Sozialgericht Lüneburg
Urt. v. 12.03.2014, Az.: S 37 AS 1974/10

Berücksichtigung eines Guthabens der Betriebskostenabrechnung bei den Leistungen für Unterkunft und Heizung

Bibliographie

Gericht
SG Lüneburg
Datum
12.03.2014
Aktenzeichen
S 37 AS 1974/10
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2014, 22938
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:SGLUENE:2014:0312.S37AS1974.10.0A

Redaktioneller Leitsatz

  1. 1.

    Die Überweisung der Gutschrift im Rahmen der Betriebskostenabrechnung stellt eine wesentliche Änderung in den Einkommensverhältnissen beim ALG II-Bezug dar. Gem. § 11 Abs. 1 S. 1 SGB II sind grundsätzlich alle Einnahmen in Geld oder Geldeswert bei der Festsetzung der Leistungen als Einkommen zu berücksichtigen. Bei Betriebskostennachzahlungen ist zusätzlich § 22 Abs. 1 S. 4 SGB II a. F. (jetzt: § 22 Abs. 3 SGB II) zu beachten. Danach mindern Rückzahlungen und Guthaben, die dem Bedarf für Unterkunft und Heizung zuzuordnen sind, die Aufwendungen für Unterkunft und Heizung nach dem Monat der Rückzahlung oder der Gutschrift.

  2. 2.

    Zwar bleiben gem. § 22 Abs. 1 S. 4 2. Hs. SGB II Rückzahlungen, die sich auf die Kosten für Haushaltsenergie beziehen, außer Betracht. Ein Anteil für die Haushaltsenergie bzw. Warmwasseraufbereitung kann jedoch nur dann abgezogen werden, wenn eine isolierte Erfassung der tatsächlichen Kosten der Warmwasserzubereitung erfolgt. Die Abrechnung nach der Heizkostenverordnung erfüllt nach der ständigen Rechtsprechung des BSG nicht die Voraussetzungen für eine isolierte Erfassung der Warmwasserbereitung.

Tenor:

Die Klage wird abgewiesen.

Kosten sind nicht zu erstatten.

Tatbestand

Die Beteiligten streiten darüber, ob der Beklagte die Betriebskostengutschrift für das Jahr 2009 leistungsmindernd berücksichtigen durfte.

Die im Jahr 1966 geborene Klägerin stammt aus dem Irak. Neben ihrem Arbeitseinkommen bezieht sie seit mehreren Jahren vom Beklagten aufstockende Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (= SGB II). Mit ihren Kindern, den Klägern zu 2) und zu 3), wohnt sie im Anwesen "J.", zur Miete. Vermieterin ist die K ...

Aufgrund des Weitergewährungsantrags vom 20.04.2010 wurden den Klägern mit dem Bescheid vom 27.04.2010 Leistungen nach dem SGB II für den Zeitraum vom 01.06.2010 - 30.11.2010 bewilligt (Bl. 1215 der Akte des Beklagten (= VA)). Dieser Bescheid wurde mit dem Bescheid vom 06.05.2010 geändert, da der Kläger zu 2) die Beschäftigung bei der Fa. L. beendet hatte. Kosten der Unterkunft und Heizung (= KdU) wurden dabei für den Zeitraum vom 01.09.2010 - 30.11.2010 für die Klägerin zu 1) i. H. v. 232,02 EUR und für die Kläger zu 2) und zu 3) jeweils i. H. v. 231,99 EUR bewilligt (Bl. 1249 VA).

