Landessozialgericht Niedersachsen
Urt. v. 22.08.2001, Az.: L 3 KA 183/00

Vergütungsanspruch eines Vertragszahnarztes; Aufhebung von Degressionsbescheiden; Kehrseitentheorie; Honorarverteilungsmaßstab (HVM)

Bibliographie

Gericht
LSG Niedersachsen
Datum
22.08.2001
Aktenzeichen
L 3 KA 183/00
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2001, 15918
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:LSGNIHB:2001:0822.L3KA183.00.0A

Verfahrensgang

vorgehend
SG Hannover - ... - AZ: S 31 KA 301/96

Prozessführer

XXX

Prozessgegner

Kassenzahnärztliche Vereinigung Niedersachsen, D...,

Sonstige Beteiligte

1. AOK-Die Gesundheitskasse für Niedersachsen, Kolumbusstraße 2, 30519 Hannover;

2. BKK-Landesverband Niedersachsen, Hamburger Allee 61, 30161 Hannover;

3. IKK-Landesverband Niedersachsen, Anderter Straße 49, 30629 Hannover;

4. Hannoversche landwirtschaftliche Krankenkasse, Im Haspelfelde 24, 30173 Hannover;

5. Verband der Angestellten-Krankenkassen e. V., Frankfurter Straße 84, 53721 Siegburg;

6. Arbeiter-Ersatzkassen Verband e. V., Frankfurter Straße 84, 53721 Siegburg.

hat der 3. Senat des Landessozialgerichts Niedersachsen in Celle

auf die mündliche Verhandlung vom 22. August 2001

durch

die Richterin am Landessozialgericht E. - als Vorsitzende -,

den Richter am Landessozialgericht F.,

die Richterin am Landessozialgericht G. und

die ehrenamtlichen Richter H. und I.

für Recht erkannt:

Tenor:

Die Urteile des Sozialgerichts Hannover vom 24. März 1999 und vom 25. Oktober 2000 werden geändert.

Der Degressionsbescheid für das Jahr 1993 vom 27. März 1996 wird aufgehoben, soweit in diesem eine größere zu degressierende Punktmenge als 36.433 und ein höherer Degressionsbetrag als 10.219,93 DM festgesetzt worden sind.

Der Bescheid vom 13. Februar 1996 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 18. März 1996 wird aufgehoben.

Die Beklagte wird verurteilt, dem Honorarkonto Nr. 874 des Klägers 109.637,77 DM gutzuschreiben.

Im Übrigen werden die Klagen abgewiesen und die Berufungen zurückgewiesen.

Die Beklagte hat ¾ der notwendigen außergerichtlichen Kosten des Klägers aus beiden Rechtszügen zu erstatten; im Übrigen sind Kosten nicht zu erstatten.

Tatbestand:

1

Der zur vertragszahnärztlichen Versorgung zugelassene Kläger wendet sich zum einen gegen die Degressionsbescheide der Beklagten für die Jahre 1993 und 1994 und zum anderen gegen einen Bescheid vom 13. Februar 1996, mit dem die Beklagte die zuvor ergangenen "Honorarbescheide des Jahres 1994" geändert und gegen den Kläger einen Rückforderungsbetrag in Höhe von 107.964,67 DM festgesetzt hat.

2

Der einen Assistenten beschäftigende Kläger rechnete 1993 über die Beklagte zumindest 473.933 Punkte ab. In Anwendung der Degressionsregelung des § 85 Abs. 4 b Sozialgesetzbuch Buch V Gesetzliche Krankenversicherung (SGB V) hier in der Fassung des Gesetzes vom 21. Dezember 1992, BGBl. I S. 2266 setzte die Beklagte mit Bescheid vom 07. April 1994 die zu degressierende Punktmenge auf 36.433 und den Degressionsbetrag 10.219,93 DM fest. Mit weiterem Degressionsbescheid vom 22. April 1994 setzte sie die zu degressierende Punktmenge auf 37.127 und den Degressionsbetrag auf 10.414,29 DM fest. Die gegen beide Bescheide vom Kläger eingelegten Widersprüche wies die Beklagte mit Bescheid vom 12. September 1994 zurück. Hiergegen hat der Kläger am 12. Oktober 1994 Klage erhoben. Im Klageverfahren hat die Beklagte einen "endgültigen Degressionsbescheid 1993" vom 27. März 1996 erlassen, in dem nunmehr die zu degressierende Punktmenge auf 40.847 und der Degressionsbetrag auf 11.893,03 DM festgesetzt worden sind.

3

Im Abrechnungsjahr 1994 rechnete der Kläger über die Beklagte mindestens 539.128 Punkte ab, wobei er wiederum einen Assistenten beschäftigte. Mit Bescheid vom 22. September 1997 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 05. Februar 1998 setzte die Beklagte die zu degressierende Punktmenge auf 101.628 und den Degressionsbetrag auf 28.220,82 DM fest. Hiergegen hat der Kläger am 24. Februar 1998 Klage erhoben.

4

Für die vier Quartale des Abrechnungsjahres 1994 richtete die Beklagte an den Kläger jeweils eine "Vierteljahresabrechnung", der keine Rechtsbehelfsbelehrung beigefügt war. Diese Vierteljahresabrechnungen enthielten eine Vielzahl von Buchungspositionen. Unter anderem wiesen sie folgende Honorargutschriften für konservierende und chirurgische Leistungen aus:

QuartalHonorargutschrift in DM
I/1994171.580,94
II/1994162.549,08
III/1994176.849,03
IV/1994129.426,38
5

Darüber hinaus waren in den Quartalsabrechnungen I/94, II/94 und III/94 Honorargutschriften für die Behandlung von Kieferbruch und von Parodontose vermerkt. Ohne die Berücksichtigung diverser in den Honorarabrechnungen aufgeführter "Honorarnachzahlungen" belief sich die Gesamtsumme der Gutschriften für die Bereiche konservierende und chirurgische Leistungen, Leistungen bei Kieferbruch und bei Parodontose auf knapp 700.000,00 DM.

