Oberverwaltungsgericht Niedersachsen
Beschl. v. 08.11.2006, Az.: 8 PA 136/06
Anspruch eines Kontingentflüchtlings mit usbekischer Rechtsanwaltszulassung auf Zulassung zur Eignungsprüfung nach § 16 des Gesetzes über die Tätigkeit europäischer Rechtsanwälte in Deutschland (EuRAG)
Bibliographie
- Gericht
- OVG Niedersachsen
- Datum
- 08.11.2006
- Aktenzeichen
- 8 PA 136/06
- Entscheidungsform
- Beschluss
- Referenz
- WKRS 2006, 31720
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:OVGNI:2006:1108.8PA136.06.0A
Verfahrensgang
- vorgehend
- VG Hannover - 24.08.2006 - AZ: 6 A 4354/06
Rechtsgrundlagen
- § 4 BRAO
- § 5 Abs. 1 DRiG
- § 112 DRiG
- § 1 EuRAG
- § 16 EuRAG
Fundstelle
- BRAK-Mitt 2007, 92 (red. u. amtl. Leitsatz)
Amtlicher Leitsatz
Ein Kontingentflüchtling mit usbekischer Rechtsanwaltszulassung kann nicht zur Eignungsprüfung nach § 16 des Gesetzes über die Tätigkeit europäischer Rechtsanwälte in Deutschland (EuRAG) zugelassen werden.
Gründe
Die zulässige Beschwerde ist unbegründet. Das Verwaltungsgericht hat dem Antragsteller Prozesskostenhilfe gemäß § 166 VwGO i. V. m. § 114 ZPO zu Recht versagt, da sein Begehren keine hinreichenden Erfolgsaussichten hat. Der Antragsteller hat keinen Anspruch darauf, zu der Eignungsprüfung gemäß § 16 des Gesetzes über die Tätigkeit europäischer Rechtsanwälte in Deutschland (EuRAG) vom 9. März 2000 (BGBl. I S. 182, 1349), zuletzt geändert durch Gesetz vom 26. Oktober 2003 (BGBl. I S. 2074, 2004 I S. 715), zugelassen zu werden.
Das EuRAG dient mit den hier maßgebenden Bestimmungen der §§ 1 und 16 der Umsetzung der Richtlinie 89/48/EWG des Rates der Europäischen Gemeinschaften vom 21. Dezember 1988 über eine allgemeine Regelung zur Anerkennung der Hochschuldi-plome, die eine mindestens dreijährige Berufsausbildung abschließen (ABl. EG Nr. L 19 S. 16), geändert durch die Richtlinie 2001/19/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 14. Mai 2001 (ABl. EG Nr. L 206 S. 1). Insoweit ist das EuRAG an die Stelle des zuvor geltenden und mit Inkrafttreten des EuRAG unwirksam gewordenen Gesetzes über die Eignungsprüfung für die Zulassung zur Rechtsanwaltschaft (EigPrG) vom 6. Juli 1990 (BGBl. I S. 1349) getreten. Bereits in der Rechtsprechung zum EigPrG war zutreffend anerkannt, dass zur Eignungsprüfung für Rechtsanwälte nur solche Personen zugelassen sind, die in einem EU-Mitgliedstaat (oder einem ihm gleichgestellten Staat) mit ihrem Qualifikationsnachweis die formalen Voraussetzungen für den unmittelbaren Zugang zum Anwaltsberuf erfüllen (vgl. hierzu und zum Folgenden: BVerwG, Beschl. v. 26.10.1999 - 6 B 69/99 -, NJW 2000, 753 [BVerwG 26.10.1999 - 6 B 69/99]). Diese Voraussetzung für die Zulassung zur Eignungsprüfung gilt unverändert fort. Denn nach § 16 Abs. 1 EuRAG kann die hier maßgebende Eignungsprüfung nur ein Staatsangehöriger eines Mitgliedstaats der Europäischen Union oder eines - insoweit gleichgestellten - anderen Vertragsstaates des Abkommens über den europäischen Wirtschaftsraum oder der Schweiz ablegen, der eine Berufsausbildung abgeschlossen hat, die unmittelbar den Zugang zum Beruf eines europäischen Rechtsanwalts gemäß § 1 EuRAG eröffnet, d. h. zu einem der in der Anlage 1 zum EuRAG ausdrücklich aufgezählten Rechtsanwaltsberufe "in Mitgliedstaaten der Europäischen Union, anderen Vertragsstaaten des Abkommens über den europäischen Wirtschaftsraum und der Schweiz". Begünstigt sind demnach nur die Inhaber eines solchen formalen Qualitätsnachweises, der ihnen in einem EU-Mitgliedstaat oder einem der anderen vorgenannten gleichgestellten Staaten den unmittelbaren Zugang zum Anwaltsberuf erlaubt. Wie den Eingangserwägungen der Richtlinie 89/48/EWG zu entnehmen ist, sieht der europäische Normgeber in den genannten Staaten die formal abgeschlossene mindestens dreijährige Hochschulausbildung als prinzipiell gleichwertig an, ohne sich zugleich der Einsicht zu verschließen, dass der Diplomerwerb in dem einen Land nicht ohne weiteres zur erfolgreichen Berufsausübung in einem anderen Land befähigt. Das Erfordernis der Eignungsprüfung gerade für den Bereich der juristischen Berufsbilder dient daher dem Ausgleich von Defiziten, ohne damit das prinzipiell gleichwertige Qualitätsniveau aller in einem EU-Staat oder in einem gleichgestellten Staat zum Anwaltsberuf berechtigten Nachweise in Frage zu stellen. Von dieser Grundkonzeption, die der Herstellung beruflicher Freizügigkeit unter den Unionsbürgern und den ihnen gleichgestellten Personen dient, von vornherein nicht erfasst sind jedoch Personen, die - wie der Antragsteller, der nur über eine usbekische Hochschulausbildung und eine usbekische Anwaltszulassung verfügt - in keinem EU-Mitgliedstaat oder diesem gleichgestellten Staat über einen formalen Qualitätsnachweis für den unmittelbaren Zugang zum gewünschten Anwaltsberuf verfügen.