Mit Schreiben vom 10.09.2010 wurde der Klägerin zu 1) von ihrer Vermieterin das Ergebnis der Betriebskostenabrechnung für das Jahr 2009 mitgeteilt. Dabei ergaben sich Gesamtkosten i. H. v. 2.210,97 EUR. Abzüglich der Vorauszahlungen i. H. v. 2.847,00 EUR errechnete sich somit eine Gutschrift i. H. v. 636,03 EUR. Für den Einzelposten Heiz- und Warmwasserkosten wurde ein Betrag i. H. v. 1.116,31 EUR ausgewiesen. Beigefügt war eine entsprechende Einzelabrechnung der Fa. M. (Bl. 1351 VA). Darin waren Warmwasserkosten i. H. v. insgesamt 349,48 EUR enthalten (Grundkosten: 163,19 EUR; Verbrauchskosten: 186,29 EUR). Die Warmwasserkosten waren gem. § 9 der Heizkostenverordnung ermittelt worden. Die Klägerin zu 1) informierte den Beklagten am 29.09.2010 telefonisch über das Schreiben ihrer Vermieterin (Bl. 1347 VA). Die Gutschrift wurde der Klägern zu 1) von ihrer Vermieterin am 01.10. 2010 überwiesen (Bl. 1348 VA).

Mit dem Bescheid vom 12.10.2010 änderte der Beklagte den Bescheid vom 06.05.2010 für den Zeitraum vom 01.11.2010 - 30.11.2000. Zur Begründung wurde ausgeführt, dass die Gut-schrift in voller Höhe dem Beklagten zustehen würde, weil hierdurch die Aufwendungen ge-mindert würden. Die KdU wurden daraufhin für die Klägerin zu 1) für den Monat November 2010 nur noch i. H. v. 21,39 EUR und für die Kläger zu 2) und zu 3) i. H. v. jeweils 21,38 EUR gewährt. Der hiergegen erhobene Widerspruch wurde mit dem Widerspruchsbescheid vom 18.11.2010 unter Berufung auf § 22 Abs. 1 S. 4 SGB II (in der bis zum 31.12.2010 gültigen Fassung = a. F.) zurückgewiesen.

Hiergegen hat der Prozessbevollmächtigte der Klägerin am 15.12.2010 beim Sozialgericht (= SG) Lüneburg Klage erhoben. In der Klagebegründung vom 20.02.2012 hat er geltend gemacht, dass in der Gutschrift auch ein Anteil für die Warmwasserzubereitung bzw. Haus-haltsenergie enthalten sei, der bei der Minderung außer Betracht bleiben müsse. Demgegen-über hat der Beklagte die Auffassung vertreten, dass im Jahr 2009 mehr Betriebskosten gewährt worden seien, als tatsächlich angefallen seien. Insbesondere die Kosten der Warm-wasseraufbereitung seien nicht nur über den im Regelsatz enthaltenen Anteil, sondern zu-sätzlich auch bei Gewährung der KdU gezahlt worden. Daher könne kein Anteil für die Warm-wasseraufbereitung von der Gutschrift abgezogen werden. Demgegenüber hat der Prozess-bevollmächtigte der Kläger geltend gemacht, dass sich aus der Nebenkostenabrechnung der Fa. M. Kosten für die Warmwasseraufbereitung i. H. v. insgesamt 349,48 EUR ergeben würden, was einem Anteil von 15,8 % der gesamten Nebenkosten i. H. v. 2.210,97 EUR entsprechen würde. Daher würde auch auf das zurückgezahlte Guthaben von 636,03 EUR ein Anteil von 15,8 % auf die Warmwasserkosten entfallen. Somit müsse der Betrag von 100,35 EUR bei der Minde-rung außer Betracht bleiben.

Der Prozessbevollmächtigte der Kläger beantragt,

  1. 1.

    den Bescheid des Beklagten vom 13.10.2010 und den Widerspruchsbescheid vom 18.11.2010 aufzuheben,

  2. 2.

    den Beklagten zu verpflichten, den Klägern für November 2010 weitere Leistungen für Unterkunft und Heizung i. H. v. 636,03 EUR zu bewilligen.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Akte des SG Lüneburg und die die Kläger betreffende Leistungsakte des Beklagten Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

Die zulässige Klage ist nicht begründet. Die angefochtene Entscheidung erweist sich als rechtmäßig, da der Beklagte das Guthaben aus der Betriebskostenabrechnung für das Jahr 2009 zu Recht bei den Leistungen für den Monat November 2010 berücksichtigt hat.