6

In der Vierteljahresabrechnung III/94 war u.a. als Lastschrift ein Betrag von 41.768,01 DM mit dem Vermerk "Budget-Abzug aus RESTZ." ausgewiesen; in gleicher Höhe erfolgte mit der Vierteljahresabrechnung für das folgende Quartal eine nicht näher beschriebene "Budget-Gutschrift".

7

Mit - bestandskräftigem - Widerspruchs-Bescheid vom 28. November 1994 setzte die Beklagte die individuelle Bemessungsgrundlage des Klägers für das Jahr 1994 auf 542.803,11 DM fest. Dabei berücksichtigte sie, dass dieser von April bis November 1992 und von Januar 1993 bis Dezember 1994 jeweils einen Assistenten beschäftigt hatte.

8

Mit Bescheid vom 13. Februar 1996 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 18. März 1996 änderte die Beklagte "die Honorarbescheide des Jahres 1994" und setzte einen von dem Kläger an die Beklagte zu erstattenden Betrag auf 107.964,67 DM fest. Zur Begründung erläuterte sie, dass in den Quartalsabrechnungen I - IV/94 die Honorare für konservierende und chirurgische Leistungen sowie für die Behandlung von Kieferbruch insgesamt in einer Höhe von 650.786,16 DM festgesetzt worden seien. Die auf der Grundlage des Honorarverteilungsmaßstabes (HVM) festgesetzte individuelle Bemessungsgrundlage in Höhe von 542.803,11 DM werde damit um den Betrag von 107.983,05 DM überschritten, der nunmehr nach Maßgabe des allgemeinen öffentlich-rechtlichen Erstattungsanspruches zurückgefordert werde.

9

Hiergegen hat der Kläger am 17. April 1996 Klage erhoben.

10

Mit Urteilen vom 24. März 1999, dem Kläger zugestellt am 14. April 1999, hat das Sozialgericht die "endgültigen Degressionsbescheide" der Beklagten vom 27. März 1996 und vom 22. September 1997 in "vorläufige" Degressionsbescheide umgedeutet und im Übrigen die Klagen gegen diese Degressionsbescheide abgewiesen. Zur Begründung hat es dargelegt, dass die angefochtenen Bescheide die von Verfassungs wegen nicht zu beanstandenden gesetzlichen Vorgaben des § 85 Abs. 4 b SGB V zutreffend umgesetzt hätten. Allerdings hätten die von der Beklagten als "endgültige" Bescheide bezeichneten Degressionsabrechnungen nur als vorläufige Bescheide ergehen dürfen, da die maßgeblichen Punktmengen- und Honorarberechnungen noch nicht endgültig festgestanden hätten.

11

Gegen diese Urteile hat der Kläger am 11. Mai 1999 jeweils Berufung eingelegt.

12

Die Klage gegen den Rückforderungsbescheid vom 13. Februar 1996 hat das Sozialgericht mit Urteil vom 25. Oktober 2000 abgewiesen. Zur Begründung hat es darauf hingewiesen, dass die in diesem Bescheid vorgenommene "Absetzung" den Vorgaben des von Rechts wegen nicht zu beanstandenden HVM's entsprochen habe. Gegen dieses am 01. Dezember 2000 zugestellte Urteil hat der Kläger am 31. Dezember 2000 Berufung eingelegt.

13

Die Berufungen sind vom Senat zur gemeinsamen Verhandlung und Entscheidung verbunden worden.

14

Zur Begründung macht der anwaltlich vertretene Kläger insbesondere geltend, dass Zahnärzte bei den Gerichten keine "Lobby" hätten. Ein Zahnarzt, der auf Kosten des Familienlebens und seiner Gesundheit viele Patienten behandele, werde durch die Degression geradezu bestraft. Darüber hinaus habe die Beklagte zu seinen Ungunsten außer Acht gelassen, dass er nach den Vorgaben des HVM's unter Berücksichtigung der Überschreitung der individuellen Bemessungsgrundlage nicht alle Punkte vergütet erhalten habe, die in die Degressionsberechnung eingestellt worden seien. Auch im Übrigen seien die Berechnungen der Beklagten nicht nachvollziehbar.

15

Auch der Rückforderungsbescheid vom 13. Februar 1996 sei rechtswidrig. Die Beklagte habe die entsprechenden Honorarbeträge zuvor ohne Vorbehalt ausgezahlt.

16

Der Kläger beantragt,

  1. 1.

    die Urteile des Sozialgerichts Hannover vom 24. März 1999 und vom 25. Oktober 2000 sowie den Degressionsbescheid vom 27. März 1996, den Degressionsbescheid vom 22. September 1997 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 05. Februar 1998 und den Bescheid vom 13. Februar 1996 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 18. März 1996 aufzuheben und

  2. 2.

    die Beklagte zu verurteilen an ihn 148.078,52 DM zu zahlen, hilfsweise, diesen Betrag seinem Honorarkonto gutzuschreiben.

17

Die Beklagte beantragt,

die Berufungen zurückzuweisen.

18

Sie verteidigt die angefochtenen Urteile und hebt hervor, dass die Quartalsabrechnungen reine Rechenwerke gewesen seien. Bezeichnenderweise sei seinerzeit auch noch nicht der Begriff eines Honorarbescheides gebräuchlich gewesen. Dementsprechend sei 1994 auch noch nicht mit der heute üblichen Klarheit zwischen der Feststellung des Abrechnungsergebnisses und der Honorarzuteilung auf der Grundlage des HVM's unterschieden worden.

