar auf den "nächsten durch 50,-- Euro teilbaren Betrag", d.h. auf 150,-- EUR. Bis zu diesem Betrag sind dann die Forderungen für die einzelnen Jahre der Stundung jeweils einzeln zu verzinsen, und zwar beginnend im ersten Jahr des Rückstandes und bis zur Höhe des (Teil-)Jahresbetrages, mit dem der abgerundete Betrag erreicht ist. Das folgt aus der Tatsache, dass die Abrundung die "Spitze" der gestundeten Steuer betrifft und damit den jüngsten Steuerrückstand. In dieser Weise ist die Beklagte im Berufungsverfahren vorgegangen und hat so eine Gesamtforderung in Höhe von 56,41 EUR ermittelt, die sie mithin vom Kläger beanspruchen kann (§§ 237, 238 Abs. 1 AO). Gegenüber den von ihr im angefochtenen Bescheid festgesetzten 62,26 EUR sind das lediglich 5,85 EUR zuviel. Nur hinsichtlich dieses letzteren Betrages ist die Klage daher begründet, so dass im Übrigen der Berufung zu entsprechen ist, d.h. soweit mit Bescheid vom 18. März 2004 56,41 EUR Zinsen festgesetzt worden sind.
Im Hinblick auf den angefochtenen Bescheid ergibt sich damit, dass der Kläger nur zu einem so geringen Teil obsiegt (etwa zu 1/11), dass eine Kostenteilung nicht gerechtfertigt ist; vielmehr sind ihm insoweit die gesamten Kosten des Rechtsstreits aufzuerlegen (§ 155 Abs. 1 Satz 3 VwGO). Im Ergebnis hat die Beklagte danach lediglich die Kosten erster Instanz nach einem Streitwert in Höhe von 55,60 EUR (Verwaltungskosten) zu tragen.