Gemäß § 48 Abs. 1 S. 1 SGB X ist ein Verwaltungsakt mit Dauerwirkung mit Wirkung für die Zukunft aufzuheben, soweit in den tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnissen die bei seinem Erlass vorgelegen haben, eine wesentliche Änderung eintritt. Gem. § 48 Abs. 1 S. 2 Nr. 3 SGB X soll der Verwaltungsakt mit Wirkung vom Zeitpunkt der Änderung der Verhältnisse aufgehoben werden, soweit nach Antragstellung oder Erlass des Verwaltungsakts Einkommen oder Vermögen erzielt worden ist, das zum Wegfall oder zur Minderung des Anspruchs geführt haben würde. Diese Voraussetzungen sind hier erfüllt. Die Überweisung der Gutschrift im Rahmen der Betriebskostenabrechnung für das Jahr 2009 i. H. v. 636,03 EUR stellt eine wesentliche Änderung in den Einkommensverhältnissen dar. Gem. § 11 Abs. 1 S. 1 SGB II sind nämlich grundsätzlich alle Einnahmen in Geld oder Geldeswert bei der Festsetzung der Leistungen als Einkommen zu berücksichtigen. Bei Betriebskostennachzahlungen war zusätz-lich § 22 Abs. 1 S. 4 SGB II a. F. (jetzt: § 22 Abs. 3 SGB II) zu beachten. Danach minderten Rückzahlungen und Guthaben, die dem Bedarf für Unterkunft und Heizung zuzuordnen sind, die Aufwendungen für Unterkunft und Heizung nach dem Monat der Rückzahlung oder der Gutschrift. Da das Guthaben aus der Betriebskostenabrechnung 2009 am 01.10.2010 an die Klägerin zu 1) überwiesen wurde, ergibt sich für die Mitglieder der Bedarfsgemeinschaft im Folgemonat November 2010 eine entsprechende Minderung der Aufwendungen für die KdU. Demzufolge konnte der Beklagte den Bescheid vom 06.05.2010 gemäß § 48 Abs. 1 S. 2 Nr. 3 SGB X entsprechend ändern.

Dabei war auch kein Anteil für die Warmwasseraufbereitung heraus zu rechnen. Zwar bleiben gem. § 22 Abs. 1 S. 4 2. Hs. SGB II Rückzahlungen, die sich auf die Kosten für Haushalts-energie beziehen, außer Betracht. Ein Anteil für die Haushaltsenergie bzw. Warmwasserauf-bereitung lässt sich aus der Gutschrift jedoch nicht mit der erforderlichen Bestimmtheit ermit-teln. Zwar ergibt sich aus der Abrechnung der Fa. M. ein Warmwasserkostenanteil i. H. v. ins-gesamt 349,48 EUR. Wie der Prozessbevollmächtigte der Kläger jedoch in der Klagebegründung selbst vorgetragen hat, erfüllt eine Abrechnung nach der Heizkostenverordnung nach der ständigen Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (= BSG) nicht die Vor-aussetzungen für eine isolierte Erfassung der Warmwasserbereitung (BSG, Urt. v. 07.07.2011 - B 4 AS 154/10 R). Da bei den Klägern keine solche isolierte Erfassung der tatsächlichen Kosten der Warm-wasserzubereitung gemäß der Rechtsprechung des BSG erfolgte, konnte auch kein auf die Kosten der Haushaltsenergie entfallender Anteil gemäß § 22 Abs. 1 S. 4 Halbsatz 2 SGB II a. F. aus der Gutschrift herausgerechnet werden (BSG, Urt. v. 16.10.2012 - B 14 AS 188/11 R, Rz. 27, m. w. N.). Allein aus diesem Grund konnte die Gutschrift vom Beklagten zur Gänze zur Minderung der Aufwendungen für die KdU herangezogen werden.

Ergänzend weist die Kammer jedoch darauf hin, dass der Beklagte bei der Gewährung der KdU für das Jahr 2009 seinerzeit keinen Abzug der im Regelsatz enthaltenen Kosten für die Warmwasseraufbereitung vorgenommen hat.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Gründe, die Berufung zuzulassen, sind nicht ersichtlich.