19

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und auf den Inhalt der beigezogenen Verwaltungsvorgänge der Beklagten Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

20

Die zulässige Berufung hat teilweise Erfolg. Der Rückforderungsbescheid vom 13. Februar 1996 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 18. März 1996 ist rechtswidrig und verletzt den Kläger in seinen Rechten. Demgegenüber vermag der Kläger mit seinen Angriffen gegen den Degressionsbescheid 1993 nur hinsichtlich eines kleinen Teilbetrages und hinsichtlich des Degressionsbescheides 1994 überhaupt nicht durchzudringen, so dass insoweit die angefochtenen Urteile des Sozialgerichtes im Übrigen nur insofern zu ändern sind, dass die dort vorgenommene Umdeutung der "endgültigen Degressionsbescheide" in vorläufige Bescheide mangels der erforderlichen Rechtsgrundlage aufzuheben ist.

21

1.

Soweit die Beklagte in dem - nach § 96 Sozialgerichtsgesetz (SGG) zum Gegenstand des vorliegenden Verfahrens gewordenen - (Änderungs-)Bescheid vom 27. März 1996 für das Abrechnungsjahr 1993 die zu degressierende Punktmenge auf 40.847 und den Degressionsbetrag auf 11.893,03 DM festgesetzt hat, ist dies zunächst rechtswidrig, soweit dieser Bescheid zu Lasten des Klägers von dem vorausgegangenen ersten Degressionsbescheid vom 07. April 1994 abwich. In diesem Bescheid ist lediglich eine zu degressierende Punktmenge von 36.433 Punkten und ein Degressionsbetrag von 10.219,93 DM festgesetzt worden. Ungeachtet der Anfechtung dieses Bescheides durch den Kläger war die Beklagte an diesen zu Gunsten des Klägers insofern gebunden, als sie nicht zu Lasten des Klägers eine noch höhere zu degressierende Punktmenge bzw. einen noch höheren Degressionsbetrag festsetzen durfte. Eine Rechtsgrundlage, diesen ersten Bescheid insofern zu Lasten des Klägers zu korrigieren, ist weder von der Beklagten dargetan worden noch sonst ersichtlich. Namentlich ist der Erstbescheid vom 07. April 1994 nicht mit einem entsprechenden Vorbehalt versehen worden oder sonst als eine nur vorläufige Einschätzung gekennzeichnet worden. Einer (ohnehin im - nicht ausgeübten - Ermessen der Beklagten stehende) Rücknahme nach § 45 Abs. 1 SGB X standen die Regelungen des § 45 Abs. 2 und Abs. 4 Satz 1 SGB X entgegen.

22

2.

Soweit die Beklagte für das Jahr 1993 eine zu degressierende Punktmenge von 36.433 Punkten und einen Degressionsbetrag in Höhe von 10.219,93 DM und für das Jahr 1994 in dem angefochtenen Bescheid vom 22. September 1997 eine zu degressierende Punktmenge von 101.628 Punkten und einen Degressionsbetrag in Höhe von 28.220,82 DM festgesetzt hat, verletzen die angefochtenen Bescheide den Kläger nicht in seinen Rechten. Nach § 85 Abs. 4 b SGB V verringert sich der Vergütungsanspruch eines Vertragszahnarztes ab einer Gesamtpunktmenge aus vertragszahnärztlicher Behandlung (einschließlich der Versorgung mit Zahnersatz und Zahnkronen sowie kieferorthopädischer Behandlung) von 350.000 Punkten je Kalenderjahr mit der Maßgabe, dass von diesem Grenzwert an sich der Vergütungsanspruch für jede weitere vertragszahnärztliche Behandlung im Sinne des § 73 Abs. 2 Nr. 2 SGB V um 20 v. H., ab einer Punktmenge von 450.000 Punkten sogar um 30 v. H. mindert. Beschäftigt eine Zahnarzt - wie der Kläger - im maßgeblichen Abrechnungsjahr einen Assistenten, dann sieht § 85 Abs. 4 b Satz 10 SGB V eine Erhöhung dieser Punktzahlen um 25 % vor, dieser Erhöhung hat die Beklagte in den angefochtenen Bescheiden bereits Rechnung getragen.

23

Gegen diese gesetzliche Degressionsregelung bestehen keine verfassungsrechtlichen Bedenken. Sie erweist sich vielmehr als verfassungskonforme Regelung der Berufsausübung der Vertragszahnärzte im Sinne des Art. 12 Abs. 2 Grundgesetz (GG) und verletzt weder das Gleichbehandlungsgebot des Art. 3 Abs. 1 GG noch das Rechtsstaatsprinzip (Art. 20 Abs. 3, 28 Abs. 1 GG). Dies hat im Einzelnen bereits das Bundessozialgericht (BSG) im Urteil vom 14. Mai 1997 (6 R Ka 25/96 - SozR 3-2500 § 85 SGB V Nr. 22) dargelegt.

24

Insbesondere hat das BSG in dem genannten Urteil, auf das im Übrigen zur Vermeidung von Wiederholungen Bezug genommen wird, Folgendes ausgeführt:

25

Aus den Gesetzesmaterialien ergibt sich, dass mit der Regelung des § 85 Abs. 4 b ein Teil des auch von der Zahnärzteschaft im Interesse der Sicherung der finanziellen Stabilität der gesetzlichen Krankenversicherung zu erbringenden Einsparvolumens im Hinblick auf das Ziel einer gerechten Lastenverteilung auf die umsatzstärksten Praxen konzentriert werden sollte. Darüber hinaus wird diese Art der Verteilung teils mit dem Anliegen der Qualitätssicherung, teils auch mit degressiv sinkenden Fixkosten bei steigenden Umsätzen gerechtfertigt. Die gesetzlich vorgesehene Punktwertdegression ist geeignet und notwendig, das Erreichen dieser wichtigen Gemeinwohlbelange zu befördern. Bei der gebotenen Gesamtabwägung zwischen der Schwere des durch die Punktwertdegression hervorgerufenen Eingriffs in die Berufsausübungsfreiheit und dem Gewicht der ihn rechtfertigenden Gründe bleibt die Grenze der Zumutbarkeit bei der gebotenen generalisierenden Betrachtungsweise gewahrt.