Der Antragsteller kann auch nicht mit seinem Argument durchdringen, dass seine usbekische Anwaltszulassung aufgrund anderer Rechtsvorschriften "der Rechtsanwaltszulassung in einem EU-Mitglieds- oder einem ihm nach § 16 EuRAG gleichgestellten Staat" gleichzustellen sei.
Wie das Verwaltungsgericht zutreffend ausgeführt hat, lässt sich eine solche Schlussfolgerung insbesondere nicht aus der von dem Antragsteller dafür herangezogenen Richtlinie 2003/109/EG des Rates vom 25. November 2003 betreffend die Rechtsstellung der langfristig aufenthaltsberechtigten Drittstaatsangehörigen (ABl. EG L Nr. 16 S. 44) ziehen.
Insoweit kann dahinstehen, ob diese Richtlinie, die gemäß Art. 249 Abs. 3 EG grundsätzlich der mitgliedstaatlichen Umsetzung bedarf, überhaupt zu Gunsten des Antragstellers unmittelbar anwendbar ist (vgl. zu den Voraussetzungen: BVerwG, Urt. v. 30.4.2003 - 6 C 6/02 -, BVerwGE 118, 128 ff. m. w. N.). Ebenso wenig muss die Frage geklärt werden, ob diese Richtlinie, die gemäß Art. 3 Abs. 2 d) auf Flüchtlinge keine Anwendung findet, überhaupt zu Gunsten des Antragstellers gilt, der zwar nicht unmittelbar als Flüchtling im Sinne der Genfer Flüchtlingskonvention anerkannt ist, aber aufgrund seiner Aufnahme nach dem inzwischen außer Kraft getretenen Gesetz über Maßnahmen für im Rahmen humanitärer Hilfsaktionen aufgenommene Flüchtlinge (sog. Kontingentflüchtlingsgesetz) vom 22. Juli 1980 (BGBl. I S. 1057) gemäß § 1 Abs. 1 die Rechtsstellung eines Flüchtlings nach der Genfer Flüchtlingskonvention genießt.
In jedem Fall verpflichtet die Richtlinie die Bundesrepublik Deutschland als EU-Mitgliedstaat nicht, die usbekische Anwaltszulassung des Antragstellers einer Anwaltszulassung in einem EU-Mitgliedstaat oder in einem nach dem EuRAG gleichgestellten Staat gleich zu behandeln. Art. 11 Abs. 1 c) der Richtlinie 2003/109/EG enthält vielmehr nur die Verpflichtung, einen langfristig Aufenthaltsberechtigten "hinsichtlich der Anerkennung der berufsqualifizierenden Diplome, Prüfungszeugnisse und sonstiger Befähigungsnachweise gemäß den einschlägigen nationalen Verfahren wie eigene Staatsangehörige zu behandeln". Auch ein deutscher Staatsangehöriger könnte jedoch mit einer usbekischen Rechtsanwaltszulassung nicht zu der hier in Rede stehenden Eignungsprüfung zugelassen werden. Dies gilt selbst dann, wenn ein deutscher Staatsangehöriger - anders als der Antragsteller - zwar die erste juristische Staatsprüfung in Deutschland erfolgreich abgeschlossen hat, nicht aber über die darüber hinaus nach § 4 BRAO, § 5 DRiG grundsätzlich für den Zugang zum Anwaltsberuf in Deutschland erforderliche zweite Staatsprüfung verfügt (vgl. BVerwG, Beschl. v. 20.7.1999 - 6 B 51/99 -, NJW 1999, 3572 [BVerwG 20.07.1999 - 6 B 51/99] f.; BGH, Beschl. v. 19.9.2003 - AnwZ (B) 74/02 -, NJW 2003, 3706 ff.; VGH Mannheim, Beschl. v. 22.8.2005 - 9 S 331/05 - BRAK-Mitt. 2006, 45 f. mit Anm. von Eichele).