26

Die Regelung des § 85 Abs. 4 b SGB V enthält sinngemäß zugleich auch die erforderliche Ermächtigung (vgl. zu diesem Erfordernis Bundesverwaltungsgericht - BVerwG -, Urteil vom 29. November 1985 - 8 C 105.83 - E 72, 265) für die Kassenzahnärztlichen Vereinigungen (KVZ), die Höhe der zu degressierenden Punktmenge und die Höhe des Degressionsbetrages für das jeweilige Kalenderjahr (endgültig) bescheidmäßig festzustellen.

27

Die Umsetzung dieser verfassungsmäßigen gesetzlichen Regelungen durch die Beklagte beinhaltet keine Rechtsfehler zu Lasten des Klägers.

28

Insbesondere ist die Festsetzung der zu degressierenden Punktmenge auch unter dem Gesichtspunkt einer kumulierenden Wirkung von Budgetierung und degressivem Punktwert nicht zu beanstanden. Die Auswirkungen einer im HVM der Beklagten vorgesehenen Budgetierung sind bei der Degressionsberechnung ohnehin nicht zu berücksichtigen. Vielmehr ist vorrangig die Degression nach § 85 Abs. 4 b SGB V vorzunehmen; erst nach Durchführung der Degression kann berechnet werden, inwieweit der betroffene Zahnarzt mit den (gegebenenfalls degressierten) Honorareinnahmen die nach Maßgabe des HVM's ermittelte individuelle Bemessungsgrenze überschritten hat. Nur dieses Verhältnis der beiden im vorliegenden Fall in Betracht zu ziehenden Kürzungsschritte trägt den gesetzlichen Vorgaben Rechnung. Die gesetzliche Punktwertdegression soll vorrangig der Sicherung der finanziellen Stabilität der gesetzlichen Krankenversicherung dienen (vgl. BSG, Urteil vom 14. Mai 1997, a.a.O.). Die angestrebte Stabilisierung der Finanzlage der gesetzlichen Krankenversicherung soll nach dem gesetzlichen Regelungskonzept auf dem Weg erreicht werden, dass die sich bei einzelnen Vertragszahnärzten ergebenden Vergütungskürzungen aus allen Leistungsbereichen an die Krankenkassen weiterzuleiten sind und nicht im Wege einer Honorarverteilung den übrigen Vertragszahnärzten zu Gute kommen dürfen (BSG, a.a.O.). Bereits dieses Ziel der Stabilisierung der Finanzlage der gesetzlichen Krankenkassen macht deutlich, dass die Höhe der an die Krankenkasse weiterzuleitenden Vergütungskürzung nicht davon abhängig gemacht werden darf, ob und inwieweit die gegenüber dem SGB V nachrangigen Bestimmungen des jeweiligen HVM's der einzelnen KZVen Honorarkürzungen bei Überschreitung bestimmter Budgetgrenzen vorsehen.

29

Auch die Festsetzung der Degressionsbeträge in Höhe von 11.893,03 DM und 28.220,82 DM verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten . Die Beklagte hat in Anwendung des § 85 Abs. 4 b SGB V und unter Berücksichtigung der diese gesetzlichen Vorgaben konkretisierenden Vereinbarung über die Anwendung der Degressionsbestimmungen gemäß § 85 Abs. 4 b - f SGB V, die die Beklagte am 01. Dezember 1993 mit dem AOK-Landesverband Niedersachsen, dem Landesverband der Betriebskrankenkassen und dem IKK-Landesverband Niedersachsen getroffen hat (im Folgenden: Degressionsvereinbarung), die genannten Beträge unter Berücksichtigung der jeweils um 20 % zu degressierenden Punktmenge von 36.433 Punkten im Jahr 1993 und 101.628 im Jahr 1994 zutreffend errechnet. In Anwendung der Degressionsvereinbarung, die aufgrund eines zwischen der Beklagten und den Ersatzkassen erzielten Einvernehmens auch im Verhältnis zwischen diesen angewandt wird, hat die Beklagte die über sie abgerechneten Honorar der Jahre 1993 bzw. 1994 aus vertragszahnärztlicher Tätigkeit und der hierzu abgerechneten Gesamtpunktmenge aus vertragszahnärztlicher Tätigkeit je Zahnarztpraxis einen Mischpunktwert gebildet. Die Überschreitungspunktmenge ist jeweils mit dem Mischpunktwert multipliziert worden, um so den jeweiligen Degressionsbetrag zu ermitteln.

30

Rechtliche Bedenken sind gegen diesen der Degressionsvereinbarung entsprechenden Berechnungsmodus nicht zu erheben. Die Degressionsvereinbarung stellt eine Regelung des § 85 Abs. 4 e Satz 5 SGB V dar, mit der die Vertragspartner der Vergütungsverträge Einzelheiten der vorzunehmenden Degressionsberechnung geregelt haben. Die Vorgehensweise trägt dem Umstand Rechnung, dass die Überschreitung der Punktmengengrenze nicht punkt- bzw. datumsgenau, sondern nur abrechnungsbezogen und damit quartalsbezogen ermittelt werden kann (vgl. BSG, Urteil vom 13. Mai 1998 - B 6 KA 38/97 R - ).

31

3.

Da die vom Kläger abgerechneten Punktmengen und die jeweiligen Mischpunktwerte aus der Sicht der Beklagten feststanden, war diese entgegen der Auffassung des Sozialgerichts auch befugt, endgültige Degressionsbescheide zu erlassen. Eine sachgerechte Anwendung der gesetzlichen Vorgaben über die kassenärztliche Vergütung darf nicht darauf hinauslaufen, dass die KZVen erst nach Beendigung aller ein Abrechnungsjahr betreffenden Rechtsstreitigkeiten endgültige Honorarbescheide (und dementsprechend endgültige Degressionsbescheide) erlassen dürfen, zumal dies letztlich darauf hinauslaufen würde, dass es nie zu einer endgültigen Regelung kommen könnte. Dementsprechend ist für die vom Sozialgericht vorgenommene Umdeutung des "endgültigen" Degressionsbescheides in einen nur "vorläufigen" Bescheid kein Raum. Überdies hat das Sozialgericht die Grenzen des § 123 SGG überschritten; auch mangelt es der vorgenommenen Umdeutung an der gegebenenfalls erforderlichen näheren Bestimmung, in welcher Hinsicht und nach Maßgabe welcher Bedingungen der Bescheid als ein nur "vorläufiger" zu gelten habe (vgl. BSG, Urteil vom 28. November 1990 - 4 RLw 5/90 - SozR 3-1300, § 32 SGB X Nr. 4).

32

4.

Der des Weiteren angefochtene Rückforderungsbescheid vom 13. Februar 1996 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 18. März 1996 ist hingegen insgesamt rechtswidrig und daher aufzuheben. Der Bescheid enthält zwei Regelungen: Zum einen werden "die Honorarbescheide des Jahres 1994" geändert, zum anderen wird gegen den Kläger ein Rückforderungsbetrag in Höhe von 107.964,67 DM festgesetzt.

33

a.

Soweit "die Honorarbescheide" des Jahres 1994 geändert werden, mangelt es dem angefochtenen Bescheid bereits an der erforderlichen Bestimmtheit. Als solche ausdrücklich ausgewiesene "Honorarbescheide" hat die Beklagte für das Jahr 1994 ohnehin nicht erlassen, in Betracht käme lediglich eine Änderung des Vierteljahresabrechnungen. Selbst wenn aus der maßgeblichen Sicht des Empfängerhorizontes noch hinreichend deutlich erkennbar gewesen sein sollte, dass eben diese Vierteljahresabrechnungen gemeint worden sein sollten, dann war aber jedenfalls nicht mehr erkennbar, in welcher Form die Änderung vorgenommen werden sollte. Da insgesamt vier Vierteljahresabrechnungen für das Jahr 1994 an den Kläger gesandt worden sind, hätte die Beklagte bezüglich einer jeden dieser vier Abrechnungen in dem angefochtenen Änderungsbescheid deutlich klarstellen müssen, ob die jeweilige Quartalsabrechnung von der Änderung überhaupt betroffen ist und, falls ja, in welcher Form sie jeweils geändert werden sollte. Entsprechende klarstellende Hinweise lassen sich dem angefochtenen Bescheid jedoch nicht entnehmen. Es bleibt bereits unklar, ob alle vier Quartalsabrechnungen geändert werden sollen oder nur eine oder auch zwei von ihnen.

34

b.

Soweit gegen den Kläger ein Rückerstattungsbetrag in Höhe von 107.964,67 DM festgesetzt worden ist, weist der Bescheid zwar die erforderliche Bestimmtheit auf, insoweit fehlt es jedoch an der erforderlichen Ermächtigungsgrundlage.

35

Insbesondere konnte die Beklagte den streitigen Betrag nicht in Anwendung der so genannten Kehrseitentheorie nach Maßgabe des öffentlich-rechtlichen Erstattungsanspruches durch Verwaltungsakt zurückfordern. Zwar stellt ein Erstattungsanspruch die Kehrseite des Leistungsanspruches dar, was zur Folge hat, dass die öffentlich-rechtliche Körperschaft durch Verwaltungsakt die Erstattung von Leistungen verlangen kann, soweit ein Leistungsanspruch des betroffenen Bürgers auf einem Verwaltungsakt beruhen würde (vgl. BVerwGE 40, 85, 89) [BVerwG 21.04.1972 - VII C 68/70]. Dies setzt jedoch voraus, dass die nunmehr zurückzufordernden Leistungen dem Bürger endgültig zugesprochen werden sollten. Soweit die öffentlich-rechtliche Körperschaft hingegen noch nicht die Leistungsberechtigung überblicken konnte und daher lediglich Vorschüsse (§ 42 Sozialgesetzbuch Buch I Allgemeiner Teil - SGB I -) bzw. so genannte "Vorwegzahlungen" (vgl. BSG, Urteil vom 28. Juni 1990 - 4 RA 57/89 - E 67,104, 119) bewilligt hat, kann eine Rückforderung (durch Verwaltungsakt) erst dann erfolgen, wenn zuvor oder zeitgleich endgültig über das Bestehen eines Leistungsanspruches entschieden worden ist. Diese Voraussetzung ist im vorliegenden Fall nicht gegeben.