Ebenso wenig ergibt sich aus der Aufnahme des Antragstellers nach dem Kontingentflüchtlingsgesetz die von ihm gewünschte Privilegierung seiner usbekischen Anwaltszulassung. Nach § 1 Abs. 1 Kontingentflüchtlingsgesetz genießen nach diesem Gesetz aufgenommene Ausländer im Bundesgebiet die Rechtsstellung nach den Art. 2 bis 34 der Genfer Flüchtlingskonvention. Die von dem Antragsteller sinngemäß geltend gemachte Verpflichtung, die Berufsberechtigung eines Flüchtlings aus seinem Heimatstaat der Berechtigung zur Ausübung eines entsprechenden Berufs in dem Aufnahmestaat des Flüchtlings gleichzustellen, ergibt sich aus der Genfer Flüchtlingskonvention, insbesondere dessen Art. 7, 18, 19 und 22, jedoch nicht.
Wie der Antragsgegner schon mit Scheiben vom 6. Dezember 2004 zutreffend ausgeführt hat, ist in diesem Verfahren nicht darüber zu entscheiden, ob der usbekische Studienabschluss und/oder die usbekische Anwaltslizenz des Antragstellers mit der ersten und/oder der zweiten juristischen Staatsprüfung gleichwertig sind und ihm insoweit gemäß § 4 BRAO der gewünschte Zugang zum Rechtsanwaltsberuf im Bundesgebiet eröffnet bzw. zumindest erleichtert wird. Dem Antragsgegner steht insoweit keine Entscheidungskompetenz zu. Er entscheidet vielmehr gemäß § 18 Abs. 1 EuRAG in Verbindung mit der Vereinbarung nach § 18 Abs. 2 EuRAG zur Gründung des gemeinsamen Prüfungsamtes nur über die Zulassung und Abnahme der Eignungsprüfung gemäß §§ 16 ff. EuRAG. Im Übrigen ist die Entscheidungskompetenz bei den zuständigen niedersächsischen Landesbehörden verblieben. Die Gleichstellung des vom Antragsteller in Usbeskistan erworbenen juristischen Studienabschlusses mit dem ersten Staatsexamen und seiner usbekischen Anwaltszulassung mit dem erfolgreichen Abschluss der zweiten juristischen Staatsprüfung ist aber bereits durch bestandskräftigen Bescheid des Niedersächsischen Justizministeriums vom 25. Oktober 2001 versagt worden, und zwar zu Recht (vgl. Urteil des VG Hannover v. 22.4.2004 - 6 A 5052/01 sowie Beschl. des Nds. OVG v. 22.11.2004 - 2 LA 952/04 -). Denn die Anerkennung ausländischer juristischer Abschlüsse ist nach den maßgeblichen Vorschriften des Deutschen Richtergesetzes grundsätzlich ausgeschlossen (vgl. § 5 DRiG i. V. m. § 4 BRAO). Ausnahmen bilden lediglich die Vorschriften des § 112 DRiG, § 10 Abs. 2 BVFG sowie § 15 des Gesetzes für die Rechtsstellung heimatloser Ausländer im Bundesgebiet. Der Antragsteller zählt jedoch nicht zu dem nach diesen Bestimmungen begünstigten Personenkreis. Eine entsprechende Anwendung dieser Anerkennungsvorschriften, die als Ausnahmeregelung anzusehen sind, ist unzulässig (vgl. BVerwG, Beschl. v. 10.7.1996 - 6 B 8/95 -, NJW 1996, 2945 f.; Urt. v. 28.8.1986 - 2 C 38/83 -, NJW 1987, 1779 f.).
Der sich somit ergebende Ausschluss von Personen, die in keinem Mitgliedstaat der EU, des EWR oder der Schweiz die Voraussetzungen für den unmittelbaren Zugang zum Anwaltsberuf erfüllen, von der Eignungsprüfung nach § 16 EuRAG und von dem unmittelbaren Zugang zur Rechtsanwaltstätigkeit in Deutschland gemäß § 4 BRAO, verstößt auch nicht gegen höherrangiges Recht, ist insbesondere mit Art. 3 Abs. 1 und Art. 12 Abs. 1 GG sowie den Diskriminierungsverboten des Europäischen Gemeinschaftsrechts vereinbar (vgl. nochmals den bereits zuvor angeführten Beschluss des BVerwG vom 26.10.1999; die gegen diese Entscheidung erhobene Verfassungsbeschwerde ist mit Beschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 9.2.2000 - 1 BvR 4/00 - nicht zur Entscheidung angenommen worden).