36

Mit den vorausgegangenen Vierteljahresabrechnungen sind dem Kläger nicht endgültig bestimmte Geldleistungen zuerkannt worden, vielmehr sind ihm in diesen lediglich weitere Vorschüsse (§ 42 Abs. 1 SGB I) bewilligt worden, die die in den einzelnen Kalendermonaten bereits erbrachten (und dementsprechend in den jeweiligen Abrechnungen als Lastschriften ausgewiesenen) Vorauszahlungen ergänzen sollten. Seit Einführung des gesetzlichen Degressionsregelung des § 85 Abs. 4 b SGB V zum 01. Januar 1993 und der im HVM der Beklagten vorgesehenen Praxisbudgetregelungen zum 01. Januar 1994 (vgl. den rückwirkend zum 01. Januar 1994 in Kraft getretenen HVM der Beklagten vom 11. Januar 1995; zur Rechtmäßigkeit des von der Beklagten mit Wirkung zum 01. Januar 1994 eingeführten Praxisbudgets vgl. auch BSG, Urteil vom 21. Oktober 1998 - B 6 KA 65/97 R - SozR 3-2500 § 85 SGB V Nr. 27 und Urteil vom gleichen Tag - B 6 KA 71/97 R - a.a.O. Nr. 28) erfolgt die Honorarberechnung in drei großen Schritten: Zunächst müssen die von den Vertragszahnärzten abgerechneten Leistungen punktemäßig erfasst werden, die Punkte werden dann mit den in den jeweiligen Gesamtverträgen vorgesehenen Punktwerten multipliziert, um für die jeweiligen Leistungen die Honorarabrechnungsbeträge zu erhalten. Aus diesen Einzelhonorarbeträgen wird dann der abgerechnete Gesamthonorarbetrag eines Jahres ermittelt. Im zweiten Schritt ist dann zu prüfen, ob die abgerechneten Punktmengen die Grenzwerte des § 85 Abs. 4 b SGB V überschreiten, so dass eine Honorarkürzung nach Maßgabe dieser Degressionsbestimmung vorzunehmen ist. Diese Berechnung kann aus den bereits dargelegten Gründen erst nach Abschluss des letzten Abrechnungsquartals endgültig vorgenommen werden. Im dritten Schritt ist schließlich zu prüfen, ob das jeweils abgerechnete - gegebenenfalls nach Maßgabe des § 85 Abs. 4 b SGB V degressierte - Honorar, soweit es die budgetierten Leistungsbereiche betrifft, das individuelle Praxisbudget des betroffenen Vertragszahnarztes überschreitet, gegebenenfalls ist insoweit - vorbehaltlich der Gewährung einer so genannten Restvergütung - eine weitere Honorarkürzung vorzunehmen. Auch diese Berechnung kann erst nach Abschluss des jeweiligen Abrechnungsjahres erfolgen. Erst in diesem dritten Schritt wird das endgültige Honorar des betroffenen Vertragszahnarzte aus dem jeweiligen Abrechnungsjahr ermittelt, dessen Zahlung er gegenüber der KZV beanspruchen kann (soweit diese nicht bereits Vorschüsse in entsprechender Höhe erbracht hat).

37

Die Vierteljahresabrechnungen der Beklagten im Abrechnungsjahr 1994 regelten nicht den jeweiligen Honoraranspruch des Klägers für das maßgebliche Quartal. Für ein entsprechendes Verständnis war schon deshalb kein Raum, weil diese Abrechnungen regelmäßig auch Buchungen, namentlich in Form von Nachzahlungen und Abzugsposten, enthielten, die andere Quartale betrafen. Allerdings wiesen diese Vierteljahresabrechnungen insofern aus der Sicht der Vertragszahnärzte und damit aus dem maßgeblichen Empfängerhorizont eine Regelung auf, als in diese hinreichend bestimmte Einzelpositionen eingestellt worden sind. Namentlich enthielten sie eine Regelung darüber, in welchem Umfang der Vertragszahnarzt in den einzelnen Bereichen Leistungen zu Lasten der dort aufgeführten Kostenträger abgerechnet hatte, soweit den Abrechnungen hinreichend klar zu entnehmen war, auf welchen Zeitraum sich die genannten Beträge beziehen sollten. So ist beispielsweise in der Quartalsabrechnung I/94 verbindlich geregelt worden, dass der Kläger zu Lasten der Ersatzkassen konservierende Leistungen in einem Umfang von 47.655,70 DM zzgl. 1.657,09 DM abgerechnet hat, da insoweit sich aus dem Zusammenhang des Bescheides entnehmen lässt, dass damit die Leistungen im Quartal I/94 gemeint sind. Soweit hingegen beispielsweise in diese Abrechnung pauschal "Honorarnachzahlungen"in Höhe von 10.067,34 DM ausgewiesen sind, mangelt es mangels Bestimmbarkeit dieser Buchung an einer Regelung. Es ist überhaupt nicht ersichtlich, für welchen Leistungsbereich und welchen Zeitraum entsprechende Nachzahlungen gutgeschrieben worden sind. Zur Klarstellung weist der Senat vorsorglich darauf hin, dass den Buchungen in der Vierteljahresabrechnung ein Regelungsgehalt auch insoweit fehlt, wie die Beklagte hierüber eigenständige Verwaltungsakte erlassen hat. Ist die fragliche Position ohnehin gesondert durch Bescheid geregelt worden, dann musste ein verständiger Empfänger ihre Aufnahme in der Vierteljahresabrechnung lediglich als einen nachrichtlichen Hinweis auf die anderweitige Regelung auffassen; ein Wille der Beklagten zur erneuten Regelung derselben Frage in der Honorarabrechnung ist in keiner Weise ersichtlich.

38

Soweit die Beklagte nach Maßgabe der vorstehend erläuterten Grundsätze in den Quartalsabrechnungen die Höhe der von dem betroffenen Vertragszahnarzt in dem jeweiligen Quartal abgerechneten Leistungen festgestellt hat, betraf diese feststellende Regelung allerdings lediglich den ersten Schritt der vorstehend erläuterten dreistufigen Honorarermittlung. Mit dem Ausweis beispielsweise von zu Lasten der Ersatzkassen erbrachter Leistungen wurde lediglich ein entsprechendes Abrechnungsvolumen festgestellt, hiermit wurde jedoch noch keine weitere Regelung darüber getroffen, inwieweit das abgerechnete Volumen auch nach Maßgabe der Degressions- und Budgetbestimmungen im Ergebnis zu vergüten war.

39

Folgerichtig hat die Beklagte in den jeweiligen Vierteljahresabrechnungen gegebenenfalls gesonderte Abzugsbeträge ausgewiesen, sofern das Abrechnungsvolumen aufgrund der Bestimmungen des HVM über das Praxisbudget bzw. der gesetzlichen Degressionsregelung des § 85 Abs. 4 b SGB V nicht in vollem Umfang zu vergüten war. Beispielsweise findet sich in der an den Kläger gerichteten Vierteljahresabrechnung III/94 die Buchung "Budget-Abzug aus RESTZ." in Höhe von 41.768,01 DM. Allein diese Lastschriftbuchung beinhaltete aber noch keine Regelung, dass für das betroffene Quartal aufgrund einer Überschreitung des individuellen Praxisbudgets ein Abzug in dieser Höhe vorzunehmen war. Eine entsprechende Regelung ist dieser Buchung schon mangels hinreichender Bestimmtheit zu entnehmen. Das Kürzel "aus RESTZ." ist bereits aus sich heraus nicht verständlich; erst recht lässt sich der Buchungsbezeichnung nicht entnehmen, bezogen auf welche Leistungen und welchen Zeitraum der Abzug vorgenommen werden soll. Das Schreiben der Beklagten vom 20. Januar 1995, in dem sie den Kläger auf eine entsprechende Überschreitung der individuellen Bemessungsgrundlage hingewiesen hatte, kann ebenfalls nicht als eine entsprechende Regelung verstanden werden, da jener Hinweis ausdrücklich unter der Einschränkung erteilt worden ist, dass sich die Berechnungen allein auf die bislang bereits abgerechneten Leistungen beziehen würden.

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Die jeweiligen Vierteljahresabrechnungen enthielten mithin in dem vorstehend erläuterten Rahmen lediglich Teilregelungen über den Umfang des jeweiligen Quartalsabrechnungsvolumens. Die Frage, ob und inwieweit das Abrechnungsvolumen nach Maßgabe der Degressions- bzw. Budgetbestimmungen weiter zu kürzen war, ist hingegen in den jeweiligen Quartalsabrechnungen nicht geregelt worden. Diese enthielten allenfalls nachrichtliche Hinweise auf anderweitig erlassene Bescheide über die Höhe der Degressionsbeträge bzw. die Höhe der aufgrund der im HVM vorgesehenen Praxisbudgetbestimmungen sich ergebenden Honorarkürzungen. Dementsprechend konnte der betroffene Vertragszahnarzt aus dem Fehlen einer entsprechenden Kürzung auch nicht schließen, dass mit der jeweiligen Vierteljahresabrechnung eine Regelung des Inhalts getroffen werden sollte, dass entsprechende Kürzungen nicht zu erfolgen hatten. Für ein entsprechendes Verständnis der Vierteljahresabrechnungen war aus der Sicht eines verständigen Zahnarztes auch deshalb kein Raum, weil dieser aufgrund von Berichten in der Fachpresse und Mitteilungen der Beklagten jedenfalls in groben Zügen mit den gesetzlichen Degressionsregelungen und den HVM-Bestimmungen über das Praxisbudget vertraut war und daher mit der Möglichkeit entsprechender Kürzungen des abgerechneten Honorarvolumens rechnen musste. Dies gilt erst recht, wenn ein Zahnarzt, wie im vorliegenden Fall der Kläger, die maßgeblichen Grenzbeträge sehr deutlich überschritten hatte.

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Auch unter Berücksichtigung der Interessen der Vertragszahnärzte ist keine anderweitige Interpretation der Vierteljahresabrechnungen der Beklagten geboten. Den Zahnärzten steht es frei, zur Behebung von Unklarheiten den Erlass eines verbindlichen Honorarbescheides für das jeweils abgelaufene Abrechnungsjahr zu beantragen und dessen Erteilung erforderlichenfalls gerichtlich durchzusetzen (§ 88 Abs. 1 Sozialgerichtsgesetz - SGG -). Dabei ist zudem zu berücksichtigen, dass gerade auch im Interesse der betroffenen Vertragszahnärzte eine zurückhaltende Interpretation des Regelungsgehaltes der - ohnehin nicht als "Bescheid" ausgewiesenen - Vierteljahresabrechnungen geboten ist, um zu vermeiden, dass für den Empfänger gar nicht klar ersichtliche, für ihn aber nachteilige Regelungen in Bestandskraft erwachsen können.

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Da die Beklagte die Höhe des dem Kläger für 1994 zustehenden Honorars bei Erteilung der Vierteljahresabrechnung IV/94 auch nicht anderweitig geregelt hatte, namentlich auch das Schreiben vom 27. März 1995 nur einen nachrichtlichen Hinweis auf den damaligen Stand des Abrechnungsvorganges enthielt, und da diese Abrechnung aus den bereits dargelegten Gründen ihrerseits keine Regelung bezüglich der Höhe des dem Kläger endgültig zustehenden Honorars enthielt, konnte die in dieser Abrechnung - ebenso wie in den Abrechnungen für die Vorquartale - ausgewiesene Restzahlung aus der Sicht eines verständigen Empfängers nur als eine Vorschusszahlung im Sinne des entsprechend anzuwendenden § 42 Abs. 1 SGB I verstanden werden (vgl. einerseits zur analogen Anwendung des § 42 SGB I: BSG, Urteil vom 12. Mai 1992 - 2 RU 7/92 - SozR 3-1200, § 42 SGB I Nr. 2, und Urteil vom 16. November 1995 - 4 RLw 4/94 - SozR 3-1300 § 31 Nr. 10, und andererseits zur analogen Anwendung von Vorschriften des SGB I auf den kassenärztlichen Honoraranspruch: BSG, Urteil vom 20. Dezember 1983 - 6 RKa 19/82 - E 56, 116, und Urteil vom 10. Mai 1995 - 6 RKa 17/94 - SozR 3-1200 § 45 SGB I Nr. 5). Solche Vorschüsse sind nach § 42 Abs. 2 SGB I auf die zustehenden Leistungen anzurechnen. Soweit sie diese übersteigen, sind sie vom Empfänger zu erstatten (Satz 2). Auch gestützt auf diese Ermächtigungsgrundlage konnte die Beklagte den angefochtenen Rückforderungsbescheid jedoch nicht erlassen. Mit der Regelung, dass die Vorschüsse auf die "zustehenden" Leistungen anzurechnen sind, macht das Gesetz deutlich, dass eine solche Anrechnung bzw. eine Erstattung des überschießenden Betrages erst nach Ermittlung und Festsetzung des Umfanges der zustehenden Leistungen in Betracht kommt. Ein solches Verständnis ist auch nach dem Sinn und Zweck der gesetzlichen Vorschussregelung des § 42 Abs. 1 SGB I geboten. Vorschüsse sollen die Zeit der Ungewissheit bis zur endgültigen bescheidmäßigen Regelung des Umfanges der zustehenden Leistungen überbrücken. Es wäre widersinnig, wenn die Verwaltung geleistete Vorschüsse bereits zu einem Zeitpunkt zurückfordern könnte, in dem sie noch gar nicht endgültig über den Umfang der zustehenden Leistungen entschieden hat und dementsprechend unklar bleibt, ob die zurückgeforderten Vorschüsse nicht im Ergebnis doch dem Empfänger zu belassen sind.

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Im vorliegenden Fall fehlt es aber gerade an der erforderlichen Regelung, in welcher Höhe dem Kläger für das Jahr 1994 ein Honoraranspruch zusteht. Namentlich enthält auch der angefochtene Rückforderungsbescheid vom 13. Februar 1996 in der maßgeblichen Fassung des Widerspruchsbescheides vom 18. März 1996 keine Regelung der Frage, in welchem Umfang der Kläger für 1994 von der Beklagten Honorar beanspruchen kann. Es finden sich lediglich Hinweise zu den Honoraren in den Teilbereichen konservierende und chirurgische Behandlung und Behandlung Kieferbrüchen, im Übrigen lassen die angefochtenen Bescheide aber gerade offen, in welchem Umfang der Kläger für 1994 ein Honorar beanspruchen kann.

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Dabei ist ohnehin nicht verständlich, weshalb die Beklagte nur auf die Bereiche konservierende und chirurgische Behandlung sowie Behandlung von Kieferbrüchen abgestellt hat, den - ebenfalls von den Bestimmungen über das Praxisbudget erfassten - Bereich der Parodontosebehandlung aber im Rahmen des angefochtenen Bescheides außer Acht gelassen hat. Der Bescheid lässt überdies nicht mit der gebotenen Klarheit erkennen, inwieweit die Beklagte dem Umstand Rechnung getragen hat, dass aus den bereits dargelegten Gründen bei der Ermittlung einer Überschreitung des individuellen Praxisbudget lediglich diejenigen Honorarbeträge berücksichtigt werden dürfen, die bereits nach § 85 Abs. 4 b SGB V degressiert worden sind. Schließlich kommt eine Rückforderung von Honorarvorauszahlungen aufgrund einer Überschreitung der individuellen Bemessungsgrundlage insoweit nicht in Betracht, wie dem betroffenen Zahnarzt eine so genannte Restvergütung zusteht und sich deren Höhe im Zeitpunkt der letzten Verwaltungsentscheidung bereits ermitteln lässt.

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1.

Soweit die Beklagte die erbrachten Vorschussleistungen in Höhe des genannten Betrages vom 107.964,67 DM bislang ohne Rechtsgrund von dem Kläger zurückgefordert hat und soweit sie mit Bescheid vom 27. März 1996 für das Jahr 1993 mit 11.893,03 DM einen höheren Degressionsbetrag festgesetzt hat als dieser unter Berücksichtigung des vorausgegangenen Bescheides vom 07. April 1994 in Höhe von 10.219,93 DM rechtmäßig war, ist die Beklagte zur Rückerstattung verpflichtet. Dies ergibt einen zu erstattenden Betrag in Höhe von 109.637,77 DM. Allerdings kann der Kläger in Höhe dieses Betrages nicht eine Zahlung, sondern lediglich eine Gutschrift auf sein Honorarkonto beanspruchen. Die Beklagte verrechnet die sich aus dem Vertragszahnarztverhältnis ergebenden wechselseitigen Zahlungsansprüche in sachgerechter Weise nach Art eines Kontokorrents. Die sich daraus ergebende Lähmung der Einzelansprüche (vgl. Baumbach/Duden/Hopp, HGB, 30. Auflage, § 355 Rd.Nr. 7) hat zur Folge, dass der Kläger nicht die Zahlung eines entsprechenden Betrages, sondern lediglich die Einstellung einer entsprechenden Gutschrift in das Kontokorrent beanspruchen kann (vgl. auch Urteile des Senates vom 06. September 2000 - L 3/5 KA 66/99 -), wobei der Kläger sinngemäß eine Gutschrift zu Gunsten seines bei der Beklagten geführten Kontos Nr. 874 begehrt.